Jean Paul
Freiheits-Büchlein
Jean Paul

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Siebenter Abschnitt
Zensur der Manier

In vielen Zensur-Edikten wird freies, stilles Untersuchen der Wahrheit und der Wahrheiten verstattet, nur aber fügen sie bei, in gemäßigtem Tone ohne Leidenschaft und Spott. Da nun kein Edikt eine Wahrheit voraussetzen kann – denn sonst braucht' es keines Prüfens mehr –, so kann die Foderung des gemäßigten, spaß- und feuerlosen Tons unmöglich nur einer Partei befehlen, sondern jeder, auch der herrschenden, folglich einem Pastor Göze so gut als seinen Gegnern. Mithin fällt der unschickliche Ton – gleichgültig worüber – in Polizeistrafe, insofern hier nicht eben die Rücksicht und Nachsicht eintritt, welche Sachwaltern Derbheiten gegen die feindliche Partei und Predigern auf der Kanzel einen Schimpf-Eifer gegen ganze Stände erlaubt. Aber zweitens kann das Verbot des Tons – der partiell gestraft werde – nicht ein Verbot der Sache einschließen. Ich wähle das stärkste Beispiel: ein philosophisches Werk sei in Blasphemien eingekleidet. Erlaubt es! sag' ich; denn eine gelesene ist keine gewollte. Ist denn eine gehörte, geschauete Sünde die meinige? Eher meine Erhebung kann sie werden. Gebt also dem lästernden Autor seine Freiheit und seine – Strafe; und lasset dem Leser den Rest.

In Paris kam einmal jeder, der einen Wagen hatte, in die KircheIn die sogenannte heilige Kapelle, wo jährlich am Karfreitage ein Stück des heiligen Kreuzes und Besessene, die davor lästern, ausgestellt wurden. , um die schrecklichen Blasphemien anzuhören, die ein Besessener unter seinen geistlichen Kur-Krisen ausstieß. Vielleicht waren damals durch den Gegensatz mehr religiöse und anbetende Gefühle in der Kirche als unter dem kalten Lobpreisen der Prediger, welche den Unendlichen in ihrer Paradewiege wiegen wollen. Auch lässet sich streiten, ob man nicht in großen Städten gegen die Kälte der Kirchenandacht etwas täte, wenn man von Zeit zu Zeit an höhern Festen irgendeinen Besessenen als Gesandtschaftsprediger die Kanzel besteigen ließe zum Lästern und dadurch das kalte Anhören und laue Nachbeten abwendete. – Um zurückzukommen, ich spreche also gar nicht dagegen, daß man, wie sonst, dem, der Gott lästert, die Zunge ausschneide; aber sie, wie die Zensur tut, dem Menschen vorher ausreißen, damit er nicht damit lästere, heißt ihn durch unhöfliche Voraussetzungen nicht delikat genug behandeln.


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