Jean Paul
Freiheits-Büchlein
Jean Paul

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Dritter Abschnitt
Zensur des Philosophierens über Wahrheiten überhaupt

Um nichts vorauszusetzen, muß von neuem sehr glücklich eingeteilt und auseinander gerückt werden. Es gibt nur drei Gegenstände der Zensur: 1)  Wissenschaft (oder Philosophie), 2)  Kunst, 3)  Geschichte im engsten und weitesten Sinn; und nur zwei Zensur-Beziehungen derselben, entweder auf ihre Objekte, oder auf deren Behandlung.

Zuerst ist vom Philosophieren zu handeln und zu fragen, ob ihm die Zensur über die Objekte – Moral, Regierungsform und Landes-Religion – zu verbieten habe.

Wer überhaupt zu philosophieren anfängt, kann sich nicht, ohne auf der Schwelle umzukehren, irgendein Objekt als Grenze setzen, weil ein Grenz-Objekt schon ein Resultat wäre, da er doch eben philosophieret, um eines zu finden; ja in derselben Minute hätt' er schon über das Objekt hinausphilosophiert, sich aber nur gefürchtet, schärfer und länger in den dunkeln Raum darhinter zu blicken. Und was berechtigte nun den Menschen zu irgendeiner Scheu vor Resultaten? Wer als wahr voraussetzt, daß irgendeine feindselige Wahrheit wie ein Basilisk in einem dunkeln Universums-Winkel lauere und rüste, welche, ans Licht getrieben, jeden vergiftet, welcher sie ansieht: der hat selber schon den giftigsten Basilisken ins Leben gejagt, nämlich die zweite Voraussetzung – die Mutter der ersten –, daß in der Ewigkeit ein urböses Prinzip, ein vermummter Würge-Gott, das Universum in seinen Tatzen halte und aussauge; welches unter allen Gedanken, die der Mensch haben kann, durchaus der gräßlichste ist. Käme dieser Basilisk nicht an seinem eignen Widerschein um, so müßte man sich vor nichts mehr hüten, als die Augen darzutun, und müßte so lange zittern, als man dächte. Da aber doch alle Menschen die Wahrheit ohne Fürchten suchen: so entdeckt man freudig das allgemeine kindliche Vertrauen, es könne uns Kindern im widerhallenden Weltgebäude kein Riese begegnen als der Vater.

Was darf sich dem Auge der Wissenschaft entziehen, da sie nicht nur ihr Auge selber bis zum Skeptizismus wieder prüft, sondern sogar das Heiligste, worauf die Geister ruhen, das Gewissen? – So groß sind diese Rechte der Wissenschaft, daß ihr gegenüber die Moral (die Mutter der Rechte) ihre eigne Vernichtung, wenn sie zufällig aus dem Wissen hervor zu gehen schiene, recht heißen müßte, obwohl eben dadurch wieder aufhöbe. Allein dieselbe Moral, die dem Philosophen nicht verböte, ihr Gegenteil, wenn er eines erträumt hätte, bekannt zu machen, beföhle ihm gleichwohl, mit Moral gegen die Moral zu schreiben; sein schreibendes Handeln dürfte sich nicht an sein schreibendes Denken kehren. So tief und fest wurzelt das Geister-Herz in uns und gibt den feindlichen Kopf frei und doch nie sich gefangen; und so frei und unschädlich trägt wieder der Wahrheits-Geist sein Haupt, eine ernste Stellung, die nur ihren Feind versteinert mit dem Medusen-Kopf des Schilds.

Da kein Zensor das Recht seiner Verbote auf den Besitz und Schirm von Wahrheiten gründen kann – weil sonst alles Schreiben und Prüfen zu spät und unnütz käme und man statt aller Nachtwachen, Gaben und Bibliotheken nichts brauchte, als bloß beim Zensor einzusprechen und sich von ihm die nötigen Wahrheiten abzuholen; weil man ferner sonst alle Bücher besser in lettres toutes prêtesZu Paris verkauft man Trauer-, Freuden- etc. Briefe, in welche der Käufer bloß seinen Namen setzt, ehe er sie abschickt. verwandeln würde; weil die Zensoren in verschiedenen Ländern als Päpste und Gegenpäpste einander die Unfehlbarkeit bestreiten; weil der neue Zensor oft von dem ältern verboten wird, indem die Menschen und er sich auf den Zeiten heben; und endlich weil die ganze Sache eine allgemein anerkannte Narrheit ist, nämlich die Voraussetzung, daß der Zensor bloß Irrtümer verbiete, die Wahrheiten folglich besitze –: so muß er sein Recht, die Untersuchung zu beherrschen, auf etwas anderes stützen als auf den Wert oder Unwert der Ausbeute. Dieses andere ist nun deren Einfluß – nicht auf die Philosophen selber; denn hier ist jeder der Zensor des andern, und jedes ächte gewaltige System, z. B. das kritische, macht, wie die Vesuvs-Asche, nur die ersten Gewächse welk und siech, später aber alles fruchtbar; sondern – auf das Volk.

