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3. Scene.
Vorstellung des Entrepreneurs der hiesigen Bordelle an das Oberpolizeiamt gegen die einreißenden Liebschaften und Ehebrüche.

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P. P.

Wenn wir auf der einen Seite eingestehen, daß Aufklärung und Politur nicht so kleine Schritte unter uns gethan, daß nunmehr nicht ordentliche Bordelle ohne den geringsten Anstoß besucht und gebauet werden könnten: so würden wir uns doch auf der andern zuviel schmeicheln, wenn wir uns von diesen Anstalten mehr wahren Vortheil für die Wollust versprächen, als sie wirklich gewähren. In der That hierin scheint die letztere vor dem Christenthum wenig voraus zu haben und wir wunderten uns oft darüber besonders. Denn so lange das Christenthum in Höhlen, Kellern, Gräbern und Privathäusern fast hermetisch versiegelt stand: so rauchte sein Spiritus nicht weg und die Höhlen und Keller wurden immer voller; sobald aber Konstantin es in weite luftige Tempel verpflanzte: so blieb fast nichts mehr darin vom Spiritus unverflogen sitzen als sein parastatischer Leib, nämlich eben der Tempel oder auch die Leiber der Anhänger. Ein Unglück ist's, daß es der Wollust auch nicht besser ergeht. Denn so lange die Gnostiker und Bekenner derselben ihr nur unter dem größten Druck in Höhlen, Kellern und Privatzimmern dienen durften und von Untergerichten und Consistorien mehr als zehn Verfolgungen ausstanden; so befand sie sich ganz wohl und ihre Diener hatten Feuer und es kam etwas dabei heraus. Wie viel Gutes und welchen allgemeinen Eifer hätte nun nicht jeder der Wollust und sich versprechen sollen, da gar der Staat sich ihrer annahm und sie zur herrschenden Religionspartei erhob und ihrer unsichtbaren Kirche eine sichtbare zutheilte? Und in der That können wir unsers Orts keinem Entrepreneur eines Bordells solche Hoffnungen verdenken und wir hegten sie selber. Nunmehr aber ist's Pflicht, es nicht länger zu verhehlen, wie viele von diesen Hoffnungen blos fromme Wünsche und leere Aussichten in eine irdische Ewigkeit geblieben; und uns thut es gewissermaßen wehe, daß der Inhalt der Supplik, womit wir Ew. beschweren, meistens nichts anderes ist, als eben ein langer Beweis davon und die herbsten Klagen darüber.

Unsere Häuser sind öffentliche von der Regierung beschirmte Wohnungen, die die Nachwelt, so gut wie unsere Zeit andere Schulen, zu den piis corporibus schlagen wird. In allen großen Staaten, wenigstens in großen Residenzstädten muß man sie so gut haben wie den Fürsten selbst und den Kasernen sind sie vielleicht unentbehrlicher als Kommißbrod, weil es gewiß ist, daß die Generalität gar noch nicht daran gedacht hat, an männliche Kasernen weibliche anzustoßen, die doch von den Werbeoffizieren viel leichter als die männlichen zu füllen wären. Kauffartei- und Kriegsflotten können noch empfinden, was die ältern Zeiten ungefähr beim Mangel dieser Häuser leiden mußten; aber in Zukunft dürfte die Admiralität und die Hanse ihnen wohl ein mäßiges schwimmendes Bordell nachschießen lassen. In London ist an Bordelle ihr Name golden aufgemalt, damit man sie leichter finde; aber des Nachts nützt das wenig und es sollte da in einem Abendblatte vorgeschlagen werden, daß man – wie die ausgeschnittenen Ziffern am Luftthurm zu Florenz durch eine Laterne, die durch sie und den Stundenzeiger durchstrahlt, im Finstern leserlich bleiben – es ebenso machen könnte, indem man den Namen durchbräche und illuminirte. London kann sagen, daß es den Freudenmädchen, wie Reichsstädte den Juden, ganz besondere Straßen eingebe, und wiewohl es dadurch nicht die Städte der Ritterzeiten einholt, in denen ganze Viertel blos von ihnen bewohnt wurden Das Ritterwesen des Mittelalters von de la Curne de Sainte-Palaye, mit Noten von J. Klüber.: so dürfen doch mit ihm keine deutschen Städte einen Wettstreit wagen, unter denen manche kaum zwei Häuser dieser Art aufzuzeigen haben und wir wollen hier, um nicht zu beleidigen, keine mit Namen angeben. Die Zeiten sind (will es uns vorkommen) vorüber, wo man vielleicht mehr Ehre hatte, in andere Tempel als in unsere zu gehen; und es will sich kein Stand mehr vorwerfen lassen, daß er sich schäme aus unsern Fenstern herauszusehen oder auch deren Vorhänge niederzulassen. Und wenn der Rappell der Gesandten eine Art Kriegserklärung ist: so mögen wir hoffen, daß das friedliche Vernehmen, in dem wir mit den drei Fakultäten stehen, noch immer fortdauere und es residiren noch ihre Gesandten vom ersten Range bei uns. Sollten einmal ernsthafte Angriffe auf unsere Mauern gewagt werden, welches wir aus Hochachtung für unser Zeitalter für unmöglich halten wollen, so würden vielleicht – davon haben wir erhebliche Versicherungen – der Hof, die Armee und die Börse für Mauern einiges thun, hinter denen sie oft die Sommer- und Sonnenseite des menschlichen Lebens und des schönen Geschlechts gefunden. Niemand ist im Stande auf den Fußzehen über die Mauern der Zukunft hinüberzusehen und etwan wahrzunehmen, daß spätere Zeiten lieber fürstliche Luftschlösser als unsere Lustschlösser der Menschheit wollen zusammenfallen lassen; allein es muß uns schon an dem vollkommnen Siege genügen, den wir endlich über alle Vorurtheile gegen sogenannte Bordelle davongetragen und wir wünschten oft, irgend ein Gelehrter hätte Belesenheit und Fleiß genug, den wahren Ursachen der so allgemeinen Abneigung, die man noch im sechszehnten, siebzehnten Jahrhundert gegen unsere Liebes-Inokulazionshospitäler hegte, glücklich nachzuspüren und überhaupt von der Größe dieser Abneigung durch historische Belege angemessenere Vorstellungen auszubreiten: gewißlich würde durch diesen belesenen Gelehrten erst recht ans Licht kommen, über welche mächtigen Vorurtheile wir zu siegen hatten. Unsere Feinde dürfen nicht zuviel darauf bauen, daß vor einigen Jahren noch in Wien bei der medicinischen Fakultät höhern Ortes angefragt wurde, ob Bordelle von wahrem Nutzen wären, wie einige Jahre vorher Linguet die Beine übereinanderschlug und nachsann, ob er und die Nachwelt Brod essen könne, ohne daran sogleich umzukommen: denn in unserem appellirenden und revidirenden Jahrhundert müssen sich die ehrwürdigsten Wahrheiten die Haussuchung gefallen lassen und überhaupt bedenke man doch, daß es noch nicht ein Jahrhundert her ist, wo man sogar noch angestanden hätte, nicht jene Frage zu verneinen, sondern sie nur zu bejahen und zu erheben. Der Regierung scheint die Dienerschaft in unsern Häusern von einiger Wichtigkeit zu sein und es wäre zu wünschen, daß das Reichskammergericht oder die Schulen so oft visitirt würden, als unser Freuden-Personale: selbst der Arzt hält die Todtenbeschau in Wien nur für eine Nachahmung der wichtigern Lebendigenbeschau bei uns, die noch dazu viel lustiger ist; denn der Physikus sagt allemal: »er wünschte, er hätte mehre solche Sünden ex officio zu begehen.« Wir sagen dieses alles, wahrhaftig nicht um damit (ganz am unrechten Ort) zu prahlen, sondern um nur zu zeigen, daß wir unseren Feinden, die nicht zu uns kommen, sondern mit ihren Ehebrüchen an andern Orten einkehren und dadurch uns zu stürzen suchen, vielleicht etwas entgegenzusetzen haben, wenn anders die Hochachtung der Welt etwas ist. Es kann jetzt ganzen Ständen und dem Staate selbst nicht mehr gleichgültig sein, ob unsere Bordelle stehen oder fallen und ob man ihre Melioration mit wahrem Eifer betreibe oder ob man sie durch die schlechtesten Kunstgriffe unterhöhle, wie die folgenden offenbar sind.

