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Der Neu-Bauer

In Livland traf Hvidbjörn mit dem Urvolk zusammen. Es fiel ihm nicht im Traum ein, diese kleinen, schorfigen Wilden, die wie Ungeziefer im Gestrüpp hockten, könnten die schönen, nackten Menschen sein, die er in den Wäldern im Süden zu finden gemeint hatte. Und dennoch waren sie es. Sie stammten in gerader Linie von dem Volk ab, das seinerzeit Dreng ausgestoßen und ihn dem Winter preisgegeben hatte.

Es dauerte lange Zeit, ehe Hvidbjörn die scheuen Eingeborenen so weit beruhigt hatte, daß er sie überhaupt ordentlich zu Gesichte bekam. Sie versteckten sich im Anfang wie Füchse im Gebüsch und ergriffen die Flucht, wenn er ihnen zu nah kam. Meist flohen sie auf allen Vieren, damit sie so wenig wie möglich zu sehen waren; und während sie so, ein starres Fell als Deckung auf dem Rücken, durchs Gras krochen, pflegten sie das Gesicht nach rückwärts zu kehren, die Zähne zu fletschen und weiterzulaufen. Wenn sie weit genug waren, erhoben sie sich und rannten gradaus, bis sie sich in Sicherheit glaubten. Hvidbjörn nannte sie »Grävlinger«, ihren Spuren und dem Geruch nach, der ihnen anhaftete.

Es ging ihm auf, daß sie ihn und seine hochgewachsenen blonden Söhne mit tiefstem Entsetzen und voller Ehrfurcht betrachteten und sie beinahe für übernatürliche Wesen hielten. Wie sollten sie auch Riesen mit lichtem Haar und blauen Augen fassen können – Riesen, die übers Wasser kamen mit Schiffen – etwas, für das ihnen der Begriff noch vollständig fehlte! Hvidbjörn mußte viele freundliche Zeichen machen und grüne Zweige statt der Waffen in der Hand tragen, um sie dazu zu bewegen, näher zu kommen; und auch dann noch krochen sie nur auf dem Bauch heran und winselten wie junge Hunde vor Furcht und Unterwürfigkeit.

Vaar, die Milde, hockte sich vor ihnen nieder und lockte ihre Kleinen mit Gerstenkuchen, die sie im Schoß hielt.

Nach und nach kam eine Annäherung zustande; aber auch nachdem die Grävlinger gelernt hatten, daß die hohen weißen Menschen sie nicht auffressen wollten, fuhren sie fort, im Staub vor ihnen zu kriechen, als vor übernatürlichen Geschöpfen. Hvidbjörn stieß also bei ihnen auf keinerlei Schwierigkeiten, als er sich im Land niederließ.

Es war reich an hohen Tannen- und Birkenwäldern und voll von Wild. Im Innern des Landes lagen unendliche Steppen, auf denen Herden von wilden Pferden und Schafen weideten, so weit das Auge reichte. Zum erstenmal sah Hvidbjörn hier das wilde Pferd; es hatte Skandinavien lange vor seiner Zeit verlassen. Allerdings ging die Sage, daß die Vorfahren in ferner Zeit ein Tier gekannt haben sollten, das an jedem Bein bloß eine Zehe hatte und lief wie der Wind; aber Hvidbjörn hatte das nur für eine Fabel gehalten, wie sie so vielfach aus längst vergangenen Zeiten noch umgingen. Hier ward jedoch die Sage lebendig.

Hvidbjörn versprach sich viel von einer näheren Bekanntschaft mit den wilden Pferden. Es waren schöne Tiere, mit leichten schwarzen Streifen auf den gelbgrauen Flanken und großen, beweglichen Ohren. Sie waren sehr neugierig und gutmütig, voll Spielerei, immer bereit, plötzlich in einem Freudengalopp über die Steppe hinzusausen. Hvidbjörns Knaben waren ganz erfüllt von den flinken Tieren und versuchten sich ihnen mit einem Stück Brot in der einen und einem zusammengewickelten Riemen in der andern Hand zu nähern, und die wilden Pferde schnupperten auch voller Gelüste, tanzten übermütig, mit geschmeidigen Bewegungen, und zeigten die größte Begier, wenn aber die Knaben zu nahe kamen, sausten sie davon, daß man das Innere von allen vier Hufen sah. Sie wieherten feurig, aus vollem Hals, besonders die jungen Hengste, die mutig die Mähne schüttelten und einen weißen Halbmond in den Augen zeigten. Die Knaben riefen sie mit allen nur möglichen Kosenamen, und die Pferde neigten die Köpfe und erwiderten mit fröhlichem Schnauben; aber allzu nah ließen sie sie vorläufig noch nicht kommen.

