Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

4. Kapitel.
Der Schirmfabrikant

»Dann sind Sie genügend gestraft ...« lächelte Harald und fuchtelte mit dem Schirmstock umher. »Eva als Gattin macht alles wett. – Was wissen Sie über den Mord, Herr Müller?«

Moritz stöhnte gepreßt. »Es ... ist ja nun doch alles verloren ... Ich hätte den Herrn Doktor gern geschont ...«

»Also hat er Ganotta erschossen?«

»Ich fürchte ...« und Moritz liefen die Tränen über die stoppligen Wangen. »Ich weiß nur, daß der Herr Doktor ...« – er zögerte – »Irina Vanderkott liebte und heimlich zu ihr ging – immer nachts ... Und gestern nacht war er drüben, ich sah ihn, er ... er hatte den Karabiner mit. Er war wohl sehr eifersüchtig ... Mehr weiß ich nicht.«

»So?! – Helga ist Ihre jüngste Schwester. Und Irina?«

Moritz glotzte Harst verständnislos an.

»Wußte Helga, daß Sie ihr Bruder sind?«

»Gott behüte – nein!! Der Herr Doktor hatte es mir gesagt, aber mir gleichzeitig streng befohlen, Helga nichts merken zu lassen.«

»Und ... Irina?!«

Moritz Augen leuchteten plötzlich auf. »Herr im Himmel, – – sollte es möglich sein?!« rief er ungläubig.

»Es ist so, Irina ist Ihre Schwester. – Herr Müller, können Sie wirklich gar nichts mehr über die verflossene Nacht angeben.«

Moritz zuckte die schiefen Schultern. »Leider nein! Ich wünschte, ich könnte es ... Ich hänge an dem Herrn Doktor, er hat uns nur Gutes erwiesen, er ist der beste, edelste Mensch auf Erden ... Ich konnte ihn doch nicht fragen, ob er den Ganotta aus Eifersucht erschossen hat, – an dem Ganotta war übrigens nichts dran, er war ein ganz verfluchter Schürzenjäger, ich habe ihn und Irina mal belauscht – durch die Hecke, – Ganotta war wie ein Verrückter, Irina sollte ihn heiraten ... Als sie ihn abwies, drohte er ihr ...«

»Womit?«

»Er kreischte bissig: »Sie werden niemals einem andern gehören, – ich fiebere nach Ihnen, und – – mir ist alles gleichgültig!!« Sie lachte ihn aus ...«

»So ... so!« sagte Harald. »Also wäre auch das bewiesen ..! Arme Irina, Ganotta war dein Verhängnis, dieser Mensch ohne jegliche Hemmungen ..!«

Hans Lücke mischte sich ein.

»Harst, ich muß an den Chef telephonieren ... August Müllers Aussage entscheidet. Pingalli muß verhaftet werden.« –

Um drei Uhr nachmittags hatte die Kriminalpolizei ermittelt, daß das gemietete Reiseauto friedlich in die Garage zurückgekehrt war. Pingalli und Helga hatten das Auto in Königswusterhausen halten lassen und waren mit ihren Koffern in einem Hotel abgestiegen, von wo sie eine halbe Stunde später mit einer Taxe verschwanden, – wohin, war nicht zu ermitteln. Auch der Verbleib Irinas und Ritschels und Spitzers war nicht aufzuklären.

Wir beide hatten nach dem Mittagessen in den Liegestühlen ausgiebig geschlafen, Harst sprach kein Wort mehr über das Rätsel dieses Mordes. Um sechs Uhr telephonierte Lücke und meldete, daß die gemeinsame Wohnung Spitzers und Ritschels genau durchsucht worden sei. Ritschel scheine auch Radiobastler zu sein, denn ein kleines Hinterzimmer sei als Werkstatt eingerichtet, und an dem Handwerkszeug, Schraubstöcke, Lötkolben und so weiter, fehle nichts ... – Harst bat Lücke, sich doch auf jeden Fall abends gegen zehn bei uns einzufinden. »Ich wollte um acht kommen,« erklärte der elegante Hans. – »Kommen, Sie um zehn, das reicht, das ist noch zu früh ...« und Harald hängte ab.

Er blieb in seinem Arbeitszimmer, während seine Mutter und ich ein Stück durch die Laubenkolonie und bis nach Dahlem hinein spazieren gingen. Frau Harst, meine allzeit mütterliche Freundin und kühle Kritikerin, meinte sehr ernst, sie hielte Pingalli nicht für den Mörder. – Ich betonte, daß der inzwischen in seinem Hause gefundene Karabiner genau das Kaliber des tätlichen Geschosses habe und daß man eine Pistolenkugel auch in eine Patronenhülse, die für den Karabiner bestimmt sei, hineindrücken könne. Außerdem sei doch das Motiv der Tat ganz klar: Eifersucht!! Pingalli sei eben Irinas Liebhaber trotz des großen Altersunterschiedes gewesen ... Pingalli habe sich als Mann tadellos konserviert und wirke wie ein Fünfziger.

Aber Frau Harst widersprach immer noch. »Ich nehme bestimmt an, Harald kennt den wahren Täter, lieber Schraut ... Ich fürchte, es ist Irina selbst. Bedenken Sie: Ganotta hat doch offenbar bei der wilden Autofahrt Irina und sich selbst töten wollen. Irina hat ihm sicherlich ihre Fußverletzung, ihre Lahmheit und die Kinnarbe nie vergessen. Freilich – manches, bei alledem, widerlegt mich auch, zugegeben.«

Ich hatte bisher mit meiner eigenen Ansicht vorsichtig zurückgehalten. Ich erklärte nun: »Man hat hier die Wahl zwischen Pingalli, Irina, Prank und Moritz, – denn auch diese beiden letzteren erscheinen mir verdächtig. Das ist bei mir wohl Gefühlssache, aber ...«

Und dann betraten wir den Gemüsegarten, Harald band dort die Tomatenstauden fest, winkte uns zu, und ich schwieg.

Harald küßte seine Mutter und ... zog ein Stück rote Seide aus der Tasche. »Ich war derweil bei Ritschel – kleiner Einbruch ... Dies hier fand ich in seiner Werkstatt zwischen Putzlappen auf der Drehbank. Ritschel scheint Schirmfabrikant gewesen zu sein – im Nebenberuf.«

Frau Harst rief leise:

»Hältst du Ritschel für den verbrecherischen Schützen?!«

»Nein, liebe Mama ... – Mathilde wartet schon mit dem Abendbrot ... Es gibt Aal und Bratkartoffeln und Gurkensalat. Schraut wird wieder drei Tage Magenbeschwerden haben.«


 << zurück weiter >>