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2. Scene.

Nothdringliche Defension für J. Kraus Mezner, der im Klostergericht zu S. durch den Strang vom Leben zum Tod gebracht worden,
wider die attentirte und vollführte Inquisition punkto Straßenraubs.

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Es erscheint vor diesem peinlichen Halsgericht J. Kraus Mezner, der Freitags gehangen worden, Es wurde mir von Beisitzern gesagt, der Defensor mußte sich abquälen, um den gehangenen Mezner in der Gerichtsstube zum Feststehen zu bringen, und das Gericht fragte, ob etwan Mezner nach seinem Tode sich besoffen hätte. In den Inquisitionsakten soll noch, wie ich höre, protokollirt sein, daß der Defensor seinen fallsüchtigen Klienten ganz mit Klingeldrath durchflochten und durchbrochen, und noch in ihn Hopfen und Inquisitionsmanualakten eingestoßen und ihn damit ausgefüttert, weil Inquisit sonst und ohne diese Inserate gar nicht aufrecht gestanden wäre. Und ich glaube selbst, so mußte die Sache angefangen werden. mit seinem Defensor und curatore litis und reservirt sich alle ihm zuständigen Rechtswohlthaten und Eide, will mit keinem überflüssigen Beweise beladen sein, und opponirt überhaupt dem H. Fiskal exceptionem non fundatae inquisitionis ganz.

Defensor bringt bei, daß der gehangene Inquisit seiner Lebens- und anderer Art nach zuverlässig das gewesen sei, was andere sogenannte Straßenräuber auch allemal sind, nämlich ein Heiliger, und er müsse für ihn die Defension in der Gerichtsstube führen, die er so oft gegen ihn auf der Landstraße geführt. Er wundert sich halbtodt, daß H. Fiskal alle Kardinaltugenden und Pönitenzen des dastehenden Heiligen so zu interpoliren und umzufärben gewußt, daß ein ganzes hochlöbliches Klostergericht und selbst der nachherige Henker eine zweideutige Meinung von diesem Mezner fassen können; aber mit gegenwärtigem Leichnam will er als mit einem Menstruum in diesem chemischen und peinlichen Prozesse den Fiskal gänzlich niederschlagen oder präzipitiren.

Heilige haben zu allen Zeiten einen Wald, oder eine Klause oder eine Säule zu ihrem Isolirschemel erlesen, um darauf zu stehen und da sich, aus allen anelektrischen Körpern rund herausgeschnitten, mit himmlischem Aether anzuladen, bis so viel in ihnen saß, als zur Bosischen Beatifikation und zu den Funken nöthig ist, die auf Weltkinder abzuschießen sind. Und sind denn die Häscher und die ganze Stadtmiliz gar nicht mehr am Leben, die vor 19 Wochen aufsaßen und die jetzt bezeugen könnten, daß sie auf ihrem Anachoreten-Treibjagen unsern seligen Inkulpaten und Heiligen nirgends als in einer Klause unter der Erde im Walde gefangen? Ein ganzes Provinzialkonzilium von Klausnern privatisirte ja darin, und henkt jetzt beisammen als Galgen-Berlokken. O wie viele Heiligen mögen sich noch in den Wäldern unseres Baiern's einmauern, durch Demuth und Selbstverläugnung gänzlich von der Welt entfernt gehalten!

Heilige gaben zu allen Zeiten ihren Leib den entsetzlichsten Mortifikationen blos; aber aus den Akten constiret recht, wie weit es hierin besonders Inquisit getrieben.

Man erstaunt über die vorigen Kräfte der Menschheit und glaubt nicht, daß sie noch jetzt solche Menschen liefern könne, wie die Eremiten, Styliten und syrischen Bosci waren, die beinahe lebten wie das Vieh, in Einem fort unter dem nackten Himmel und dem elendesten Wetter wie Postknechte, und von einem Neujahrwunsch zum andern ohne ein Federbett oder eine Matratze. Aber gegenwärtiger, durch den Galgen ein wenig säkularisirter Mezner stellt sich als ein unerwartetes Beispiel auf, was die Menschheit doch noch könne; er und seine Ordensbrüder hausten stets unter der nämlichen Witterung und eben so lange, und gerade im gießenden und schnaufenden Aequinoktien-Wetter Bekanntlich brechen beim elendesten Wetter die Diebe am häufigsten ein; daher ziehen sich auch dann die Nachtwächter auf ihre Schlafbänke zurück, weil sie sonst alle daran zu hindern fürchten müßten. spazirten sie Nachts am liebsten und freiwillig an Häusern auf und nieder, um Mortifikation theils zu üben, theils zu lehren. Warum war das dem H. Fiskal gänzlich unbekannt?

