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Wider das Ueberchristenthum.

1817 – 1825.

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Wider das Ueberchristenthum.

Fragmente.

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1.

In Aegypten, Phönizien, Babylon waren höhere Kenntnisse und wichtige Schriften in den Händen der Priester und in den Tempelgewölben die Bibliotheken. Mit dem Schicksal der Priester änderte sich die Literatur und mit den Tempeln wurde diese zerstört Eichhorn's Einleitung ins A. Testament.. – Die griechischen Weisen ließen ihre Sprüche in den Vorhöfen und Eingängen vom Tempel des Apollo zu Delphi eingraben Plato in Protag.; Pausan. X. 24. . Die Tempel Aeskulap's waren mit Täfelchen angefüllt, auf denen Genesende die Heilmittel ihrer Krankheiten anzeigten. Decimus Brutus ließ in Rom die Verse seines Freundes Accius in alle von ihm errichtete Tempel graben Cicero pro Arch. II. Valerius Max. VII. 14. . Die Araber des 6. 7. Säculs hingen die beliebtesten Gedichte mit goldnen Buchstaben auf Seide gemalt im Tempel zu Mekka auf. Daher besuchten Philosophen, Aerzte und Historiker so gern die Tempel. Pythagoras bekam Philosophie von einer Priesterin zu Delphi, Herodot Sagen vom Tempel zu Dodona, Hippokrates Heilmittel vom Tempel des Aeskulap zu Kos: und so war überall zu lernen. Jetzt sieht man sogar die Predigtbücher nicht mehr an, weil so wenig daraus zu lernen. – Denn wie seltsam es ist, so sind wir in eine Welt gesetzt, in welcher wir – soviel uns auch die Sinne und der Verstand Belehrung geben – doch immer mehr zu wissen begehren. – Und obendrein haben wir jetzt ganz andre und höhere Fragen an den Weltheiland zu thun, als die dummen Juden sonst. Freilich hat auch dieser Durst seine Grenzen und ich erstaune, wenn ich so die Leute um mich her, einen ..... etc. etc. im Glauben finde, daß sie die Wahrheit gefunden, nach welcher Andere in tausend Stunden und Büchern gesucht. Niemand hat mehr gegen dieses Christenthum – nicht gegen das der Bibel, sondern das spätere – als ich; das spätere zerfließt in die Irrgänge aller falschen Religionen. Nur Eine wahre Religion gibt's, den angebornen Religionstrieb.

Im Kampf wider religiösen Wahn muß man so kühn sein wie Cäsar, der den ewigen Hain bei Massilia selbst umzuhauen anfing, oder wie der H. Bonifacius, der die geheiligte alte Eiche bei Geismar fällte. – Lebendiger Glaube wird durch Aergerniß nicht gestört, sondern befeuert; und wer es für ein Unrecht hält, »die Seelenruhe von Tausenden zu stören,« der denke: Luther mußt' es bei Millionen und es geschieht bei jeder Widerlegung. Wendet nicht ein: »Und wenn man nichts besseres dafür zu geben weiß!« – Die Widerlegung des Irrthums ist das Bessere. Jede umgeworfene Lüge wird eine aufgestellte Wahrheit und das Verwesliche verklärt sich zum Unverweslichen. Zum Glauben gehört eine gewisse Stimmung und Zusammenfassung; aber auch zum Nichtglauben an das Frühgelehrte, eine Erhebung über das Glauben und Zusammenfassung der Thatsachen in das Rechte. Sagt nur nicht, daß Einer unglaubig sei, um schlechter sein zu können. Wie hat man denn dieß Mährchen so lange nähren können? Bezweifelte jemand christliche Lehren, um ungestraft sündigen zu können, so war er ja vorher schlimm gewesen, ja schlimmer als nur möglich; denn er hatte seinen Glauben von seinen Wünschen holen müssen, was eigentlich unmöglich. Grade die Glaubigen an Beichte, Bekehrung und Vergebung sündigen fort und hoffen für ihre Sünden weit mehr als die Unglaubigen. Die Hauptsache aber ist, daß grade die Meisten, d. h. die Jünglinge und Wüstlinge gar nicht an Meinungen denken, welche zu haben und durch Prüfung zu erwerben schon mehr den kälteren Mann bezeichnet. – Gibt es denn nicht eben so Schuldige unter den Glaubigen, als Unschuldige unter den Unglaubigen? Vielleicht mehr als gegen Unglauben hätte man gegen Gleichgültigkeit zu eifern, die Religionsmeinungen nicht einmal der Mühe des Widerspruchs würdigt. – Und kann man nicht eben so gut aus schwacher Sündhaftigkeit Glauben annehmen und noch leichter, als Glauben verwerfen? – Habe Unglauben gegen die Orthodoxie! Theologie findest du in der Astronomie, Geschichte, in allen Wissenschaften auf einmal. Die Wurzeln des Geistes können in den Treibkübeln der Kirchensätze sich nicht ausbreiten und tragen selten Blüthe und Frucht.

