Adam Karrillon
Bauerngeselchtes
Adam Karrillon

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Die Tragödie eines Gänserichs

Rüblikofen war für produktive Zwecke geradezu ideal gelegen. In seinem sumpfigen Gewässer ließen sich Blutegel züchten. Aber auch das liebe Federvieh fand darin ein erfreuliches Fortkommen, namentlich insoweit es aus Enten oder Gänsen zusammengesetzt war. Die letzteren hatten vielleicht von jenen Tagen her, wo Roms Gänseriche das Kapitol retteten, ein altes Sitzrecht auf der Dorfstraße. Sie konnten sich auch, wenn sie vom Sitzen müde waren, nach Belieben darauf herumtreiben, durften den Kopf durch die Gartenzäune stecken und des Nachbars Salat versuchen. Sie durften den jungen Hunden in die Schwänze beißen, und wenn sie selbst die kleinen Mädchen an den Röcken festhielten und sie am Schulbesuch hinderten, so übersah man diese Ungebührlichkeiten, weil sie, die diese Streiche machten, eben die Gänse waren und weil sie die einzigen bevorrechteten Lieferanten der weichen Zudecken waren, 100 unter denen es sich den ganzen Winter über in Rüblikofen so behaglich schnarchen ließ.

In dieses einträchtige Zusammenleben von Mensch und Vieh kam leider eine bedenkliche Disharmonie, als Doktor Lebelang sich in Rüblikofen niederließ. Da diesen Unglücklichen eine niederträchtige Gesundheitsepidemie der Einheimischen an den Rand des Grabes zu bringen drohte, machte er sich daran, Kranke von auswärts zu importieren. Zu diesem Zwecke erfand er das Ozon, ein Ding, das nach der Aussage redseliger Prospekte sich nirgends in solch vorzüglicher Qualität vorfand als über dem Gänsepfuhl zu Rüblikofen. Der Bürgermeister Frühauf griff die Idee, aus seinem Dorfe einen Kurort zu machen, mit beutelüsterner Begeisterung auf und setzte sich mit dem Redakteur des »Rumdidum« in Verbindung. Es dauerte nicht lange, und die ersten Kurfremden wanderten durch die Straßen von Rüblikofen. Zunächst war es nur ein Feldwebel a. D. mit seiner Gattin, welche die Holzbank am Gänsepfuhl bevölkerten, aber diese beiden bereits machten sehr beträchtliche Ausstellungen an den sanitären Einrichtungen des embryonalen Weltbades. Man fand es staunenerregend, daß am Abend die Frösche quakten, und unerhört, daß des Hinterhorchlers braune Kuh schon zwei Nächte lang nach ihrem Kalbe schrie, das der Metzger Hammelbein an einem Batzenstrick nach seinem Schlachthause gezerrt hatte. Überhaupt diese Hinterhorchlers, die waren es, 101 die dem Aufblühen des neuen Weltbades den kalten, konservativen Wind ihres Bauerntums starrköpfig entgegenbliesen. Ließen sie nicht die Jauche ihrer Dunggrube quer über die Straße laufen, und gehörte ihnen nicht auch der Strauchritter von Gänserich, der sich neulich fauchend und feuerspeiend den Feldwebelsleuten entgegengestellt hatte? – –

Man überlegte eine kleine Weile. Man war doch etwas. Man war das erste Kurgastpaar von Rüblikofen, und wenn das Dorf zum Weltbad sich auswuchs, so war einem die Unsterblichkeit gesichert in Gestalt eines Denkmals auf dem Platze, wo jetzt noch ein Dunghaufen die Gegend ziert. Man durfte sich mit solchen Aussichten in die Zukunft nicht alles bieten lassen.

Der Weg zum Ohre der Macht war leicht zu finden. Man brauchte sich ja nur bei dem ewig katzenbuckelnden Badearzt zu beklagen. Dieser dienerte sich an den Bürgermeister Frühauf heran, und die Beschwerdeführer konnten hoffen, daß nach wenig Tagen schon die schätzenswerte Bequemlichkeit der Kurgäste nicht weiter gestört werde.