Unsere Freudenhäuser erlegen die ordentlichen Abgaben, sind nach dem feinsten Geschmacke meublirt und ausgesteuert und stehen den ganzen Tag für jeden offen, besonders für den Läufer, den Koch, den Friseur, den Hofmeister, den Vorleser, den Freund, den Gönner, den Abbé und endlich den Gast des Hauses; aber es kömmt keiner, sondern dieses ganze Planetensystem kreiset sich um die Strahlen einer Sonne, in der eben der Henker ist und die die Frau vom Hause heißt. Und so kann man durch wenige Gassen gehen, worin nicht Häuser ständen, in denen solche widerrechtliche Vereinigungen der drei Stände, des Adels, der Geistlichkeit und Tiersétats zu Stande kommen. Auf diese Art werden die edelsten und reichsten Lizitanten abgehalten, bei uns einzusprechen und eine Bouteille süßen Wein zu fordern. Wer sollte glauben, daß in der großen Handelstadt F—t gewisse Weiber mit männlichen Silhouetten hausiren gehen Konzipient dieses Libells ließ selber einigemal seinen Schattenriß mit rouliren, aber ohne allen Nutzen und ohne eine Konzipientin., welche verschiedene reiche Kaufmannsweiber durchblättern? Denn nachdem diese daran die Physiognomik zur Beförderung der Menschenkunde ein paar Minuten getrieben: so sagen sie der hausirenden Frau Zeit und Stunde, wann die Physionomik an irgend einem Schattenriß auch zur Beförderung der Menschenliebe getrieben werden soll und kann. Ew. mögen selbst ermessen, ob bei solchem Unfuge die besten Freuden-Häuser in F. etwas anders als Fallit machen können oder schon gemacht haben. Sollte in Paris eine Kommission unserer Sache wegen niedergesetzt werden: so würde arithmetisch zu beglaubigen sein, daß wenigstens drei Viertel der wichtigsten dasigen Ehebrüche und Liebschaften unsern Treibhäusern ohne Scham veruntreuet und entrissen und andern Häusern, die es weder bedürfen noch dürfen, boshaft zugewendet werden und es ist recht fatal. Die Schauspielerinnen wollen wir nicht einmal erwähnen, ob sich gleich noch darüber disputiren ließe, wenn sie sagen, sie gehörten ganz zu uns und wären minder unsere Feinde als unsere bewaffnete Neutralität und blos aus unsern Häusern hätten sich ja z. B. bei den Römern die Theater mit Seminaristen versehen: denn was unsere bewaffnete Neutralität anlangt, so sind dieses ausgemachtermaßen die Nonnen und Pensionairinnen. Was kann nun am Ende aus solchen Winkelschulen und Privatissimis, die alle die Mythologie der Liebe vortragen, Gutes für unsere Auditorien entspringen, in denen öffentliche Personen publice darüber lesen, weil sie dazu ausdrücklich höheren Ortes angestellet sind? die beste Folge daraus ist, daß am Ende aller Keuschheit und allen Bordellen hienieden der traurigste Garaus gespielt wird; daß ist's aber, was wir Ew. so gut wir können erweisen wollen.