 

2.

Der rechte Mensch, der gegen die Religion schreiben soll, schreibt ja immer für sie, nehmlich für die, die er erkennt. Ihr könnt stets vor Jedem auf Religion, wie auf Hunger rechnen; nur ist Wahl und Gabe der Speise schwerer. Sogar das Thier hat Religion, indem es den Menschen verehrt, fürchtet, liebt. Ihm ist ein Mensch ein Gott. So lange der Mensch das Wort heilig beibehält, ist er über alles hinauf was er braucht. Das muß er mitbringen wie Welt und Gott. Der Staat gibt es nicht und ruht selbst darauf. Und so gibt es schwerlich Spötter der Religion, sondern nur der Irreligion, wofür sie nehmlich eine andre Religion halten. Im Innersten lacht doch der Lutheraner über den katholischen Glauben, so dieser über den türkischen etc. etc. Wie bei uns Christus, so ist bei den Italienern die Madonna das Höhere und der Koran rühmt sich, am meisten nach der Vernichtung des Polytheismus zu streben, und nennt die Gegner des Islam Muschrekun, d. h. solche, welche Gott Gesellen geben. – Der Glaube aber ist nicht ein logisches Beifallen zu einzelnen Sätzen, sondern jenes Glauben, das das Ganze umfaßt und das uns für irgend eine Religion durch das Leben der Erziehung gegeben wird. Und mit einer zuerzogenen Religionsansicht fängt Jeder an. Irgend ein Satz widersteht oder convenirt einem gebornen Katholiken ganz anders als einem Lutheraner, ohne Rücksicht auf Einzelheit der Beweise. Die Schwierigkeit der Widerlegung ist noch kein Beweis des Rechts. Kein Laie kann einen Rabbiner widerlegen, oder einen katholischen Bischof, oder einen protestantischen. Aber sowie dieses Glauben verschieden sein darf in verschiedenen Religionssekten, so darf auch der sogenannte Unglaubige ein solches Glauben haben. – Alle religiösen Gefühle enthalten reinen, wahren Stoff, sie mögen sich in Moscheen oder in Kapellen äußern, sich auf den Sternenhimmel oder auf Gräber beziehen; nur aber werde von ihnen abgesondert, was Geschichte und Verstand ihnen vorlagen. – Und sind denn die Menschen, deren Sagen sich ähnlichen, selber unähnliche Geschöpfe? Muß nicht zuletzt Gleiches Gleiches erschaffen?

 

3.

Wird uns denn das Offenbaren glaublicher, wenn wir es über alle Zeitrechnung hinaus setzen und früherem, höherem Umgange zuschreiben mit Wesen, die einmal die Lehrer der Menschen gewesen sein sollen? Wissen wir von ihnen etwas Neueres, als was in der Brust besteht und sich verkündiget? Das Leben der Endlichkeit, die Einsichten, die Sehnsucht vollends wird darum nicht besser erklärt; denn die Frage fängt nur auf höhrer und früherer Stufe immer wieder an. – Jeder neuere, höhere Mensch ist jenen vorigen Engeln ähnlich und die Gottheit offenbart sich ewig, in gemeiner Seele mit weniger Strahlen und in höhern Seelen mit mehren: dieselbe Sonne bescheint die Länder des längsten Tages und die des kürzesten. – Die uns angebornen Ideen eines Absoluten, Wahren, etc. Vernunft und Gewissen etc. sind die eigentliche positive Offenbarung. Jede andre ist nur historisches Factum. Keine Offenbarung kann sich in Zeit und auf Völker einschränken, so wenig wie die Offenbarung im Gewissen, sondern auch die historische muß vor allen Gemüthern fortdauern. Gott hätte uns eben so gut die Idee der Dreieinigkeit, der Genugthuung etc. geben können, wenn sie wahr wären; denn ihre Unbegreiflichkeit würde so wenig daran hindern, als die des Absoluten. – Alle anderen Traditionen, die ihr in die Zeiten und in Indien weiter verfolgt und auftreibt, können nur die spätern anticipirend wiederholen und ergänzen; erklären, aber nicht ratifiziren. Denn gegen jene treten und noch stärker alle Einwendungen gegen die spätern auf. – Und so offenbaren alle Offenbarungen nur historische Neuigkeiten oder Wahrheiten. Aber der Geist will ja metaphysische oder philosophische. Und alle Antworten, die sie auf metaphysische Fragen z. B. die Entstehung des All, der Sünde etc. etc. geben, lösen nichts, sondern führen in neue Felder der Untersuchung, z. B. Paulus in die der Gnadenwahl. – Allerdings beruhigen sich Viele bei irgend einem mit Autorität bekleideten Ausspruch, wie die Verheißungen positiver Religionen sind; sonsts würde die Philosophie mehr befragt, also mehr getrieben worden sein, um von ihr Antworten zu erlangen. –

 

4.