Daß es dem Schlendrian an den Kragen gehen solle, erfuhr zuerst Herr Haltefest, der Polizeidiener. Man gab ihm eine Schelle in die Rechte und in die Linke einen Zettel, auf dem über einem kreisrunden Bürgermeistereisiegel zu lesen stand, daß jedermann bei schwerer Buße gebunden sei, seinen Hunden 102 Maulkörbe anzulegen und seine Gänse an den Sonn- und Festtagen in ihren Ställen zu halten. Wohlgemerkt, nur an den Sonn- und Feiertagen. Man wollte vorläufig die Empfindsamkeit des Bauernstandes schonen. Wenn erst einmal das erträumte Kurhaus nicht mehr ausschließlich nur in der Luft stand, dann konnte man dem Sonntage die sechs anderen Wochentage angliedern . . . Dann war man mächtig genug, und man brauchte sich durch Rücksichten auf das Bauernpack nicht mehr einengen zu lassen.

Herr Haltefest machte sich also mit seinem Erlaß und seiner Schelle auf den Weg. Gravitätisch pflanzte er sich und seine etwas fadenscheinige Uniform vor dem Wegweiser des Dorfes auf, der mit einem langen Arme nach der Residenz hinwies, von wo alle Autorität kam und jede Gewalt im Himmel und auf Erden.

»Kling, klang, kling!« rief die Schelle in die Morgenbläue hinein, während die Reiber der Fensterflügel in der Nachbarschaft knarrten und blinde Butzenscheiben in ihrer Verbleiung rappelten.

»Kling, klang, kling!« ertönte es noch einmal und diesmal kräftiger als zuvor, damit keiner nachträglich dem Gesetze eine Nase drehen und sagen könne: Er habe die Verkündigung des Erlasses nicht gehört. Und in der Tat, die Eingeborenen wurden aufmerksam. Ein Schuljunge mit einem Ranzen auf dem Buckel blieb stehen. Ein Maurer setzte seinen 103 Schubkarren in Ruh. Eine Magd ließ ihren Eimer in den Brunnentrog fallen und kreuzte die dicken Speckarme über dem prallen Zwillingspaar ihres Busens. Man war geneigt, zu vernehmen, was der Obrigkeit zu befehlen belieben sollte.

In diesem Augenblick von hoher providentieller Bedeutung kam etwas vom Himmel niedergerauscht, was man nicht erwartet und nicht erfleht hatte. Es war Gigack Wackelstörz, der Gänserich des Hauses Hinterhorchler. Er sah sich zunächst das verehrliche Publikum an und dann Herrn Haltefest, den Polizeidiener. Nach der Inspektion stellte er sich neben den letzteren mit erhobenem Kopfe genau so gerade, als ob »Stillgestanden und Augen links gerichtet« – nach dem Wegweiser nämlich – kommandiert worden wäre. Zunächst redete keiner der beiden Charakterdarsteller auf der kleinen Dorfbühne auch nur eine einzige Silbe. Gigack schwieg, weil für ihn vorläufig keine Veranlassung vorlag, das Wort zu ergreifen, und Haltefest, weil er den obrigkeitlichen Erlaß nicht vorlesen konnte, ohne vorher seine Brille geputzt und aufgesetzt zu haben. Nachdem dies geschehen war, und der Lokaltyrann seine Stimmbänder zu außerordentlicher Kraftleistung in gehörige Spannung versetzt hatte, verkündete er urbi et orbi mit emphatischer Betonung: »Es wird hiermit bekannt gemacht, daß jedermann, arm oder reich, von heute ab unter Androhung von Geldbuße ermahnt und 104 gehalten ist, an Sonn- und Feiertagen die Gänse unter Verschluß zu halten:

  1. weil sotanes Lumpenvieh die Reinlichkeit der Gehwege nicht zu respektieren pflegt und
  2. weil sie, durch Beißereien und andere Ungebühr den öffentlichen Frieden gestört zu haben, genügend verdächtig erscheinen.«

Bis zu dem Worte Lumpenvieh hatte Gigack Wackelstörz geschwiegen. Da aber war ihm die Galle ins Blut geschossen, und er fing mit Hintansetzung jeder parlamentarischen Gepflogenheit zu unterbrechen an, indem er mit Indignation herausschmetterte: »Geh mer eweck, geh, geh, geh, geh mer eweck!«

