Jean Paul
Dämmerungen für Deutschland
Jean Paul

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IX.
Über die jetzige Sonnenwende der Religion

Allerdings könnten jetzt die bekehrten Wilden uns selber wieder Heidenbekehrer zuschicken. – Wenn sonst für eine geschriebene Bibel 500 Goldgulden, dann für die ersten gedruckten 60 und später 30 bezahlt wurdenBusch Handbuch der Erfindungen.: so kehren wenigstens gewisse Stände lieber es so um, daß eine gedruckte jetzt so selten bei ihnen zu finden ist als sonst eine geschriebene. Die Kirchen, sonst als Kreuze gebauet, drücken mit der Figur ihr heutiges Schicksal aus. – Man findet jetzt leichter alle Heuchler, sogar irreligiöse, als religiöse. Diderot verlangt einen leeren Stuhl zum Essen hingestellt, um die Kinder an den unsichtbaren Gott zu erinnern; – mit leeren Kirchenstühlen stellen wir gut genug die Wohnung der Allgegenwart vor. – Und zieht sich nicht die Religion immer dünner aus, je länger sie sich spinnt? Hatte nicht selber der theologisierende Luther unter drei Söhnen nur einen, der sich auf Gottesgelehrsamkeit legte, nämlich den Martin, indes sein Johann Jura, sein Paul Arzneikunde studierte und jener als Kanzleirat, dieser als Hofrat, beide in Weimar, angestellt wurden. Martin aber nicht?

Besonders waren von jeher Thronen und Thronstufen der höhern Stände selten Kirchenstühle; auf dem päpstlichen Stuhle 1026 saßen, sogar dem Zeitalter entgegen, vielleicht so viele Atheisten als auf weltlichen Thronen. Überhaupt war schon sonst der vornehme Süden nicht so religiös als der vornehme Norden, geschweige der gemeine.In Schweden haben manche Dorfbewohner 6 Meilen zur Kirche und reisen Sonnabends ab und kommen Montags zurück. Arndts Reisebeschreibung. Man vergleiche Päpste, Kardinäle und französische Könige mit den religiösen Fürsten und Ministern in Schweden, Deutschland, Dänemark und England. Auch ists ungewiß, ob die Montmorencys, die älteste französische Familie, es noch der Mühe wert halten, ihren alten Titel »die ersten Christen und die ersten Baronen von Frankreich« noch ganz fortzuführen.

So wie aber der Norden sich und seine Wälder lichtet und mithin sich zum Süden erhitzt: so führt auch bei uns Klimas-Wärme Religions-Kälte ein, und es gibt mehrere Leute, welche sagen: ich glaube an alles, nur nicht an Gott. Man kann dasselbe noch in andern Sätzen aussprechen. Die elegante Welt ist weniger gewohnt, in der Kirche zu sitzen, als in ihr, obwohl tot, zu liegen und folglich daselbst mit mehr Entschuldigung zu schlafen, als bei Lebzeiten anginge. Die Ketten, die man unter der Predigt über den Fahrweg zur Kirche spannt, scheinen jetzt schon vor der Predigt zu sperren.

Die vornehme Klasse hat längst, wie die spätern Griechen, die Götterlehre in eine Naturlehre verwandelt, oder so, daß sie wirklich fähig ist, ihre Gottheiten nicht bloß darzustellen wie die Griechen, welche Jupiter als viereckten Stein, Diana als Säbel, Grazien als KlötzeLohensteins Arminius 1. B. 1. T. Auch Winckelmann. abbildeten, sondern auch noch schöner, nämlich z. B. als ein Landgut, als eine Ministersstelle, als ein gewisses Mädchen, als einen Fasan u. s. w. Ja der Fasan und das Mädchen sind nicht einmal Bilder der Gottheiten, sondern solche selber. Und so verhüllen Götzen den Gott, wie Sonnenstäubchen die Sonnenkugel.

Die Stoiker und so andere Sekten hielten die Seele für einen Teil der Gottheit. Mit diesem seinen Teil aber ist ein bescheidner beseelter Weltmann schon zufrieden, ohne je das Ganze zu begehren.