Wer sollte gedacht haben, daß eine so reine, fast nur moralische Sätze darstellende Religion, als die christliche, sich in so viele Sekten und politische Abtheilungen und unsinnige Dogmen zerspalten würde; und mit Recht darf man fragen, ob nicht die Zeit ihrer Einführung, so sehr sie die beste war für ihre Ausbreitung, nicht die schlimmste war für ihre Reinhaltung, und ob sie unter den Barbaren nicht schöner geblüht haben würde, als unter verdorbnen Römern und spitzfindigen Griechen. Wohin ist sie durch allmähliche Zusätze der Leichtgläubigkeit und Unwissenheit geführt worden? Himmel! Wie weit ist es vom ersten Abendmahl bis zur Lehre der Sterkoranisten! – Wie soll auch ein großes Wort, wie das von Christus bestehen, wenn Jahrhunderte lang kleine Köpfe daran arbeiten, die kleinen Herzen nicht einmal gerechnet? All ihr Kleinliches müssen sie seinen Worten einimpfen und ihren Worten wird ein zweites Kleinliche eingeimpft. Jedes Jahrhundert und jedes Volk thut als sei eben für dasselbe jedes Kapitel der Bibel geschrieben und in seinen Meinungen gedacht und ausgesprochen; als ob die damaligen Juden, Griechen und Römer, für welche sie geschrieben worden, ganz so gedacht und verstanden hätten wie wir. So muß z. B. bei dem Herausheben der evangelischen Geschichte aus ihrer historischen Umgebung, die die wenigsten Leser kennen, und bei der Beleuchtung und Bereicherung dieser Geschichte mit den Lichtern und Ahnungen späterer Säkuln eine solche Magie dem dürftigen Menschengeiste entstehen, wie wir sie fast Alle erlebt. Wenn ich das Neue Testament im Zusammenhang lese, so verstehe ich grade die Stellen am wenigsten, die am öftersten erklärt werden, nämlich die sonntägigen Evangelien und die Beweissprüche, weil sie ohne Rücksicht auf Zeit und Ort außer allem Zusammenhang gerissen worden. Alle Sätze aber, die in der Offenbarung nicht aus dem Innern der Zeitentwicklung kommen konnten, müssen für historische gelten und sind der doppelten Prüfung, der historischen und der razionalen unterworfen. Nur so werden wir wirklich sehen und die Gränzen des Sichtbaren erkennen. Das elende, leere Erklären des All durch die Theologen hingegen schadet uns fürchterlich dadurch, daß wir nicht recht mehr sehen – keine Dunkelheit mehr ahnen, weil wir alles erhellt glauben – und also nicht das All von Neuem nur anzuschauen fähig sind. Ja selbst ohne die vielen Offenbarungen, die immer das Räthsel des Seins zu lösen scheinen, würden wir das Räthsel größer und tiefer erblicken, und dann freier und heißer an der Auflösung arbeiten.

 

5.

Wer erschrickt nicht bei dem Uebergang von der Majestät der Natur und der göttlichen Offenbarung darin zu den jüdischen und christlichen Kleinigkeitskrämern! – So ist z. B. Kanne's ganze Typologie, ja Religionslehre eine nur etymologische. Die Geschichte und Kirchengeschichte, und die Exegese, aus der damaligen Zeit geschöpft, läßt er weg und setzt in jedes Jahrhundert und Jahrtausend die Ansicht der Bluttheologie und führt ihr die etymologischen Hülfstruppen zu. Im Paradiese war für ihn schon seine ganze Theologie. Die Entstehung und Fortpflanzung und Abänderung der Dogmen durch Juden und Sekten läßt er bei Seite liegen und sucht blos für das angenommene System die Beweise in Etymologien und Aehnlichkeiten. Anstatt Meinungen zu widerlegen, als kämen sie von Inspirirten, braucht man nur die Leute (Juden) vorzuführen, von denen diese Inspirirten sie hatten. – Ich will eben so gut umgekehrt jede gegebene Mythologie, z. B. die indische, nordische etc. aus allen andern Religionen unterstützen. Ja, man gebe mir irgend einen Ketzer aus dem Epiphanias her und seinen dümmsten Glauben: ich will ihn beweisen, da mir Jahrtausende und alle Sprachen dazu sich anbieten. Durch Aehnlichkeiten aber läßt sich im All wenig erweisen, weil in ihm alles ist und folglich auch alle Aehnlichkeiten; denn der Mensch hat zu beweisen, auf welcher Seite die meisten Aehnlichkeiten sind. Welche mystischen Beziehungen würde nicht ein Kanne aus den religiösen Gebräuchen und Fingerregungen eines Hindus von Morgen bis Abend holen können! Freilich kehrt vieles überall wieder und alle Mythen deuten z. B. auf »einen Schlangentreter« etc. hin; weil die ganze Menschheit dieselben großen Fragen und Räthsel hat; aber aus diesem Zusammentreffen ist ja nur auf die Frage, nicht auf die Auflösung zu schließen. – Tritt man nun solchen Auslegungen entgegen, so glaubt das Volk man läugne das Göttliche und die Offenbarung desselben, wenn man es nicht grade in dem Buch antrifft, wohinein es dasselbe eben trug.

