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Zweiter Akt von 7 bis 8 Uhr.

1. Scene.

Thiere nebst ihren Fabeln und Moralen.

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Jede Minute erwart' ich einen Faszikel Akten für meine Komödie. Damit wir aber unterdessen nichts versäumen, hab' ich einen Hamster, einen Esel, einen höchstseligen Löwen und einen Hasen als einstweilige Akteurs mitgebracht, und Thiere sieht man auf Theatern gern. Denn ein Imperialfoliant oder Quartant sollte uns allen beweisen, daß wir wie der Teufel wenig Zeit haben. – Der Genuß verspricht so wenig – die Hoffnung hält so wenig – der Säe- und Pflanztage der Freude stehen so wenig im Kalender – wenn man nun vollends ganze Stunden voll Vergnügen als Eingemachtes wegsetzte und im Keller aufhöbe, um, der Henker weiß wann, darüber zu gerathen; ich meine, wenn wir sämmtlich nicht jede Minute meiner kurzen baierischen Komödie benützten und auskelterten mit dem Zitronendrücker: was würde am Ende daraus werden? – im Grunde blos die Moral zu meiner ersten Fabel

vom verspäteten Hamster.

Dieser bekam einmal den vollen Kropf einer Taube, von der ein Geier das Uebrige verschlungen, aufzufressen. Während der Mahlzeit legt' er sich die Preisfrage vor, ob er sich nicht Mühe sparte, wenn er lieber statt einzelner Körnchen ganze Tauben mit ihren Kornmagazinen im Halse einschleppte. Er inhaftirte also einen ganzen Tag lang einen halben Flug Tauben mit vollen Kröpfen, und kam Abends mit dem größten Hunger und Erwarten nach Hause. Und das war mein Glück. Denn wär' er eher gekommen und nicht erst Abends, wo er einem Inhaftaten nach dem andern den Kropf darum vergeblich aufschlitzte, weil die Tauben jedes Körnchen – schon verdauet hatten: so hätte der Hamster mich und andre um die Fabel gebracht.

Der Esel.

Ein Geiziger, der wahren moralischen Abscheu vor jedem noch Geizigern als er war hegte, sagte zu mir: »es ist ordentlich als schimpfte ein Esel den andern Langohr, da der Esel einmal, als er das klebende Fortschieben des Faulthiers schildern hörte, so ausbrach: »»Es ist schwer zu begreifen, wie ein vernünftiges Geschöpf wie das Faulthier so tief in den Trägheitssumpf sich einzupfählen vermag, daß es wahrhaftig lieber hungert als geht und es kann unmöglich schön sein – ich meines Orts lobe mir dafür die (vielleicht in den entgegengesetzten Fehler fallende) französische Munterkeit und Flüchtigkeit von uns Eseln insgesammt.««

Leichenparentation auf den Löwen.

Ich wünschte nur zu wissen wer sie gemacht. Sie lautet zwar so: »Der höchstselige Löwe – dieser König der Menschen und zwar der Thiere – war auch der Bader von beiden; es wird aber leider nicht allgemein eingesehen. Es trete oder krieche doch ein Blutegel auf und rühme sich, ein nützliches Mitglied an menschlichen Gliedern gewesen zu sein und den Menschen, die ihn auf ihre Adern legten, das böse Blut weggeschröpft zu haben: der Löwe wird den Blutegel roth machen (er ist's aber schon) und belehren, daß er zehnmal mehr an den Menschen gethan. Denn er stellte die blutlassende Präservationskur nicht ihrer Willkür anheim, sondern nöthigte jeden selbst dazu – zweitens zapfte er (weil er wußte was eine wahre Galenische Aderlaß wäre) das Blut in solcher Menge ab, daß der Patient weiter keine zweite Aderlaß zum gesundesten und längsten Leben vonnöthen hatte, wiewohl alle Vortheile dieser Entblutung allemal durch Zufälle, woran der Patient verstarb, ganz verloren gingen. Das ist der Weg, auf dem der höchstselige Löwe jeden Tag seines Lebens zu einen Aderlaßtage und sich selbst zu einer Fakultät von Blutegeln zu machen strebte. Und kann der Krieg eine Aderlaß der Menschheit genannt werden: so kann man im guten Sinne vom höchstseligen Löwen und seinen vielen Kinnbacken-Lanzetten sagen, daß er einen steten Krieg mit der Menschheit geführet. »Aber der würtembergische H. Konsistorialdirektor Fromman, bei dem ich einmal war und der 7000 Stück fürstliche Leichenpredigten aufgeschüttet, konnte mir nicht sagen, wer besagten Leichensermon, der auf das letzte leere Blatt einer solchen Predigt geschrieben war, eigentlich verfertiget hätte.

Der Hase.

Ein Hase fragte einen Hasen, warum jener Reiter dort auf den Hirschen angelöthet wäre, von dem er nicht herabsteigen, sondern herabfaulen könne. »Er hat – versetzte der Hase – jemand von uns schießen wollen; aber eine solche Unsicherheit des Lebens kann von uns und den Menschen unmöglich geduldet werden und es hieße Blutschulden über den ganzen Wald häufen. Daher ziehen darin den ganzen Tag grüne Engel herum und wachen mit Schießgewehr über uns und die unsrigen; und da wir die Hunde so sehr fürchten, so haben sie selber einige, um damit andere und gefährlichere Hunde von uns abzuscheuchen. Und dort zielt ja ein solcher grüner Kardinalprotektor und Defensor des ganzen Waldes auf irgend einen Feind von uns.« Unter diesem Dialog schoß der grüne Engel dem Hasen durch die Ohren, womit er das Obige angehöret; – allein die Defensionsakten kommen an und wir lassen nunmehr das Fabuliren wo es war.

Unter der Lesung des folgenden Defensionslibells wird man sich vielleicht eines kleinen Vergnügens darüber nicht erwehren können, daß die Menschen von niemand anderem dürfen todtgeschossen werden als blos von Soldaten und daß, wenn's ein anderer thut, über diesen andern ergeht was Recht ist oder so oder mehr.

 

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