Das arme Volk! Überall wird es in den Schloßhof geladen, wo die größten Lasten des Friedens und des Kriegs wegzutragen sind; überall wirds aus demselben gejagt, wo die größten Güter auszuteilen sind, z. B. Licht, Kunst, Genuß, ja bloße dritte Feiertage. Wenn man nun fragt, wie viel Mann stark das Volk ist: so schwindet gegen seine Volks-Menge die regierende und gelehrte Mannschaft ganz weg. Was ist das noch für eine Erde! Bricht man sie wie jenen neuesten Planeten, in ihre drei Stücke auseinander, in die (herrschende) Juno, in die (gelehrte) Pallas und in die (ackernde) Ceres: so kommen zwei Erdkörnchen und ein Erdkörper heraus, welcher als Trabant und Nebenplanet um beide Körner läuft, um teils erleuchtet, teils bewegt zu werden.

Mit welchem Rechte fodert irgendein Stand den ausschließenden Besitz des Lichts – dieser geistigen Luft –, wenn er nicht etwa eines aus dem Unrecht machen will, desto besser aus dem Hellen hinab zu regieren ins Dunkel?

Kann ein Staat – ohne sich heimlich zu einem Sklavenschiffe auszubauen oder auszurufen, welches Freiheitshüte wegnimmt, um Zuckerhüte zu bekommen – die Entwicklung der Menschheit nur einzelnen erlauben, als schenk' er die Menschheit, wie Orden und Gnadengehalte, erst her und könne deren Entfaltung, wie Erfindung, erst patentieren? – Vielmehr ist umgekehrt das Recht zur Entwicklung desto stärker, je kleiner sie ist, das zur ersten dringender als das zur höchsten; so wie der Untertan mit mehr Recht den Proviantbäcker als den Zuckerbäcker fodert, mit mehr Recht großes Tränen- und Gnadenbrot als die petits soupers.

Aber hierauf existiert eine der ältesten Einwendungen – die wahre graue Kronbeamte des ersten Despoten-Throns –, daß nämlich das Volk, wie Pferde und Vögel, geblendet viel schöner in der Roßmühle und auf dem Vogelherde diene, sowohl dem Selbstinteresse als dem Staatsinteresse; »braucht man denn mehr«, fährt man mit besonderm auffallenden Feuer fort und fragt, »als die neueste Geschichte und jede vorher, um zu sehen und zu hören, wie das Volk vom Wuste unverarbeiteter Kenntnisse sich nur blähe, statt nähre, und mit der Luft des Kleefutters, das ihm die Schreiber und Herren von Kleefeld geben, sich so lange quäle, bis ihm der Staat mit dem Flinten- oder Windzapfen-SpießWindzapfenspieß ist ein neu erfundner Trokar; Flintenspieß nennt Campe das Bajonett. zu Hülfe lauft? Gott! Wie gefährlich war Frankreich aufgebläht, da kaum wenige Frösche davon wenige Lilien eingeschluckt hatten, und wie schwer wurde der großen Nation die falsche Größe geheilt! Das bedenke aber jeder, der eintunkt!«

Diese böse Alte vom Berge, nämlich die Objektion, setzt spitzbübisch erstlich voraus, daß das Sonnenlicht nur auf den Bergen nütze, in den Tälern aber schade, und daß Mangel an Kultur nicht die höhern, sondern die niedern Stände gegen Ausartung beschirme, wie nach den Orientalern Gott die Menschen darum von Sinnen kommen läßt, damit sie nicht sündigen können – daß das Licht alle, welche Steuerruder, Kompasse, Mastkörbe innen haben, nicht verblende und verbrenne, sondern nur solche, die Segel und Ruder zu bewegen haben – und daß endlich mißverstandene Wahrheit nur unten beim Volke zu einer mißgebrauchten Wahrheit werde – –