 

6.

Die Menschen wissen gar nicht, was sie unter Gott und Göttlichem begreifen; es ist also an diesen übersinnlichen Ideen wenig gelegen, wohin sie sie tragen. Aber etwas anderes sind Wunder nach ihrem Begreifen, die das Verstandne unterbrechen, und die Folgen des Ueberglaubens an diese Wunderthäter. – Etwas Göttliches soll sich auch durch eine unbegreifliche Erscheinung darthun. Aber wie kann denn ein Wunder eine höhere Kraft und Weisheit aussagen, als die ist, die sich im Weltgebäude äußert, und aus der sich dennoch den Skeptikern kein Gott erweiset! Es kann uns also nur eine fremde Rede bestärken, die uns etwas Unglaubliches lehrt. – Die Wunder aber der Heiligen im großen Heiligen-Lexicon sind die stärkste Einwendung gegen frühere Wunder. Ihnen liegt immer die erbärmliche Bewunderung einer physischen Macht zum Grunde, als gäb' es nicht eine höhere, die des Wissens, der Sittlichkeit etc. etc. denn jene kann ja der Zufall, der Betrug, der Teufel erreichen, aber nicht diese. – Die Wunder der Bibel sind alle nur Wunder des Grads, nicht der Art. Jedes anfangende Leben, jede Wiedererzeugung ist ein größres Wunder der Offenbarung als im neuen Testament vorkommt. Was ist die Heilung eines Blinden gegen das Wunder der Erzeugung eines lebendigen Wesens! Einen Scheintodten beleben kann der Wunderthäter nur im höhern Grade, was Andre im niedern. Ein Wunder der Art ist das fortdauernde Entstehen des Lebens in der Schöpfung selbst. – Seltsame Furcht, als werde der Glaube ans Wunderbare und Geisterhafte durchs Wissen ausgelöscht, da ja mit jedem Jahre sich dem Erwachsenen mehre Wunder der Natur aufdringen! Und gibt es auch auf der Erde keine Wunder, und keine auf sonst einem Erdkörper, oder Sonnenkörper, so ist doch das Weltgebäude der Wunder voll und es ist selbst das erste und letzte Wunder.

 

7.

Die Macht des Christenthums besteht in seiner Personifikation, daß es die Idee zu einer Person erhebt. Das Herz hat statt eines Gottes einen Christus, ja sogar eine Maria. Denn endlich muß doch jedes Schöne zu einem Persönlichen gedeihen und alle Abstracta müssen ihre Wohnungen in Individuen haben, wie bei den Griechen Musen und Grazien und die Götter sämmtlich. – Aber freilich wie klein sind die meisten Heiligen, die ohne ein bedeutendes Leben, das keine Leidenschaften aufkommen läßt und im Innern ein großes Ideal aufstellt, mit einigen unnützen Selberqualen des bloßen Körpers oder höchstens einer entehrenden Demuth ihren Titel erwerben! – Worin sind selbst soviele christliche Martyrer und Opferer von jungen indischen Wittwen verschieden, die ungeachtet aller Verbote sogar auf den schon angezündeten Scheiterhaufen steigen? In der Heiligengeschichte findet man nichts von einem Plutarch, von großen Seelenzügen, nur von erbärmlichen Wundern. So tief und seelenlos waren die Erdichter von Helden, die so klein sind, wie ihre Homere. Nur zwei Punkte kennen sie: weibliche Keuschheit und körperliche Schmerzenaushaltung. Zu christlichen Helden kann man die unbedeutendsten Menschen machen, wie zu Fakirs etc. etc. aber zu philosophischen Helden wie Epiktet, erschafft nur die Natur.

 

8.