Die Sache war die: die Eingeborenen wußten die Pferde nur zu töten. Sie zu zähmen und zu Brüdern zu machen, dazu hatten sie nicht den Verstand. Sie waren überhaupt in einer Weise grausam gegen die Tiere, die Hvidbjörn ganz fremd und empörend erschien. Sie begnügten sich nicht damit, sie auf der Jagd zu erlegen; sie marterten sie auch kaltblütig, einfach zur Belustigung. Sich ihnen in Brüderschaft zu nähern, lag ihnen um so ferner, als – soweit Hvidbjörn verstand – diese feigen Sohlengänger sich geradezu unsinnig hoch über alles, was Tier hieß, erhaben dünkten. Immerhin hatten die Grävlinger manche Eigenheiten, auf die sie stolz waren und die Hvidbjörn ihnen gerne ließ.

Es war dem Urvolk sehr verschieden ergangen, seit Dreng, der Alte, im verlorenen Land sich von ihnen schied. Die Mehrzahl war allerdings in gerader Richtung südwärts gezogen und hatte sich in fernen Tropenländern ausgebreitet, wo man nie wieder von ihnen hörte, bis fast eine ganze Erdperiode später, als ein Nachkomme Drengs, Kolumbus, auf den westindischen Inseln einen Zweig der Familie fand. Noch später stieß ein Geschlechtssprößling Drengs, Darwin, auf sie in ihrem äußersten Abschaum, so wie sie angefangen und geendet hatten – – nämlich in Feuerland.

Aber zu der Zeit, als Hvidbjörn lebte, waren sie noch nicht weiter gekommen als bis Südeuropa, mit vereinzelten Einwanderungen in Afrika und Asien. Es gab immer noch nördliche Vorposten, die die Kälte bester aushielten als die übrigen, und als die Witterung milder ward, wanderten viele wieder in den alten Spuren nordwärts, indem sie dem Wild nachzogen und sich mit den Jahreszeiten ruckweise hin- und herbewegten. Als das Urvolk von Skandinavien auswanderte, war das Land mit dem übrigen Europa fest verbunden gewesen. Später bildeten sich offene Sunde dazwischen, über die die Menschen vorläufig nicht kommen konnten. Dagegen bogen sie ab – den Küsten der Ostseeprovinzen entlang – und verpflanzten sich dadurch gleichzeitig bis tief in das Innere von Rußland. Und hier war es, wo Hvidbjörn auf sie stieß.

Im Anfang verstanden sie einander nicht; jeder war geneigt zu glauben, daß der andere überhaupt keine Sprache hätte, sondern bloß sinnlose Laute. Aber bald lernten sie von dem, was gesprochen wurde, auf das schließen, was gemeint war, und dieser Unterschied der Sprache gab ihnen die erste Anleitung zur Bildung von Begriffen, die später feste Form annahmen. Im übrigen währte es nicht lange, und Hvidbjörn fand in der scheinbar wildfremden Sprache der Grävlinger Worte, die ihm bekannt vorkamen, und die dereinst in beiden Sprachen gleich gelautet haben mußten. Die Grävlinger wußten Lieder und uralte Sagen zu berichten; unter anderm hatten sie eine nebelhafte Überlieferung von einem Menschen, der seinen Bruder erschlagen hatte und in ein ödes Land verbannt worden war. Hvidbjörn hörte mit großer Teilnahme von diesem bösen Handel und schenkte dem Erzähler ein Stück Brot.

Die im Norden wohnenden Urmenschen waren nicht mehr ganz dieselben wie damals, als Dreng sich von ihnen schied. Heimatlosigkeit und Not hatten sie zum Bösen verändert; sie waren unzufriedener und mißgünstiger gegeneinander als früher. Von der Sorglosigkeit und Geschmeidigkeit, deren sich ihre Vorväter erfreut hatten, war nichts mehr übrig; sie schaukelten nicht mehr, einen Apfel in der Hand, im Baumwipfel und schüttelten zum Zeitvertreib die übrigen Früchte zu Boden. Auch die Behaarung hatten sie verloren; sie war in einer schlimmen Zeit ihnen abhanden gekommen und durch den Schweiß und Staub des Landflüchtigen ersetzt worden. Das einzige, was sie gelernt hatten, war, den Rücken zu decken gegen den Winter, vor dem sie immer auf der Flucht waren; und das war ganz buchstäblich zu verstehen. Eine richtige Kleidung kannten sie nicht, sondern warfen irgendein altes Schaffell um, womit sie sich den Rücken warm hielten im Unwetter. Aber sie verstanden nicht, es zuzubereiten. Die Felle waren steif und hart. Auf der Jagd und bei jeder Gelegenheit benutzten sie es als Schußwehr; sie schliefen darunter und verkrochen sich in der Gefahr dahinter. Sie bauten sich keine Häuser, sondern schliefen in armseligen Löchern auf der nackten Erde oder in einem Busch. Sobald es auf den Winter zuging, wanderten sie in geschlossenen Trupps, wie andere Zugvögel, gen Süden und ließen sich vor dem nächsten Frühjahr nicht mehr blicken. Und doch hatten sie immer Feuer gehabt. Sie schleppten es in Körben mit Feuerschwamm mit sich, ganz wie in der Urzeit. Aber weiter im Gebrauch waren sie nicht gekommen. Töpfe kannten sie nicht. Vom Brotbacken hatten sie keinen Begriff, ahnten überhaupt nicht, daß es etwas gab, was Korn hieß, trotzdem sie bis an den Hals darin wateten und das ganze Land voll war von wilder Gerste. Daß sie selber sich darauf verstehen sollten, Korn anzubauen, ließ sich nicht erwarten. Vom Schiffebauen wußten sie nichts. Dagegen konnten sie schwimmen und nahmen auf diese Weise kleinere Wasserhindernisse. Sie warfen nicht mit dem Speer und machten sich bloß die notdürftigsten Steingeräte.

