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Zeichen im Sand

Rotgoldiges Laub auf bläulichschattigem Gestein; heulender Sturm bei tiefblauem Himmel; Lichtorgien auf gelben Palast- und grünen Tempeldächern und dabei fröstelnde Kälte; Kleinkrämerei und übernüchterner Geschäftssinn und dahinter, verborgen, das Geheimnisvolle: die Welt der Fuchsfeen, der Vampire, der Geister.

Grelle Lichter, drohende Schatten; erschlaffende Sommer, eisige Winter mit wirbelnden Sandstürmen und der Küste entlang Erdbeben, Ueberschwemmungen, Taifune; großer Schmutz und wunderbare Kunst – nichts Fahles, nichts Tonloses; ein Land strahlender Höhen, finsterer Abgründe. Ein Land, das erschauern und träumen macht ...

Das ist China.

*

Fung Yü lag im deutschen Lazarett.

Alles um ihn her war ihm fremd. Die nüchternen weißen Betten, die kahlen weißen Wände, die fremden weißen Gesichter – das bärtige des Arztes, das gesundheitsrote Schwester Helenes – und sein Magen litt Heimweh nach chinesischen Leckerbissen. Klingelte es daheim, so umringten ihn Diener und Taitais; hier neigte sich nur die Schwester über ihn und bedeutete ihm still zu liegen.

Draußen im Gelände spielten die Kinder der Ausländer und ihre Stimmen dünkten ihn anders als die der Kleinen seiner Rasse.

Er wollte heim – heim in das große Haus, in dem er König war und frei befehlen durfte; heim zu all dem, was für ihn den Begriff »Sein« umfaßte.

Er rührte sich; ein stechender Schmerz ging durch ihn und erbleichend lag er bewegungslos; vergaß sein Sehnen.

Fast hatte er ihn vergessen – den Schnitt nach der Blinddarmentzündung. Es war ans Sterben gegangen und sterben wollte er nicht. Welcher König gibt freiwillig seinen Thron auf? Und in seinem Heim war er König ...

So lag er und beobachtete mißmutig das Tänzeln der Akazienblätter oder verfolgte das allmähliche Erbraunen des Laubwerks auf der Mauer; manchmal beklügelte er die Eigenart der Weißen, wunderte sich, daß der greise Arzt keinen Unterschied machte zwischen Reichen und Armen; hier nützte ihm sein Geld ebensowenig wie bei Dung Yü Da Di, dem Gott über alle Erde; es half ihm weniger, wie er oft ärgerlich dachte.

Dazwischen überlegte er, wann er etwa wieder genug wohl sein würde, um Fischsuppe essen zu dürfen; dicke gewürzte Fischsuppe mit einer Trepangunterlage und einem Nachstrom von heißem Reiswein. Dahinter stiegen andere Bilder auf – von seinen Frauen, von der I Taitai – – doch da seufzte er. Der Schnitt, der leidige Schnitt! Wenn der wenigstens im Nacken säße wie bei den großen Schmutzbeulen, die der Sandsturm anwehte. Pech ... Pech ...

Immer kam der Arzt und immer kamen seine Helfer. Die Wunde war rein, die Stiche entfernt.

Fung Yü atmete auf.

Nun ging es wieder ans Leben.

*

Am folgenden Tage aber war der Puls auf 24 und das Gesicht wächsern; die Aerzte neigten sich über ihn und flößten ihm Sekt ein; gaben endlich Kampfereinspritzungen. Das Lebensfünkchen glimmte schwach, schwächer ...

Und niemand ahnte warum. Noch war die Wunde rein und alles scheinbar in bester Ordnung.

Solange er zu sprechen vermocht hatte, waren die Reden irr gewesen und immer hatte er, sich scheu zusammendrückend, gerufen:

»Der Befehlshaber ist streng, er ist sehr streng. Ich muß, ich muß ...«

»Es gibt ja keinen Befehlshaber,« riefen die versammelten Verwandten und schüttelten ihn sachte, wie um ihn zu wecken.