Die neuere Theologie macht die ganze Erdschöpfung dunkel und ekelhaft und eines Schöpfers unwürdig, sie mag nun über Welt oder über Menschen sprechen. Nur sie weiß die Herrlichkeit des All und seines Schöpfers mit gehöriger Kleinlichkeit zu behandeln, Und doch sind die Diderot'schen und mechanischen Erklärungen des Welträthsels immer schlechter und leerer als die theologischen und abergläubigen, die doch einen Geist als Spiralfeder aufstellen. und zieht den höchsten Gedanken in die Enge eines »Herrgottchen« zusammen, welche von der Fetisch-Enge der Neger nicht sehr übertroffen wird. »Vor dem Fall waren Dornen und Disteln, das Schädliche und Ekelhafte im Pflanzen- und Thierreich nicht da – sogar vor der Sündfluth nicht, weil sich sonst die Thiere in der Arche Noah's nicht vertragen hätten, daher sie auch Pflanzen mußten gefressen haben. Erst später, um die Leiden der sündigen Menschen zu vermehren und die sinnlichen Genüsse zu vermindern, werden sie giftig, weil dadurch die Bekehrung des armen Sünders erleichtert und seine Heiligung befördert wird«; sagt Stilling. J. Stilling's Taschenbuch S. 114. Eben so gut hätte er sich der Wendung bedienen können und sagen: »Vor dem Sündenfall fraßen die Thiere einander nur aus Liebe auf.« Oder: »Im Jahr 1816 gehen die 6000 Jahre der Erddauer zu Ende und das siebente Tausend oder der große Sabbat fängt an; aber wie bei den Juden schon am Abend des sechsten Tags.« Ebendasselbe von 1811. Oder man betrachte die Gedanken für jeden einzelnen Tag. »Das arme Sündergefühl leistet alles. Auf den 25. Jenner. Dasselbe für 1806. u. a. Jahrgänge. Studire so lange an deinem Herzen, bis du gefunden hast, du seiest der größte Sünder. Auf den 26. Jenner. – Wenn du dich als einen der größten Sünder fühlst, dann kannst du gerecht werden, eher nicht. Auf den 31. März. – Wer sich in Wahrheit als der allergeringste fühlt, der bekommt im Himmel den Rang. Auf den 29. August. – Laß keinen Tag vorbeigehn, an dem du dir nicht solche Vorwürfe gemacht hättest, wie sie dir dein bitterster Feind machen würde, nicht um sie zu entschuldigen, sondern um dich beständig in der Erniedrigung zu üben. Auf den 12. Sept. – Der wahre Christ vermeide, so sehr er kann, die Gesellschaft und die Unterhaltung mit Menschen. Auf den 13. Dezbr. – Vermeide auch im Gespräch sinnreiche Einfälle, angenehme Geschichtchen und allen spaßhaften Scherz. Auf den 27. Septbr. – Im Wirthshaus ein Glas Wein zu trinken, und das Schauspiel zu besuchen und zu tanzen – ist einem Christen dann unerlaubt, sobald er eine Lust, einen Trieb zu einem von den obigen Genüssen in sich spürt.« u. s. w. – Was ist nun der Friede solcher Christen, mit ihren ewigen Selbervorwürfen und Kreuzigungen verglichen! sie sind nur gegen außen stark, nicht gegen ihr peinigendes Innere; das Christensein gibt ihnen alle Qualen der Endlichkeit, nur unter andern Formen zurück. – Ist die Lust so geringfügig, ja so gar verächtlich, so frag' ich, warum denn die göttliche Anordnung und Zurüstung dafür durch die ganze Schöpfung läuft? – Der Mensch ist zehnmal besser als er weiß; man macht ihn aber schlimmer, wenn man sagt, er sei es und er mißt daran unschuldige Thaten. Meine Seele erwärmt sich nie froher, als wenn ich irgend einen metaphysischen Beweis oder eine Bemerkung lese, woraus folgt, daß die Menschen recht gut sind. Denn wenn wir alle solche Schufte sind, wie uns Stilling schildert, so weiß ich nicht, warum Gott nur eine Minute an uns denkt, geschweige eine Ewigkeit lang? Ist denn unsre Freiheit mit allen moralischen Anlagen nichts? – Antwortet nur ja nicht, daß ihr diese ja eben von Gott selbst geschenkt erhalten, und mithin den ganzen Boden und die Fruchterde unsrer Tugenden. Denn wenn unsre Freiheit nicht unser Ruhm ist, weil man fragen kann: woher ist sie? so gilt dasselbe für die Freiheit Gottes auch. Fragt doch nie, woher das Absolute komme, welches die Freiheit im Menschen so gut ist, als in Gott. Alles in uns kann als Geschenk begriffen werden, nicht aber die Freiheit. – Die Freiheit ist das Ur des All; sie setzt sich, weil keine Nothwendigkeit das eigne Gegentheil setzen könnte. Daß ein Wesen etwas will, liegt im Wesen selber, und ist kein anderes Recht, als die Gottheit hat. Auf das eigene Wollen verzichten heißt Nichts sein; aber sogar dieses kommt und dauert durch Wollen. – Ist denn das Sünde, daß man sich der Kraft freut? Soll man sich mehr der verliehenen, als der eigenen Kraft erfreuen? – So müßte Gott über seine nicht freudig sein. Sollen wir denn froh sein, Nichts zu sein und geliehen dazustehen? Und woher ist denn unser Widerwillen gegen ein solches Frohsein? Doch von einer Kraft, die für sich bestehen will, so gottähnlich, wie Gott für sich besteht. – Soll ich keinen Willen haben: – wozu dient denn Wollen und ich? –

 

9.

