Jean Paul
Dämmerungen für Deutschland
Jean Paul

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7.
Kleine Zwielichter

A
Napoleon als Pasquino

Wider meinen Willen macht die Aufschrift dem Zensor die Doppel-Mühe, den Artikel anfangs zu durchstreichen, und dann doch wieder zu unterstreichen; weil er es nicht eher als im zweiten Komma lesen kann, daß ich hier aus dem zweiten Bande von Lessings Kollektaneen anführe, daß einige die schöne Statue Pasquinos für den Alexander halten, andere für den Mars; wurde nun nicht der französische Mars oder Alexander von Autoren dazu gemißbraucht, um ihm die Pasquille auf Preußen anzuhängen?

B
Die deutsche Wintersaat

Wenn wir durch echt-deutsche Erziehung und Literatur der Nachwelt zwei unzerstörliche Denkmäler Deutschlands nachlassen: so ists genug und gerade nicht weniger, als die Geistlichen – nach dem Sprichworte: Nil Clerici relinquunt praeter libros liberosque – nachlassen, Bücher und Kinder.

C
Zeitungsschreiber

Allerdings sind die Zeitungsschreiber Billard-Markeure, die uns ansagen, welche Kugeln recht gegangen oder nicht. Ist nun ein wahrhafter Mann darunter, so braucht man weiter nichts zu tun, als ihm zu glauben, und ein Schreiber reicht für tausend Leser zu. Ein anderes ist, wenn diese politischen Zeugen verdächtig sind, oder wirklich lügen: dann können schon nach dem gewöhnlichen römisch-deutschen Rechte ihrer nicht zu viele sein, insofern wir ihnen Glauben schenken sollen. Denn rechtlich gelten erst zwei 1015 verdächtige Zeugen einem gutenDuo testes suspecti comparantur uni idoneo et quatuor suspecti plene probant. Homm. observ. 210. gleich, und um vollends vollständig und glaubwürdig zu beweisen, muß man sogar vier, welchen nichts zu glauben ist, in Vorrat haben und aufstellen. Daher hängt die Glaubwürdigkeit oft der unglaublichsten Siege so sehr von der Vielzahl der Zeitungsschreiber ab; und eine gute Politik setzt hoffentlich keinen Gazettier ab – denn sie darfs nicht –, welcher den übrigen nicht widerspricht und entgegenschreibt.

D
Sittlicher Einfluß des Schicksals

Die Menschen wie die Völker treibt zu viel Glück wie zu viel Unglück in die Unsittlichkeit hinein; so stecken sich die Teich-Fische nur bei Übermaß der Kälte und der Wärme in den Schlamm.

E
Trost

Das Gute wächst auf den Jahrhunderten, das Böse auf dem Augenblick; jenes lebt von der Zeit, dieses stirbt an ihr. Wär' es anders: so hätten wir nach dem Paradies sogar schon das Fegfeuer eingebüßt und säßen schon hier in der Vorhölle fest, um daraus, anstatt uns in einen kalten Vorhimmel aufzuschwingen, uns von einer Tiefe und Hölle zur andern weiter einzugraben. – Gleichwohl darf das Wesen auf der Zeit-Flucht, der augenblickliche Mensch, begehren, daß das Gute so schnell aufstehe, als er und das Böse versinke. Was ihm eine lange Vergangenheit aufgesammelt und zugetragen, soll ihm eine flüchtige Gegenwart vollendet vortürmen; darauf will er den Fruchtspeicher ausgenießen und dann unbekümmert um die Nachzügler der Jahrhunderte nach Hause gehen in den Sarg.

F
Jetzige Zeit

Unser Jahrhundert ist ein Vesuv voll Lava und voll Christi-Tränen. Steigt ihr an ihm heran, so steht nur nie auf seiner Asche 1016 still, wollt ihr nicht rückwärts gleiten, sondern arbeitet euch unausgesetzt höher.

G
Zunft und Ancienneté

Warum gibts nirgend schnellere Posten und Postmeister als in England? Bloß weil da jeder einer sein kann und zu dieser Würde von niemand erhoben wird als – wie jener persische König zu seiner – von Pferden. Vergleicht damit das Zunft- und das Anciennetés-Wesen!

 


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