Zunächst heimste das schlagfertige Tier das Gelächter des Publikums und dann einen Fußtritt von seiten des Polizeidieners ein. Doch diese Roheit entkräftete weder Gigacks Gründe, noch schwächte sie seinen Bekennereifer. Furchtlos und unentwegt blieb er dem Herold seiner Knechtschaft auf den Hachsen, und wo immer der obrigkeitliche Erlaß zur Verkündigung kam, da stand auch der Gänserich der Familie Hinterhorchler und schmetterte dem Volke sein: »Geh mer eweck, geh, geh, geh, geh mer eweck« in die Ohren hinein.

Und nicht ohne Erfolg, denn er bekam Sukkurs von seiten der Menschen. Sonst ehrenfeste Bürger blieben stehen und fingen an, den pflichtgetreuen Ausscheller zu hänseln. »Wenn du auf die Bibel 105 hören wolltest, so tätest du, was dieser Flügelmann von dir verlangt,« spottete der Kirchendiener, »Bileam hat seinen Esel verstanden, du aber verstehst nicht deinen Gänserich.«

»Kümmere dich um deinen Klingelbeutel, ausgezuckelter Matjeshering! Du Uzvogel, der du die Bibel nur kennst, wenn du andere zum Besten halten willst. Daß dir das bitterböse Kreuz zwischen den Rippen säße, oder daß du vom Worte Gottes leben müßtest von Neujahr bis Aschermittwoch!« so donnerte Herr Haltefest los gegen seine Feinde.

Nach dieser gottgefälligen Rede hatte er übrigens die Schelle unter den linken Ellenbogen genommen und war brummend und wetternd der nächsten Schnapskneipe zugeschritten. Der Gänserich blieb im unbestrittenen Besitze des Schlachtfeldes. Triumphierend reckte er sich, schlug mit den Flügeln um sich und stieg zuletzt, einem Adler gleich, kreisend empor, der Sonne entgegen.

Für die nächsten Tage hatte Rüblikofen seine Sensation. Der wackere Gänserich war der Mittelpunkt einer jeden Unterhaltung. Er war der Führer der Opposition gegen die Neuerungsgelüste des Rathauses. Die Nullen der Verzagten bekamen Mut und wagten sich vor und hinter den Einser. Hatte nicht vorzeiten eine Gans den Kreuzzug des Matz von Leiningen angeführt? Was einmal war, konnte wieder werden. Wackelstörz war die Hoffnung der 106 Desperaten. Man bewunderte ihn, wo er sich sehen ließ, und man fütterte ihn vor allen Haustüren. Frau Hinterhorchler gar nahm des Abends seine stolze Männerbrust zwischen die Knie und küßte seinen roten Schnabel. Es war ein Gekose, bezaubernd und reizvoll, als ob Leda selig mit ihrem göttlichen Schwane noch einmal auf die Welt gekommen wäre.

Vieles wurde im Lauf der Woche darüber hin- und hergeredet, ob Frau Hinterhorchler es wagen werde, den Riegel ihres Gänsestalles am Sonntag zu öffnen oder nicht. Es gab Leute, die ihrem Mut mißtrauten, die behaupteten: Es werde sich die Widerspenstige zähmen lassen, und sie werde sich dem Befehle der Ortsgewaltigen schon noch beugen. Ein einziger Strafbefehl vom Rathause herunter werde den Inhalt ihrer Milchkasse hinunterschlingen wie der Storch den Regenwurm, und das sei es, was ihren starren Sinn mürbe machen werde wie Brezelteig. Das Gerede war natürlich auch zu den Ohren der guten Frau gekommen, und sie hatte ihm die felsenfeste Behauptung entgegengestellt: Daß sie nicht nachgeben werde, nicht für Hanau und nicht für ihr Anrecht ans Himmelreich. Man solle sie schon noch kennen lernen, sie werde der Welt beweisen, wer eher dagewesen sei, das Zweigespann von Kurgästen oder die Gänse.