Wen Andere alte Götterbilder ausgruben, so scharren unsere Ueberchristen Teufelsbilder unter dem Schutt hervor. Welchen Einfluß aber können sie haben? Was vermag der Böse? Aeußere Gegenstände kann er nicht geben; also seien es innere oder Gedanken, d. h. Bilder als Versuchungen. Aber Bilder entspringen ebenso gut aus physischem Gesetz, auch wirkt er damit nicht auf den Willen. Dieser bleibt bei allen Gegenständen und Bildern, frömmsten und schlimmsten gleich frei. Meinen Willen kann er nicht unmittelbar ändern, sonst würd' es der seinige. So bleibt er überall eine unnütze Maschine, und mithin unfürchterlich.

Wenn man aber den Teufel und den heiligen Geist im Menschen streitend annimmt, so ist zuletzt der Mensch weder etwas Gutes noch etwas Böses, sondern nur der bloße Kampfplatz beider. – Aber wie ists denn im Teufel selbst? Hat dieser auch wieder ein böses Prinzip oder einen Teufel in sich, der streitet? Dann wär er selber gut. Hat er aber gar keinen innern Streit, so ist ihm auch nichts vorzuwerfen: das Böse ist sein Gesetz, wie bei uns das Gute.

 

10.

Alle Mythologien und andere Religionen tragen nur sinnlich- Unbegreifliches oder Widersprechendes vor; die christliche allein fordert das Widersprechende und Unbegreifliche, – nicht in der Natur, sondern – in der Vernunft selber, wie den Fall aller Seelen in Adam. Daß wir aber die Liebe Gottes haben können, ist etwas so Hohes in unsrer Natur, daß wir an ihre Urgüte glauben müssen. Wäre sie so verdorben, als man sie malt, so könnte sie grade das, was ihr im höchsten Grade entgegengesetzt wäre durch unendliche Vollkommenheit, nicht lieben, ja kaum ertragen. – – Wir aber sollen zu Millionen gesündigt haben mit Adam oder eigentlich schon mit Eva (denn erst nach ihr sündigte er), ohne Bewußtsein, ohne Genuß seiner Einsichten und Vorzüge, ohne Kenntniß des Verbots! Warum läßt man denn nicht jeden Sohn im Vater und Großvater etc. etc. sündigen? Und wenn so etwas aus der Vergangenheit herwirken soll, warum nicht auch aus der Zukunft herüber? Und kann ein Andrer meine Sünden büßen, so kann er auch meine Tugenden tragen und ihren Lohn wie dort die Strafe annehmen. – Gibts eine fremde Sünde, wie Adam's, die zu meiner wird, so kann ich am Ende den Abfall des Teufels tragen müssen oder irgend eines auf unsern Planeten influirenden Wesens. Aber um eine Entsündigung durch ein fremdes schuldloses Leiden Christi zu gewinnen, müssen wir eine Versündigung durch ein fremdes schuldvolles Handeln annehmen. Warum theilen wir nicht die frühere Unschuld Adam's, warum nicht die spätre Verzeihung seiner Schuld? Warum soll Gott mit dem Menschen nicht ebensoviel Mitleid haben, als dem er ja die Liebe erst ins Herz gegeben? ... Und nun fasse man einmal scharf den Begriff der Sündhaftigkeit ... Nicht das Auffahren, leidenschaftliche Entbrennen und Uebertreten der Vorsätze, ist sündlich, sondern eben nur Vorsätze, also blos das Streben ists; und, darauf merke jeder. Das Streben gehört dem ganzen Herzen an; das Entbrennen, die Leidenschaftlichkeit nur dem verdunkelten Bewußtsein. – Nur einzeln entschließt man sich für Ausnahmen von dem guten Prinzip. Keiner faßt den Entschluß, immer dem Guten entgegen zu wollen. Denn wenn nicht einzeln das Bedürfniß, die Lust oder die Bequemlichkeit voraus zu sehen wäre und dem Guten entgegen stünde, so hätte die Idee » böse« an sich keinen Reiz, der gegen die Selbstgültigkeit der Idee » sittlich gut« wirken könnte. Das Böse ist eine negative, erst aus der Kontradikzion gegen das Sittlichgute entstehende Schein-Idee, welche nicht an sich selbst, sondern durch die Hinsicht auf ein Bedürfniß, eine Lust etc. etc. reizt. Deßwegen ist auch das Böse nicht zum voraus, und wie etwas an sich bestehendes. Erst dann, wenn Einer sich dieser Opposizion des Begehrens gegen das Gutwollen bewußt wird, entsteht in ihm die Idee des Bösen und nur so kann das Wollen nach dieser Idee (nicht als einer bloßen Negazion des Guten, sondern) als gewollte Abweichung vom anerkannten Guten ein Böswollen werden. – Wie aber Unglück auf Sünde folgen müsse, sagt ein anderes – obwohl böses – Gefühl, das auf unverschuldetes Unglück ordentlich Sünde folgen lassen will.

 

11.