»Ich bin Honanese, was wisset ihr?« sagte er mit hohler Stimme auf jede derartige Behauptung, »und ich muß gehorchen.« Dann – »er ist streng, der Befehlshaber,« und das Gesicht in die Kissen drückend, »ich muß, ich muß ...«

So schlichen die Stunden von vier Uhr nachmittags bis elf Uhr nachts. Der Schweiß stand in Tropfen auf der Stirne des Sterbenden und die Zähne waren geschlossen. Man konnte nichts durchgießen. Wieder versuchten die Aerzte eine Kampfereinspritzung. Sie standen vor einem Rätsel. Sie hatten die Wunde geöffnet, um zu sehen, ob sich irgend etwas darunter verändert hatte, doch alles war rein und im besten Gang gewesen. Kaum Fieber. Und dennoch starb der Kranke. Er starb lange nach der Operation an irgend etwas Geheimnisvollem.

»Ich bin Honanese,« hatte er gemurmelt so lange er zu sprechen vermocht und von Zeit zu Zeit war wieder das entsetzte »Ich muß ja, ich muß ja!«, hervorgebrochen wie der Schrei eines Gefolterten.

»Fieber,« meinten die deutschen Aerzte und schüttelten den Kopf, maßen den Puls, wußten nicht, wie das so gekommen.

Die Verwandten schlichen zum größten Teil davon, um den schönen schon gewählten Catalpasarg heimschaffen zu lassen und die I Taitai, die erste Nebenfrau und gleichzeitig der Liebling des Sterbenden, neigte sich nochmals über ihn, warf sodann das Seidentuch über das Gesicht und eilte schleunigst hinweg.

Sie wollte, sie mußte ihn retten.

*

Vier Uhr morgens.

Der letzte Verwandte trat an den Lazarettarzt heran und flüsterte –

»Geht es hoffnungslos zu Ende?«

Der gute alte Herr, der allen Kranken Vater war, nickte traurig. Drei Kampfereinspritzungen – die letzte vor einer halben Stunde – waren gegeben worden und der Puls kaum fühlbar. Was immer über den armen Fung Yü gekommen, niemand konnte ihm helfen.

»Darf ich ihn heimnehmen?« Und der Verwandte gedachte der chinesischen Sitte, derzufolge ein Kranker im eigenen Heim sterben müsse, um Ruhe zu finden im Jenseits, um die Geister zu versöhnen und um all die Feierlichkeiten zu genießen, die ihm zukamen. Als Leiche durfte er nicht heimgeschafft werden, das war unglückbringend und das erlaubten überdies die fremden Aerzte nicht.

»Als Arzt muß ich es verbieten – er ist sterbend,« flüsterte der Lazarettarzt zurück, »als Mensch aber muß ich Ihnen ehrlich sagen: Wenn er daheim sterben muß, so nehmen Sie ihn schnell!«

Laut und eindringlich erscholl gleich darauf die Klingel; der Wagen fuhr vor; die Träger hoben den Bewußtlosen auf das Lager und fort gings durch die nun stillen Straßen des schlafenden Pekings. Drinnen starb Fung Yü mehr und mehr mit jedem Kreisen der Räder ...

*

Seltsam ist Peking zur Nacht.

Dickfellige, durch Schläge stumpfsinnig gewordene Hunde, liegen über den Weg wie etwas Verstoßenes – wie abgeworfene Sünde; sie bellen nicht, ziehen sich nur scheu zusammen. In Mauerwinkeln stöhnt irgendein Bettler, zieht alte Hadern über blutklebrige, wundenbedeckte Beine; ein Dieb betastet in der Finsternis seine Beute, setzt den Preis für den Diebsmarkt unweit des Himmelstempels fest; geisterhaft still rollt eine Rikscha vorüber, verschwindet in der Krümmung der Straßen ...

Es gibt Tempel in China, die nur den ganz Eingeweihten bekannt sind und die keinem Weißen verraten werden – abgelegene Tempel, die man nur durch verborgene Höfe und stille Durchgehhäuser erreicht, dort wo der Staub in angeblasenen Dünen gegen die zerfallenen Außenmauern liegt. Alle drei Hauptreligionen Chinas verschmelzen hier zu einem einzigen Dinge, das sich nur mit dem Zukunftsleben der Menschen beschäftigt. Mönche in oft geflickten Kutten drehen Sandelholzkränze zwischen den Fingern und hier hausen jene alten Priester, die zu lesen verstehen, was anderen verborgen.

Zu solch einem Tempel eilte die herzwunde I Taitai.