Es kam der Samstag Abend. Gigack Wackelstörz merkte seine Gegenwart am Läuten der Kirchenglocken 107 und überlegte lange, ob er mit seinen Gänsen nach Hause gehen solle oder nicht. Zuletzt ging er doch im Vertrauen zu der Charakterstärke der Frau Hinterhorchler und wurde eingetan. Daß man ihn über Nacht einsperrte, war er gewohnt, und dann war das auch gut so, schon um der eigenen Sicherheit willen. Denn immerhin, es gab noch Füchse in den Wäldern um Rüblikofen herum, die Gigacks Schenkel schmackhaft finden konnten. Die Nacht war zumeist schwarz, und sie erleichterte den Raubmördern das Handwerk. Wer schläft nicht gern hinter sicheren Mauern? Aber wenn die Sonne wiederkam, dann wollte er heraus aus seinem Verlies. Seine Augen und im Notfalle seine Flügel schützten ihn dann vor seinen Feinden.

So ging er denn mit Seelenruhe seiner Herberge zu und wurde richtig mitsamt seinem Harem eingesperrt. Es war, als dies geschah, das erste Strafmandat gekommen ins Haus Hinterhorchler.

Am nächsten Morgen wurde Wackelstörz durch das Geschnatter einer Brütegans, die Junge bekommen hatte, aufgeweckt. Die Sonne schien durch die Ritzen der Stalltür, und da eben die kleine Glocke des Kirchturms läutete, so wußte Wackelstörz, daß es dreißig Minuten über neun Uhr sein müsse.

›Wo nur heute die Alte bleiben mag,‹ fing er an, zu sinnieren. ›Ob sie sich anzieht, um zur Kirche zu gehn, bevor sie uns öffnet? Es wäre ein schlechter 108 Spaß, wenn man uns nicht herausließe oder gar das Frühstück erst nach dem Gottesdienst brächte. Oder sollte gar die Zottel sich dennoch vor dem Befehle der Obrigkeit gebeugt und ihn verraten haben? Aber nein, das war ja nicht möglich; hinter einem so ehrlichen Gesicht, wie das der Bäuerin war, konnte kein Verrat und keine Heimtücke lauern. Warten wir eben geduldig noch ein Weilchen!‹ Mit diesen Gedanken beschwichtigte Wackelstörz die Unruhe seiner Seele.

Das Weilchen verging, und noch eines und noch eines, bis endlich an dem vorgebauten Troge des Stalles eine grobe Mägdehand erschien, Weißkleie und Quellkartoffeln in roher Weise durcheinandermengte und wieder verschwand. Gigack merkte, woran er war, und ihm verging der Appetit. Der Schmerz über die erlebte Treulosigkeit hatte ihn verscheucht. So also waren die Menschen! Im Augenblick der Gefahr konnten sie die Gesinnung wechseln wie die Schlange die Haut. Auch Frau Hinterhorchler war solch ein verächtliches Amphibium. – – Sie hatte gut daran getan, daß sie nicht selber gekommen war, das Futter zu mischen. Wackelstörz hätte ihr in die Hand gebissen.

Der Rest des Tages brachte allerlei ärgerliches Familiengezänke mit der Wöchnerin, und zu guter Letzt ein stumpfes Hinbrüten in verdrossener Resignation, bis die Montagsfrühe den Riegel des Gänsestalles hinwegschob. Kaum hatte der geprellte Gänserich 109 das Freie betreten, so tat er, als gerade die Bäuerin des Weges kam, so, als ob er von dem Hofhunde verfolgt wäre, flog der Treulosen ins Genick und ohrfeigte sie nach Herzenslust mit seinen Flügeln.

