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2. Kapitel – Ganze Tage in Baobabs

Und nun sitze ich, über den Augen eine feuchte Binde, auf der Veranda des Palastes des Zwergenkönigs, und neben mir hockt Patumengis Urenkelin, die kleine zierliche Doko-Prinzessin, ein Püppchen in klarem Leinen mit feuerroter Seidenschärpe, und erneuert beständig die kühlenden Kompressen.

Wenn sie sie wechselt, wenn ich die Augen zu öffnen wage, dann sehe ich vor mir durch die blattlosen Zweige des Baobab-Baumes, in dessen Wipfel dieses Bambushaus hineingebaut ist, eine Anzahl anderer Baobabs und kleinerer Hütten, sehe ich die leichten Leitern, auf denen die Doko hinab- und hinaufsteigen zu ihren luftigen sicheren Behausungen – und senke ich den Blick hinab zur Baumlichtung, so gewahre ich die Ziegen, Schafe, Hunde, Dromedare des Zwergenvolkes, bewacht von kleinen gelbbraunen Dokos mit überlangen Bogen und vergifteten Pfeilen …

Dann ist das alles mir immer wieder aufs neue wie ein Traum …

Wer ahnt draußen in den riesengroßen Steinhaufen der Weltstädte mit ihrem Gestank und ihrem Lärm und ihrer Verlogenheit einer übereifrigen habgierigen Bevölkerung etwas von diesen Doko-Siedlungen?! Wer sah je Affenbrotbäume wie diese hier, eine ganzen Wald – Stämme, deren Alter nachweislich mehrere tausend Jahre beträgt – Baumriesen, bekannt vielleicht dem Namen nach aus den verschiedenen Regionen Afrikas als Baobab, Mbuju, Mowana oder Tabaldie.

Mit einem Stammdurchmesser von mindestens zwölf Metern – mit riesigen weißen Blüten, die sehr rasch wieder abfallen, die dann die halbmeterlangen melonenähnlichen »Affenbrot«-Früchte hervorbringen, deren säuerliches Fruchtmark die Doko in tonnenförmige Tongefäße tun, gären lassen und nachher trinken – ein Zaubersaft, erquickend, leicht berauschend …

Viele der Baobabs sind innen hohl und dienen den Zwergen als Ställe für das Vieh. Alle aber haben die Eigentümlichkeit, daß sich die halbkugelige gigantische Baumkrone unten bis zur Erde hinzieht, sich auf den Boden stützt – also Säle oder Gemächer bildet, in die nur vereinzelt ein verlorener Sonnenstrahl dringt.

Das hier ist Patumengis Reich, dieser ferne, große unbekannte Baobab-Wald – hier hausen die kleinen Menschlein unter Freund Patus strengem Regiment, abgeschlossen gegen die Außenwelt durch einen öden Steppengürtel, und doch wieder nicht abgeschlossen genug vor der Raubgier wilder, ziehender Somalihorden, die frech über die Grenzen kommen und stehlen und morden möchten.

Patu hat das ihnen so ziemlich abgewöhnt. Patu hat hundert Krieger, die ganz modern bewaffnet sind – Patu besitzt Winchesterbüchsen, Pistolen, Patronen – und kennt kein Erbarmen! Wehe dem braunschwarzen Somal, der das Doko-Gebiet betritt … Späher schützen das kleine Reich, riesige Signaltrommeln melden jeden verdächtigen Fremden, und drüben in der Steppe sah ich die langen Erdhügel, unter denen die Feinde der Doko den ewigen Schlaf gefunden.

Das ist Patumengis Reich.

Als ich es zum ersten Male durchquerte, als wir damals von dem Berge der Affen kamen und Freund Patu mir die Überraschung nicht verderben wollte und alles nur in kargen Worten vorher angedeutet hatte, da habe ich gestaunt, da habe ich still und tief bewegt des Gnomenkönig Hand gedrückt und mich nicht mehr darüber gewundert, daß gerade er der Vertraute eines abessinischen Kaisers gewesen …

Jetzt?!

Patus Urenkelin legt mir Kompressen auf, und ihr Puppengesichtchen strahlt vor Freude, mir dienen zu können …

Blaues Leinen und feuerrote Seidenschärpe regen sich …

Prinzessin Matugira schiebt mir die Zigarre zwischen die Lippen und lacht und streichelt meinen Stachelbart. Seit vier Tagen unrasiert.