Es kann sein, daß diese Haus-Ehebrüche und Liebschaften sich schon gegen gewisse Vorurtheile, die zusammen Moral heißen, und gegen eine gewisse tolerirte Religionssekte, die man Moralisten nennt, viel zu sehr verstoßen, als daß einen deutschen Staat, wo besagte Separatisten doch einmal seit dem Normaljahr öffentliche Duldung genießen, die Sache gar nichts anginge; allein dieß ist in anderer Rücksicht ein Nachtheil von geringer Wichtigkeit, der beinahe verschwindet, wenn man ihn mit dem zusammenhält, daß bei solchen Pfuschereien, die von Jahr zu Jahr anwachsen, wir und unsere Bordelle nur schlecht bestehen können. Wird nicht der Mann von Stande, sobald er's haben kann, lieber auf irgend ein Landhaus hinausfahren als zu uns schleichen? Wird wohl der Weltgeistliche, der Dompropst, der Dechant, der Senior, der Subsenior und der Domherr, wenn sie die Wahl haben aus dem Tempel der Tugend entweder durch den Tempel der Ehre in den Tempel der Liebe oder (wie in spanische Gasthöfe) durch einen Stall der eingebildeten Schande in unsere Garnisonkirchen einzutreten, werden diese wohl immer zu unserem Vortheil wählen? Wir halten zum Glück schon beglaubigte Acceptationsbücher bereit, worin richtig eingetragen ist, wie oft. Wir sind im Stande, mit allen unsern Hausgenossen eidlich vor Gericht zu erhärten, daß der Ritterhauptmann, seitdem er bei S. sich eingemiethet, monatlich nicht über zweimal zu uns gekommen, wo er noch dazu besoffen war, und was den Stücklieutenant angeht, so fragen wir ihn auf sein Gewissen, ob er sagen könne, daß er seit seinem magnetischen und desorganisirenden Lukubriren nur Einmal mit dem Stock an unser Fenster geklopft und gefragt, wo der Donner die und die hätte und Abends nach der Fechtstunde käm' er gewiß – und wir merken auch recht gut, daß der Sekretär des englischen Gesandten blos aus brittischem Humor und weil er kein deutsch kann, für uns ein Wechselbrief a vista ist und nur, um sich auszuzeichnen, verschiedene deutsche Ehen nicht brechen mag; anders ist's wahrhaftig nicht. Jene Sucht des Menschen, nicht mit dem andern identifizirt zu werden, sondern etwas geheimes und besonderes zu genießen, zu dem kein anderer gelangen kann, eben diese elende Sucht, die die Pietisten aus den Kirchen in ihre Konventikel zusammentrieb und ineinander flocht, hat so viel Gewalt über die besten Gemüther, daß sie unsere Tempel, blos weil sie sie noch mit andern Kirchengängern theilen müssen, verachten und geheime Gesellschaften, wo die Theilhaber solcher Herrnhutischen Ehestunden sich nicht über zwei Personen belaufen, dreimal lieber haben. Da ferner gewisse Damen von einem gewissen Alter gar durch Graziale den Liebhaber bestechen, sich nicht ihres Alters sondern ihres Geschlechts zu erinnern und da sie, wie Ritterdamen nach dem Turnier, Jungferndank, Treffdank, Zierdank auszutheilen sich erdreisten, so ist's recht schlimm; denn es gibt entsetzlich niederträchtige habsüchtige Mannspersonen und diese werden sich allemal nicht schämen, Freuden, für die sie bezahlt werden, mit Absicht solchen vorzuziehen, für die sie selbst bezahlen müßten; wahrhaftig dieser Brautschatz ist ja eine recht schändliche Verdopplung der natürlichen Belohnung durch eine positive und ein ehrliebender Mann sollte tausendmal lieber eine Rolle Louisd'or aufsiegeln und bei uns anklopfen und eine kleine Kollation für zwei Mann bestellen. Wird es aber der Stadt und den umliegenden Rittersitzen zur Ehre gereichen, wenn wir um eine gerichtliche Kommission anhalten müssen und vor dieser durch fremde Zeugen und eigne Hand- und Kommissionsbücher nur gar zu gut bescheinigen werden, daß das obengesagte ganz wahr ist und daß unsere Kundschaft von Bedeutung über einige Fremde, die noch keine Bekanntschaften in der Stadt haben, über verschiedene Reisediener, die ihre Geschäfte bei den Kaufleuten und uns in der Eile machen, über einige Unteroffiziers, fünf Poeten, den Theaterdichter und die dünn gesäete Dienerschaft von der Regierung und Kammer zuverlässig nicht hinauslange? Denn den Schutthaufen von Gemeinen und Lakaien rechnet uns hoffentlich kein Billiger für etwas an, und sie wären fast, wenn die Herren kämen, bloße Freiexemplare.