Nach dieser explosiven Entladung seines verzeihlichen Ingrimmes blieb er den Rest der Woche über verhältnismäßig brav. Er biß niemand und watschelte an jedem Abend beizeiten mit seinem Gefolge nach Hause. Dies tat er sogar am nächsten Samstag, obwohl keineswegs mit der Absicht, das Schlafgemach wirklich zu betreten. Wenn alle ihn betrogen, auf seinen Kalender konnte er sich verlassen und auf sich selber. Unbefangen ging er als letzter der Herde an Frau Hinterhorchler vorbei, ohne sie und ihre blaue Leinenschürze groß zu beachten. Der stolze Gänsepatrizier wußte, was er zu tun hatte, wenn seine Stunde gekommen war. Und sie war da, als das feierliche Samstagsgeläute einsetzte. Mit dem ersten Glockenschlag drängte er sich mit Allgewalt zwischen die Knie seiner Bäuerin und setzte das Hinterteil derselben mit einem festen Ansprung in einen weichen Jauchetümpel hinein. Auf dem Wege nach der goldenen Freiheit schlug er der Gefallenen noch die weichen Gänsetatschen um Mund und Ohren. Schnurgerade stieg er jetzt empor. Ihn riß der Freiheitsdrang zu den Sternen hoch, und die Abendsonne vergoldete sein Gefieder, als er im blauen Äther seine stolzen Kreise zog.

110 Die Bäuerin erhob sich langsam, stutzte und schickte dem verwegenen Ausreißer ein volles Dutzend gänsewürgender Flüche nach. Dann packte sie die nassen Röcke zusammen und eilte mit Sprungschritten aus dem Hofe in die Küche hinein.

Wackelstörz hatte den Schritt über den Rubikon getan. Ihm war nun alles egal; er kannte nur noch sich und das Recht, seinen inneren Drang auszuleben. Er trieb sich am folgenden Sonntag auf der Tuchbleiche herum und drückte mit den Watschelfüßen Platanenblättermuster auf den Winterfleiß der Rüblikofener Hausfrauen. Kühn schritt er hinter dem Pastor her gegen das Gotteshaus zu. Vorm Portal aber machte er kehrt und fraß während der Predigt den Rosenkohl des Doktors Lebelang. Im Springbrunnen des Bürgermeistergartens nahm er ein Bad und warf die Fuchsienstöcke um, die den Rand des Bassins zierten. Kurzum, es gab in Rüblikofen wenig Dinge, die er ganz ließ, und wenig Menschen, die nicht über Wackelstörz und seine Brutalitäten zu klagen hatten. Der Glorienschein des Freiheitskämpfers war von ihm genommen. Der Philister verlangte nach Ruhe, und die sollte ihm die Polizei verschaffen. Wozu sonst bezahlte er seine Steuern?

Der Montag brachte ein verschärftes Strafmandat in die Wohnung der Hinterhorchler. Man steckte im Familienrat die Köpfe zusammen und schmiedete ein Komplott. Die Welt sollte durch eine blutige Tat von 111 einem Ungeheuer befreit werden. Der Antichrist war leibhaftig erschienen, und der Erdkreis kam ins Wackeln, wenn nichts geschah. Am liebsten hätte man den Landsturm aufgeboten. Allein es bedurfte dessen nicht einmal. Frau Hinterhorchler, Haltefest und ein ganzer Heerbann von Gerechten war schon mobil und hinter dem Gänsestrolch her. Nach einigem Bemühen war er eingefangen und dingfest gemacht. Jetzt nahm sich Frau Hinterhorchler zum Strafvollzug die genügende Zeit. Zuerst steckte sie den Delinquenten abermals zwischen ihre Knie und rupfte ihm die Federn aus. Dann schnitt sie ihm den Hals ab und zog die gepickelte Gänsehaut herunter, um sie mit Wurstfüllsel auszustopfen. Der übrige Leichnam kam in die Bratpfanne. Ehe zweimal vierundzwanzig Stunden vergingen, war von dem Empörer nichts mehr da als die Gänsewurst, und die hing an einem dünnen Faden im Rauchfang der Frau Hinterhorchler.

Angesichts dieser Tragödie, wer wagt es da noch, zu behaupten, daß man Mensch und Vieh nicht vergleichen dürfte? Hier haben wir Wackelstörz, dort Fiesco. Der eine geköpft, der andere ertränkt. Hier Rüblikofen, dort Genua, beide an einem Wasser gelegen; und damit an der Ähnlichkeit beider Schicksalsbilder auch gar nichts fehle, »sind in beiden Wässern auch noch Karpfen darin«. 112

 


 


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