Sein Gewissen muß ihm auch vorwerfen, daß er nicht ins Gefängniß gegangen und da den entsetzlich langen Gordons-Bart unseres Malefikanten und Heiligen praeter propter ausgemessen, der an dessen Zahnküste hinauf und herunterwuchs; H. Fiskal hätte sich dann gewißlich auf soviel aus Mosheim's Kirchengeschichte besonnen, daß er die Heiligen hätte mit Namen angeben können, denen Mezner nachzuschlagen suchte; die Eremiten nämlich, die ihre Haare ordentlich um sich schlugen wie einen Pudermantel, und einen Bart vorhatten wie eine Barbierserviette. Warlich Tugenden und Haare waren und bleiben noch an allen Heiligen häufig und groß. Und diesen Wuchs des am Kinne hängenden Gartens treibt Mezner sogar gehangen noch fort und will lange nach seinem Tode den Fiskal noch rühren; das ist aber fast gar zu außerordentlich und ich passe begierig darauf, was der Kraus Mezner auf der Erde noch anheben und mit welchem Erfolge er an der ganze Welt schütteln und rütteln werde.

Defensor kann seines Bedünkens die vielen Mortifikazionen der Heiligen und des H. Mezner gar nicht zählen und springt über manche hinweg. Sag' an, mit Aktenpapier durchschossener Mezner – sagt Defensor zu ihm – was nahmst du deines Ortes vor, um die Aszeten einzuholen, von denen du in Kasaubon's Anmerkungen über den lügenhaften Baronius ( exercitat. I. 9.) gelesen, daß sie sich auf spannenbreite Tafeln schlafen gelegt, um einmal über das andere hinunterzupurzeln und zum Beten aufzuwachen? du schliefst theils auf schmalen Ofenbänken der Kneipschenken, theils auf Laubbäumen und rutschtest oft hinunter wie ein Sack, um wach zu werden, welches dir recht lieb war.

Sag' an, stark gehopfter Klient, was setztest du und deine Gesellen ins Werk, um nur den Acoemetis im fünften Jahrhundert nachzukommen, von denen dir aus »Simon's christlichen Altarthümern« recht gut so viel im Gedächtniß sitzen geblieben, daß sie sich in drei Haufen zerspalten, um den nächtlichen Gottesdienst durch ein alternirendes Antiphonien-Schlafen ununterbrochen fortzuführen? Du sagst nichts an; aber der Fiskal selber sagte an, daß du das nämliche ins Werk gesetzt; du und dein Heiligen-Personale im Walde hattet den Muth, weil zwei wachende Haufen schon da waren, nämlich das gemeine Volk, das am Tage, und das vornehme, das vor Mitternacht lukubrirte, und weil blos der dritte mühvollste abging, der nach Mitternacht nicht schlief, du hattest, sagt' ich, und der Fiskal da den Muth, diesen dritten sammt deiner Dienerschaft zu machen und zu ersetzen und nächtlich aufzusitzen. Wie oft ginget ihr denn statt der Mönche, die ungemein träge nicht aus den warmen Betten in die kalte Kirche wollten, freudig hinein! Ja, wenn ihr oft in die Tempel, wie Exkommunizirte, nicht hineinkonntet: so wartetet ihr häufig die nächtlichen kanonischen Horen in Höhlen und Kneipschenken ab und hattet deswegen mit dem größten Vorbedacht aus der Kirche schon soviel Altar-Service mitgenommen, daß es in der Kneipschenke weiter an nichts fehlte als – an einer Liturgie, von der D. Seiler in Erlang eine verbesserte rechtmäßige Auflage für die Baireuthischen Kanzelpulte zu schreiben gedenkt.

Wecke deine Sprachorgane von Todten auf und sage damit beiläufig an, von mir apostrophirter Mezner, hattest du sonderliche Kenntnisse vom H. Makarius, der sich lebendig bis an den Hals beerdigte und den Kopf vorragen ließ, um damit nach dem nachbarlichen Gras zu schnappen – oder vom H. Abt Arsenius, der seine Zelle mit dem Höllengestanke faulender Blätter ausräucherte, um seine Nase zu kreuzigen? aus den Akten ist nichts von einer sonderlichen Kenntniß davon zu ersehen, aber wohl das, daß du diese Beerdigung und Kreuzigung in eine einzige Nachahmung zusammengeflochten, indem du mehr als zwanzigmal aus Selbstverläugnung blos durch geheime Gemächer in die Häuser aufstiegest und eingingst, ob du gleich die Thür und den Thürklopfer sahst.