… Sie lacht und kichert und reibt mein Luntenfeuerzeug an und sagt in ihrem Urgroßvater-Kauderwelsch, ich solle nur ziehen …

Ich ziehe …

Die Zigarre brennt, und wir setzen unser vorsichtiges Gespräch fort.

Patu und Peter Bolk sind in die Steppe hinaus – irgendwohin …

Wohin?! – Ich weiß es nicht. Keiner weiß es. Auch die zierliche Matugira, die zwölf Jahre alt ist und sehr bald heiraten wird, gibt stets vor, nichts zu wissen …

Sie schwindelt.

Sie schwindeln alle hier, alle, die mich halbblinden Kranken hier besuchen kommen und mir die Zeit vertreiben wollen und … die alle nicht ahnen, daß Olaf Karl Abelsen in diesem Falle der größte Schwindler ist.

Es ist ja gar nicht mehr so schlimm mit meinen Augen. Ich kann sie getrost minutenlang offenhalten – gewiß, sie tränen, aber das rührt wohl mehr von dem Küchendunst her, der hier in der Baumkrone bei dieser abendlichen Windstille zäh zwischen den Ästen, Zweigen und Früchten hängenbleibt.

Es ist ein unehrliches Spiel, dessen ich mich schämen müßte, wenn ich nicht immer an den Gefangenen dort drüben dächte – an den Fremden, den ich verfolgte, der auch in die Katsa-Nebel geriet, dessen armes Pferd zusammenbrach in schwerer Atemnot und den Patumengis Leibwache herbeischleppte und da unten in dem einen hohen Baobab einsperrte …

Nur ein einziges Mal habe ich das Gesicht dieses Fremden erblickt, und ich war betroffen von der weichen Schönheit dieses gebräunten Antlitzes und dem hellen Glanz des blonden Haares.

Soll dieser Ärmste, blutjung, mehr Jüngling als Mann, ewig hier im Doko-Reiche festgehalten werden?! Was haben sie mit ihm vor?!

Ich weiß, es nicht. Patu und Bolk reden nie über ihn, und gerade das erscheint mir verdächtig und bedrohlich.

Die kleine Prinzessin plappert und redet, Fennek-Mukki liegt mir zu Füßen, die Abendsonne vergoldet den riesigen Wald, die Tiere unten in den Lichtungen drängen sich zusammen – Feuer der Hirten flackern auf, Leoparde und Wildhunde lieben das Ziegenfleisch, und der Urwald hat Schluchten und Dornendickichte, murmelnde Quellen, Bäche und alle Wunder dieses seltsamen Grenzlandes, das noch zum Reiche Abessinien gehört und doch ein Reich für sich ist …

Der Abend ist da.

Die Nacht ist da.

Matugira holt mir die Mahlzeit, es kommen zwei Unterhäuptlinge, reden, reden …

Ich wünsche anderes.

In dieser Nacht werde ich mein luftiges Gemach des großen Bambuspalastes heimlich verlassen und den Fremden sprechen.

Matugira füttert mich mit Hirsekuchen und Taubenfleisch und gibt mir Baobab-Wein zu trinken. Ich habe das ekle Gefühl, daß ein Judas Ischariot hier Gastfreundschaft in Anspruch nimmt. Andererseits: Man treibt hier auch mit mir kein ehrliches Spiel! Ich glaube einigen Anspruch auf Patumengis Dankbarkeit zu besitzen. Er hätte mir über Peter Bolk längst reinen Wein einschenken können. Weshalb diese Geheimniskrämerei? Er kennt mich doch. Ich dränge mich niemandem auf und dränge in fremde Angelegenheiten nicht hinein. Ich verlange nur das, was man als Freund vom Freunde fordern kann. Sollte ich nun auch durch den alten Patu enttäuscht werden?!

Die Puppenprinzessin und die höflichen Unterhäuptlinge reden und reden, und meine Gedanken sind in dem Baumgefängnis bei dem blonden Gefangenen mit dem zarten feinen jungen Gesicht.

Ich antworte und gähne – und die Herren empfehlen sich, und Matugira führt mich in mein Gemach.

Wie gesagt, das Haus ist groß, ist sehr groß, ist zierlich gebaut, überreich geschmückt, die Türpfosten sind geschnitzt und die Zwischenwände noch mit bunten Bastmatten behängt. Der Palast ist in der Krone des ältesten Baobab errichtet worden. Der Stamm hat einen Durchmesser von etwa fünfzehn Metern, der Dom der Krone ist ein Riesensaal, durch festgestampften Lehm, durch den sich rote Tonstreifen ziehen, sauber gedielt – er ist der Versammlungsraum der Doko-Führer, ihr Parlamentsgebäude. Unten in dem hohlen Baumkoloß wohnt der Ober-Fetischmann des Gnomenvolkes, ein ebenfalls uralter Knabe mit einem listig-freundlichen, zerknitterten Gesicht.

