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Neuntes Kapitel

Die Reichsversammlung, die gleich, nachdem die Ernte zu Ende gebracht war, ihren Anfang in Kopenhagen nahm, führte ja eine Menge von dem Adel des Landes in die Stadt, alle begierig darauf, ihre Gerechtsame wahrzunehmen, aber nebenher darauf bedacht, sich nach der Geschäftigkeit des Sommers zu verlustieren. Auch hatten sie nichts dawider, den Versuch zu machen, die seit dem Kriege ziemlich großsprecherische Kopenhagener Bevölkerung durch ihre Pracht und ihren Reichtum zu blenden und ihr dadurch einen kleinen Denkzettel zu geben, daß die Scheidewand zwischen den guten Männern des Landes und der unfreien Masse noch fest und sicher stehe, trotz königlicher Privilegien, trotz bürgerlicher Waffentaten und Siegesglanz und trotz der in den Geldkisten der Krämer heckenden Dukaten.

Daher wimmelten denn die Straßen von reichgekleideten Edelleuten und Damen, von galonierten adeligen Dienern und adeligen Pferden mit silberbeschlagenem Geschirr und bunten Wagendecken. Und das wurde ein Gastieren und Bewirten in allen adeligen Häusern der Stadt – bis spät in die Nacht hinein klang die Violine aus den erleuchteten Sälen über die Stadt hinaus und erzählte den schlummernden Bürgern, daß sich das beste Blut des Landes in stattlichem Tanz auf getäfeltem Estrich und bei schäumendem Wein in ererbten Pokalen erwärme.

Alles dies ging an Marie Grubbe vorüber; sie lud keiner zu Gaste, denn einerseits meinte man, daß ein Teil der Grubbes, auf Grund ihrer Verbindung mit dem Königshause, mehr auf seiten dieses denn auf seiten des Standes stünde, anderseits haßte der gute alte Adel aufrichtig den in den letzten Jahrzehnten ziemlich zahlreichen Oberadel, der aus den natürlichen Kindern des Königs und ihren Nächsten bestand. Marie wurde daher aus einem doppelten Grunde übergangen, und der Hof, der während der ganzen Reichsversammlung sehr eingezogen lebte, bot ihr keinen Ersatz.

Im Anfang war ihr das freilich ein wenig hart; da es aber andauerte, erweckte es bald den leicht erregbaren Trotz ihres Sinnes und hatte die höchst natürliche Wirkung zur Folge, daß sie sich inniger an Ulrik Frederik anschloß und ihn allmählich lieber gewann, weil ihr, wie es ihr schien, seinetwegen unrecht getan wurde; und diese ihre Neigung nahm an Stärke zu, so daß, als sie am 16. Dezember 1660 in aller Stille getraut wurden, die besten Aussichten vorhanden waren auf ein glückliches Zusammenleben zwischen ihr und dem Reichsjägermeister – dieser Titel und dieses Amt waren nämlich Ulrik Frederiks Anteil an den Gnadenbeweisen des siegreichen Königshauses.

Daß die Trauung so still vor sich ging, widersprach ganz den ursprünglichen Plänen, denn es war lange bestimmt gewesen, daß der König ihre Hochzeit auf dem Schloß ausrichten solle, so wie Christian der Vierte es bei Frau Rigitzens und Hans Ulriks Vermählung getan hatte; aber in der letzten Stunde bekam man Bedenken und meinte, es aus Rücksicht auf Ulrik Frederiks frühere Verehelichung und Scheidung so halten zu müssen, wie es geschah.


Sie sind also nun verheiratete und seßhafte Leute, und die Zeit enteilt, und die Zeit läuft weiter, und alles ist gut – und die Zeit verminderte ihren Flug, und die Zeit kroch, denn es ist ja nun einmal im allgemeinen so, daß wenn Leander und Leonora ein Halbjahr lang beieinander gewesen sind, so ist der Geist nicht immer über Leanders Liebe, obschon Leonora ihn zumeist noch stärker und inniger liebt als in den Verlobungstagen. Denn während sie wie die kleinen Kinder ist, die das alte Märchen neu finden, wie oft es auch mit denselben Worten, denselben Überraschungen und demselben ewigen »Schnipp, schnapp, schnurr« erzählt wird, so ist Leander so anspruchsvoll, daß er ermüdet, sobald sein Gefühl ihn nicht mehr für sich selbst neu machen kann. Sobald er nicht mehr ganz berauscht ist, ist er auch im selben Augenblick mehr als nüchtern. Der schwellende, lichte Übermut des Rausches, der ihm das Selbstvertrauen und die Sicherheit des Halbgottes verliehen hat, verläßt ihn; er ängstigt sich, er denkt und gibt sich Zweifeln hin. Er sieht zurück auf den unruhigen Lebenslauf seiner Leidenschaft, seufzt seine Seufzer und gähnt. Und er sehnt sich, er fühlt sich wie einer, der nach einer langwierigen Fahrt in fremde Lande heimgekommen ist und nun die so innig wohlbekannten, so lange Zeit vergessenen Stätten wieder vor sich liegen sieht und, während er sie sieht, sich gedankenlos darüber wundert, daß er wirklich von diesem heimatlichen Weltenteil so lange fortgewesen ist.