Wir wundern uns sehr, daß einige Leute von Welt – und darunter war ein geborner Piemonteser, ob er gleich sagte, er wäre aus Voghera – so schlechte Kenntniß von unsern Gynäzeen verrathen, daß sie sagen können: »Entrepreneurs von deutschen Bordellen würden sich niemals über Abonnenten-Mangel zu beschweren haben, wenn sie nur nachsinnen und sich auch solcher Raffinements beeifern wollten, die die Materie durch die Form so außerordentlich erhöhen – wir meinen, wenn sie, wie eine gewisse alte neben dem todten Meere durch einen elektrischen Regen weggesengte Stadt längst gethan, den rohen Demant der Wollust brillantiren wollten.« Denn wir brillantiren ja bekanntlich ungemein und fechten hierin mit jeder französischen Stadt um die Wette und es soll künftig doch noch weiter getrieben werden. Sieht man denn nicht, daß eben diese unsre Sublimirung des Wollust- Merkurius, eben dieses Tättowiren und Lackiren der Geschlechter-Sinnlichkeit noch das einzige war, das uns vielleicht noch hielt und uns einigen Vorrang vor ordentlichen Privathäusern gewährte. Ohne diese Anstalten zu gewissen Vergnügungen, die nicht sowohl wider als über die Natur gehen, möchten wir auch gern wissen, was uns noch sonst übrig geblieben wäre, gewisse vornehme Kunden fest zu ketten, die von natürlichen Vergnügungen längst überfüllt waren und sie leider überall gratis haben konnten. Mit solchen übernatürlichen Freuden würzen erkaltete und bis auf die Hefe abgelaufene Männer zuweilen ihre naß-kalten Stufenjahre; wie geschickte Köche in nassen Jahrgängen zum Vortheil der Verdauung die Würze des Gemüses verdoppeln. Und so selten es geschieht, so müssen wir's doch mit Dank anmerken, daß junge Herren von Stand nicht allemal mangeln, die, wenn sie lange mit ihrem Saugrüssel aus den vornehmsten Lyoner und italienischen seidenen Blumen und Damen Honig geholt und sich darauf gewiegt, endlich die Flügel zusammenlegen und in unsere Wohnung niederschießen; so kennt der Naturforscher schöne Schmetterlinge, die ihr halbes Leben sich um Blumen kräuseln und schlingen, aber zuletzt doch ihre Nachkommenschaft auf eine braune Kohlstaude laichen. Aber sind denn nicht selbst in unsern Tagen noch solche elende Betschwestern und Betbrüder am Leben, denen unsere übernatürlichen Freuden, die uns gerade die meiste Mühe machen, nicht unschuldig genug vorkommen, sondern fast thierisch, so gewiß es auch ist, daß gerade durch solche Uebernatürlichkeiten der Mensch sich von den Thieren (die zwei klügsten Thiergattungen etwan ausgenommen) am allerbesten unterscheide. Und sollen wir uns denn auf der andern Seite verbergen, daß wir weder Kaution noch Assekuranzbriefe darüber haben, daß am Ende nicht auch andere Häuser uns unsern widernatürlichen Freuden-Attizismus und unsere Lust- Gräzismen ablernen und nachthun und uns mithin alles nehmen werden, womit wir bisher trotz der allgemeinen Leichtigkeit zu ehebrechen feine Leute etwan ganz noch an uns zogen? Inzwischen bekennen wir gern unsere feste Hoffnung, daß Ew., falls Sie auch unsere Bitte um die Abordnung unzunftmäßiger Ehebrüche abschlügen, vielleicht doch soviel zum allgemeinen Besten verordnen dürfen, daß nirgens gomorrhische Sünden begangen werden sollen, als in unsern ganz dazu eingerichteten Häusern.

Ueberhaupt sollte von Kanzeln und Altären herab der abscheuliche Irrthum heftig bestritten werden, daß die äußerste Gefälligkeit der Damen in unsern Tagen, wo man über Mangel an unsern Häusern sich nicht mehr zu beschweren hat, noch erlaubt oder gar schätzbar sei. Denn wie die Gastfreiheit nur so lange von großem Belange war, als es keine ordentlichen Gasthöfe gegeben: so kann es in unsern Zeiten, wo wir unsere Novitäten- und Antikentempel überall aufgebaut und an der Thüre stehen und jeden zu uns hineinpfeifen und hineinhusten, wahrhaftig kein so gar außerordentliches Verdienst sein, wenn Damen oft ganz des Teufels sind und die besten guten Engel sind und von besagtem Teufel sich zum Abfall überreden lassen: denn davon haben unsere Häuser nichts, die selbst blos deswegen da sind. Wahrhaftig gerade wie Passagiers nur die paar Tage ihrer Ankunft dem Absteighôtel nützen, aber nachher in der ganzen Stadt herumspeisen und vom Wirthe mit sammt ihrem Pferde ausziehen, das irgend ein Freund in seinen Stall abholen läßt, so machen die nämlichen Passagiers es unsern Garküchen der Liebe ebenso; sie vergessen sie und uns, sobald sie nach einigen Wochen in die Familien, Redouten und überallhin gekommen und wenn wir vollends Gastwirthe in figürlichem und unfigürlichem Sinne waren, so verlieren wir auch in doppeltem Sinne.

Das geht aber gar nicht, sondern schreit gewiß gen Himmel. Denn Juristen wissen, was sie damit haben wollen, wenn sie feststellen, daß unsere Bordelle durch eine unvordenkliche Verjährung das recht einträgliche Bann- und Zwangsrecht auf immer gewonnen, daß nirgens als in ihnen ordentlich die Ehe gebrochen oder nachgeahmet werden darf. Ueberhaupt wird es der Welt ein wenig auffallen, wenn sie im neuen Gesetzbuch für die ** Staaten auf einen und den andern Paragraphen in den Handwerkordnungen stoßen wird, der für unsere Zeiten recht paßt und den wir hersetzen können.

T. IV. c. 3. §. 48 und 49.

»Da überhaupt die Innungen wegen des außerordentlichen Vortheils für die Kanzlei und die Innungen selbst nicht genug vervielfältigt werden können: so soll künftighin das Hurenhandwerk eine eigne Innung ausmachen, wie die Bildhauer- und Modellirer-Innung, deren Fabrikate weder so dauerhaft noch so nach dem Leben täuschend sind, als des besagten Handwerks seine. In jeder Stadt soll eine bestimmte Anzahl Meister oder Meisterinnen sein, und die Handwerkslade ist in den bekannten Bordellen. Zum Meisterstück muß geliefert werden ein netter und akkurat modellirter Zwerg (oder Zwergin), der todt oder lebendig sein kann. Die Arbeiten der Innung werden meistens in Unsere dazu errichteten Waaren- oder Kaufhäuser abgeliefert, die gewöhnlicher Findelhäuser genannt werden; hier werden sie in Streckteiche geworfen und ins Größere verarbeitet und (damit diese Puppenwaare in und außer Europa ebenso gut ist wie die Nürnberger) mit der architektonischen Verzierung einer Flinte und eines Zopfes und der Kamaschen versehen und vom Kompagnieschneider emballirt, um in großen Partien als der beste Zweig Unsers Aktivhandels ins Ausland und selbst nach Amerika ausgefahren zu werden, wo ganze Schützenkompagnien aus Mangel hölzerner Vögel und Hirsche geschickt danach schießen.«