Mambi heißt er. Er ist mir sehr gewogen, denn ich begegne ihm mit allem Respekt und ausgesuchter Höflichkeit.

Mein Gemach hat drei Meter im Quadrat, eine Tür aus Baumrinde, eine große Fensteröffnung und einige Prunkmöbel europäischen Ursprungs: einen Plüschsessel mit drei Beinen, einen Regulator, der nicht geht, und einen runden Tisch mit zersprungener Glasplatte, unter der sich eine grellbunte Stickerei befindet.

Das Bett ist ein Rahmen aus Bambusstangen, mit Fellen bespannt – feine wollene Decken bilden das Bettzeug, und eine Petroleumhängelampe, die sogar brennt, erhöhen den Luxus ins ungemessene.

Die Doko gehen sehr früh zur Koje. Gegen neun Uhr ist im Hause alles still.

Nur neben mir, wo Matugiras Großmutter jede Nacht wie ein Nashorn prustet und schnarcht, wird es nie ruhig. Die alte Zwergendame hat sich dem heimlichen Trunk ergeben, und ihre Nachtkonzerte werden von schrillem Traumgeschnatter und gelegentlich angstvollen Schreien unterbrochen. Das stört.

Zum Glück hatte ich nur die eine Nachbarin. Mein »Zimmer« liegt an der Ostecke, dicht am Haupteingang.

Matugira ist gegangen, hat mir die Hand gedrückt, hat Fennek mitgenommen, damit er sich draußen im Wald noch ein wenig auslüftete – und so weiter. Meine Uhr zeigt halb zehn, als sie ihn lautlos zurückbringt – ich liege bereits und täusche Schlaf vor, sie verschwindet, Fennek springt wie stets auf das Bett und rollt sich an meiner Brust zusammen. Was nicht immer angenehm, denn ich liebe allzu starken Rosenduft nicht, und Fenneks Afterdrüse, Viole genannt, riecht tatsächlich nach Rosen wie bei allen afrikanischen Fenneks. Die Natur liebt solche Duftscherze.

Ich liege und grübele und lausche dem fernen Grollen eines Gewitters. Es ist die Zeit, wo sich in den Vorbergen des Tafellandes Abessinien die Kanonaden des Himmels jeden Tag vernehmen lassen und die ungeheuren Regenfälle sogar dem dürstenden Boden der Steppe ihr fruchtbares Naß spenden. Es ist die Zeit, wo aus den Schluchten der nördlichen Gebirge wütende schäumende Flüsse werden und ihre Wassermassen sogar bis nach den nubischen Wadis (Tälern) ihre ersehnte Feuchtigkeit tragen.

Fennek schläft. Er liegt zusammengerollt als gelblicher Haarring da, seine feinen Härchen kitzeln mein stoppeliges Kinn, und ich erinnere mich an die dringende Notwendigkeit, meinen Rasierapparat einmal wieder zu benutzen.

Fernher kommt das Stimmengewirr der Tiere der Doko, verschlafenes Blöken und Meckern und heiseres Kläffen, auch wohl ein dumpfer Krach zuweilen: ein Blitz der meilenweit nordwärts niederfuhr und seine Schallwellen bis hierher sandte.

Dann setzte das leise feine Tröpfeln ein. Regen klatscht auf das Rindendach des Palastes, das mit Rindenstückchen von drei Meter im Quadrat belegt ist. Auch diese spendet der heilige Baobab, dessen Holz so weich ist, dessen faustdicke Rinde sich lockert, wenn sie die Doko mit Holzhämmern tagelang klopfen. Dann schneiden sie mit den schwertähnlichen Messern die losen Stücke heraus, bestreichen die große Stammwunde mit nassem Ton und schnüren Bast darüber. Ein alter Baobab verträgt vier bis fünf solcher »Wunden« – aber, wie gesagt – sie müssen verbunden werden.

Rasieren …

Man kommt doch nicht los von diesem Kulturzwang der Sauberkeit. Ich habe mich an einen Vollbart nie gewöhnen können, und ich habe neue Rasierklingen, Seife, vieles andere mit aus dem Zauberberg der Affenkönigen, der Herrin der Unterwelt, hierher genommen.

