Jean Paul
Freiheits-Büchlein
Jean Paul

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Zehnter Abschnitt
Zensur der Reisebeschreiber

Man weiß, was sonst Zürich, Bern, Reichs- und andere Städtchen von ihren Bürgern foderten: es sollte, wie in Lesezimmern, nicht gesprochen werden, und wie in Gesellschaftszimmern, nicht gelesen. Kleine Staaten und Fürsten hielten alles Erkennen für böses Rekognoszieren der Dokumente und Truppen (von Juristen und von Feinden) und das Verraten der Gesetze, der Einkünfte, der Prozesse für ein Verraten der Parole; gleichsam als gäb' es nichts Öffentliches als den Krieg und die Gewalt. Jetzt hat Preußens Muster – von welchem sich unsere Jahre der geistigen Freiheit und der habeas-corpus-Akte datieren – und später Schlözers Briefwechsel – der uns einige Freiheiten der englischen Kirche zuwarf und dessen Verdienst um deutsche Freiheit bloß dadurch, daß er sich eine nahm, unschätzbar ist – die deutschen Städte doch so weit hingewöhnt, daß sie einem Reisebeschreiber, der durch sie mit dem Dintenfaß in der Linken und mit der Feder in der Rechten zieht, alles zu schreiben verstatten über alle Städte, was nicht gerade die betrifft, welche über die andern frei zu schreiben erlaubt; – so daß ein solcher Mann sein Tagebuch ganz unbeschädigt durch alle Städte durchbringt, wenn er nur jeder das Blatt aufopfert, das über sie selber handelt.

Eine Reichsstadt, worin sich die deutsche Reichs- und Kleinstädterei am längsten erhält – ausgenommen die beiden Reichs-Pole des deutschen Anglizismus und Gallizismus, nämlich Hamburg und Frankfurt –, lässet ungern etwas notifizieren, außer in Regensburg Kaiser und Reich durch den Gesandten; sie hat noch solche Gesetzgeber wie Sparta, nämlich Lykurge, die nicht bewilligen, daß ihre Gesetze geschrieben werden; regiert von gelassenen Personen mit der Feder im Mund, sehen sie den Mund in der Feder nicht gerne. –

Landstädte sehen nichts mit mehr Verdruß durch ihr Tor reiten – wenn sie eines haben – als einen Reisebeschreiber, welcher der Welt, die der Sache schon unter dem Lesen vergißt, indes das Städtchen sie Jahrzehende lang repetiert, alles vorerzählt, was man darin kaum leise zu denken wagte neben seinem Gevatter. Das Städtchen glaubt, es sei den Fremden (d. h. der restierenden Erdkugel) so bedeutend als ein Fremder ihm. Da es nicht vermag, über ein gedrucktes Buch sich wegzusetzen, weil selten ein Buch in der Stadt, diese noch seltener in einem Buch vorkommt: so glaubt der gute freundliche Ort, das Schlimme sei, wenigstens für die Welt, schon erwiesen, weil es gedruckt sei. Überhaupt ist der Deutsche so gern zu Hause und so bänglich vor jedem Ehrenfleck, daß er sich nicht ohne Grausen in die größte Gesellschaft ziehen läßt, die es gibt, in die von 300 000 Lesern; er kennt offne Türen nur bei Abbitten und Todesurteln. Kurz die Stadt will nirgends gedruckt erscheinen als auf der Landkarte; und etwa in der Reiseroute ihres Regenten.

Dörfer sind stiller, ja still zu allem, was laut wird von ihnen.

Residenzstädte – falls eine Reise-, ein Zeitungs-, ein sonstiger Schreiber sie abschattet und projektiert – sind liberaler und vertragen mehr Publizität von Wahrheiten, zumal von angenehmen. Ja, sogar an Verfasser von bittern sucht man, so wie man Klötzchen an Schlüssel knüpft, um sie nicht zu verlieren, ebenfalls (es sind lebendige Schlüssel des Staats, sagt man) etwas ähnliches entweder Schweres zu knüpfen, z. B. Fußblöcke, um solche immer zu behalten, oder etwas Lautes, wie an kostbare Falken Fuß-Schellen, damit sie sich nicht versteigen.


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