Jean Paul
Dämmerungen für Deutschland
Jean Paul

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8.
Kleine Zwielichter

A
Zensurfreiheit

Die indische Frau darf den wahren Namen ihres Mannes nie vor seinem Tode aussprechen; eine ähnliche Ehrfurcht erlaubt den Untertanen nicht, manchen Fürsten und Sieger früher als nach seinem Ableben bei seinem ordentlichen Namen zu nennen. So werden auf verständige Weise Fürsten-Taten, wie sonst in Frankreich Königssöhne, zweimal getauft, nach der Geburt mit der Not-Taufe (ondoyer), später und reif mit dem bleibenden Namen.

B
Gelehrte als Politiker

In der neuern Geschichte haben nicht Gesandte, Minister und Generalissimi die allerneueste vorausgesehen oder -gesagt – denn sonst wäre sie zu gar keiner geworden –, sondern die eingesperrten Autoren haben mit ihren Gänsekielen die Vorgeschichte zur Nachgeschichte geschrieben; so daß sie leider zu sehr den einfältigen Gänsen des Kapitols gleichen, welche die Anrückung des Feindes ansagten, indes die besonders zu solchen Anzeigen gehaltnen klugen Hunde nicht einen Laut bei dem Ansteigen der Gallier von sich gaben; daher die Römer es für billig hielten, jahrhundertelang in jedem Jahr einen Hund mit einem Holunder-Aste zu prügeln und zu spießen.Flor. I. 13. 15.

C
Hofsprache

Jetzt ist ein französischer Sprachschnitzer fast eine patriotische Handlung, werden gerade diejenigen sagen, deren Germanismen sonst in lauter Gallizismen bestanden. 1024

D
Staatsbesonnenheit

Wenn der römische Senat nach Niederlagen der Besonnenheit (menti)Bibl. univers. T. VI. p. 98. einen Tempel weihte, um die Übermacht der Klugheit über anstürmende Leidenschaft zu verehren; und wenn sogar nach Siegen Napoleon den Durchgang durch den Tempel derselben Gottheit nimmt: so haben wir Deutsche zwei Gründe, eine Baukollekte zu einer solchen Kirche zu veranstalten; denn uns fehlt es ja nicht an Siegen und Niederlagen.

E
Temple

Bekanntlich gab es unter der von Gott abgefallenen Revolution nur einen Tempel, den Kerker Temple, wo man opferte, nicht sowohl den Göttern als das Göttliche selber. Gleichwohl ist der Name gelehrt genug geborgt; denn sonst hieß TemplumLiv. I. 7. Sueton. in Aug. c. 5. eben der Ort, wo ein großer Geist entweder in das Leben oder aus dem Leben trat. Und im Temple erschien und verschwand ja dergleichen genug!

F
Sprachkunde der Franzosen

In nichts wurden die Franzosen mehr geübt als in dem, wovon sie bisher am wenigsten gewußt, in fremden neuen Sprachen. Viele verstehen jetzt Deutsch, und zwar oft durch Deutsche, die kein Französisch verstanden (gerade das Nachahmungsspiel der vorigen Deutschen, welche Französisch von Maitres erlernten, die kein Deutsch verstanden). Die Jungfer Europas wurde ihre Hausfranzösin, d. h. ihre Hauspolin, Hausdeutsche, Hauswelsche. Diese Sprach-Bonne führte diese Linguisten durch die schnellsten Lehr-Cursus von einer Mundart zur andern. Nur im Englischen sind sie noch nicht zu Hause und firm, was sich aber bei 1025 ihrer Stärke in drei Hülfs-Sprachen leicht gibt. – Man sieht aber, wie viel es nützt, Quintilians Regel zu befolgen, daß für die Fehler der Schüler nicht diese, sondern die Lehrer zu züchtigen sind. – In deutschen Erziehungsanstalten ließ sonst der Zögling sein mitgebrachtes Silber von Löffeln und Messern zurück; in Ägypten hingegen, wo die Israeliten gewiß genug ägyptische Weisheit erlernt hatten, nahmen die Zöglinge und Abiturienten vor dem Auszuge auf göttlichen Befehl das Silber der Dozenten mit; indes ist das Wort Kontribution eine viel spätere (wahrscheinlich römische) Erfindung.

 


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