Der Inquisit Mezner tauschte diesen klystiermäßigen Eingang zuweilen mit dem entgegengesetzten um und sank oft von oben ein, durch die Luftröhre des Rauchfangs. Das weibliche Geschlecht zeigt eine h. Passidea auf, die sich als ein epikureisches Schwein oft in den Rauch aufhing, um ihr gekreuzigtes und geräuchertes Fleisch selig zu machen. Aber das männliche Geschlecht muß nach meinem H. Mezner greifen, um jemand vorzuweisen, der stundenlange dem Rauche der Feuermauer unter Leberwürsten, die er verminderte, entgegenhing, bis er endlich ins schlafende Haus herniederfuhr, um da seine bürgerliche Nahrung und Dinge zu treiben, die ich nachher mit wahrem Nutzen berühren muß.

Selbst in meinem Rauchfange fielen einmal zwischen mir und Meznern Aktus vor, die Schöppenstühlen und dem Ordinario geschrieben werden müssen, weil sonst ganze Klöster- und andere Gerichte denken können, ich wisse Heilige am Ende mehr zu defendiren als zu mortifiziren. Denn ich mortifizirte am Malchustag gegenwärtigen Justifizirten hinlänglich und äußerst. Ich stellte Abends, noch wegen des Märzes in meinen Pelzstiefeln wohnhaft, leise um 10½ Uhr unterm Dachstuhle Mausefallen auf – als ich nach einem immer mehr sich dechiffrirenden Geräusche einen Heiligen hörte, der an einem Strick wie ein Senk- und Wurfblei meinen Rauchfang hinunterglitt. Ich rupfte ein Bein ums andre aus meinen fast unübersteiglichen Pelzstiefeln heraus und rieselte, sie chapeaubas tragend, alle Stockwerke fliegend hinunter. Unten unter der Haupttreppe lehnte eine am Tage gebrauchte Baumscheere, die sechsthalb Haßfurter Ellen lang war. Mit dieser Stange – Mezner war indeß schon in den schwarzen Hasen eingelaufen und stand auf zwei Räucherstecken herumhorchend vor Anker – sprang ich wie wüthend auf den Feuerheerd, weil ich zuviel Lärm machen mußte und die Stange erst durch zwanzig diagonale Evoluzionen in den Rauchfang einbrachte. Mezner und ich hatten uns mit keinem Licht versehen. Dieser saß folglich oben und suchte sich durch bloßes Nachdenken das annähernde Getöse zu entwickeln, konnte aber schlechterdings nicht und verfiel nicht darauf, daß sein nachheriger und gegenwärtiger Defensor mit einer, sechsthalb Haßfurtische Ellen langen Scheere unten stände und nach einem Introitus föchte. Der eine Handgriff der Baumscheere steckte fest an der Stange, der andere konnte durch eine dicke Schnur, die ich mit den linken Fingern zog, heftig auf und zugeschnappt werden. Ich fing jetzt an nach dem Gast meines Rauchfangs schnell und still zu stochern und zu gabeln, um ihn, mortifizirend, an irgend einem Gliede aufzuspießen und einen kurzen paullinischen Pfahl in sein Fleisch (von unten auf) zu treiben. Wahrhaftig es war so viel (und mehr) als wär' ich auf dem Feuerheerd gestanden und hätte dem überirdischen Zuhörer auf der Emporkirche ein aszetisches Kollegium hinaufgelesen, und ich langte ihm gewissermaßen die ganze Ethik blos auf meiner Stangenspitze hin. Kraus Mezner und ich sprachen noch immer kein Wort: er wußte also nicht, wofür er das Ding zu nehmen habe, das unsichtbar an der Feuermauer auf und niederhobelte und so verdächtig um ihn fächelte. Mit dem Stechen verknüpfte ich noch zweckmäßiges Auf- und Zureißen der Scheere, um etwa, indem ich aufstachelte, ein und das andere Glied beiläufig loszuschnitzen und durch perpendikulare Blessuren horizontale zu reissen: ich wollte (sieht man nun schon) die Beschneidung des Fleisches und der Lippen am Konklavisten des Rauchfangs unaussprechlich weit treiben und lenkte und raufte wie besessen am beweglichen Unterkinnbacken der Scheere. Ich wollte überhaupt gänzlich haben, die Meznerische Nase sollte mir auf meine eigne fallen, wie denn in unsern Tagen diesen unfruchtbaren Holzast gute Selbstgärtner häufig herabhaben und schneiden wollen. Da ich den Ausfall verschiedner Fragmente verspürte, die ich für abspringende Glieder des Disziplinanten nehmen konnte: so wußt' ich recht gut, wo ich und Mezner mit dieser aszetischen Analyse desselben hinauswollten und bei solchen Aufmunterungen wollt' ich natürlicherweise fast den ganzen Meznerischen Ueberrest in einen solchen Gliederregen auflösen – allein Kraus Mezner, dem ich die Kreuzschule viel zu lange hielt, war schon längst vor dem Fragmenten-Niederschlag, blos mit einer breiten Mortifikazion im Schenkel oben wieder hinausgeritten, indeß ich doch allein fortagirte, und meine Frau, die mit dem Lichte kam, fand mich schweigend scheeren unter den herabtropfenden Segmenten meiner geräucherten Leberwürste, die ich freudig forthalbirte, in der besagten Meinung, den Pönitenten zu tranchiren ... Das ist aber die ganze brauchbare Passionsgeschichte dieses Kanonisations-Kandidaten, da er als Transito- und Stapelgut meinen schlechten Rauchfang passiren wollte.