Wie gräßlich ist es, der Gottheit durch lange Tage-Opfer und Leiden die Liebe abgewinnen zu wollen, anstatt durch Freuden. Eine treffliche russische Fürstin in Petersburg verbrannte sich zu christlicher Büßung absichtlich zwei Finger im Kamin, nagelte sich kreuzweis die Füße an den Boden fest, schlug und quälte ihre Kinder schuldlos unbarmherzig, damit sie durch diesen Schmerz Ansprüche auf Seligkeit bekämen. F. Tarnow Briefe auf einer Reise nach Petersburg S. 142. Freude ist das Reinste und Unschuldigste was der Mensch haben kann. In unendlicher Freude würden wir göttlich sein. Kann denn Gott ein demüthiges Wesen mehr achten als ein stolzes, das ja gegen ihn nie stolz sein kann weil es Unsinn wäre? Ja hätte uns nicht die Kindheit und Verehrung und die Liebe, die gerade am wenigsten das fremde Ich bemerkt, verwöhnt, so würden wir längst in der kirchlichen Verehrung eine häßliche Schmeichelei für das göttliche Ich gefunden habe, ein Lob, wie wenn uns Käfer loben wollten, ein ödes Lob, das kein Mensch vom andern vertrüge. Aber da unsere Seele doch zu dem Unendlichen und über ihn sprechen und fühlen muß und also ihn ihm auch malen, so ist nur das Knechtische und Leere zu verbannen. Ich liebe ja Gott nur und kenne ihn ja nur, weil er die Liebe selber ist, nicht aber als ob irgend ein persönliches Verhältniß das freilich alles Lieben und Opfern erleichtert, ihn mir werth machte (um dumm menschlich zu reden). So mit Christus, und noch mehr.

 

12.

Beten heißt: Gott denken, aber feuriger. Das Verlangen gehört nicht zum Gebet; mehr das Danken und das Hoffen und Vertrauen. Das Verlangen allein ist nicht moralisch und verdienstlich; aber das Zutrauen, daß Gott es erhören werde; und dieses Zutrauen hat keinen andern Werth, als einen moralischen. Danken aber muß man dem Unendlichen entweder für Alles oder für nichts. Wenn du für ein Zusammentreffen günstiger Zufälle für dich dankst, als seiest du ein Zielpunkt, so gilt dasselbe auch für ungünstige; und für unerwartetes Unglück hast du zu danken wie für unerwartetes Glück. – Das zweite im Gebet ist die heilige Personifikation des uns eingebornen Gottes, die lebendige Anschauung durch die Hoffnung. Aber dieses hat nichts mit Erfüllen und mit Abschlagen zu thun und dem Beter als solchem ist beides einerlei, (nicht zweierlei, weil er sonst seiner Persönlichkeit ein Uebergewicht über das All, gäbe). Der feurigste Beter will nicht erlangen – sonst wär' er von dem gemeinen Wünscher nicht verschieden – sondern in Hingebung dienen und gehorchen mit Zuversicht, nach dem Evangelium. Aber eben auch dieses borgt seinen Werth von der moralischen Gesinnung. – Wäre Erlangen das Ziel des Gebets und käm es dabei blos auf die Inbrunst des Gebetes an, so wäre jede physische Kette auf der Stelle zerrissen, wenn nicht vielleicht ein andrer mit größrer Inbrunst aber andrer Richtung sie vielleicht noch fester verknüpft will. Die unerfüllten Gebete nennt niemand; und doch müssen deren viele sein. Wogegen wird öfter gebetet als gegen den Tod sterbender Kinder, Eltern etc. etc.? Wurden denn alle Gebete Christi erhört? Oder auch nur die wichtigsten? – Und doch freilich wird jedes Gebet erhört, aber geistlicher Weise ohne weltliche Folge. Ist nicht schon Gebet selbst Lohn des Gebets? Ist nicht Rede des Kindes mit dem Vater Lohn der Rede desselben?

 

13.