In einer solchen Stimmung saß Ulrik Frederik an einem regnerischen Septembertag.

Er hatte seine Hunde hereingerufen, um mit ihnen zu spielen, hatte versucht zu lesen und hatte Daldös Ein Brettspiel mit Steinen und Würfeln. mit Marie gespielt. Der Regen strömte herab, es war kein Wetter, um auszugehen, und er war daher in seine Rüstkammer, wie er den Raum nannte, gegangen, in der Absicht, seine Schätze zu putzen und nachzusehen – dazu war es just das Wetter –, und dann war ihm zufällig eine Kiste mit Waffen in den Sinn gekommen, die er von Ulrik Christian geerbt hatte; die hatte er sich vom Boden herunterbringen lassen und saß nun da und hob die Erbschaft Stück für Stück.

Da waren Prachtdegen, blau angelaufen mit Goldeinlegung, und silberblanke mit matter Gravierung; da waren Jagdmesser mit schweren, einschneidigen Klingen, mit langen, flammengewundenen, mit dreieckigen, nadelspitzen Klingen. Da waren Toledoklingen, viele Toledoklingen, leicht wie Rohr und biegsam wie Weiden, mit Heften aus Silber und Jaspisachat, aus getriebenem Gold und aus Gold mit Karfunkeln; und eine darunter, die hatte nur ein Heft aus geätztem Stahl, und die war durch ein kleines Spangenband aus Seide gestochen, das mit Rosen und Ranken von roten Glasperlen und grüner Flockseide bestickt war. Entweder war es ein Armband, ein schlichtes Armband, oder, wie Ulrik Frederik glaubte, ein Strumpfband – und der Degen war da hindurchgestochen.

Das ist aus Spanien, dachte Ulrik Frederik, denn dort war der Verstorbene neun Jahre lang gewesen und hatte in der Armee gedient. Ach ja, er hatte ja auch in fremde Dienste treten sollen, bei Carl Gustav; aber dann kam der Krieg, und jetzt kam er wohl nie mehr dazu, sich in der Welt herumzutummeln, und er war doch kaum dreiundzwanzig Jahre. Immer hier leben, an diesem kleinen, langweiligen Hof, doppelt langweilig jetzt, wo sich der ganze Adel fernhielt. – Ein wenig jagen, ein wenig nach seinem Lehn sehen, einmal im Laufe der Zeit durch die Gnade des Königs geheimer Staatsrat und Ritter werden, Prinz Christian gegenüber gute Miene machen, und seine Anstellung behalten, hie und da zu einer langweiligen Ambaßade nach Holland verwandt werden, altern, die Gicht bekommen, sterben und in der Frauenkirche beigesetzt werden, – das war die glänzende Bahn, die für ihn abgesteckt war. – Jetzt führten sie da unten in Spanien Krieg, da war Ruhm zu gewinnen, ein Leben zu leben – daher stammte der Degen und das Band. Nein – er mußte mit dem König reden, es regnete noch, und es war weit bis Frederiksborg; aber das half nichts, warten konnte er nicht, es mußte entschieden werden.

Dem König gefiel der Vorschlag gut. Wider Gewohnheit sagte er sogleich ja, zur großen Überraschung für Ulrik Frederik, der den ganzen Weg geritten war und sich selber alles aufgezählt hatte, alles das, was es schwierig, unwahrscheinlich, unmöglich machte – und nun sagte der König ja; zu Weihnacht konnte er reisen, zu der Zeit konnten die einleitenden Schritte getan und die Antwort des spanischen Königs eingetroffen sein.