Aber dafür hatten die Grävlinger wiederum ein Gerät, das Hvidbjörn vollständig neu war. Sie verstanden es, einem Rohr mit einer Feuersteinspitze einen weiten und sicher berechenbaren Flug durch die Luft zu geben – und zwar mit Hilfe von Antilopenhörnern, deren Spitzen mit einer Sehnenschnur gegeneinander gespannt waren. Es war ein Bogen. Wie sie dazu gekommen waren, konnten sie nicht erklären; aber sie zeigten grinsend, wie sie eine Giftschlange fingen und die Pfeilspitzen in ihren Kopf steckten, um sie wirksam zu machen; und Hvidbjörn graute es, als er zum erstenmal ein wildes Pferd vor einem solchen Pfeilschuß fallen und in Zuckungen verenden sah, obgleich die Wunde kaum ein Ritz war. Das war häßliche Zauberei! Für sich lernte Hvidbjörn den Bogen nicht gebrauchen. Die Knaben dagegen konnten gar nicht die Augen davon lassen und machten sich selbst bald ähnliche – allerdings aus Eschenholz. Aus dem Gift machten sie sich weiter nichts; sie jagten nicht aus dem Hinterhalt; sie waren stark und wurden mit der Zeit so geschickt, daß sie auf nicht allzugroße Entfernung einen Auerochsen durch und durch schießen konnten mit ihrem Pfeil. Außer zur Jagd benutzten die Grävlinger den Bogen auch noch auf andere Weise, indem sie sich manchmal hinsetzten und Musik darauf machten. Sie griffen mit den Fingern in die gespannte Saite; und es gab einen lockenden Klang. Wie Wind spielte es darin und ferne Welten.

Die Grävlinger waren ganz erpicht auf das Tonspiel. Und wenn einer von ihnen den Bogen fingerte, dessen Klang verstärkt ward durch die Hirnschalen, auf denen die Hörner saßen, und ein anderer mit einem Knüppel an einen hohlen Baum schlug, während ein dritter in einen Knochen blies, und gleichzeitig ein Haufen von den andern einen Kreis schloß um die Tonkünstler und leidenschaftlich im Chor wimmerte, konnte das wirklich auch auf andere als auf die verdrehten Musikanten den tiefsten Eindruck hervorbringen. Ein Zauber lag in der süßen Mischung von Tönen, die in den Menschen Sehnsucht und Tränen weckte, ein Waldlaut, der schlummernde Erinnerungen an das verlorene Paradies wachrief.

Ursprünglich hatten die Grävlinger jedenfalls das Lockspiel bloß im Dienst der Jagd verwendet, um die Aufmerksamkeit des Wildes zu fesseln: und wenn dann das wilde Pferd sich näherte, klug den Kopf schüttelnd, die großen, flaumigen Ohren lauschend vorgespitzt nach den lieblichen Tönen, die der Wind von fernen seligen Weideplätzen herzutragen schien, flog der giftige Pfeil vom Bogen und sandte den Todesbrand in die Adern des Tiers. Es war eine Kunst, die sich bezahlt machte. Und die ganze Seele des Urmenschen lag in diesem Gerät, das zugleich Natter war und Harfe.

Aber durch lange Übung war die Fertigkeit der Grävlinger so groß geworden, daß sie jetzt das Spiel als eine Kunst an sich, außerhalb der Jagd, verehrten. Sie gaben dem Bogen mehrere Saiten, gleichsam verschiedene Arten von Luftstärke, und vertieften den Klang, indem sie die Hörner von der leeren Hirnschale, die mit den Zähnen schrillte, losmachten und sie statt dessen in eine Schildkrötenschale setzten, die volleren Klang gab. An der Knochenflöte brachten sie Löcher an, so daß sie aus vielen Wunden stöhnte; den hohlen Baum hieben sie ab, um ihn transportabel zu machen; und sie lernten auch, in einem gewissen Takt klagen, der Jammer und Sehnsucht zur Kunst wandelte. O ja! sie waren Meister in der Musik!

Hvidbjörn und seine Familie hatten in dieser Richtung keinerlei Talente; aber sie waren sehr empfänglich dafür und lauschten in tiefer Ergriffenheit, wenn die Grävlinger ein Stück zum besten gaben; sie stießen tiefe Seufzer aus und wurden ganz rot und blaß unter dem Eindruck ihrer Gefühle; die Musik machte sie zahm; wie festgenagelt standen sie da, ganz verloren in den gaukelnden Lockruf, der sie über sich selbst hinausrief. Wenn sie so lauschten, gemahnten sie nicht wenig an die schönen wilden Pferde, die die Musik zutraulich machte. Mit derselben verzauberten Haltung beugten sie sich vor mit gefesselten Gliedern. Die Musik der Grävlinger war es, die Hvidbjörn für sie einnahm und die Ursache ward, daß er sich der Freundschaft mit ihnen hingab.