Viele alten Heiligen und der neuere Bettler Labre hatten wenig am Leibe oder nur Stück- und Flickwerk; ich halte aber zu Hause den zerlumpten und bescheidnen Anzug Mezners und seiner Ordensbrüder (denn die Bande war so stark, daß nach ihrer Kanonisation die Kirche kann 2 Monate an ihr zu feiern haben) aus ziemlich wichtigen Gründen vorräthig, um allzeit etwas zu haben, was ich dem Teufelsadvokaten und jedem entgegenhalte, der wirklich zweifelt ob Mezner ein wahrer Heiliger gewesen.

Das ist aber nur das schwächste Pfand seiner Demuth. Denn so gut der h. Franziskus und der h. Makarius ihren Schülern bei der Observanz befahlen, sie Diebe, Esel und so weiter zu schimpfen: so wartete keiner in der Meznerischen Ordensbrüderschaft erst auf einen Befehl, sondern nur auf Bier, um durch die ascetischten Uebungen die Demuth des andern sehr zu stärken. Der Fiskal konnt' es selbst nicht aus den Protokollen auskratzen, daß Mezner seinen Namen aus weitgetriebener Demuth verhalten und einen fremden vorgespiegelt; er hätte seine zu bescheidne Absicht ganz erreicht, wenn nachher der römische Stuhl den fremden Namen statt des seinigen mit rothen Buchstaben in den Kalender zur Feier eingeschrieben hätte. Es ist schwer zu glauben, aber gegenwärtiger H. Gerichtsaktuarius will es versichern, daß in ganzen Banden keiner nach dem Namen des andern sich erkundigen darf Bekanntlich (wenigstens ist's Gerichten bekannt) darf kein Spitzbube den andern um seinen Geschlechtsnamen befragen. – und so handelte ächte Demuth von jeher und läßt davon nicht ab. Untadelige Gelehrten lachten den Severus Sulpizius aus und wollten ihm's nicht glauben, daß ein Eremit einmal ( vita Martini dialog. I.), um demüthig zu bleiben, sich einige Monate vom Teufel besitzen lassen und Gott darum gebeten; steht aber hier nicht das lebendige mit Hopfen durchschossene Beispiel noch vor uns oder Kraus Mezner, von dem (nebst Vielen von seiner Kongregation) wirklich zu erweisen ist, daß der Teufel lebendig in ihn gefahren war und daß er dadurch vom Stolze auf seine Tugend sich vollkommen losgeholfen? Und wie gedenkt sich hier H. Fiskal mit guter Art herauszuziehen?

Er sollte das Stillschweigen ergreifen, von dem ich jetzt reden will und das große Heilige und Karthäuser niemals so weit getrieben, daß ihnen des gegenwärtigen Mezner Anstrengung nicht hätte nachzukommen vermocht, der auch jetzt nicht spricht. Denn weit entfernt, erst wie die Karthäuser durch Ruthen zum Schweigen getrieben werden zu müssen, konnten ihn Ruthen und Daumenschrauben nicht einmal davon weglocken, und er blieb stets eingedenk, daß nicht diese Gerichtsstube, sondern der Wald das Sprachzimmer ist, wo ein Heiliger ein wenig reden darf, und wo auch die Hörbrüder so wie es Hörschwestern ( les Tourières oder les soeurs écoutes) gibt, die eine Nonne ins Sprachzimmer begleiten und auf ihre Reden Achtung geben. neben ihm stehen. Er gehörte bekanntlich zur Karthaus des Cartouche, der seine Novizen so sehr im Schweigen auf der Folter übte.