1027 Indes bringt der jetzige Religionswinter, solange er bloß auf den Höhen der Großen bleibt, noch nicht den grimmigsten Nachteil, sondern erst dann, wenn er gar tiefer auf das platte Land einfällt und alle Keime erkältet. Jedoch in Frankreich – dieses selber nicht sowohl ein ganzes großes Volk als ein vornehmes, und wenigstens in der guten Stadt Paris, welche aus einer sonst im Mittelalter alle europäischen Gottesgelehrten bildenden Universität später unter den letzten Ludwigen zu einer Gottesleugner-Fabrikstadt geworden war – enthüllte die Revolution die grimmige Gestalt eines irreligiösen Pöbels. Napoleon sucht daher, soweit es die Politik imstande ist, neben der Springfeder der Ehre, welche nach Montesquieu die der Monarchien ist, besonders einer französischen, noch die der Religion zu stählen und zu spannen; von den Nachkommen kann er vielleicht das Übertreffen der Väter erwarten.

Wenn hier einige Vorschläge für den Aufbau der Religion geschehen, und zwar in einer Zeit, wo sie dem niedergebrochnen Deutschland aufzuhelfen hat, und wo sie, wie sonst körperliche Reliquien, als eine geistige Reliquie die Beschützerin der Städte sein kann: so werde nur nicht eine reine Liebe der Religion als Zweck für eine unreine derselben als Mittel angesehen! Die Religion ist keine Kirchenparade des Staats, sondern sie ist das Herz selber und soll also, angehörig der Unsterblichkeit, höchstens gegen das Irdische siegen, nicht für dasselbe; der Himmel kann nicht der Lakai der Erde werden, oder ein Sakrarium und Sanktuarium sich zu einer Garküche des Staats ausbauen.

Die schönen Künste haben jetzt Anlaß und Pflicht, der Religion, die ihnen sonst Pflanz- und Freistätten in Kirchen gegeben, durch Erwiderung zu danken. Denn wie sonst Geistliche, nach HeßHeß' Durchflüge. B. 7., die Volkslieder und Schauspielkunst bewahrten und begünstigten, und ihre Kirchen alle schönen Künste: so sollten die Geretteten wieder bei den höhern Ständen für die Retterin arbeiten, und wie bei so vielen Völkern, Griechen, Römern, Arabern, die Tempel die Bücher und Gesänge aufbewahrten, so sollten wieder in diesen sich jene erhalten, und die Dichter sollten wie die 1028 Meistersänger nur in Kirchen (obwohl in höhern) singen. Den Großen kommen und rühren jetzt nur Dichter und Künstler, nicht Priester ans Herz; – und darum werde von ihnen Heiligkeit mit Schönheit wie in einer Madonna vermählt. Das Mittelalter hatte Reichtum an Religion genug, um ohne Kosten derselben mit ihr zu scherzen und zu spielen; unser Zeit-Alter ist ihr feindselig gesinnt; aber ein scherzender Feind lacht gefährlicher als ein scherzender Freund.

Gleichwohl erwart' ich von den neuern mystischen Dichtern – sogar den Verfasser von Luthers Weihe nicht ausgenommen, noch weniger den von der Niobe – wenig Beistand für die geistige Kirchenreparatur. Sie spielen und singen uns Glauben und Unglauben mit gleichem Glauben vor. Bloß diese Religionsvereinigung mit der Unreligion, diese poetischen Krönungsfeste der Nonnen und Huren, kurz dieses gleichmäßige Durcheinandermischen des Entgegengesetzten ist uns nur noch gar nötig, damit am Ende alles im toten Meere der spielenden Unsittlichkeit schwimme und wanke und alles gleich sei und die göttliche Dichtkunst nicht ungleich einer ungöttlichen oder von Gott abfallenden werde. (Denn die Art und Weise, wie so manche neue Dichter-Mystiker die Religion lieben und ergreifen, erscheint sehr jener Sinnlichkeit verwandt, womit einst ein Spanier die schöne weibliche Statue der Religion am Grabmale des Papsts Paul III. umarmet hatte.Die Statue wurde seitdem und deshalb bronziert. Moritz' Reise nach Italien. B. 1.) – Wahrlich eine französische kecke Frivolität wie die eines Voltaire, welche den heiligen Gegensatz durch Auswühlen einer Tiefe recht absondernd emporhebt, tut weniger Schaden als ein solches plattes Abplatten (oder – ist der Übergang erlaubt – eine solche fleischliche Vermischung mit dem heiligen Geiste der Religion in einer herrnhutischen Ehestunde).