Sonst lernte Hvidbjörn just nicht viel von den Bewohnern des Ostens. Die Wirkung war eine umgekehrte. Die Grävlinger bekundeten eine erstaunliche Nachahmungsgabe, lernten im Handumdrehen sich zu kleiden, zu kochen, Schlitten zu fahren, auf dem Wasser zu segeln, alles was Hvidbjörn konnte. Sie eigneten sich alles so gut an, daß sie unter sich bald beinah überzeugt waren, sie hätten ja alle diese selbstverständlichen Dinge schon längst gekannt. Und es fehlte nicht viel, so hätten sie diesen Feuerbart ausgelacht, der sich da als Erfinder all dieser einfachen Dinge aufspielte. Sie hatten das glücklicherweise gar nicht zu erfinden brauchen! Trotzdem kamen sie mit all dem Neuen, was sie gelernt hatten, nicht weiter, ehe sie Hvidbjörn auf die Finger geschaut hatten, wenn er arbeitete.

Werkzeuge und Holz quollen nur so unter Hvidbjörns sommersprossigen Händen hervor. Nichts blieb wie es war, sondern kam in einer neuen vollkommeneren Gestalt zutage, wenn sein glimmernder Blick darüber gelaufen war. Kein Boot, kein Schlitten kam aus seinen Händen, die nicht anders gewesen wären als die vorhergehenden. Das höchste Streben der Grävlinger, etwas Gutes zu schaffen, ging darauf aus, alles grade so zu machen, wie es hergebracht war, in der alten, vertrauten Form. Und darin trieben sie es weit. Sie erreichten das Höchste, was man erreichen kann in der Kunst, Schritt um Schritt der Selbstverständlichkeit nachzugehen.

Sie verpflanzten das Neue weiter, zu fernen Stämmen des Urvolks, die es willig aufnahmen, aber meist für ewige Zeiten auf einer oder der anderen Stufe stehen blieben und zugleich sich weit von der Quelle entfernten.

Hvidbjörn und die Grävlinger kamen jedenfalls gut aus miteinander. Jeder hielt an seinen Gebräuchen fest. Und die waren ziemlich verschieden. So verbrannten zum Beispiel die Grävlinger ihre Toten noch – eine jetzt sinnbildlich gewordene Handlung, die aus einer Vorzeit stammte, in der sie sie noch rösteten und verzehrten. Gleichsam zur Erinnerung an die vergangene Sitte verspeiste die Familie noch ein Stückchen des Verstorbenen beim Holzstoß; bloß um den Betreffenden zu ehren. Es schickte sich doch nicht, daß ein Mensch so ganz ungenossen von dannen fuhr! Aber nachdem sie von Hvidbjörn den Gebrauch des Korns gelernt hatten, fingen sie an, kleine Nachbildungen des Toten in Form von Kuchen zu machen, die sie am Feuer verzehrten. Und dieser Brauch erhielt sich.

Hvidbjörn ärgerte sich nicht über die Leichenverbrennung, obwohl ihm der Geruch zuwider war. Er war, vom Gletscher her, noch ganz andere Dinge gewöhnt; aber er erwartete nicht, daß alle Menschen gleich sein sollten. Das Gletschervolk glaubte nicht an den Tod. Seit Allvater in sein Haus hinabgestiegen und nicht wieder gesehen worden war, pflegte man alle, die an Krankheit oder Alter starben, in ihren Höhlen zu lassen, die sie zu Lebzeiten bewohnt hatten, ihnen etwas zur Wegzehrung mitzugeben und dann das Grab mit Erde zuzuwerfen. Ob sie nachher noch weiter fortlebten, das zu entscheiden stand nicht bei andern; jedenfalls gab man ihnen jede Möglichkeit, die man konnte.

Auch im Alltagsleben wichen die Gebräuche der Grävlinger durchgreifend von denen Hvidbjörns ab. Die Frauen hatten es geradezu jammervoll. Unzucht war an der Tagesordnung. Dieberei war die einzige Form für gesetzliches Eigentumsrecht, die die Grävlinger kannten. Sie waren so furchtsam, daß es gradezu Widerwillen erregte, aber von einer gewissen Entfernung aus waren sie äußerst mutig. Ehrfurcht vor der Übermacht kannten sie nicht; vor dem kleinsten Tier liefen sie davon; aber wenn die Natur sprach, schwiegen sie. Im Dunkeln lärmten sie wie die Wölfe. Keifereien gab es immer. Sie reizten einander gegenseitig auf, so recht als erbärmliche Schwächliche, die sie waren – ohne doch jemals zuzuschlagen.