Anstatt die Vernunft unter den Glauben gefangen zu geben, kann man ja auch einmal den Glauben unter die Vernunft gefangen nehmen; zumal da ja alles, worauf ihr euern Glauben gründet, vorher da ist im Gemüth als Boden, jene Liebe, jenes Trauen, jenes Sehnen, jenes Achten. – Soviel weiß ich, daß ich alles von Gott mehr und sicherer und inniger weiß als von Christus. – Die geoffenbarte Religion ist als solche rein auf Geschichte, also auf Menschenaussagen gegründet, und als solche nur so wahr, als Menschen nicht täuschen oder getäuscht werden. Alle höheren Beweise können ihr nur durch unser Inneres kommen, in welchem eine frühere angeborne Offenbarung lag oder sich entwickelt durch die äußere. – Könnte man das Neue Testament einem Nichtchristen geben, der blos die nöthigen historischen und exegetischen Kenntnisse dazu bekäme ohne alle dogmatischen: so würd' er schlechterdings keinen orthodoxen Lutheranismus noch weniger einen Katholizismus daraus ziehen. Aber man kann ja sich selbst mit einiger Abstreifung zu solchem Wilden und Neuling machen. Ich läugne nichts was in der Bibel steht, aber das meiste, was die Leute hineintragen. Die Bibel d. h. das Neue Testament verträgt sich mit jeder Philosophie die an Gott glaubt. In allen Evangelien und Worten Christi fand ich nichts was der Vernunft widersteht anstatt beisteht. Erst später bei den Aposteln kam es zu Erweiterungen und Widersprechungen. Vom Alten Testament kann man dasselbe nicht sagen. Ich möchte wohl wissen, was ein Unbefangener, dem kein Neues Testament eine höhere Beziehung vom Alten beigebracht hätte, von dem Alten dächte, von dessen unsittlichen Helden, von den Mordgrundsätzen und der Einengung eines ganzen Volks. Der Jude erträgts nur, eben weil er dadurch ein Jude geworden. Zu dem kommt, daß Niemand weiß, wer das Alte Testament gesammelt und nach welchem Prinzip die Rabbiner nach dem Exil die alten über die Babylonische und Makkabäische Noth hinaus geretteten Schriftreste zu wählen und zu bewahren gesucht; wie denn Palästinenser nur althebräisch geschriebene Ueberlieferungen, Alexandriner aber noch andere griechisch geschriebene der Prophetenschulen in ein Hauptbuch, Biblia, vereinten. Darum baut ihr auf die Bibel, so baut auf die Grundsätze, auf denen ihr Heiliges allein ruht und die ihr vorangehen und die sie voraussetzen muß, nicht aber auf das, dessen Leben an der historischen Zeit hängt.

 

14.

Es ist weniger daran gelegen, dem untergrabenen theologischen System, das der scharf und schärfer vordringende Scharfsinn der Philosophie (die sich von der scholastischen durch die weiteren Kreise der Gegenstände und Kenntnisse unterscheidet) und die Exegese bald auflösen wird, noch einen Stoß zu gegeben, als schon im Voraus für eine solche Zukunft alles Heilige neu zu befestigen und weniger untergrabend als bauend zu handeln. Welche Sätze und Religionen auch sinken in der Zukunft: drei hohe Pfeiler bleiben – werde ihr Fuß auch überdeckt – aufrecht im Aether: Unsterblichkeit, Moralität und Gott. Das Ueberchristenthum sucht und hat seine Größe in der Dunkelheit und im Widersprechenden. Die menschliche Vernunft findet die Größe an und für sich, aber so wachsend, daß sie dunkel und unfaßlich wird, wie ein Berg und Thurm, der in den Nachthimmel hineinwächst und sich darin verliert. Mein früherer Widerstand gegen die Aufklärer bezog sich darauf, daß sie nicht das Begeisternde in sich hatten, was mir noch das Leben erhält. Denn es gibt allerdings etwas Höheres als der Tag, der nicht soviel vom All offenbart, als die Nacht – oder der Glaube, ja der uns beide raubt, den Glauben und die Sternennacht. Mein Skeptizismus aber bezieht sich nicht vernichtend auf die Menschenkraft zu erkennen, wie bei Hume – denn ich nehme Sinnen- und moralische Welt an – sondern auf die Unergründlichkeit und Unermeßlichkeit des Lebens, das wir uns mit ein Paar geoffenbarten Religionen und Philosophien aufzuhellen meinen. –

Vielen Werth zwar schreibt man dem Christenthume zu, den man blos der wachsenden verbundenen Völkerzeit verdankt; dennoch haben im guten und bösen Sinne tausend Kenntnisse blos dem Christenthum Entstehung und Pflege zu danken; und die Welt wird wie die Peterskirche am Charfreitage blos von dem Kreuz voll Lampen erleuchtet. Da das Christenthum den kultivirten Theil der Erde erfüllt und jede neue Bildung sich nach diesem richtet und abrichtet; und da eben der Klarheit wegen, die über der Erde schwebt, kein neuer Offenbarungs-Prediger mehr umgreifen kann, gesetzt es stände einer im unbekannten Afrika auf: so wird das Christenthum fortfahren, alle neue religiöse und philosophische Entwickelung der Zeit in sich zu saugen und so sich immer mehr zu befestigen durch Aufnahme äußrer Zuwüchse. Jeder neuen Offenbarung ist die christliche gewachsen durch ihre Allgemeinheit und ihren Reichthum an tausendjähriger Beute. Aber sie ist nicht ein abgeschlossenes Werk. Das jetzige Christenthum ist durch Zeiten und Lehren und höhere Menschen höher und über das der Apostel ausgebildet. Soll es denn keine Apostel Christi in Jahrtausenden geben, als blos zwölf? Und Gott durch alle Zeiten weiter hindurch nichts weiter wirken zur Erhellung?

Verzweifelt nur nicht an der Menschheit! die Menschheit kann die Religion nicht entbehren. Eben das, wodurch überhaupt Religion entstand, steht in jeder neuen Brust fest. Ihr könnt ja nur wiederholen die andre Zeit; und warum wiederholt ihr, als im Bewußtsein der bessern, folglich als in Voraussetzung der bessern Menschen?

 

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