Ob aber von den obersten Ständen die Wahrheit nicht ebensogut mißverstanden werden könne, erwähnt die Alte vom Berge und Throne aus Absicht nicht; vielleicht aus Höflichkeit, weil sonst, denkt sie, die Zensur zuweilen manches ebensogut einem Fürsten als einem Volke zu verbieten hätte, z. B. den geistreichen Machiavell und den geistreichen Wein, und zwar umso mehr, da ein böses Buch leichter und gefährlicher ein regierendes Haupt beherrscht als tausend Bücher tausend regierte Köpfe. – –

Aber der Punkt ohne weiteres Punktieren ist der: die Tiere, die Gott einmal als solche anstellen will in seiner zweiten Welt, hat er mit den deutlichsten Marken auf diese gesetzt, z. B. Maul-, Stink-, Pflanzen- und andere Tiere; was klüger werden sollte, sieht ganz wie ein Mensch aus, z. B. der Bauer. – Mißverstandne Wahrheit ist freilich zu untersagen als solche, weil sie ja ein Irrtum ist, so wie ein verstandner Irrtum ja keiner. Aber dann liegt folglich doch nur das Mißverstehen, nicht das Verständigen der Wahrheiten dem Staate zu verhüten ob; oder er müßte ein Recht, Wahrheiten zu verbieten, kennen, das folglich ein zweites einschlösse, Irrtümer zu gebieten, und zwar die nützlichen jedes Jahrhunderts, z. B. im neunzehnten die des neunten.

So gut irgendeine Menschen-Masse über das Mißverstehen hinüberkam, so muß es jede andere ebensowohl vermögen und auf dieselbe Weise; nämlich dadurch, daß die Erleuchtung ihre Grade durchgeht, und daß man nicht die Sonne dem Monde, dem Morgensterne und der Aurora vorausschickt. Der Staat, wie eine Erziehung die Entwicklung bloß negativ besorgend, hat nur abzuwenden, daß das Volk nicht von hinten und in der Mitte anfange, nicht das Facit statt des Rechnens lerne.

Da nun das Volk weniger lieset als hört und die Kanzeln seine Buchläden sind: so bezieht sich für dasselbe das theologische Zensorat auf Prediger und auf keine andern Bücher als auf die symbolischen. Von dieser Untersuchung gehört nichts hieher als die kürzeste Meinung: symbolische Bücher sind jeder positiven Religion unentbehrlich, nur aber sollen sie von Zeit zu Zeit eine verbesserte Auflage erleben durch den geistigen Staat, nicht durch ein Pfarramt. Daher kann der Schwur auf symbolische Bücher, wenn er nicht einen sinn- und ehrlosen GehorsamWie unwürdig des großen poetischen Namen Gottes-Gelehrten sind die, welche mit irgendeiner Selbst-Not das Recht eines Meineids und fortgesetzter Lehr-Lügen zu bekommen glauben, wie etwa der Talmud (Talm. XI. Biccurim K. 2. M. 1. Note 21. von Rabe) erlaubt, das Gesetzbuch zu verkaufen, um eine Frau zu nehmen. oder ein Versprechen eines künftigen, also ewigen Glaubens, d. h. einer jetzigen Unfehlbarkeit ansinnt, nichts an sich schließen und bedeuten als, statt jenes Meineids gegen sich selber, das höhere Versprechen, den Unterricht des Volks an dessen lebendigen Glauben zu knüpfen, nicht aber umgekehrt diesen Glauben, der den ganzen heiligen Lebens-Kern und den Schatz aller Zukunft und Hoffnung in der dürftigen, von enger Gegenwart erzogenen Seele in sich schließt, durch ein flaches Nein wie ein Herz aus der Brust zu ziehen und nun die ausgeleerte Brusthöhle ohne Schwerpunkt auf dem Weltmeer alles Meinens treiben und schwimmen zu lassen. Gibt es etwas Grausameres als die Kandidaten-Sitte, dem Volke den Glaubensboden zu veschieben oder zu versenken in ein kühles Wort-Meer einer herabgetropften aufgefangenen System-Wolke – und nun auf das bodenlose Wasser doch Samenkörner auszustreuen? Kommt der leere Ertrag des Echo-Neins auf fünf oder sechs orthodoxe Irrtümer in Betrachtung gegen das köstliche Aufopfern und Auswurzeln eines alten Glaubens, der lebte und belebte? Erstattet ein Meinen irgendein Fühlen? Und wovon will man denn Impfreiser ernähren wenn man den wilden Stamm aushöhlet? Wahrhaftig, würde nicht zum Glück dem Nachsprecher auf der Kanzel nur wieder nachgesprochen in den Kirchenstühlen, sondern verstände das Volk genugsam die ihm dargereichte Unverständlichkeit: so müßte der Riß unheimlicher Meinungen in die einheimischen das Innere so schmerzlich auseinander teilen, als bei uns geschähe, wenn in unser Erkennen und Erproben der gegenwärtigen Welt plötzlich ein unheimlicher Geist einbräche mit seinen Sätzen einer zweiten, dritten, vierten Welt.