Aber es gibt frömmere Dichter, als ihr Schein- und Spiel-Mystiker seid – die ihr heller durch euch selber durchschaut, als wahre Mystiker wie Fenelon oder Pascal nicht vermochten, denen vielleicht keine Göttlichkeit verborgen blieb als die eigene; – ich wende daher lieber mein Auge zu einem dichterischen Geiste 1029 auf, der durch alle seine Werke reinen Himmels-Äther wehen ließ und keinen unheiligen Laut in ihnen als in heiligen Tempelgängen duldete, und der, gleichsam ein geistiger Orientaler, immer unter dem offenen Himmel wohnte und nur auf Höhen schlummerte. – Wollt ihr durch Musen die Religion, wie Sokrates die Philosophie, von ihrem Himmel auf die Erde bringen und pflanzen; so eifert jenem Muster nach, nämlich Herdern! Oder einem Klopstock, oder überhaupt den Dichtern älterer Zeiten. Solche Musen allein können die Heidenbekehrerinnen so vieler Großen werden.

(Es gehört unter die gewöhnlichen Verblendungen der Großen, daß sie so leicht ihres Ungleichen zu verblenden glauben; indes ein Lakai mit dem Teller unter dem Arme so sehr seinen Herrn errät als Kinder und Schüler ihre Obern. Bedächten doch die Vornehmen des Jahrhunderts, daß sie nicht vom Einflusse ihres Scheins, sondern vom Almosen einer religiösem Vergangenheit leben, und daß die ungläubige Zeit von gläubiger Vorzeit zehre.

Doch dies ist nur klein und politisch; der Staat braucht Ströme und Breite, die Religion Quellen und Höhe.)

Noch regiert allerdings ungleich mehr Glaube als Unglaube die Erde, da jener in so vielen ganzen Ländern eben das Volk, also den bei weitem größern Teil für sich besitzt und bewohnt; aber die Jahrhunderte, die schon so viel davon untergruben, höhlen ja fort, wenn wir nicht unterbauen. Allein womit? – Der Religion sinkt der Geistliche nach; aber ebenso gewiß sie ihm. Der alte, jetzt verlachte Glaube an die geistliche Ehr-Würde und Salbung ist nichts anderes als der Glaube an den Moses-Glanz, den das Kind am Vater, der Schüler am Lehrer, der Jüngling und Leser an einem großen Schriftsteller, der Zuschauer am Schauspieler, ja der Untertan an seinem gekrönten König erblickt; ein Glanz, welchen alle diese an ihren Gegenständen wie einige Edelsteine an der Sonne einsaugen und nachts nachstrahlen. Aber noch mehr! Dem Menschen ist eigentlich der Lehrer schon die Lehre; – er glaubt Gläubigen; – in einem zweiten Wesen sucht er die Menschwerdung seiner Gedanken und Gefühle, besonders seiner religiösen; darum aber ist die Achtung für das predigende 1030 Einzelwesen von großer Zurückwirkung. So sind uns deshalb in der Geschichte die Beispiele der höchsten Aufopferungen erhebend und liebenswürdig, indes eine strenge Sittenlehre, die nichts als dasselbe befiehlt, niederschlagend und fast abstoßend einwirkt. – Dem Volke besonders ist der Priester die personifizierte Religion; und wenn an ihm auf der Kanzel (wie Malebranche sagte) alles zum Beweise wird, sogar seine Ärmel: so behalt' er diese doch an; denn Ärmel, welche erbauen, sind besser als Zöpfe an Zopfpredigern, die ärgern. Daher unsre Alten ganz recht mit dem Priesterornat die Würde bezeichneten; – daher behauptet vielleicht der Mönch durch das Einhergehen in unveränderter Kleidung seinen Nimbus besser; – daher hielten die Vorfahren die Einmischung der Geistlichen in die gemeinen Geschäfte und Lustbarkeiten des Lebens für mißlich. Ist dies alles aber wahr: so wissen – nicht sowohl die Stadtgeistlichen, welche mit ganz andern Mitteln auf das versteinerte Stadt-Volk einzufließen haben, als – die Landgeistlichen, mit welchen Enthaltungen sogar von unschuldigen gallikanischen Freiheiten in Kleidung, Rede und übriger Lebensweise sie den schönen Namen Geistliche und das Ansehen der verarmenden Religion zu behaupten verbunden sind, um so mehr, da bloß sie derselben das größere Land, sogar im geographischen Sinne, erobern können. Auch wird das nicht schaden, wenn hinter dem Kaiser Ferdinand II., welcher vor jedem Geistlichen den Hut abzog, jetzt Personen von Stande kommen, welche wenigstens an den ihrigen greifen.