Die Antwort kam denn auch schon zu Anfang Dezember, aber Ulrik Frederik kam doch erst in den ersten Tagen des April zur Abreise; da war soviel, was vorher getan werden sollte, Geld, das beschafft werden, Leute, die ausgerüstet, Briefe, die geschrieben werden mußten; aber dann reiste er auch ab.

Marie Grubbe war nur übel zufrieden mit dieser spanischen Reise, und wohl brachte Frau Rigitze sie dahin, einzusehen, daß es notwendig für Ulrik Frederik war, ins Ausland zu reisen und Ruhm und Ehre zu gewinnen, damit der König etwas Rechtes für ihn tun könne; denn wohl sei Seine Majestät ein absoluter Herr, aber er sei desungeachtet sehr empfindlich gegen das Gerede der Leute, und die Adelschaft sei ja nun in dieser Zeit so verkehrt und querköpfig, daß sie sicherlich alles, was der König unternahm, in dem übelsten Sinne auslegen würde – aber dennoch, Weiber haben nun einmal eine angeborene Furcht vor allem Lebewohlsagen, und hier gab es vieles, wovor einem bange sein konnte, denn selbst wenn Marie von der Kriegsgefahr und von der langen gefährlichen Reise absehen und sich damit trösten konnte, daß eines Königs Sohn wohl in acht genommen werden würde, so konnte sie doch nicht umhin, sich davor zu ängstigen, daß das Zusammenleben, das so gut begonnen hatte, durch eine vielleicht mehr als jahrelange Trennung so unterbrochen werden möchte, daß es niemals so fortgesetzt werden würde, wie es begonnen hatte. Ihre Liebe war so neu und so wenig befestigt, und nun, just, wo sie ins Wachsen gekommen war, sollte sie schonungslos allerhand Unbilden und Gefahren ausgesetzt werden; schien das nicht förmlich darauf auszugehen, sie zu vernichten? – und das hatte ihr kurzer Ehestand sie gelehrt, daß die Art Ehe, so sie in ihrem Brautstand für außerordentlich leicht zu führen gehalten hatte, die Ehe, wo Mann und Frau jedes seinen eigenen Weg ging, daß dies nur ein Unglücksleben sein konnte mit eitel Finsternis und ohne Morgenrot; und dazu war ja nun hier der Anfang gemacht, nach außen hin, Gott verhüte, daß es auch innerlich so kommen würde; aber es hieß, das Glück schwer versuchen, indem man einer solchen Trennung die Tür öffnete.

Und dann war sie auch sehr eifersüchtig auf all dies leichte, katholische Weiberpack da unten in Spaniens Reichen und Landen.


Frederik der Dritte, der wie so viele andere Fürsten und Herren dazumal eifrig der Goldmacherkunst oblag, hatte Ulrik Frederik den Auftrag mitgegeben, in Amsterdam den berühmten Goldmacher, den Italiener Burrhi, aufzusuchen, sich zu erkundigen, ob er nicht nach Dänemark zu kommen gedenke, und ihn unter der Hand verstehen zu lassen, daß sowohl der König als auch der reiche Christen Skeel auf Sostrup ihm seine Mühe wohl bezahlt machen könnten, wenn er sich dorthin bemühen wolle.

Als Ulrik Frederik daher im Junimond zweiundsechzig die genannte Stadt erreichte, ließ er sich durch Ole Borch, der dermalen dort studierte und mit Burrhi wohlbekannt war, zu ihm führen. Der Goldmacher, derzeit Anfang der Fünfziger, war ein Mann etwas unter Mittelgröße mit erheblicher Anlage zum Fettwerden, leicht in Gang und Haltung, ein wenig gelblich, mit schwarzem Haar, einem schmalen Knebelbart, runden Wangen, vollem Kinn, gebogener, etwas plumper Nase und kleinen, blitzenden Augen, von einer unzähligen Menge kleiner und großer Runzeln umgeben, die fächerförmig von den Augenwinkeln ausgingen und ihm ein zugleich pfiffiges und gutmütiges Aussehen verliehen.

Ein schwarzer Sammetrock mit großen Aufschlägen und florüberzogenen, silbernen Knöpfen, schwarze Kniebeinkleider, schwarze, seidene Strümpfe und Schuhe mit großen, schwarzen Bandrosetten waren seine Tracht. Er schien Wert auf Spitzen zu legen, denn er hatte Spitzen an der Brust und an den Enden seines Halstuches, und sowohl um die Handgelenke als von dem Rande seiner Kniebeinkleider hingen reiche Spitzenmanschetten in dichten Falten. Seine Hände waren weiß, fett, rundlich und klein und so überladen mit auffällig plumpen goldenen Ringen, daß er die Finger nicht schließen konnte. Sogar um den Daumen hatte er große, juwelenblitzende Ringe. Sobald er sich setzte, barg er, ungeachtet es ja Sommertag war, die Hände in einem großen Pelzmuff; denn es friere ihn immer an den Händen, wie er sagte.