Ganz von selbst tat sich ein natürlicher Abstand auf zwischen Hvidbjörn und den Grävlingern. Während Hvidbjörn an der Küste blieb und sich mit neuen großen Schiffen beschäftigte, kamen und gingen die Grävlinger auf ihren Wanderfahrten durch immer dieselben Gegenden – südwärts, wenn es kalt wurde, und mit dem Frühjahr wieder zurück nach Norden. Hvidbjörn nahm sie freundlich auf, wenn sie kamen: aber irgendwelche näheren Beziehungen entstanden nicht. Jeden Frühling, wenn Hvidbjörn seinen Scheiterhaufen anzündete und Opferfest hielt, bei welcher Gelegenheit er jetzt am liebsten das wilde Pferd schlachtete, das süßes Fleisch hatte, pflegten die Grävlinger sich einzufinden als alte Bekannte, die gern am Schmaus teilnahmen und immer etwas von draußen zu erzählen wußten. So ward daraus nach und nach ein großes Fest mit darauffolgender Musikbelustigung und Tauschhandel. Die Grävlinger brachten oft Dinge mit, die Hvidbjörn sich wünschte, und er wiederum hatte Schätze, nach denen die Grävlinger lüstern waren.

In einem Jahr hatte einer der Zugvögel ein Beil von ganz besonderer Beschaffenheit mit sich, das Hvidbjörn sich sofort eintauschte und genau untersuchte. Es war schön rot und so blank, daß man sein eigenes Gesicht drin spiegeln konnte wie in Wasser. Aber das Auffallende war, daß es sich nicht wie irgendeine andere Steinaxt behandeln ließ, nicht zerbröckelte und zersplitterte beim Draufschlagen. Dagegen konnte man es ganz flach hauen, wodurch es sich erwärmte, und dann in eine andere Form gehämmert werden konnte. Das Material war zäh aber nicht besonders hart. Es hatte keinerlei Geruch oder Geschmack und lag schwer in der Hand. Es war Kupfer. Hvidbjörn wußte vorläufig noch nicht viel mit dem neuen Material anzufangen, obgleich er so viel davon eintauschte, als er nur konnte, weil Vaar es gern haben wollte, um es sich um den Hals zu hängen. Zu Werkzeugen war es nicht vorteilhaft, bei weitem nicht hart genug. Der Feuerstein war doch besser. Hvidbjörn besaß eine Anzahl von geschliffenen Meißeln und Beilen, die kein anderes Material zu ersetzen vermochte, die mit scharfem Zahn ins Holz fuhren und jede Kraft aushielten, die man in den Schlag legte. – – Nach und nach aber lernte Hvidbjörn die Eigenschaften des Kupfers doch näher kennen und merkte – sie waren nicht zu verachten. Während er es zu Schmuckstücken für Vaar verarbeitete, entdeckte er, daß es im Feuer schmolz. Durch das Hämmern wurde es nämlich warm und zugleich viel weicher; Hvidbjörn versuchte darauf, es im Feuer zu erhitzen, und sah es auf einmal gleich einer roten Schlange durch die Glut laufen – er traute seinen eigenen Augen kaum! Später fand er es dann, in einem Klumpen, erkaltet, in der Asche, und fing von vorn an. Mit der Zeit leistete es ihm manche Dienste. Die Grävlinger sagten, sie hätten es von Stämmen weit im Süden und Osten; im übrigen wußten sie nicht recht, welche Eigenschaften es vom Stein unterschieden. Sie brachten es immer – zu kleinen Beilen oder Stäben geschmiedet, die durch den Nasenknorpel getragen wurden. Später kaufte Hvidbjörn kleine Stücke eines ähnlichen Materials, die die Grävlinger von ihren Reisen mitbrachten. Es war gelber von Farbe und noch viel weicher, so daß man es zu nichts anderem verwenden konnte als zu Perlen und Ohrringen für die Frauen. Auch ein weißes Metall lernte Hvidbjörn kennen, und außerdem noch viele andere Dinge, die die Grävlinger mit sich schleppten – Muscheln, hübsche Steine und dergleichen.

Der Verkehr verlor das Gepräge der Neuheit. Die Grävlinger wußten gut, daß die weißen Menschen nicht übernatürlicher waren als sie selber. In einem Jahr blieb einer der Stämme den Winter über im Norden und kam recht gut durch. Sie hatten gelernt, Häuser zu bauen und Felle zuzubereiten. Von da ab blieben sie seßhaft und versuchten, es der Hvidbjörnfamilie gleichzutun. Sie zeigten eine merkwürdige Ausdauer in dem Bestreben, Hvidbjörns Tun zu beobachten und es ihm nachzumachen. Und nach und nach legten sie sich einen ganz seltsam schielenden Blick zu durch dies immerwährende Stehlen mit den Augen, ohne dem Eigentümer einen Dank zu gönnen.