»Da schon nach dem Reichsgutachten von 1771 kein Gesell vom Handwerk zur Strafe gezogen werden darf, der zugleich mit Weibspersonen gearbeitet, so soll beim neuen Hurenhandwerk um so weniger etwas daraus gemacht werden, weil die Sache auch wirklich anders gar nicht anginge und schon ein Reichsgutachten der Natur es so haben will.«

»Obgleich jeder wie bei allen Handwerken, so auch bei diesem die Arbeiten oder Zwerge, die er blos für sich und sein Haus braucht, selber machen darf: so darf doch niemand als wer im dickbesagten Handwerk zünftig ist, für andere die gedachten Zwerge oder Zwerginnen verfertigen und bossiren, es sei nun auf den Kauf oder auf Bestellung und das ganze Handwerk soll solchen schlechten Pfuschern ins Haus fallen und ihnen Waare und Handwerkszeug und alles nehmen, das Geld gar nicht zu erwähnen.«

Es ist uns ungemein willkommen, daß der eigne Ausspruch der gesetzgebenden Macht selbst mit unsern persönlichen Klagen so sehr zusammentrifft und sie so zu sagen ankündigen und prophezeien muß. Um desto herzhafter schreiten wir jetzt auf die gehorsamste Bitte an Ew. los, die der wichtigste Zweck des gegenwärtigen Memoriale ist.

Es sei ferne, daß wir die Absicht haben sollten, alle Ehebrüche und Liebschaften zu hintertreiben, die nicht gerade in unsern Gewächshäusern getrieben werden, oder vollends Ehebrüche und Liebschaften überhaupt, und Entrepreneurs von Bordellen sind – sie schmeicheln sich das und ihr Gewissen widerspricht ihnen nicht ganz – wahrhaftig gewohnt, ganz andere Gesinnungen für das Vergnügen der Menschheit zu äußern und zu verbreiten: sondern wir wollen den Vortheil der ehebrechenden und der liebenden Menschheit nur in größere Harmonie mit dem Vortheil unserer Bordelle gerückt wissen und nur allen Ersatz unserer abtrünnigen Kunden nicht gänzlich entrathen; man wird aber erfahren, daß eben dieser Ersatz die Ehebrüche gewiß mehr zu vervielfachen als zu verringern dient. Wir suppliziren also gehorsamst:

1) daß uns alle Ehebrüche und Liebschaften, die nicht uns zugewandt wurden, durch eine kleine Beisteuer ein wenig ersetzt werden mögen, die nicht höher sich zu belaufen braucht, als soviel etwan die beiden Inkulpaten bei uns für ein niedliches Abendessen ausgegeben hätten; wir könnten freilich noch einmal soviel haben wollen. Da ohnehin ein solches anomalisches Brautpaar für eine ganze obrigkeitliche Menagerie ein paar Pfund Fleisch ist, da auf besagtes Paar der weltliche Arm und der geistliche Arm und die vielen Finger an beiden losfallen und einhacken mit Lanzetten-Aderlaßschneppern – trocknen Schröpfköpfen, und nassen auch – desgleichen mit dünnen Blutegeln: so kann es hoffentlich nichts schaden, wenn auch Entrepreneurs von Bordellen sich mit ansaugen und einbeißen, da es ja leider bekannt genug ist, daß die Bordelle wie die Waisen- und Krankenhäuser in England, keine festen Fonds besitzen, sondern blos auf jährliche Mildthätigkeit sich steuern müssen. Es wäre gewiß von mehr als eingebildetem Nutzen, wenn deswegen die Keuschheits-Kommission oder das Stadtvogteiamt und die Entreprise der Bordelle nur Ein Amt ausmachen müßten; denn so lange der Stadtvogt ein anderer und der Bordell-Entrepreneur ein anderer ist: so ist das Interesse viel zu sehr getheilt und wir besonders werden um einen Groschen nach denn anderen betrogen. – Wir suppliziren ferner gehorsamst

2) daß junge Damen, die zum zweitenmale ins Bad reisen – Pensionairinnen (durch die wir überhaupt ungemein zu Schaden kommen) – alle Inhaberinnen falscher und paraphrasirter oder doch weiß glasirter und tättowirter Busen – Ehefrauen, die über die Maßen treu sind und zwar auf einmal dem Mann, dem Patron desselben, dem zweiten Liebhaber, dem dritten, dem fünfzehnten treu sind, und die auf diese Weise aus Bigotterie die sukzessive Polygamie der Juristen gänzlich vermeiden – Spielerinnen von Profession – Philosophinnen von Profession sollen genöthigt werden, zur jährlichen Moden- und Kleider-Mause unserer Freudenmädchen zusammenzuschießen, weil jene schuld sind, daß diese kaum das Miethgeld ihres Anzugs auftreiben – worein eine christliche und nichtchristliche Obrigkeit hoffentlich einmal ein Einsehen und Dreinschlagen haben wird. Es ist überhaupt gar nicht zu sagen, wie sehr uns durch ein solches schlechtes Betragen außer der männlichen Mitbelehnschaft die weibliche Remonte abgefangen wird und es wird nicht eher geändert werden, als bis unsere Klagen darüber so laut werden und so weit vorrücken, daß sich höhere Landeskollegien darein schlagen und allen obgedachten Damen bei scharfer Pön gebieten werden, daß sie anderen für Tugend und Rechtschaffenheit besser besorgten Damen nachahmen, welche längst eine Maske umbanden und sich zu uns tragen ließen und nachher – zu rechter früher Tageszeit wieder in ihrem Hauswesen herumsprangen, wie guten Hausmüttern wohl nicht anders geziemt: erst ein solches Verfahren bringt Ehre bei Göttern und Menschen und Kappadoziern und Smyrnäern und gefällt so gut in Waghäusel, das im Hochstift Speier liegt als in St. Mazdorf, das blos am Popperfluß in Ungarn zu sehen ist. – Vielleicht machen sich die Schauspielerinnen die Hoffnung, es könne uns nichts verschlagen, wenn wir ihnen wie den Juden einen Leibzoll abfoderten und keine Uebernachtung in der Stadt bewilligten; allein es thut uns leid, daß wir sie nicht in dieser Hoffnung lassen können, sondern mit einer Supplik einmal hervorkommen müssen, die der Konzipient schon bis zu unserm Unterschreiben fertig hat und in der wir freilich unsere alten Gerechtsame hervorsuchen, daß das Theater blos aus unseren Nonnenzellen bemannet oder vielmehr beweibet werde, weil in der That beide ineinander greifen und ihre Trennung etwas so unnatürliches ist, daß ein alter Römer nicht wissen würde, was er davon denken oder schreiben sollte, wenn er zumal sähe, daß in unsern Nonnen-Fischhältern alles voll Probekomödien – und in den Kulissen und auf der Scene alles Probe-Liebschaften ist und bleibt. – Wir bitten