Es kömmt mir sehr zu statten, daß H. Fiskal selber den Beweis auf sich genommen, daß mein Klient hinlänglich gestohlen, und ich acceptir' es mit Nutzen und Lust; dennoch will ich selbst von seinem Rauben soviel außer Zweifel setzen, als, wie es scheint, vonnöthen ist, um jetzt darzuthun, daß er ein Heiliger war. Er mußte den h. Franziskus fast tadeln, der den Franziskaner-Bettelorden stiftete, und durch bloße Statuten Menschen hinterlassen und erziehen wollte, die kein Eigenthum hätten und suchten. Kraus Mezner sah die Verdorbenheit der Franziskaner und anderer Bettelmönche und aller Menschen von hinten und vornen, die nicht wie Sparter durch Lykurgische Reden zu heilen ständen; er schritt vielmehr ganz in den tieferen Weg der That hinein, und that was er sollte. – Denn er postirte sich und seine gehenkte Dienerschaft im Walde täglich so, daß dieses ganze Franziskanerkapitel Leute, die vorbeiritten oder fuhren, und wie unsinnig an ihrem zeitlichen Eigenthume pichten, von gedachtem Eigenthum nicht durch lange Missionspredigten, sondern durch thätige Hände abbringen konnte; das Vermögen solcher im Bettelorden Profeß ablegenden Reisenden erbte nachher Kraus Mezner und seine Heiligen, wie ja Klöster allzeit thun. Solche Veranstaltungen, die selber in den Inquisitionsakten nicht in Abrede gestellt werden konnten, waren es, wodurch Mezner viele Christen so weit brachte, daß sie, wie Mönche, ihre Sachen nicht mehr die ihrigen nannten. Sonach war er, die Wahrheit zu sagen, wirklicher Ordensgeneral der Laienbrüder im Bettelorden und unter keinem schlechtem Prädikat hätt' er zu dem Galgen aufsteigen sollen. Bei seiner Heiligsprechung kann es weitläufiger berührt werden, daß die Meznerische Gespannschaft gegen den Luxus die besten Prachtgesetze vorgekehret; sie ritt zwar nicht wie der Kardinal Kapistran nach Nürnberg, und predigte da nicht wie der, Geschmeide, Kleider und das Heergeräthe des Luxus auf einen Scheiterhaufen zusammen, noch weniger brannte sie, wie der Kardinal, diesen Haufen an; aber sie thaten weit mehr; die Gespannschaft holte still und ohne pharisäisches Plaudern nächtlicherweise ganze Frachten von solchem Luxus aus den Häusern weg und am andern Morgen mußten die Inwohner und Eigenthümer demüthig befunden werden, sowohl in Worten als Werken und Geberden.

Der Fiskal sollte sich nicht so weit vergessen haben, daß er mit den deutlichsten Worten hingeschrieben, Kraus Mezner sei zu dieser und noch andern Handlungen nicht befugt genug gewesen und er zweifle ganz. Denn dadurch legte er wider seinen Willen auf das deutlichste an den Tag, daß er es weder aus dem h. Augustin noch Irenäus Barbeyrac de la morale des pères de l'église ch. 3. §. 10. ch. XVI. §. 14. gelernt, daß die ganze Welt die Erbschaftsmasse und die Kronengüter der Heiligen sei, und von Gottlosen gar nicht besessen werden könne und solle; daher sind auch die Ansprüche des allerheiligsten Vaters auf die ganze Welt so sehr gegründet. Dem hier mit Drath durchsponnenen Mezner, der seine Heiligsprechung noch früher von seinen Werken als von besagtem Vater empfing, konnt' es durchaus nicht unbekannt sein, daß sein Karakter ihn zum rechtmäßigen Eigner der ganzen Erde erhebe. Allein er schien sich einer so außerordentlichen Besitzung dadurch noch würdiger machen zu wollen, daß er sie fast wegschenkte. Denn anstatt daß Fürsten blos Landgüter und Päpste blos einen und den andern Welttheil verschenkten, begabte und belehnte Inquisit mit allen fünf Welttheilen sämmtliche Menschen; die sich nun nach Gefallen und Billigkeit darein theilen konnten, und die unentdeckten Länder zählte er den europäischen Fürsten zu, die daher ihre Fahne den Augenblick, da sie darin anlanden, in denselben aufstecken können – so daß er von allen seinen liegenden Gründen, um die zuweilen Weltumsegler reiseten, die Wahrheit zu sagen, nicht soviel behielt, daß er seinen Galgen hätte darauf oder daraus mauern können. Dennoch wollten seine fahrende Habe die Menschen auch haben: auch davon trat er soviel und alles, was er in den Südseeinseln, in Afrika etc. stehen hatte, willig an sie ab, und wollte nur einiges behalten, was um seinen Wald herumstand und herumhing. Gleichwohl betraf ihn, nachdem er wie andre Heilige fast sein ganzes Vermögen den Armen geopfert hatte, das herbe Schicksal, daß er das Wenige, was er durchaus begehrte und brauchte und von dem niemand eine Schenkung unter den Lebendigen erweisen konnte, erst in Ausfällen aus dem Walde mit seinen und zwanzig andern Händen erfechten und erlauern mußte. Ich läugne es nicht, die Rechte sprachen ihm, wenn er auf diese seine Güter fremden Passagiers und Fuhrleuten abnahm, freilich alle Seligkeiten des Besitzes ( beatitudines possessionis) zu, d. h. er brauchte weder seinen Titel zu ediren (es war auch keine Zeit dazu da) noch den Arm der Obrigkeit dazu anzuschreien, sondern er konnte sich selbst und mit Gewalt in seinem Besitze schirmen; allein äußerst unangenehm ist es einem Heiligen doch, beständig in solchen weltlichen Nahrungssorgen seine Stunden zu verbringen und stets schwere Brecheisen und Knüttel und Leitern herumzutragen und immer aufzupassen.