Eine andere Untersuchung wäre es – die aber seitwärts bleiben muß, wenn nicht eine in die andere fahren soll –, ob folglich nicht der Schulmeister- und Lehrstuhl größere Freiheit zu fremder Entwicklung besitze und begehre als der Kanzelstuhl. Denn dem Kinde ist jede Welt zu geben, indes im Vater bloß eine gegebene alte zu bewegen und zu befruchten ist; das Alter besteht aus lauter Gegenwart der Vergangenheit, die Jugend aus Gegenwart der Zukunft. – Das Kind, ohne Zeit wie ohne Sprache geboren, nimmt die fernste so leicht an als die nächste; ja der Schullehrer kann noch leichter in Zuhörern als der Autor in Lesern Jahrhunderte antizipieren. Nur gebietet diese zweite Untersuchung, die nicht hieher gehört, vollends eine dritte, noch fremdere, wie nämlich hier das Lehren gegen das feindliche Leben auszurüsten sei, die antizipierte Zukunft gegen die eindringende Gegenwart; obgleich dies bei der Jugend, für welche das Lernen eben ein Stück Leben und die Schulstube ein Weltteil ist, leichter angeht als bei dem Alter, an welchem eine neueste Schule zugleich eine älteste und ein reifes Leben bekriegen muß.

Doch erlaube man mir, auf einen Augenblick in die auseinander gerückte Schulstube, nämlich in den akademischen Hörsaal hineinzuhören, um zu wissen, welche Lehrverbote an dessen Türen anzuschlagen sind. Man kann fragen: wenn der Staat ein Recht hat, die Bildung des Volks und folglich zwar nicht das Schreiben, das der Welt und allen Zeiten angehört, aber doch das Sprechen öder Lehren, das nur einer bestimmten Zeit und Menge dient, zu bewachen: wo kann er den Hebel, der die hörende Volksmasse bewegt, besser ansetzen als auf der Akademie, wo der künftige Lehrer des Volks selber erst gelehrt wird und der Säemann gesäet, nicht der Same? Ein akademischer Lehrer wirkt bei gleichen Kräften tief er in den Staat hinein und hinunter als tausend Autoren, die er noch dazu mit bilden half; auf seinem Lehrstuhle dreht er eine Spinnmaschine von tausend Spindeln um. Eine Akademie ist die eigentliche innere Staatsmission und Propaganda, besonders da sie eben die rüstige, leicht empfangende und lange fortgebärende Jugend mit ganzen Generationen befruchtet.

