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5. Kapitel.
Wer war's?!

Ich war sehr müde, als gegen zehn nicht nur Hans Lücke, sondern auch Heribert Prank erschien, den Harald gleichfalls zu einer kleinen Besprechung eingeladen hatte. Prank sah entsetzlich elend aus, und mir wieder war der eingelegte Aal schlecht bekommen, obwohl ich hinterher Natron und drei Kognaks geschluckt hatte. Mein Interesse für dieses erneute Konzilium war daher gleich Null. Auch der elegante Hans tat so, als ob ihm der ganze Fall Ganotta bereits zum Halse herauswüchse. »Die Flüchtlinge sind unauffindbar, mein Chef hat vom Oberchef eine Nase versetzt bekommen, und der Oberchef eine vom Minister, weil man nicht auf mich gehört hat und sich durch Pingallis Stiftung bluffen ließ. Diese Nasenverteilung hat mir ebenso viel Spaß gemacht wie Ihr Wachtdienst, Harst, den ich natürlich bemerkt habe. Statt von unseren Beamten wird Pingallis Haus jetzt von drei Leuten der Detektei Lux beobachtet, und die haben Sie doch bestellt, alter Freund. Sie wollen wohl die beiden Kisten nicht stehlen lassen, die noch nicht abtransportiert sind.« Er besah sich seine Zigarre, legte sie wieder weg und rauchte seine eigene an. Meine Brasil sind ihm zu schwer.

Prank sagte gar nichts. Wir tranken Haute Sauterne, und Lücke erzählte neue Witze. Aber nur drei, und nach diesem Paprika meinte er: »Was sollen wir eigentlich hier?!«

»Warten,« antwortete Harst. »Moritz hat einen Tafelwagen bestellt, wie meine Leute erkundeten. Wenn Moritz mit dem Wagen davonfährt, werden wir dem Leichenbegängnis folgen.«

Lücke zog die Augenbrauen hoch, »Donnerwetter, – glauben Sie etwa, daß in den beiden Kisten ...«

»... Ritschel, Spitzer und Irina stecken – ganz recht; Die drei waren bisher in Pingallis Keller irgendwo verborgen, und Pingalli spendete dem Museum seine Schätze, damit die Riesenkisten nicht auffallen sollten ... Als Schraut und ich oben bei Pingalli waren, rannte dieser davon, weil unten jemand wie am Spieße brüllte. Das war Frau Eva Müller, die Xantippe, die zufällig das Versteck der drei gefunden und einen Mordsschreck bekommen hatte – – klar!!«

Lücke verneigte sich überhöflich. »Harst, – Hut ab vor Ihnen!«

Dann kam Mathilde herein. »Herr Harald, hier ist das Rindfleisch ... Juten Appetit ...!«

Es war ein Schmorstück von sieben Pfund, schieres, zartes Fleisch. Harst packte es in Fettpapier ein und meinte: »Unser Proviant!«

»Blech!« sagte Hans Lücke. »Wohin wird Moritz fahren?«

»Dorthin, wo Pingalli und Helga sind ...«

Prank seufzte sehnsüchtig und trank das fünfte Glas Bordeaux.

»... Pingalli konnte die drei nur mit Hilfe der Kisten aus dem Hause bringen,« erklärte Harald und legte auf das Fleischpaket den wertlosen Schirmstock. »Pingalli wird Ritschel und Spitzer reichlich mit Geld versehen und sie ins Ausland schicken. Moritz wußte, daß die drei im Keller waren. Er hat uns also belogen. Er geht für Pingalli durchs Feuer. Aber das alles wird ihnen nichts helfen. Die Erpresser kommen ins Loch, und der Mörder dorthin, wo er hingehört.«