Unter meine unwillkürlichen Mortifikationen in der Welt gehört das mit, daß ich oft von zehn Dingen das eilfte vergesse, ich meine hier die eilfte Mortifikation des Inquisiten: es entfiel mir, daß er nicht wie viele Heiligen sich selbst ausprügelte, sondern sich – er verstärkte dadurch die Pönitenz in etwas – von andern Menschen ausprügeln ließ, nämlich vom Büttel oder Schergen, der hier steht und diese Mönchs-Disciplin wenige Wochen vor seinem Tode mit ihm vornahm. Von unparteiischen Klostergerichten muß auch das ihm für etwas angerechnet werden, daß unsere gehenkte Heiligen-Diözes und besonders ihr Inspektor Mezner – so wie in Klöstern Novizen, statt der Geißelung, das Herbeten von Psalmen etc. zur Strafe wählen – umgekehrt gar oft das Geißeln an die Stelle der Andachtübungen rückte – und solche Heilige prügeln einander stets, weil das eben gerade so viel ist, als beteten sie lange und laut, diese Prügel-Paschisten oder Passianer.

Und aus solchem edlen Thaten-Erze Mezners wußte der Fiskal den Arsenikkönig zu sublimiren, der seinem exemplarischen Lebenswandel einen schlechten Garaus machen und selber seinem guten Namen etwas anhaben konnte, wenn ich es gelitten hätte; aber deswegen bin ich ja da, um für diesen gehopften Heiligen, in den einige Akten inrotulirt sind, außerordentlich zu fechten und damit so fortzufahren:

Wessen Glaube an Mezner's Heiligkeit noch schwankt, der ist nicht kaltblütig genug und bedenkt nicht, daß er gehenkt wurde und seinen tödtlichen Ringkragen noch umhabe und erst heute früh von mir darin heruntergeknöpft worden. Ein solches Leben wie das Meznerische konnte fast nirgends als im Martyrthum und in der Luft sich endigen und in den Antwerper Actis Sanctorum, die bis zum Dezember fortgeschrieben sein sollten, sind die Beispiele solcher Märtyrer viel häufiger. Ich bin froh, daß ich ihm nicht wie den ersten christlichen Märtyrern vorwerfen kann, sich muthwillig und freiwillig zum Märtyrertode hingedrängt zu haben; er ging ihm vielmehr, so sehr er nach Pflicht durfte, aus dem Wege und zog daher, nachdem er vor drei Jahren dem Gefängniß und dem Fiskal und einer Defension entsprungen war, seitdem als Martyr designatus So nannte die erste Kirche die Christen, die dem Märtyrtode, zu dem sie bestimmt gewesen, wieder entkommen waren. draußen herum. Aber freilich war es bloße Verstellung, wenn er zu wünschen schien nicht aufgefangen zu werden: denn sein ganzes Leben war ja fast nichts anders als eine stete Vorbereitung und Bußübung auf diese Feuertaufe, wie Origenes den Märtyrtod benennt, auf diese Bluttaufe, wie Zyprian ihn nennt, besserer Metaphern zu geschweigen.