3) daß die Herrn Offiziers, die in Paris aufs königliche Theater abonniren müssen, sie mögen's besuchen oder nicht, gleichfalls zu einen beständigen Abonnement auf unsere Häuser durch das Kriegsdepartement gezwungen werden. Wir büßen weniger ein, wenn sie nachher dennoch ausbleiben; denn es wird ihnen allemal von der Monatgage abgezogen und uns richtig geschickt. – Wir suppliziren

4) daß der höheren katholischen Geistlichkeit auferlegt werde, blos von ihrer weiblichen Dienerschaft – da doch in England und Holland eine Taxe auf alle Bedienten gesetzt ist – ferner von jedem konsumirten Korb Wein und Stein Fisch eine unerklärlich kleine Konsumtionsaczise an uns abzugeben, es müßte denn sein daß – (wer es nun sei,) der Prälat oder der infulirte Abt (oder sonst einer) einen ächten Schein oder Zollzettel von uns aufwiese, daß er von einem dieser drei akzisbaren Dinge wirklich einen Theil bei uns konsumirt hätte – welches allgemein zu wünschen ist. Wir suppliziren

5) daß man den H. Offiziers und hohen Herrschaften etwan begreiflich machte, daß es der Pflicht, wenigstens dem Wohlstande gemäß sei, über die Keuschheit ihrer Kompagnien sowohl als ihrer Domestiken zu wachen und beide, gesetzt sie selber unterließen's – so wie sie ja die Gemeinen und die Bedienten in die Kirche fluchen, aus der sie selber bleiben – durch Befehle in unsere Häuser öfter hineinzutreiben: wahrhaftig der Nutzen ist auf unserer Seite nicht größer als auf des Staates seiner. Ueberhaupt muß der Tag erst noch kommen, wo ein so einsichtiges Kriegsdepartement es (wie so sehr zu wünschen wäre) der Mühe werth hält und sich an den Sessionstisch setzt und untersucht, ob man nicht in unsern Tagen, wo Wälder und Menschen nicht so häufig wie sonst nachwachsen und wo man vernünftigerweise außer den Wäldern auch die Menschen nach Schlägen (im Kriege) abtreibt, noch vernünftiger sein und sie ebensogut als die Wälder und nach Schlägen wieder ansäen sollte, welches durch ganze Kompagnien wie es scheint am allerbesten geschehen könnte. – Wir suppliziren endlich

6) daß wir jedem für jede verborgne Treppe, für jede anonyme Thüre, für jeden hieroglyphischen Uebergang in ein anderes Haus, den wir bei ihm auskundschaften, eine moderirte Liquidation von den Weinen und Delikatessen überreichen dürfen, die er bei uns hätte recht gut verzehren können. – Uebrigens werfen wir es uns selber vor, daß wir in einem Jahrhundert, in dem die Druckerpressen die Hebel und Windladen alles Guten sind, den größten Schaden davon haben, daß wir noch keine Zoten-Buchhandlung angelegt: die Bibelanstalt Seiler's in Erlang (für welchen verkannten Bibel- und Rechtgläubigkeits- und Goldwäscher die biblischen Pressen zugleich erlaubte Prägstücke des Geldes sind) und die Schulbuchhandlungen hätten Bordelle längst zu einem Zotenbuchladen anfrischen sollen, der für sie und jeden Christen vielleicht von größtem Nutzen gewesen wäre; aber es wurde von uns vergessen und es war auch, um uns nicht zuviel zu thun, kaum eher möglich, da wir erst vor 6 Wochen den Accord mit den Verfassern des Wiener Musenalmanachs Den Nikolaischen Vorwurf der Wiener Sinnlichkeit verbürgen ihre eignen Schriftsteller, unter denen die besten (wie Blumauer) sich durch eine besondere Zotenmanie vorthun. Auf die Blätter »in den Witzen von Wien« (vom Verfasser des Faustin, welcher letztere eben darum so gefiel, weswegen ein skandalöser Chroniker in Gesellschaften gefällt, der vielleicht das Lob seiner Geschichte mit dem Lobe seines Witzes vermengt), worauf der Verfasser seine Meinung über feinere Liebe und Freiheitsgeist ausspritzet, hab' ich gespieen und ich kann dem Verfasser das Exemplar noch vorweisen. Ein Recensent in der Allg. deutschen Bibliothek sollte einmal gerade heraussagen, weil ich's nicht wage, »daß die Wiener Autoren vom seelenerhebenden Enthusiasmus für Freiheit, Seelenadel, Weltverachtung, und alte Tugend wenig haben.« Daher ist's auch recht, daß in besagtem Journal die Rezensionen der Wiener Autoren von denen anderer deutschen weit genug von einander gethan sind: so sah ich auf meiner letzten Reise durch Baiern, daß an dem Galgen außer dem gewöhnlichen Balken für die drei christlichen Religionsverwandten noch ein besonderer schismatischer Querpfosten angebracht war, an den blos Juden angeimpft werden. und einigen Berlinern völlig abgeschlossen, daß sie für uns arbeiten sollen. Ein eben so großes Glück ist's daß wir beim Censurkollegio die unzüchtige Censur ausgewirkt haben, vermöge deren wir den Druck solcher Schriften, die wider die unzüchtigen Sitten und wider die tolerirten Bordelle im Staate laufen, nicht zulassen. Das ist sicher das beste Mittel, solchen Schriften zu steuern, die oft ganze Alphabete (z. B. Hermes seine) dick sind und in denen dennoch die Leserin, wenn sie alle Bögen durchgefalzet und vorher sich für das anscheinend sündige Buch eine verbergende Freistätte ausersehen hat, nichts rechtes findet: denn künftig haften wir dafür, und nur auf Werke, die einigermaßen schlüpfrig sind, es sei nun in ganzen Scenen oder in einzelnen Anspielungen, werden wir, um niemand zu betrügen, unser imprimatur und » mit Approbazion des Bordells« setzen.