Die Lampe aus alter Bronze, mit Sesamöl gefüllt, warf einen safranartigen Schein auf den gelblichen Sand, der die Tischplatte deckte. Die Drachenschnitzerei der Decke, die uralten tibetanischen Bilder von seltsamen Göttern, auf Seide gemalt, blieben fast unsichtbar und einzig das scharflinige Gesicht des Mönchs, der sich verbeugte und die Blicke wie festgebannt in den Sand vor sich bohrte, war klar erkenntlich. Zwei Knaben mit stumpfem Gesichtsausdruck und seltsam gläsernen Blicken hielten eine dünne Stange aus Bambus, von der ein feines Stäbchen abstand; ein Pinsel hing lose daran wie ein abgebrochener Finger ...

Auch hier Stille, unheimliche, lähmende Stille.

Im Hintergrund, eins mit den zuckenden Schatten, stand die I Taitai Fung Yüs. Zwei männliche Verwandte lehnten gegen den Pfeiler, auf dem die geschnitzten achthundert Lohan wie in dunkelbraunen Wolken auf- und niederstiegen. Der schwere Duft östlichen Weihrauchs zog sich langsam durch den Raum, zitterte, bläuliche Nebel formend, über den Tisch mit dem Sande ...

Unbeweglich standen die beiden Jungen mit den versteinerten Gesichtern und den krustenbedeckten Armen, den von Ringwürmern vernichteten Haarstellen; plötzlich bewegten sich die beiden haltenden Finger – das Stäbchen tanzte hin und her, erst langsam, dann schneller, in kurzen, irren Bewegungen; der Pinsel, von unsichtbarer Hand getrieben, schrieb uralte, schwer entzifferbare Zeichen.

In diesen halbvergessenen Tempeln, an denen die Fremden mit ihrem Unglauben und die Zeit mit ihren Neuerungen spurlos vorbeihuscht, kann man mit ihm sprechen, der Macht hat über die achtzehn Höllen und der die Herzen der Menschen kennt. Er ist der Herrscher über die Erde, er steht unter Tien, dem Himmel, der alles umfaßt. Unter ihm sind andere und wieder andere und sie alle leiten, regieren. Er hält vor seinem Throne den Spiegel, in dem sich jede körperbefreite Seele so sieht, wie sie wirklich ist und über sich selbst die Strafe spricht aus dem klaren Ersehen der eigenen Schuld heraus.

Er, der drüben Aemter zuweist, spricht hier, schreibt mit dem Geisterpinsel uralte Zeichen im gelben Sand ...

Der Pinsel, der so lose von der Querstange hing, tanzte, tanzte; über dem weiten dämmrigen Raum brütete Schweigen.

»Was sagt er?« flüsterte die I Taitai und löste sich aus dem Schatten, als der Pinsel stille stand und die Jungen förmlich erstarrten vor ihren Augen.

Der lesende Mönch antwortete langsam ohne die Augen von der feinen Sandschicht zu heben –

»Fung Yü war Honanese ... das war im vorigen Leben, lange zurück. Richter war er für einen großen Kreis, von Tien dem Himmel und von den Großen dieser Erde auserlesen Recht zu sprechen, gerecht zu sein gegen alle. Eines Tages brachte man fünfundfünfzig meuternde Soldaten, die sich vom Heer losgetrennt hatten und Räuber geworden waren. Der Befehlshaber der Stadt war streng – die Strafe mußte schwer sein. Er verurteilte die Männer ...«

Wieder lag die Stille fürchterlich, lähmend auf den Hörern.

Nach einigen Augenblicken summte die Stimme weiter wie eine müde Fliege vor Sonnenuntergang – matt, gebrochen –

»Er verurteilte sie zum Tode – das mußte er, denn der Befehlshaber war streng – – die Köpfe fielen – einer nach dem anderen – – ach ja – – einer nach dem anderen – – der Sand wurde rot im Kreise – – die Geier kamen – –«

»Was – dann?« flüsterte die I Taitai mit schreckgeweiteten Augen. Was forderten die Geister, die kein Begräbnis gekannt hatten?

»Ja – damals – – in Honan. Der Befehlshaber war streng; die Räuber starben. Das war gerecht. Aber – –« der Mönch neigte sich tiefer über die Zeichen, »Fung Yü nahm die Beute!«

Die Stimme des Lesenden schwoll zu stärkerer Kraft. Im innersten Innern der finsteren Hallen fand sie ein sachtes, verronnenes Echo.