Lücke putzte sein Monokel. »Sie haben irgendeine Ueberraschung in petto, Harst.«

»Eine Demonstration, lieber Lücke ... Außerdem hoffe ich auf eine Radiodepesche aus Hollywood als Antwort auf meine Anfrage heute morgen. Wenn ich mich nicht irre, kommen gerade zwei Leute durch den Vorgarten.« – Er blinzelte, es waren einer der Lux-Leute und ein Depeschenbote. Der Detektiv meldete, daß Moritz soeben die Kisten auf den Tafelwagen lüde, und die Depesche aus Hollywood lautete: »Harst, Berlin-Schmargendorf, Germany. – Ping heiratete in Nachbarort Western vor zwei Jahren in aller Heimlichkeit Irina V., damit gegen diese nicht Anklage erhoben werden könnte, weil sie ihn fahrlässig durch Bauchschuß bei Jagd schwer verletzt hatte. Als Ehefrau P's ging Irina straffrei aus. – Gruß Collins & Comy.«

»Nun schlägt's dreizehn!« sagte Lücke. »Irina ist eine Frau Doktor Pingalli!! Dann durfte er sie nachts allerdings besuchen.«

»Gehen wir,« meinte Harald und nahm das Paket und den Schirmstock. »Moritz dürfte bereits davonfahren.«

Moritz saß vorn auf einer Kiste und kutschierte.

Nach einer Stunde langte er – und wir vier hinter ihm – an einer Uferstelle unweit Pichelswerder an der Havel an, wo neben dem Restaurant so sehr viele Boote, Jachten und Anglerkähne vertäut liegen. Moritz schien seiner Sache so sicher zu sein, daß er sich nicht ein einziges Mal umgedreht hatte. Er lenkte den Tafelwagen dicht an einen Bootssteg, an dem eine große, elegante Motorjacht vertäut war. Sie besaß Vorder- und Achterdeck, und die Fenster der Heckkajüte waren erleuchtet. Auf der Heckbank saß ein Herr im hellen Anzug und Seglermütze und rauchte. Wir hörten, wie Moritz den schrillen Schrei einer Möwe tadellos nachahmte. Der Herr erhob sich und sprang elastisch auf den Steg. Wir lagen alle vier hinter ein paar Distelstauden jenseits des Weges, wir vernahmen hastiges Flüstern, dann wurde von Moritz der Deckel der einen Kiste hochgeklappt und eine Gestalt schlüpfte heraus und eilte den Weg entlang. Es war Irina in einem dunklen Sportanzug. Aus der anderen Kiste tauchten zwei Gestalten auf – natürlich die Herren Erpresser ... Sie flitzten wie gejagt vom schlechten Gewissen ebenfalls in die Jacht hinein. Moritz schlug den Kistendeckel zu, und zu unserer Ueberraschung kam der schlanke Herr um den Wagen herum gerade auf unser Versteck zu ... Er sah uns, wir erhoben uns, und Doktor Pingalli sagte höflich: »Meine Herren, ich habe den Kampf aufgegeben ... Ich ahnte, daß Herr Harst den wahren Inhalt dieser Kisten durchschauen würde ... Es hat keinen Zweck mehr, mit Heimlichkeiten zu operieren. Die einzige Hoffnung, die mir bleibt, ist die, daß Herr Harst auch den wahren Täter herausgefunden hat ... Ist dies nicht der Fall, dann wird der Verdacht wohl nie von meiner Frau genommen werden – oder von mir ...«

Harald reichte ihm die Hand. Er sagte mit der ganzen Schlichtheit seines Wesens: »Ihre Hoffnung wird erfüllt werden, Herr Doktor ... Nur eins noch: Sie hielten Irina für die Mörderin, Irina hielt Sie für den Schützen ... Sie beide suchten sich gegenseitig zu decken, und aus diesem Bemühen ergab sich der Wust von Irrungen und Wirrungen, der noch durch das Eingreifen der beiden Erpresser, durch Prank und uns vergrößert wurde. – Gehen wir ...«