Ich zünde die Lampe an … Fennek beobachtet mich sehr mißbilligend. Gestörte Nachtruhe.

Ich seife mich ein, und ich werde wieder ich selbst. Ich prüfe meine Augen – die Entzündung ist zurückgegangen. Es wird schon werden.

Ich schnalle den Ledergurt um, und leise öffne ich die Tür, schleiche zur Leiter, klettere hinab. Fennek wollte mit. Er ist gehorsam. Seine großen blanken Augen beäugten mich noch mißbilligender.

Die Bambusleiter knarrt, aber das Grollen und Tröpfeln übertönt die verräterischen Geräusche.

Der hohle Baumgigant, das Gefängnis des blonden Fremden, hat eine Pforte aus Balken und Latten und Leder und drei Riegel. Ich bin die letzte Strecke gekrochen, und das nächste Hirtenfeuer trifft den Baobab von der anderen Seite – hier ist Schatten, Dunkelheit.

Ich öffne die Riegel und ziehe die schwere Pforte etwas auf. Ein Glück, daß ich nie allzu vertrauensselig bin. Der Hieb mit einem schweren Tonkrug, der für meinen Kopf bestimmt war, geht daneben.

»Lassen Sie den Unsinn!« – mein Flüstern findet Antwort …

»Entschuldigen Sie … ich glaubte … » – die rauhe Stimme verstummt, ich schlüpfe hinein und der Fremde fügt hinzu: »Ich wollte fliehen …«

Ich sehe nichts von ihm. Es ist hier stockdunkel.

»Wer sind Sie?«

Eine Weile schweigt er.

»In welcher Absicht kommen Sie, Mr. Abelsen?!«

»In guter … Brauchen Sie Hilfe? Was hat man mit Ihnen vor?«

Wieder eine Pause. »Man wird mich später freilassen, Mr. Abelsen. Patumengi versprach es mir.

»Wann?«

»Gestern. – Man behandelt mich nicht schlecht, aber der Waffenschmuggel wird schwer bestraft, und der Schuft Bolk will erst das Hafennest hinter sich haben.«

Bisher hatte ich der heiseren Stimme des Fremden keinerlei Erregung angemerkt. Jetzt, als er über Peter Bolk redete, war der Ton erfüllt von Haß und finsterer Feindseligkeit. Noch anderes schwang in diesem schrillen Ton mit: eine eisige Ruhe, eine kalte Entschlossenheit.

»Gehörten Sie mit zu den dreien, die den Käpten überfielen?« fragte ich geradezu.

»Ja und nein.« Die Antwort kam ohne Zaudern. »Bolk ist ein Schurke – vielleicht waren auch Joick und Mortison nichts Besseres, aber der Deutsche Petersen kann nur als Verführter gelten.«

Wir standen hier in der Finsternis des Bauminnern dicht voreinander. Ich spürte den Atem des Fremden trotz der Modeluft und der faulenden Holzwände, und dieser Atem wehte mich an wie etwas ganz Besonderes.

»… Ich folgte den dreien – ich war allein,« fuhr der junge Mensch bitter fort. »Ich hätte früher eingreifen sollen … Sie ahnen nicht, was ich hier gelitten habe und noch leide – nicht durch die Zwerge, denn sie sind sanft, gut, hilfsbereit, soweit man das von diesen Wilden verlangen kann. Aber Bolk … » – die Stimme versagte ihm, ein Laut wie ein kurzes Aufschluchzen traf mein Ohr, ebenso jäh kam der finstere Nachsatz: »Bolk wird es büßen, so wahr ich Jan Terpe heiße!!«

»Jan … Terpe … » wiederholte ich. »Ein Deutscher, junger Mann?«

Er lachte eigentümlich schrill.

»Auch das! Aber mehr ein Südseeinsulaner, Mr. Abelsen, einer von Malmotta … Kennen Sie die Insel?!

»Nein.«

Wieder das eigentümliche kurze Auflachen. »Glaube ich Ihnen gern! Ich dachte, Bolk hätte sie erwähnt.«

»Das tat er wohl, aber er ist etwas wirr im Kopf, glaube ich – aus seinen Reden wird niemand klug …«

Der Fremde schwieg.