»Nun warten diese Räuber, dessen Beute er vergeudet, auf seine Seele. Sie umstehen sein Lager und erwarten seinen Geist ...«

Die I Taitai stöhnte auf.

»Gib' ihnen Opfergeld, versprich ihnen Gold- und Silbertaels und Opferspeisen; hier ist jemand, der geben möchte, geben, geben ...« und ihre Hände schienen das eigene Herz zu fassen und hinzuhalten den unsichtbaren Göttern, dem strengen Dung Yü Da Di, dem Herrn über die Erde und seinen zehn Statthaltern im Reiche der Geister.

Neuerdings tanzte der Pinsel, schwankten die Arme der Kinder wie Binsen im Wind.

»Sie nehmen dein Geld,« las der Mönch.

»Darf er – – leben?«

»Die Fünfundfünfzig wollen warten, sechs weitere Jahre warten; das ist ihre äußerste Frist, doch – –« er schwieg und nochmals tanzte der Pinsel in langen ungeduldigen Windungen, schrieb Zeichen bei flackerndem Licht, die schon zur Zeit von Kung Fu Tse veraltet und schwer leserlich gewesen waren; Zeichen aus der unerforschten Kindheit Chinas ...

»Es stehen noch drei an dem Bette des Sterbenden; es geht nicht ...«

»Wer sind sie?«

Heiser klang die Stimme der armen I Taitai, die den Hinscheidenden liebte; die nach seinem Tode auch obdachlos wurde wie der Elendsten eine – sie, die ja nur Nebenfrau und gekauftes Gut war wie Tische, Stühle, Tassen.

»Dein Honanese hatte drei Freunde – Brüder waren es durch das Blut, das sie im Schwur getrunken; eh, Brüder waren sie – o Weib, und liebten die gleiche Frau, die schön war wie die Frau im Monde. Er wollte sie haben; jemand klagte die drei Freunde unschuldig an – man fand Zeugen; wer Uebles will, findet sie wie der, der Gerechtigkeit angedeihen läßt im Namen Tiens ... die drei Freunde mußten sterben. Auch ihr Blut schoß wolkenwärts und färbte den Sand von Honan und die Geier kamen. Diese drei Feinde aber nehmen kein Geld; sie umstehen sein Lager und zerren an dem sich lösenden Geiste ...«

Die I Taitai schrie auf.

»Sie dürfen ihn nicht haben! Frage sie, ob sie Opfergesänge wollen oder Gaben ...«

»Sie nehmen kein Geld,« schrieb der Pinsel und wieder kroch das Schweigen durch den Raum wie etwas Finsteres, Unheilschwangeres; legte sich bleischwer auf die Gemüter. Die Männer preßten sich gegen die geschnitzten Säulen, fühlten die Drachenformen hart gegen den schweißnassen Rücken.

»So nimm mein Leben, o Unsichtbarer,« rief die I Taitai und streckte die Hände aus in einer Gebärde vollständiger Hingabe; senkte das Haupt als erwartete sie den Schlag.

Stille.

Der Mönch verblieb vornübergebeugt, der Weihrauch zog in trägen blaugrauen Dünsten an den roten Säulen vorbei in das drohende Schattengebausch des Hintergrundes.

Noch einmal tanzte der Pinsel.

»Willst du zwölf Jahre des eigenen Lebens aufopfern, Weib, um des schuldigen Mannes aus Honan willen?« fragte der Priester und die beiden Lauscher an der Säule erbebten. Wer wußte, ob diese zwölf Jahre nicht alles waren, was ihr selbst von den Göttern als Lebensfrist zuerkannt worden? Stumm, scheu drückten sich beide Gestalten fester an die schützende Säule.

Nur die I Taitai löste sich von der Wand ab und trat mutig in den Lichtkreis; streckte die Hand aus und sagte mit vollkommen ruhiger Stimme: –

»Nimm sie und laß' ihn leben, o Dung Yü Da Dil!«

Der Pinsel stand still.