In der strahlendhellen Heckkajüte schnellten Ritschel und Spitzer bei unserem Eintritt wie von einer Tarantel gestochen hoch ... »Verrat!!« knirschte Horst Ritschel ... »Das soll Ihnen teuer zu stehen kommen, Doktor Pingalli!! Nun sind Sie und Ihr junges Täubchen reif für das Gefängnis! Wer in polizeilichen Anmeldungen verschweigt, daß er verheiratet ist, – wer, wie Irina ...«

Aber Harst schnitt diesem geifernden Buben herrisch das Wort ab. »Mit diesen Urkundenfälschungen, die sehr wenig besagen, wenn man die Umstände berücksichtigt, haben Sie beide, nachdem ein Zufall Ihnen die Tatsache dieser heimlichen Ehe zur Kenntnis brachte, Irina gefoltert ... In letzter Zeit wurde Ihr Opfer jedoch weniger willfährig, die Summen flossen nicht mehr so reichlich ... Da heckten Sie den teuflischen Plan aus, Irina in ein noch stärkeres Abhängigkeitsverhältnis von Ihnen zu bringen. Wer die Idee ausklügelte, Ganotta so zu ermorden, daß sowohl Irina als auch Pingalli in Verdacht geraten muhten, ist gleichgültig ...«

Ritschel lachte höhnisch. »Sie ... sind übergeschnappt, Herr Harst ... Dann soll wohl auch einer von uns der Mörder sein ...?!«

Harald zog langsam den Schirmstock unter dem leichten Gummimantel hervor ... In demselben Augenblick sank Ritschel kreideweiß auf die Bank zurück, und auch der Herr Major taumelte neben ihn und bedeckte das Gesicht mit den Händen.

»Lücke, geben Sie mir mal die tödliche Kugel ... Schraut, packe das Fleisch aus und halte es in Brusthöhe ... – Es ist überhaupt kein Schuß gefallen ... Dieser rote Sonnenschirm, den Ritschel gestern abend Irina schenkte, ist eine teuflischere Waffe als damals die grüne Fliege ... Sehen Sie her ... Ich drücke den Schirmgriff herab, und hier unten klappt die eiserne Zwinge des hohlen Eisenstockes wie ein Doppellöffel auf ... Die Zwinge ist sehr spitz. Ich lege die Kugel in den Löffel, er schließt sich ... Ich stoße mit dem Schirmende in das Fleisch ... Da – – die Zwinge bohrt sich ein, ich reiße den Schirm zurück, und im Schirmstock stößt eine Feder die Kugel in das Loch im Fleische, – die Kugel bleibt stecken, und jeder würde beschwören, es müsse mit einer Schußwaffe gefeuert worden sein ... – Als Prank mir erzählte, der rote Schirm sei durch die Luft geflogen, – weil Ritschel ihn nämlich wegwarf, da war das Rätsel halb gelöst ... – Sie, Frau Irina, schrien deshalb auf, weil Sie Ihren Gatten mit dem Karabiner auf der Fontäne sahen, – Ritschel sprang zu, ergriff den Schirm und stieß ihn hinter Ihrem Rücken Ganotta ins Herz ... Sie hörten Ganotta vom Sessel fallen, Ritschel warf den Schirm weg, – – der Mord war verübt ... – In der Tat, – satanischer, schlauer konnte niemand ein Verbrechen verüben ...! – Hoffentlich haben Sie zwei Paar Handschellen bei sich, lieber Lücke ... Diese elenden Gesellen sollen uns schleunigst aus den Augen ...«

Helga flog mit einem Jubelruf ihrem Heribert an die Brust, und Pingalli preßte sein Weib an sich und küßte sie ... – –

Der Schirmstock steht heute im Kriminalmuseum des Präsidiums, – – ich stehe vom Schreibtisch auf ... Irinas Verhängnis ist beendet. Dem, der mir nachweist, daß er den Mörder schon vor Harsts Enthüllungen herausfand, zahl ich eine Million – – in Inflationsscheinen.

 

*

Nächster Band:
Die Hexe von Malvetta.

 


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