Hvidbjörn ließ sie gewähren. Sie nährten sich, nachdem sie gelernt hatten, aus dem Meer Nutzen zu ziehen, von Fischfang. Aber sie bauten keine Schiffe, sondern zogen es vor, die ausgehöhlten Boote nachzumachen, für die Hvidbjörn ebenfalls ihnen das Modell geliefert hatte. Holz genug war ja da. Und solch ein Trog ließ sich ohne große Mühe vermittelst Feuer aushöhlen und genügte dem Bedarf der Grävlinger. Es war längst auch nicht mehr überwältigende Bewunderung, mit der sie das kunstvolle Schiff betrachteten, das Hvidbjörn am Strand baute; im Gegenteil, es lastete eher auf ihnen wie ein verzehrendes inneres Kranksein, an dem sie litten und für das es nur ein Heilmittel gab.

Hvidbjörns Schiff wuchs. Und mit ihm seine Pläne. So groß sollte es werden, daß es ihn und sein ganzes Geschlecht tragen konnte – bis ans Ende der Welt – bis hinein in das verlorene Land. Ein starker Rausch um den andern überkam ihn, während er so arbeitete. Er lief dahin und dorthin in seiner Hitze – seine Stirn glühte – seine Hände flammten von Blut, während er schaffte, die Augen schossen Blitze. Er zwang sich zur äußersten Behutsamkeit, er war so geschmeidig von Fingern, so hellsehend, während er sein Werkzeug ansetzte, er hieb mit einem Schlag den Baum durch, ging drauf los wie ein Stier, sobald er sich klar darüber war, was er wollte. Er jauchzte im Siegerrausch bei der Arbeit, wenn die Sonne schien, er selbst eine kleine Sonne, mit seinem flammend roten Haar und Bart, und bei andern Gelegenheiten zerschlug er in rasender Ungeduld sein ganzes Werk mit seinem allergrößten Hammer, wütend wie ein Eber, bis kein Splitter mehr ganz war; das war immer so, wenn etwas ihn geärgert hatte und sich nicht gleich fügen wollte. Und am Tag darauf stand er wieder frisch und nüchtern auf dem Zimmerplatz, fuhr sich durch sein rotes Haar und begann von vorn. Die Söhne halfen ihm in allem.

Das Schiff, das er baute, war zum erstenmal eines mit einem Kiel. Er hatte sich Anker und Nägel aus Kupfer geschmiedet, die die Spanten zusammenhalten sollten, und da das Schiff so groß werden mußte, daß weder er noch die Söhne noch irgendwelche menschliche Gewalt es von der Stelle rühren konnten, hatte er von Anfang an, von früheren Erfahrungen klug gemacht, den Kiel auf runde Baumstämme gelegt, um das Schiff so ins Wasser zu rollen, wenn es fertig war.

Aber die Vorderspitze des Kiels, die über den Steven emporragen sollte, hatte Hvidbjörn mit Aufbietung seiner ganzen Geschicklichkeit zum Haupt eines Ungeheuers mit weitaufgerissenem Rachen geformt.

Was es für ein Geschöpf war, war nicht so leicht zu ergründen; und Hvidbjörn selber war sich nicht ganz klar darüber. Aber der Mann, in dessen Blut noch blinde Erinnerungen spukten von den Vorfahren her, die dereinst die grause Seeschlange gesehen hatten, sie, die jetzt den Schlaf der Ewigkeit auf dem Grund des Meeres schlief, stellte sich etwas Derartiges vor wie das Unmöglichste, was seine Hand schaffen und festhalten konnte, und er hatte seinen Gedanken vollen Ausdruck gegeben. Dieser Kopf konnte selbst Walfische schrecken – und sollte es auch. Und außerdem sollte er Ausschau halten, während das Schiff gebaut ward, und die Sehnsucht lernen nach dem Land, das Hvidbjörn in seinem Zeichen aufsuchen wollte.

Mittlerweile hatte Hvidbjörn, gleich einem blitzraschen Seher, eine andere Spur entdeckt, noch eh das Schiff fertig gebaut war. Das war die Steppe und der Ausblick gen Osten, der keine Grenze hatte, so weit er auch ins Land eindrang – die Unendlichkeit der Erde, die ihn, so wie die des Meers, nicht ruhen ließ. Sollte er niemals weiter kommen? War dieser runde Gesichtskreis hier mit der aufgehenden Sonne seine Grenze? Sollte er die Welt auf diesem Weg niemals besitzen? Und die wilden Pferde – weshalb vermochten sie ostwärts zu jagen – soweit es ihnen behagte?

Ha! Hvidbjörn fängt die Pferde ein und zähmt sie, und der Schlitten von den alten Tagen auf dem Gletscher wird wieder hervorgeholt! Und sausend geht im Winter die Fahrt über die endlosen Schneefelder. Das war ein Betrieb auf dem Hof – mit Pferdezucht, Gewieher, mit Lachen und Halloh! Vaar bringt den Tieren Brot, das sie ihnen auf der flachen Hand hinreicht, damit sie in ihrer Gier sie nicht in die Finger beißen, und die Pferde nehmen die Stückchen mit ihren weichen, beweglichen Mäulern. Und wenn nichts mehr da ist, trocknet sie ihnen den Schaum aus den Mähnen und lacht ihnen zu, während sie ihr nachlaufen und ihre Hände beschnuppern. Hvidbjörn verfertigt geschickt eine Peitsche mit einer Schnur, die durch die Luft surrt und wie eine Bremse sticht. Und die Pferde tanzen unter ihr und werfen den Kopf auf. Und Hvidbjörn und seine Söhne rasen wie die wilde Jagd über die Steppe.