Manche hoffen, das Kriegsungewitter treibe uns wieder zur Religion, wie ein Donnerschlag einst Luther zur Theologie; noch aber ists unentschieden, ob das Kriegsfeuer bloß ein Fegfeuer, das zum Seligwerden, oder eine Hölle ist, die zum Schlimmerwerden führt. Um so weniger werde auch das kleinste Bausteinchen zu einer Kirche verworfen! – (So lasse man zum Beispiel viel nachsichtiger religiöse Klubs – unter dem Namen Konventikeln in vorigen Zeiten mehr mit Recht verboten – erstehen als politische.) Jetzt bewahrt sich der Religions-Geist mehr nur in kleinen Gefäßen (wie Konventikeln sind), da er aus den großen Heidelberger Katechismen und Fässern verraucht. Überhaupt wie 1031 Republiken, so gewinnen Religionsparteien durch Kleinheit an Dichtigkeit und Tüchtigkeit; je enger der Blumenkasten und je weniger Erde, desto mehr Trieb und Blüte.

Das Zusammenschlagen zweier Bretter in der ersten Kirche brachte mehr Kirchengänger zusammen als jetzt das Läuten einer Erfurter Glocke von 275 Zentnern. Und so waren von der ersten Kirche an bis ins Mittelalter hinein und darüber hinaus die kleinern Religionsgenossenschaften immer die Religionsphalanxe und stärker und heißer. Ein Beispiel sei genug! Man gab der christlichen Religion wie dem Riesen Geryon drei Leiber oder drei Religionsparteien oder corpora; aber welche davon beweiset so viel Kraft als ein kleiner Nachwuchs derselben, welcher sein Wort hält ohne Eid, welcher sogar sich ohne allen Kirchen-Glanz befeuert (was ein bedeutender Einwurf gegen den Wunsch des katholischen Kirchen-Luxus wäre, hätte nicht eben eine Vielzahl diesen vonnöten), welcher gegen ein Königreich voll unerbittlicher Gesetze die seinigen durchsetzt, welcher in einem selbstmörderischen Lande allein keinen Selbstmörder kennt, welcher nicht tauft und nicht kommuniziert, und welcher, gleich einem darstellenden Dichter, als Herr seiner Leidenschaften mit der Kälte derselben das Feuer der Phantasie vereinigt? Und wie heißt diese kleine Zahl? – Quäker. – Übrigens wird man doch nicht in Zeiten religiöse Rasereien fürchten, wo es nur noch irreligiöse gibt. –