Sobald er todt war, so wurden wie beim h. Paris seine Wunderkräfte lebendig und wer etwas davon weiß, sollte ohne Zeugendiäten nach Rom abreisen, um dem kanonisirenden römischen Stuhle alles zu erzählen. Das ganze hochlöbliche Klostergericht beschaue die Hand des Inquisiten, die ich jetzt emporziehe: es ist von ihrer Tastatur der fünfte Finger ausgebrochen, den ein Kerl heute Nachts muß vom Galgen abgeholt haben, um bei seinem Stehlen eine wunderthätige Reliquie bei sich zu führen und seine fünf Finger durch einen sechsten zu verlängern. So bekannt ist selbst dem gemeinen Mann Mezner's Heiligkeit, eh' ich sie noch mit einem Worte bewiesen. Es kann dem H. Fiskal wehe thun, daß sein eigner Reitknecht heute vor dem Gebetläuten gar nicht aus meiner Stube wegzubringen war, sondern immerfort mit Flehen auf dem Hemde des seligen Malefikanten bestand, oder nur auf einem Fetzen davon, um damit sein Pferd zu streichen und zu kartätschen, das gar zu wenig Luder hätte und das er mit diesem Kartätschen fetter zu machen verhoffte als mit sieben Scheffel Hafer. »Es ist richtig, sagt' ich, solche Hemden nützen in unserem Klima Pferden eben so viel als die jährliche Weihe derselben am Antoniusfeste zu Rom; aber mein Kerl hat sich selber das mästende Hemd schon gestern Abends vom Hochgerüste heruntergedreht und er bestreicht meinen Schecken damit.« Gleichwohl zupfte ich aus dem Halsstrang des Mezner etwas zu einer Peitschenschmitze heraus und sagte dem Reitknecht, wenn der Gaul diese Schmitze hörte, so würd' er allzeit besser laufen und das müßte ihm so lieb sein als 60 Pfund neues Luder. Ich höre aber daß der fiskalische Reitknecht und der defendirende Reitknecht nachher auf der Weide sich wegen des nahrhaften Hemdes fast halb erschlagen, so sehr wissen schon solche unbelehrte Leute die Wunderkräfte von heiligen Kleider-Reliquien zu schätzen. Wenn Frank in seiner medicinischen Polizei berichtet, daß in mailändischen Nonnenklöstern heilige Knochen zu Mehl zerhämmert werden, um daraus Morsellen gegen alle Krankheiten zu backen: so lief schon vor der Hinrichtung auf der Wache die Rede herum, daß ein paar .....sche Soldaten vorhätten, die Kopfknochen Mezner's zu pulvern und in Brantwein einzunehmen, um sich gegen die Türken festzumachen. Bei solchen Gerüchten ist es eine wahre Freude, daß der Delinquent doch noch ganz ist und mithin komplet nach *** abgefahren werden kann, um da wie andere heilige Leiber in einem Sarge, mit einer Glorie statt der Frisur, auf gestickten Kissen und vor knisternden Kerzen, von bessern Personen als Reitknechten theils verehrt theils genützt zu werden und ein guter Freund will mir nachher seine ***ischen Wunder schon weitläufig schreiben; ich hoffe aber, es soll die Kirche mit Mezner nicht so lange zaudern wie mit den römischen Malefikanten, die Jahrtausende ungebraucht in den Katakomben trockneten, ehe sie auf die Altäre gelangten und da ihre Wunder nachholten: vielleicht waren an diesen Heiligen wie an Mezner gute Wunder schon reif, da sie noch architektonisches Fruchtgehäng des Galgens waren und ich wollte darauf sterben.

Die Vorstädter wollen des Nachts am Haupte des hängenden Mezner einen breiten Heiligenschein haben glimmen sehen. Einige leiten diese Brillantirung von seiner ungemeinen Heiligkeit her; viele von phosphoreszirender Ausdünstung: allein ich leit' es von beiden zusammen her.