Die wackeren Pferde laufen mehr als willig, traben vor dem Schlitten her im leidenschaftlichen Glauben, daß sie diesem Schlitten und der Gefangenschaft entrinnen werden. Und just das sollen sie. Und dahinter sitzt, laut lachend, Hvidbjörn und fährt mit. Sie paßt ihm grade, diese Flucht der Pferde.

Neben ihm reiten die Knaben, die längst gelernt haben, dem flüchtigen Kameraden ein Bein über den Rücken zu werfen und seinem Lauf die Richtung zu geben, die ihnen behagt. Als ob Pferd und Reiter in ihrem vollen Galopp eins wären, so sitzen sie. Heiho! Aber im Sommer weiß Hvidbjörn mit dem Schlitten gar nichts anzufangen. Er sinniert.

Er sinniert immer wieder. Also – diese Rollen, auf denen er seine Boote immer ins Meer laufen läßt. – Wenn man nun unter dem Schlitten ein rundes Holz befestigte, das mitliefe und sich unter den Kufen drehte? Hvidbjörn bringt die Rolle gar nicht mehr aus dem Kopf. Er probiert – er legt um die beiden Enden einer dicken Holzrolle Riemen und hängt sie unter den Schlitten. Aber die Riemen halten fest und wollen die Rolle nicht sich drehen lassen. Schließlich braucht sie ja auch gar nicht der ganzen Länge nach die Erde zu berühren. Hvidbjörn zimmert sie ganz dünn, bis auf die beiden Enden, und sie hängen nun wirklich fest; aber die Sache hat doch keine Art, bis er an Stelle der Riemen in die Kufen Löcher bohrt und den dünnen Teil der Rolle hineinsteckt. Jetzt konnte der Schlitten tatsächlich auf der nackten Erde fahren. Aber die runden Holzscheiben am Ende müssen größer gemacht, von einem dickeren Baumstamm genommen werden, und es war ein langwieriges Stück Arbeit, sie in der Mitte dünn zu hauen. Weshalb nicht lieber eine Stange am Schlitten befestigen und das Loch in die Holzscheiben machen?

Bei diesem Gedanken fahren Funken aus Hvidbjörns Haar. Er macht sich an die Arbeit und sieht sich, nach sommerlangen, mühseligen Versuchen und unendlichem Gehacke mit der Steinaxt im Besitz des ersten Karrens.

Jetzt Pferde vor! Hvidbjörn holt sich ein Paar; vermutlich drehen die zwei sich fast das Weiße aus den Augen beim Anblick dieses Gestells mit den beiden wahrscheinlich höchst schicksalsschwangeren Rädern. Sie schnauben und zittern leise, machen sich fertig zu einem Galopp für die Freiheit – und sei's bis ans Ende der Welt. – Und Hvidbjörn hat gar nichts dagegen. Bloß stillstehen müssen sie, bis er ihnen die Lederriemen aufgelegt hat. Ein kleiner Klaps mit den letzteren gegen die Flanken macht die Tiere willig, sich den Riemen zu fügen, und gleichzeitig noch freiheitslüsterner, was Hvidbjörns Vorhaben zustatten kommt. Ein Gebiß von Hirschgeweih im Mund, über dem sie schäumen können; jetzt aus dem Weg, Jungens! Und Hvidbjörn fährt voller Freuden davon.

Keine Minute später hatte er Feuer!

So wahr die Sonne am Himmel steht!

Hvidbjörn fuhr rasch davon, und fast im selben Augenblick, als der Wagen sich fortbewegte, rauchten auch schon die Räder, in deren Achsen sich Holz an Holz rieb. Und die Pferde, die glaubten, ein Steppenbrand steige ihnen in die Nüstern, rasten wie im Sturm dahin. Von beiden Naben strahlte der Rauch aus und begann Funken zu sprühen, und plötzlich brachen die Räder in Flammen aus, und das ganze Fahrzeug stand in hellem Brand. Da fielen alle Grävlinger, die verstohlen herbeigeschlichen waren, um zuzusehen, auf ihre Angesichter und rauften sich in tiefster Demut das Haar. Der Gewaltige würde sie doch nicht verderben!

Aber sie erholten sich wieder und zerschlugen sich fast die Schenkel vor Lachen, als sie das Ende des Aufzugs mitansahen. Hvidbjörn warf um, die Pferde, die jetzt ganz toll waren, brachen aus und rannten davon, und Hvidbjörn lag mitten in den Trümmern seines zerstörten Wagens und kämpfte mit den Flammen. Haar und Bart wurden ihm abgesengt und er war überhaupt tüchtig verbrannt; aber er beachtete es nicht, nicht einmal die Grävlinger, die herbeikamen und ihm ins Gesicht lachten. Er lachte selber aus vollem Hals mit Augen, die vor Schrecken und Freude weit aufgerissen waren, schwang ein Stück des brennenden Wagens hoch über seinem Haupte und heulte vor wahnwitzigem Entzücken. Feuer! Er stürmte davon nach seiner Werkstatt, um sogleich das Ganze von vom zu beginnen. Und plötzlich verstummt er im Lauf. Seine Gedanken sind wieder im Gang; er arbeitet!