*

Im Hofe Fung Yüs brannte man in großen irdenen Gefäßen das Gold- und Silbergeld, aus Papier nachgeahmt, für die Geister der unersättlichen Fünfundfünzig. Mochten sie reich werden drüben in der Ewigkeit und auf den irrenden Honanesen verzichten ...

Vor den innersten Gemächern war der Hof voll verhüllter Gestalten: die harrende Totenmusik mit Trommeln und Pfeifen und schrillen Klapperhölzern; Lamapriester drückten sich in die Winkel, murmelten Gebete, drehten die Rosenkränze aus Sandelholz zwischen gelbbraunen ungewaschenen Fingern; in einem Nebenraum stand der Catalpasarg schon fix und fertig mit Seidendeckchen und Einlagen und das schwerseidene Totenhemd lag auf einer Stuhllehne.

Ueber das unebene Pflaster stolperte trotz aller Vorsicht recht schwerfällig der Krankenwagen: dumpf, schwer. Den Lauschern erklang's wie das Anschlagen einer Totentrommel; die Lamapriester scharten sich zusammen, die Verwandten erfüllten den weiten Torbogen.

»Ist er tot?« fragte der erste der Verwandten ängstlich die beiden Mitgekommenen.

»Ich glaube,« flüsterten diese scheu. »Er war sterbend als wir ihn hineinbetteten.«

»Wenn nur ein Fünkchen Lebensgeist noch in ihm glüht ...« und sie beeilten sich ihn schnell in die inneren Gemächer zu schaffen. Selbst wenn es keine irdische Rettung gab, war doch die Zukunft gerettet.

»Eine Leiche ins Haus bringt Unglück!« warnte ein jüngerer Mann.

»Läßt ihn holen damit – – wir sehen!«

Sie näherten sich dem Wagen, öffneten die Türe; die männlichen Verwandten drängten sich heran, sprachen durcheinander; die Diener schoben sich näher.

»Lao ye, Lao ye ...!«

Nur die eben heimgekehrte I Taitai stand, vergessen und unbeachtet in einer Torecke. Sie drängte sich nicht vor, sie rief nicht; sie wußte, daß er lebte ...

Um ihre Lippen spielte ein feines, ein wunderbar warmes Lächeln. Sie hatte sein Leben dem Gotte abgekauft.

*

Auf dem harten chinesischen Bett, das in Wirklichkeit nur ein einfaches Brettergefüge ist, lag Fung Yü. Die Augen waren geschlossen, die Farbe wächsern; zugekniffen der Mund. Die Verwandten umstanden das Lager, tauschten unverhohlen ihre Meinungen aus.

Da schlug er die Augen auf – weit.

»Geht es mir denn schlechter; so schlecht, daß man mich heimgeschafft?« fragte er verwundert und ein wenig bestürzt.

»Eh, Lao ye, so war's, doch nun scheint es mir anders,« entgegnete der nächste Anverwandte ganz verblüfft.

Fung Yü fand sich schnell in den Wechsel. Hier war er König.

»Ihr könnt gehen!« erklärte er kurz. »Wo ist die I Taitai?«

Das Zimmer leerte sich, die junge Frau neigte sich demütig über das Lager, das selige Lächeln noch auf den Lippen.

»Mir ist besser!« erklärte er energisch mit lauter, kräftiger Stimme. »I Taitai, in den nächsten Tagen will ich Fischsuppe haben, aber gute, fette, mit Trepang und einem Nachschluck von Reiswein ...«

»Wenn das Weißgesicht es für ratsam finden wird ...« wand sie schüchtern ein.

»Das Weißgesicht kann mich ...«

»Mit der Fischsuppe hat es noch Zeit,« rief von der Türe her der Verwandte, der ihn aus dem Lazarett geholt hatte, trocken, denn er verstand etwas von Medizin und viel vom Eigensinn seines reichen Vetters und schloß die Türe.

»Die Fischsuppe kann warten,« räumte Fung Yü gnädig ein, »aber die I Taitai bleibt bei mir!« Und etwas in seinen Blicken schien ihr zu sagen, daß er eine Ahnung hatte von ihrem Vertrage mit Dung Yü Da Di, dem Herrscher aller Lebenden, dem Richter über die Toten.

Sie neigte sich indessen nur ganz sachte über ihn und lächelte ihn an.

Da schloß er befriedigt die Augen und schlief der Gesundheit entgegen.


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