Wir hoffen, daß Ew. ** aus unsern Blättern ersehen, wie wenig wir (wie wir schon oben protestirten) nur im geringsten Verminderung der Ehebrüche und Liebschaften im Sinne haben; ja wir dürfen es sagen, daß wir gerade durch diese Bitten den Weg zur größten Vermehrung derselben bahnen müssen, sowohl der doppelten und einfachen Ehebrüche, als auch kahler Liebschaft überhaupt. Wir überlassen es also desto getroster Ew. ob bei solchen Vortheilen für's allgemeine und konsistorial-Beste unsere Bitte, die freilich auch unserem persönlichen dienen soll, gänzlich abzuweisen sei. Denn mit den Ehebrüchen häufen sich bekanntlich auch die Ehescheidungen, deren wohl niemals zuviele werden können, es sei nun daß man nur auf die Sportuln des Konsistoriums sehe, oder es sei daß man nur auf das Beste der ganzen lutherischen Konfession Acht habe, die jetzt die Unterscheidungslehren von der papistischen, worunter die Ehescheidung gehört, mit erhabner Arbeit auszuprägen und wie mit Punzen darzustellen hat.

Man sollte sich nicht weigern einmal einzusehen, daß die Bordelle nicht nur, wie gesagt, Ehebrüche und Ehescheidungen so wahrhaft begünstigen, sondern auch Ehen selbst, welches allemal nicht ohne Nutzen ist, und wir möchten wissen, was der Graf von Mirabeau von der Sache denkt. So wie es gewiß eine Schande ist (und die Nachwelt wird schwer begreifen wie es möglich war) daß wir jetzigen Europäer das alte barbarische Ueberbleibsel der priesterlichen Einsegnung, an die vor Karl dem Großen keine Seele dachte, noch als das Bindwort unserer Ehen beibehalten mögen, da die Ehe doch nichts ist wie ein bürgerlicher Kontrakt und da eine Einsegnung desselben so aussieht als wenn ein Pfarrer die Agende in die Hand nehmen und eine Maskopeibruderschaft und einen Associé nach dem andern und die ganze Firma priesterlich zur Tragung aller Leiden und Freuden einsegnen wollte; so wie das die wahre Schande ist: so wollen wir auf der andern Seite auch die bessere Seite unsers Zeitalters nicht verhehlen und ihm gern das Lob einräumen, daß es seine Ehen immer häufiger ohne jene priesterliche Manipulation abschließet. Man sollte diese Ehen die säkularisirten und apokryphischen nennen, um ihrer Vermengung mit den kanonischen vorzubeugen, vor denen sie sich so außerordentlich dadurch ausnehmen, daß sie so lange währen als man will, Monate, Tage lang, oder auch 1 &frac13; Sekunde oder gar eine Terzie lang, wiewohl schwerlich dieses einer an einer Terzienuhr abzumessen die Neugierde oder Geduld haben wird. Solche abbrevirte kursorische Ehen sind die eigentlichen nützlichen, die den Staat und die Populationstabellen voller machen; und ein Mann, der einmal in eine perennirende Ehe eingeklemmt ist, sollte es (wie es scheint) dadurch gut zu machen suchen, daß er sie mit mehr als hundert solchen Mobiliar- und Impromptü-Ehen beschlägt und garnirt und über den schleichenden Monatszeiger der langen fixen Ehe muß sich der fliegende Terzienweiser der Gelegenheitsehen unzähligemale umwirbeln: und das unterlassen auch Leute von Stande, die ein wenig mehr von Statistik und Staatsbedürfnissen verstehen als gemeiner Pöbel wohl niemals oder selten. Eine andere äußerst wichtige Frage ist es, ob einige Ceremonien, durch die man solche Stunden- und Terzienehen noch feierlicher machte und durch die man den Einsegnungsaktus vernünftig erstattete, wohl sehr schaden können, da der Mensch ja weder ohne Ceremonien noch ohne Körper leben kann. Sollte an dieser unserer Bemerkung etwas sein: so dürften wir Entrepreneurs uns dem Ansehen nach schmeicheln, daß die ephemerischen Ehen in unsern Bordellen, deren in Einem Tage mehrere da gestiftet werden als fixe in Kirchen in Einem Kirchenjahre, vor andern ephemerischen Ehen einen ansehnlichen Vorzug hätten. Denn wir dulden da keine Ehe ohne lange Ceremonien, die nirgends als aus dem römischen Rechte her sind, weil Deutschland ohnehin alles und besonders den Titel von Kontrakten aus dem römischen Munde weggepickt und abgelesen hat. Bei den Römern war die bestätigende Heirathsceremonie entweder ein Opfer ( confarreatio), das vor zehn Zeugen in Salz und Dünkelkorn dargebracht wurde – oder ein Scheinkauf ( coemtio), da der Mann zum Spaß einen Kaufschilling für die Frau hinzahlte – oder ein jähriger Umgang ( usus) mit der Frau, ohne drei Nächte auszusetzen. In unsern Freudenhäusern darf nicht nur ohne diese Ceremonien keine kursorische Ehe gemacht werden, sondern jede muß auch mit allen dreien auf einmal eingefasset werden, welches die Sache noch viel weiter treiben heißt als der Römer selbst; und wir berufen uns auf jeden, der bei uns war und dessen bekannte Wahrheitsliebe unmöglich das Zeugniß der unsrigen bedarf, ob er wohl in seine temporelle Ehe treten durfte und ob wir ihn fortließen, bevor er nicht blos Salz und Brod, sondern auch feine Weine und Spargel und was zu einer kleinen Abendkollation gehört, den paphischen Göttern und darauf, wie jeder Priester, sich und der Mitpriesterin dargebracht hatte, welches ja eben die römische Konfarreation ist – ferner bevor er von uns seine eheliche oder außerehliche Hälfte ordentlich und käuflich an sich gebracht, welches noch weit reeller als der römische Scheinkauf sein mag – und endlich bevor er den römischen jährigen Umgang durch seinen stundenlangen geschickterweise nachkopiret, welches ja, da Zeit und Stunden etwas relatives sind, kein wahrer Unterschied sein kann? Da nun das so bekannt ist und da so offenbar das kleinste Bordell mehr Ehen in die Welt setzt als die größte Mutterkirche, so weiß der Himmel wer's ist, der das Skandal und die Verblendung aussäet und unterhält, daß die weisesten Obrigkeiten ordentlich fast desto lauer für die Bordelle werden, je lauter die statistischen Seufzer über die Entvölkerung und Ehelosigkeit ausbrechen – wer sollt' es glauben, daß in Basel, wo erwiesenermaßen seit vierzig Jahren gerade die Hälfte der Ehen ausgeblieben, dennoch weder ein Rathsmitglied noch ein Rathsschreiber dagegen neue Bordelle vorzukehren angerathen – und es scheint, daß in Polen die Einwohner noch tiefer als um ein Drittel (so weit ist's nach Frank's medizinischer Polizei schon) niederschmelzen müssen, eh' man das Bollwerk unserer Häuser dagegen aufzubauen und zu erhöhen beginnt. Es ist nicht unsre Schuld, daß wir nicht von Deutschland, sondern blos von Frankreich sagen können, daß es, da es über die Hälfte weniger Ehen als vor fünfzig Jahren zählt, auch mit desto größerem Eifer die beste Brandmauer dagegen, die Bordelle gebrauche und begünstige; wiewohl selbst Deutschland niemals so gleichgültig gegen seine Entvölkerung war, daß es ihr nicht in einiger, obgleich dem Uebel zu wenig angemessener Dosis unser Gegengift entgegengesetzt haben sollte.