Sogar durch Prediger und sogar auf höhere Stände wäre religiöser Einfluß und einige Lösung der Herzens-Starrsucht möglich, wenn jene aus ihren alten Hohlwegen heraussteigen wollten auf frische Höhen. Ein solcher Herausgang ist z. B. der Gebrauch der Uferpredigten auf der Insel Rügen. Wie wäre Kosegarten hierin nicht vielfach nachzuahmen durch romantische Auswahl der Örter, Zeiten und Verhältnisse! – Wenn die mächtige Poesie sich in körperliche Bühnen und Ausschmückungen einkleidet: warum nicht, wie ein Weib, die zärtere, schwächere, stillere Religion? – Und warum ackern und säen denn immer die Prediger auf dem Eisfelde der bloßen Sittenlehre? Warum besteigen sie die Kanzeltreppe bloß als Herolde dessen, was ohnehin jedes unter der Kanzel sitzende Gewissen unaufhörlich als Tag- und 1032 Nachtwächter ausruft? Warum wollen sie die Sittlichkeit erst beweisen und begründen und Stützen stützen, da ja alle ihre Beweise nur auf jener ruhen? Aber ihr könntet für alle Stände und ganz tiefer eingreifen und aufhelfen, wolltet ihr euern Prediger-Jahrgang zu einem Gange durch den Heldensaal und Portikus großer und moralischer Menschen machen. Ein warm erzähltes Leben eines Jesus, sogar mit Weglassung aller Wunder, eines Epaminondas, eines Thomas Morus, eines Luthers würde mit der Gewalt des lebendigen Beispiels anfassen und emporrichten. Erst dann möget ihr in einen solchen historischen Garten an gewählten Plätzen und Aussichten gern eure Tafeln voll Inschriften und Lehren aufstellen; denn dieselbe Erinnerung, z. B. an die Vergänglichkeit, trifft, gelesen auf einer Blattseite, und gelesen auf einem Leichenstein, unter welchem der Tote selber heraufspricht, ganz verschieden die Brust. Bekämen wir doch einen Jahrgang solcher biographischer Predigten mit Weglassung historischer Bestimmungen und mit Vorziehung der Heiligen vor den Sündern; weil das gute Beispiel, erzählt so wie gesehen, reiner als das schlechte wirkt! Welch eine viel weitere Apostel-Geschichte brächte alsdann der Prediger auf seine Kanzel, als die bisherige kurze war, und wie viel besser würde er, anstatt wie jetzt der Lehre eines Verses die Geschichte umzuhängen, aus der Geschichte tausend Lehren holen!

Endlich kommen wir noch zum Weibe als zur notre dame der Religion. Wenn Frauen als die wahren Stillen im Lande von jeher Religion bewahrt und begünstigt haben – wenn eben die Religion, welche dem männlichen Geschäfts- und Schlachtgetümmel jungfräulich entweicht, oder es nur als Polgestirn fern im Himmel leitet, immer in den weiblichen Ölgarten flüchtete und als nahe Blume duftete, und wenn sie wie andere Perlen nicht im weiten wogenden Welt-Meer, sondern nur an den Küsten zu gewinnen ist – wenn in der Kirchengeschichte die Märterinnen so viel und noch mehr aushielten als die Märterer – wenn sie überall am längsten religiös glaubend bleibenIn Neapel gehen 20 Weiber zu Beicht und Abendmahl gegen 1 Mann. S. Kotzebues Reisen., und wenn im Norden immer 1033 zuerst Fürstinnen zu Christen sich und dann den Fürsten bekehrten samt nachgezogenen Völkern und Pöbeln – also als Welt-Nonnen das Schleierlehn der Religion behaupten: wer vermag alsdann mehr für diese und die Zeit als – Männer, welche, diesen weiblichen Religionssinn erwägend, ihn benutzen und ernähren für die Erziehung, damit uns religiöse Mütter religiöse Kinder geben! Wie manchem stürmischen Geiste gab seine Mutter das kindliche Echo der Religion auf die ganze wilde Jägerschaft seines Lebens mit! Der führende Kompaß hat die Gestalt einer Lilie; und diese Blumengestalt gibt die Mutter am leichtesten der Religion. Daher laßt jetzt, wo die Prediger verstummen, gern wie in Quäker-Kirchen die Weiber predigen!

Mißlich ist allerdings die Zeit und hell-kalt für die Religion; in den Himmel der Religion wird Europa wahrscheinlich erst durch ein noch heftigeres Fegfeuer als das jetzige aufgetrieben und sublimiert; nur aus Brand und Asche wiederersteht der Phönix. – Indes kann an der Menschheit nichts untergehen – außer mit ihr selber –, was als ihr Charakter ja der Herzschlag und Atem ihrer ganzen Geschichte war. Oft verdeckt der Erde sich der Himmel, aber gleichwohl läuft sie immer in ihm weiter. Auch die verfinsterte Sonne zieht und führt sowohl die verdunkelte Erde als den verdunkelnden Mond.

 


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