Das Gemach, in das er Ulrik Frederik führte, war groß und geräumig, mit gewölbter Decke und schmalen, spitzbogigen Fenstern hoch oben an der Wand. Ein großer, runder Tisch stand mitten im Zimmer, umgeben von hölzernen Stühlen, auf deren Sitzen weiche Polster von roter Seide mit langen, schweren Quasten an allen vier Ecken lagen. In die Tischscheibe war eine große, silberne Platte eingelegt, auf der in Niello die zwölf Himmelszeichen, die Planeten und die wichtigsten Sternbilder dargestellt waren. Eine Reihe Straußeneier hing an einer Schnur von der Mittelrosette der Wölbung nieder. Der Fußboden war in grauen und roten Tafeln gemalt, und innerhalb der Tür waren alte Hufeisen in Triangelform in die Dielenbretter eingelassen. Ein großer Korallenbaum stand unter dem einen Fenster, ein dunkler, geschnitzter, hölzerner Schrank mit Messingbeschlag unter dem andern. In einer Ecke war eine Wachspuppe in Lebensgröße, die einen Mohren vorstellte, angebracht, und längs der Wand lagen Blöcke aus Zinnerz und Kupfererz. Der Mohr hatte ein getrocknetes Palmenblatt in der Hand. Nachdem sie sich nun niedergelassen hatten und die ersten Höflichkeitsäußerungen gewechselt waren, fragte Ulrik Frederik – sie sprachen Französisch – Burrhi, ob er nicht auch den Suchenden in Dänemarks Landen mit seiner Weisheit und Erfahrenheit zu Hilfe kommen wolle.

Burrhi schüttelte den Kopf.

»Ich weiß wohl,« sagte er, »daß die heimliche Kunst in Dänemark vornehme und mächtige Pfleger hat, aber ich habe jetzt so viele fürstliche Herren und Prälaten unterwiesen, und hab ich auch nicht allemal Undank und geringe Erkenntlichkeit statt des erwarteten Lohnes gesehen, so hab ich doch viel Querköpfigkeit und Unverständigkeit angetroffen, daß ich schwerlich mehr die Gestalt eines Lehrmeisters so erhabener Scholaren annehme. Es ist mir nicht kund, nach welcher Regula oder Methode Seine Majestät der König von Dänemark laborieret, so daß der Inhalt meiner Worte nicht auf ihn zielen kann; allein ich kann in aller Geheimheit beteuern, daß ich Herren von dem allerhöchsten Adel des Reiches, ja gesalbete Fürsten und Erbherrn angetroffen habe, die so witzlos in ihrer Historia naturalis und Materia magica waren, daß der gemeinste Marktschreier nicht mehr bäuerisch abergläubisch sein kann, als sie waren. Sie setzten sogar ihr Vertrauen auf das weitausgebreitete, schmähliche Landesgerücht, daß Goldmachen dasselbige sei wie einen Labetrunk zu machen oder eine Arzenei-Pillula; so man nur das rechte Rezept habe, so werde es zusammengemenget, aufs Feuer gesetzt, eine Formel gesprochen, und dann müsse das Gold da sein. Desgleichen haben Pfennigfuchser und ignorantische Personen ausgebreitet – der Teufel hole sie! Können die Leute denn gar nicht verstehen, daß, wenn es so anginge, da würde die Welt in Gold schwimmen.

»Wohl ist es, wie gute Autores sicherlich mit Recht vermuten, also von der Natur bestellet, daß nur ein gewisser Teil der Materie zur Gestalt des Goldes geläutert werden kann, aber wir würden dennoch überschwemmt werden. Nein, die Goldmacherkunst ist eine schwierige und kostspielige Kunst. Es muß eine glückliche Hand dazu gehören, es müssen gewisse besondere Konstellationen und Konjunktionen vorhanden sein, wenn das Gold recht quellen soll. Nicht alle Jahrgänge ist die Materie gleich goldgiebig; nein, nein; bedenket doch, daß es keine geringe Destillatio oder Sublimatio ist, sondern eine Umwandlung der Natur, so angehen soll. Ja, ich darf sagen, daß ein Zittern durch die Gezelte der Naturgeister geht jedesmal, wenn ein Teil des puren, gleißenden, blanken Goldes aus der tausendjährigen Umarmung der Materia vilis befreiet wird.«