Auf der andern Seite ist zu sagen: eben darum, eben weil die Akademie noch der einzige hüpfende Punkt, wo noch der geistige Bildungstrieb gestaltet, in den neuern Staaten ist, die nur durch Gewalt abformen und ausmünzen: so taste die Macht die letztern Staubfäden organischer Bildung nicht mit ihren Scheren, Poussiergriffeln und Lad- und Prägstöcken an. Der Staat lasse doch einmal den innern Menschen sich die lebendigen Gliedmaßen selber zubilden, eh' er ihm später die nötigen Holzbeine, fausses gorges, ventres postiches, barbes postiches und goldenen Hüften anschienet. Warum verliehen unsere sinnvollen Alten den Musensitzen ihre akademische magna charta? – weil sie Sonnenlehn des Musen- oder Sonnen-Gottes sind, weil der Erkenntnisbaum nur als Freiheitsbaum wächset, weil die Musen als Göttinnen in einer salpetrière oder Frohnveste und Wachstube sich nicht zum besten befinden. Man hat nämlich unsern ewig-jungen Alten bei den Meß-Freiheiten, die sie seinen Musenbergen und Musentälern gaben, nur politische Rücksichten untergelegt, ohne die höhere anzurechnen, die jeden Jüngling noch beglückt, der auf einer Akademie nicht geboren wurde, sondern erst inskribiert. Die akademische Zeit ist die Zeit der ersten Liebe gegen die Wissenschaften; denn wie die andere erste Liebe sogar vor dem gewichtigen realen Geschäftsmarine und Geschäftsweibe mit einem fremden Mai-Schein, mit einem Dichtungs-Frührote auf der schwarzen Moor-Erde umherfließt, und dann plötzlich verfliegt und versiegt, weil der Frühregen einfällt und den Lebenstag dumm-grau anstreicht: so ist die akademische Zeit eine poetisch-wissenschaftliche, welche (wenigstens bei den Schülern) nie mehr wiederkehrt – es ist der kurze Durchgang eines erdigen Wandelsterns durch die Sonne des Sonnengottes – und das nicht einmal bloß, sondern es ist das frische dämmernde Leben vor dem Morgenstern, der, wie dem Herzen, so dem Denken die schöne Aurora verkündigt, die später nichts verkündigt als nur eine Tags-Sonne – Alle Fackeln des Wissens sind der Jugend nur Brautfackeln, die künftiges Leben bloß anzünden, nicht einäschern – Der Glanz verbirgt dem Jüngling die Handels-, Kriegs- und andere Stadt, die sich um seinen Musenberg mauert, und der Lehrstuhl reicht ihm über jede Höhe, sogar den Fürstenstuhl hinauf – und die politischen Sorge- und Weber-Stühle stehen und schnarren weit von ihm in der Heimat.

Wenn nun der Staat die Jugend als das Lebens-Herz seiner Zukunft schonen muß, dem er nicht genug Nervengeist und Blut zuführen kann, damit es unter der Quetschform hoher Akten-Kästen, welche dem Präsidenten, dem Departementsrat u. s. w. wie einem Griechen nichts mehr zu lesen erlaubt als Geschriebenes, noch ein wenig geistig-munter schlage, nicht in einem Winterschlaf nachzucke: so dürfen die Sitze auf dem göttlichen Musenberge nicht in Bänke von Bürgerschulen umgebauet werden; gegen die flüchtige Aurora des Idealscheins sind die Jalousie-Läden der hölzernen Realität nicht nötig. In Rücksicht der Lehrer sollte über die Frage, wie die Gewalt den Geist zu rektifizieren habe, wenigstens der Geist früher als die Gewalt entscheiden. Der gemeine Lehrer bedarf selten der Zensur, weil er meistens von selber das ist, was sie nicht verbeut; höchstens würde an ihm ein Johanniswürmchen zu konfiszieren sein, das den Mondschein unterbricht. Der geniale Lehrer braucht, gesetzt die bejahrte Menge wollte der Riesenkraft nicht erlauben, sich und andere zu emanzipieren, indes dieselbe Menge von derselben Kraft Freilassungen annähme, wenn sie jünger wäre, ein solcher Lehrer braucht über seinen Geist keiner Aufsicht, zumal von Körpern; – kein genialer Geist als solcher kann sündigen und schaden, nur das Talent; bloß Engel, nicht Götter können abfallen und aufhören. Man sollte deswegen vorher, ehe man über ein zufälliges Lehrgebäude erschrickt und gebeut, das ein Genius in junge Gemüter wirft, sich erinnern, da diese Gebäude, diese umgekehrten Städte und Länder und Säulen als morganische Feen von selber verrauchen, indes die gebärende Sonne bleibt und steigt, welche den Jünglings-Morgen mit den Gestalten ausfüllte; man sollte nämlich erwägen, daß der Jüngling besser jedes durchgreifende Lehr-, ja Irrgebäude bewohnt als gar keines, weil der systematische Körper verfliegt und der ideale Geist zurückbleibt. Was ist denn an irgendeiner Meinung überhaupt von Bedeutung ohne den Geist, der sie mitteilt, und den, der sie auffängt? Ist nicht dieselbe heiligste Religion mit denselben Meinungen und Strahlen bald wie Frühlingswärme, bald wie Mordbrand auf die Welt gefallen, je nach dem Wechsel der Geistes-Medien, durch welche die Strahlen fuhren?


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