Noch wollen wir einen kleinen Vortheil nicht verhalten, den wir reichen Jünglingen, reisenden Edelleuten, Reisedienern der Kaufleute und jedem seit Jahren bringen und den die wenigsten recht schätzen wollen. Bei allen diesen ist's nämlich etwas Gewöhnliches, sich vor andern Deutschen durch einen so außerordentlichen Grad von Weiberkenntniß auszuzeichnen, daß sie die beste und frommste Schöne auf der Stelle und in Einer Stunde und ohne fremde Einblasung so zu durchschauen vermögen, daß sie sofort merken, sie sei weiter nichts als eine Hure, wiewohl noch im Puppenstande und Noviziate. Menschenkenner der Art sind vielleicht nicht häufig, aber blos in unsern Schulen bilden sie sich und aus unsern Freuden-Seminarien und Lyzeen holen sie soviel Humaniora ohne den geringsten Schaden ihrer eignen Tugend ab, daher der Grundsatz des H. Meiners, der diejenigen Völker für die schlimmsten ausschreiet, die das weibliche Geschlecht am meisten verachten und verschreien, in der Anwendung auf einzelne Personen vielleicht die allergrößte Einschränkung begehrt. Unmöglich kann blos unsere Eigenliebe uns bereden, diese seltnere Menschenkenntniß so ausschließend dem Besuche unsrer Häuser anzurechnen: denn warum fehlt sie gerade denen Männern, die sonst Welt und Weiberumgang genug haben, die es aber, weil sie aus einem recht verächtlichen Pietismus allzeit hinter unsre Schulen gingen, jetzt mit Schmerzen erfahren, wie wenig alle Beobachtung und aller Umgang den von Bordellen ersetzte? Solchen Männern kann man vorwerfen, daß sie an die Weiber und an die Religion im fünfzehnten Jahr abergläubig , im fünf und zwanzigsten ungläubig, im fünfzigsten rechtgläubig sind. Wie viel anders denken die oben genannten Kollaboratores und Offizianten in unsern Häusern! Dabei ist uns außer unsern Gebäuden weiter keine andere académie militaire der Liebe bekannt, wo die Einnahme weiblicher Festungen leichter beigebracht würde, es mögen ebene oder Bergfestungen sein. Daher suchen junge Leute und die obgedachten Weiberkenner stets durch das Belagern, Stürmen und Einnehmen einer Hure das Belagern, Stürmen und Einnehmen einer sogenannten ehelichen Frau zu lernen und voraus zu üben: denn sie glauben mit Recht, daß sie alles, was sie gegen die eine vorkehren, auch gegen die andre blos in längern Zwischenräumen vorzukehren brauchen. So versuchten sich schon im vorigen Jahrhundert die französischen Krieger zuweilen im verjüngten Belagern, indem sie hölzerne kleine Oncle Toby's und Trim'sfestungen so mit Schneeballen anfielen und beschirmten, daß Thuan im 2. Buche seiner Geschichte die ganze Sache und den Ruhm davon auf die Nachwelt brachte. Daher erharren wir etc.

 

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