Und hinter ihm her schallt das Lachen der Sohlengänger, der Erdgefesselten, die nichts ahnen, außer daß der Mann umgeworfen hat und verbrannt ist.

Und immer offenkundiger lachten sie von jetzt an, wenn Hvidbjörn wie ein losgelassener Narr mit seinem Wagen ausfuhr. Sie stellten sich, anscheinend gläubig, auf und schwiegen, höflich und ernst – aber vorher und nachher machten sie sich Luft und grunzten wie die Schweine vor Entzücken über das Vorhaben des Donnerhauptes. Wenn Hvidbjörn rasch fuhr, rumpelte der Wagen bedeutend, da die Räder nicht recht rund waren; und weil bei der ersten Probefahrt auch Feuer ausgebrochen war, so hatten die Grävlinger wirklich geglaubt, es sei der Donnerer in eigener Person, der unter ihnen weile, und hatten sich vor ihm auf die Erde geworfen. Aber diesen Irrtum sollte er ihnen bezahlen! Und in ihrem Lachen lag eine giftige Feindseligkeit, ein Haß, wie bloß ein Feiglingsherz ihn hegen kann. Schöpferfreude – dafür mußte man sich rächen! Aber Hvidbjörn sah nichts von alledem, was sich um ihn her zusammenzog. Er war ganz in seinen Wagen vertieft. Er fing sogleich einen neuen an und verhinderte, daß dieser in Brand geriet, indem er Wasser auf die Räder goß. Einer seiner Söhne saß neben ihm mit einem Topf und hielt die Achsen naß; und das half auch, bis er die Sache besser ausprobiert und gelernt hatte, den Wagen mit Fett und Talg einzuschmieren. Er verbesserte die Räder. Eine Querscheibe von einem Baumstamm hielt nicht, und es war außerdem eine unmenschliche Arbeit, sie auszuhauen; er legte zwei starke Stücke Holz übers Kreuz und machte in der Mitte eine Nabe; außenherum bog er einen starken Eschenzweig, so dick wie sein Handgelenk und band ihn mit Riemen aus Schweinsleder fest. Die Bänder wiederum schützte er vor dem Zerschlissenwerden durch eine zweite Lage von Eschenholz; und jetzt war fast nichts mehr zu verbessern an dem Rad. Er verlängerte die Nabe, damit das Rad nicht wackeln sollte. Auch den Wagen selber verbesserte er, brachte eine Stange an zum Anspannen der Pferde und Hölzer für die Stränge.

Aber das wußte Hvidbjörn jetzt: er brauchte bloß mit dem ungeschmierten Wagen zu fahren, so erhielt er Feuer. Und also war das Feuer zu Hvidbjörn gekommen, wie dereinst zu seinem Stammvater Dreng – durch eigene Arbeit.

Die Kunst, Feuer zu machen, bildete er von da ab als Kunst an sich aus. Er machte sich ein besonderes Rad mit Achse und bewegte es nur umgekehrt, das heißt, er drehte die Achse, während das Rad still stand. Die Erfahrung lehrte ihn, daß es am besten ging, wenn die Achse aus Eschenholz und die Nabe aus Rüsternholz war. Und damit hatte er sein Feuerzeug fertig und konnte sein Feuer erneuern, sooft er wollte.

Da das Rad nicht zum Fahren brauchbar war, ließ er den Kranz weg und ließ bloß die kreuzweis gelegten Speichen mit je einem Haken am Ende zum Befestigen stehen. Dies Werkzeug ward späterhin zum geheimen Zeichen für alle Glieder von Drengs Geschlecht, nachdem sie sich über die ganze Erde ausgebreitet hatten – ein Sonnenzeichen, dem jegliche unfaßbare Bedeutung beigelegt ward. Aber das einzigste Geheimnis des Zeichens war Ausdauer und Feuer, und Arbeit – Arbeit!

Jetzt dachte Hvidbjörn ans Reisen. – Das Schiff war beinahe fertig, und groß genug war es! Es hatte Platz für den Wagen und ein Paar Pferde – jawohl! Denn sie würden auch fahren in dem Land, in das sie über das Meer weg kommen würden.

Und auf Wochen hinaus mußte das Schiff mit Korn versehen werden. Das Land lag weit in der Ferne. Hvidbjörn half Vaar selber beim Kornsäen. Er sah, wie sie mit einem kurzen Zweig in die Erde bohrte, um den Boden für das Korn zu öffnen; er blitzte über den Acker hin; und sofort gab er dem Zweig eine bestimmte Form und spannte einen Ochsen vor, so daß Vaars Kräfte geschont blieben. Noch eine Ernte; und es ging fort!


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