Ich weiß nicht, ob der Papst in Rom sagen kann, daß er die Menschen zur Bemühung, solche Heilige zu werden wie Mezner und Gespann, dadurch sehr ermuntere, daß er so selten einen kanonisirt. Viele hundert werden jährlich im katholischen Europa gehangen und gerädert und mit der Märtyrerkrone infulirt, ohne daß der h. Vater nur darauf denkt, einen oder ein Paar von ihnen, zur Aufmunterung für andere Christen, dadurch etwan zu belohnen, daß er sie heilig spräche und ihren Namen die Kalenderschminke, einen Altar und eine Kirche und Anbeter bewilligte. Freilich sind der Heiligen fast erschrecklich viele und wenn nach dem h. Augustin und Peter Lombardus nur so viel Menschen selig werden sollen als Engel verdammt geworden, um die Goldstufensammlung von Seligen wieder zu kompletiren: so kann man ganz gut annehmen, daß ganze Ballen guter vom Papste selbst gestempelter Heiligen als Supranumerarii nirgends hingeschlichtet werden konnten als in die Hölle. Das einzige Benediktiner-Kloster Monte-Cassino lieferte dieser und der andern Welt 5555 Heilige; und ein Mönch, der auf Befehl Karl des Großen Kreide nehmen und die Heiligen überrechnen mußte, brachte heraus, daß auf jeden Tag, wenn man jedem Heiligen seinen Festtag feierte, 300 Stück Heilige auf einmal kämen, von denen also nach meiner Division jeder einen Festtag erhielte, der 4 7/ 15 Minuten lang wäre Wolf. lection. memorab. Cent. XVI. p. 99l. . Da es mit nichts zu erhärten steht, daß es so viel Teufel gibt als Heilige: so können sicherlich, da zumal im Himmel keine neuen Teufel mehr gemacht werden, aber immerfort auf der Erde neue Heilige, vakante Stellen und Stuhlerledigungen genug im Himmel vorhanden sein, um die nachströmenden heiligen Steiße sämmtlich aufzunehmen; aber in der Hölle ist für allen Henker Platz. Daher entfährt Männern, die man hierüber hören muß, oft der Wunsch, der päpstliche Nuntius möchte es seiner würdig halten, nach Rom zu schreiben und der Kongregazion de' sagri riti vorzuschlagen, daß man künftig oft Heiligen Beatifikazion und Kanonisazion gewähren möchte, die theils bös wären theils verdammt, weil alles fast Ein Teufel wäre. Aber das letztere ist gar nicht wahr; in neuern Zeiten kann man böse und verdammte Heilige am allerwenigsten entbehren, ausgenommen im hiesigen Klostergerichte. Die wichtigsten Stände sind oft ohne Schutzpatrone: z. B. die Diebe haben vielmehr zwei Heilige, den h. Protosius und Gervasius, die zu ihrer Entdeckung helfen, wider sich, aber keinen für sich: der Abt du Terrai oder ein Pariser Polizei-Lieutenant oder der Satan sollte zu ihrem Schutzheiligen und Vorbitter kanonisirt sein oder werden. Die Huren beten die h. Afra und Magdalena außer ihren Kunden an und bauen auf deren Schutz: der Papst würde aber weit besser für sie sorgen, wenn er in der Hölle ihnen eine Requetenmeisterin und eine Vorsprecherin kreirte und deswegen irgend eine Dame vom höchsten Stande heilig spräche. Gegen schlimme Augen verehrt man die h. Ottilia; aber zu einem Schutzheiligen gegen gute fehlt noch ein kanonisirter Okulist. Wenn Gebäude, die doch aus nichts als Steinen und Kalk bestehen und Kirchen heißen, ihre eignen Schutzheiligen und Kardinalprotektores in der andern Welt sitzen haben: sind denn nicht andre Gebäude aus eben so guten wenn nicht besseren Mauersteinen, Mörtel und Sparrwerk zusammengeschaffen und sind mithin Bordelle, Börsen, fürstliche Lustschlösser, Staatsgefängnisse, Zollhäuser ihres besonderen Heiligen und unsichtbaren Assistenzrathes unwürdiger als Kirchen? und sitzen keine Leute in der ganzen weiten Hölle, die der h. Vater zu solchen Assistenzräthen heilig sprechen könnte? Es würde allen Negoziateurs und Plenipotenziarien ganz wohl thun, wenn die Kongregazion de' sagri riti und der Papst klug sein und zum Schutzheiligen von jenen den Kardinal Richelieu ernennen wollten, der schon bei seinen Lebzeiten einer Kanonisazion nachjagte und deswegen von seinem Beichtvater Brief und Siegel haben wollte, daß er niemals eine Todsünde gethan; da aber zum Glück der Beichtvater dieses niemals attestirt hat: so steht seiner Heiligsprechung jetzt fast gar nichts entgegen und sie könnte schon aus sein.

Sollte Kraus Mezner, der ohne Inquisitionsakten umkugeln würde, sich die Kanonisation wirklich erringen: so will Defensor, der glücklicherweise noch nicht gefirmelt ist, ihn zu seinen Schutzpatrone annehmen und hoffentlich führt sich dann Inquisit als ein außerordentlicher Defensor seines Defensors auf; aber das gehört vielleicht nicht hieher.

Uebrigens protestirt Defensor gegen zwanzig Dinge, besonders gegen Inhäsiv-Pro-Reprotestationen, will durch Stillschweigen wenig oder gar nichts zugestanden haben und läßt an das hochlöbliche Klostergericht sein höchst inständiges Flehen gelangen, in Rechten zu erkennen, daß Inquisit Mezner, der ohnehin schon gehenkt worden und ohne die Hopfen- und Akten-Infarktus nimmermehr würde stehen wollen, von der wider ihn vom Fiskal angestellten peinlichen Klage zu absolviren sei und daß er seiner Heiligkeit halber ein gerichtliches Zeugniß zu bekommen habe – worüber und was sonsten omni meliori modo hätte sollen oder können gebeten werden, Defensor und Inquisit judicis officium nobilissimum imploriren, sich übrigens auf unverhofften Fall ihre weitere rechtliche Nothdurft gewissermaßen Vorbehaltende etc. etc.

 

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