Ich fand sein Verhalten zumindest recht sonderbar. Ich gewann von ihm denselben Eindruck, den auch das Verhältnis zwischen Patumengi und Bolk auf mich gemacht hatte: Geheimnisvoll! – Bolks Beziehung zu dem Dokokönig war ja nun geklärt: Waffenschmuggel!! Aber dieser Jan Terpe?!

Ich sagte eindringlich: »Junger Mann, Sie kannten also Petersen genauer? Reden Sie ganz offen mir gegenüber. Ich verrate nichts. Ich will nur Klarheit haben.«

Draußen erhob sich gedämpfter Lärm. Ich vernahm das Schnauben von Dromedaren, Patumengis scharfe Stimme rief irgend etwas – für mich war es höchste Zeit zu verschwinden.

»Ich komme wieder,« flüsterte ich …

Schon war ich draußen, schloß die Riegel, schlüpfte geduckt davon und erreichte atemlos mein kleines Gemach – dicht hinter mir erklommen Patumengi und Bolk die Leiter, sie hatten doch wohl noch gemerkt, daß jemand in den Bambuspalast schlüpfte – ich riß mir förmlich die Kleider vom Leibe, kroch unter die Wolldecke und kehrte das Gesicht der Wand zu.

Ich hörte Patus hastiges Wispern, Bolks melancholischen Baß – dann knarrten die Stämme des langen Flures, das Knarren verebbte … Die beiden hatten offenbar Bolks Kammer betreten. Die Gefahr, daß mein kurzer Ausflug entdeckt sei, war vorüber.

Fennek leckte mir die Hand, beschnüffelte mich und kuschelte sich an meinen Rücken. Ich streichelte ihn, und durch mein Hirn zogen Gedankenbilder in bunter Reihe … Namen, Menschen, Ereignisse.

Malmotta?!

Was war es wohl mit dieser Insel?! Erst hatte der Käpten sie erwähnt, nun hatte Jan Terpe sich als gebürtiger Malmottaner bekannt. Joicker, Mortison, Petersen mußten die Insel gleichfalls einst besucht haben … Einst! Wann?! Und weshalb waren sie dann so eifrig hinter Käpten Bolk hergewesen?!

Gold etwa?!

Goldgier?!

… Mir fiel das Ledersäckchen ein … Patumengi hatte es in das gemeinsame Grab der drei geschleudert …

Da waren überall die Enden von Fäden … Aber es waren nur kurze Stücke, und sie ließen sich nicht aneinanderknoten …

Ich schlief ein.

Im Nebenraum schnarchte die uralte trunkfeste Großmutter des Püppchens Matugira …

War ich über ihrem röchelnden Sägen erwacht?!

Ich fuhr hoch …

Durch die Fensteröffnung fiel das Morgenzwielicht in die enge saubere Kammer und auf Peter Bolks hagere gebeugte Gestalt.

»Ich nehme Sie mit, Abelsen,« sagte er kurz. »Wollen Sie?! Kennen Sie die Südsee?!«

Traumbefangen murmelte ich nur:

»Malmotta?«

»Ja!!«

Und er richtet sich straff auf.

»Ja!! – Geloben Sie mir als anständiger Kerl hier in die Hand, daß Sie schweigen werden – dann sehen Sie Malmotta, nur dann! Es ist nichts Unehrenhaftes bei alledem – auch mein Wort darauf!«

Unsere Hände fanden sich in kräftigen Druck.

»Wir reiten in einer Stunde,« erklärte der Käpten dann. »Ziehen Sie sich an … Packen Sie ihre Sachen …«

Er ging hinaus, und jetzt erst gewahrte ich auch Patumengi, der still in dem alten Plüschsessel kauerte.

»Freund Olaf, mein Herz wird leer werden,« meinte er klagend. »Und doch lasse ich dich gern gehen, Freund Olaf. Peter Bolk ist ein Mann des Meeres, und seine Seele ist rein wie die Luft an den steinigen Ufern von Batimar …«

Der plötzliche Aufbruch hatte die ganze Doko-Siedlung auf die Beine gebracht. Es gab zahlloses Händeschütteln. Es gab blumenreiche Reden.

Und – die Pforte des Gefängnisses Jan Terpes hing schief in den Angeln.

Ich sah es und schwieg.

Das Fehlen meines Jagdmessers aus der Lederscheide erklärte manches. Jan Terpe mußte es mir entwendet haben, als wir im Finstern im hohlen Baobab so rasch Abschied genommen und ich mich dabei gegen die Pforte gelehnt hatte …

Bolk, Patu und ich trabten in die Steppe hinaus.


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