»Aber«, sagte Ulrik Frederik, »Ihr verzeihet mir, daß ich frage; aber bringet man nicht durch solche geheime Künste seine Seele in Gefahr und Not?«

»Nein, nein,« antwortete Burrhi eifrig, »wie möget Ihr das glauben! Welcher Magier war wohl größer als Salomo, dessen Siegel, das große wie das kleine, uns wunderbarlich bis auf den heutigen Tag erhalten worden ist? Wer gab wohl Mosem die Zaubergabe? Nicht etwa Zebaoth, der Geist des Sturmes, der Schreckliche?« und er drückte den Stein in dem einen seiner Ringe an die Lippen. »Ja, ja,« fuhr er fort, »sicherlich haben wir große Namen der Finsternis und gefährliche Worte, ja grauenvolle Heimlichkeitszeichen, die, so sie zum Bösen gebrauchet werden, wie es mannigfache Wahrsagerinnen und Hexenmeister und Laienmedici tun, flugs die Seelen ihrer Anrufer in Gehennas Fesseln legen. Aber wir, wir rufen sie nur an, um die heilige Urmaterie von der unreinen Befleckung und Beimischung des Staubes und irdischer Asche zu befreien; denn das ist das Gold; das Gold ist die originelle Ursprungsmaterie, die es gab, um Licht zu geben, ehe die Sonne und der Mond in die Wölbung des Himmels eingesetzet wurden.«

So sprachen sie lange von der Goldmacherkunst und andern Geheimwissenschaften, bis Ulrik Frederik ihn fragte, ob er mit Hilfe des kleinen Zettels, den er ihm vor einigen Tagen durch Ole Borch hatte zukommen lassen, sein Horoskop gestellt habe.

»Im großen«, antwortete Burrhi, »könnte ich Euch wohl sagen, was Euch bestimmt ist, aber wenn die Nativität nicht ganz genau in der Stunde gestellt wird, da das Kind zur Welt kommt, so kommen nicht alle kleinen Zeichen mit, und das Resultat wird dann nur wenig verläßlich. Doch weiß ich etwas. Ja, ja,« fuhr er fort und strich sich über die Augen, »wäret Ihr bürgerlich geboren und in der geringen Stellung eines Medikus, da hätte ich Euch nur frohe Dinge zu berichten gehabt; aber jetzt wird Euch die Welt nicht ganz so leicht werden. Es ist in gewissen Maßen sehr zu beklagen, daß der Lauf der Welt in den meisten Fällen so ist, daß eines Handwerkers Sohn auch ein Handwerker wird, eines Kaufmanns Sohn ein Kaufmann, eines Bauern Sohn ein Bauer und so fort über das Ganze, denn das Unglück mancher hat alleinig darin seinen Grund, daß sie sich einem andern Beruf hingeben als dem, den ihnen die Stellung der Himmelszeichen bei ihrer Geburt anweiset. Wenn solchergestalt einer, der im Anfang des Widderzeichens geboren ist, sich dem Kriegerstand ergibt, da wird ihm nichts glücken, und Wunden und geringe Beförderung und früher Tod werden ihm gewiß sein; aber wenn er mit seinen Händen zu arbeiten beginnet, als Kunstschmied oder Steinschneider, da wird alles ihm dienstbar sein. Einer, der unter dem Zeichen der Fische in der ersten Hälfte geboren ist, dem ziemet es, das Land zu bestellen oder, so er reich ist, sich viel Grundbesitz anzuschaffen; wer in der letzten Hälfte geboren ist, muß sein Glück auf der See suchen, sei es nun als gemeiner Fährschiffer oder als Admiral. Das Zeichen des Stieres in der ersten Hälfte ist für Kriegsleute, in der letzten Hälfte für Advokaten; die Zwillinge, unter denen Ihr geboren seid, sind, wie ich sage, für die Medici im ersten Teil und für Kaufleute im zweiten. – Aber lasset mich jetzt Eure Hand sehen.«

Ulrik Frederik hielt seine Hand hin, Burrhi ging nach dem Hufeisentriangel und strich seine Schuhe darüber hin, so wie ein Seiltänzer seine Sohlen auf dem Harzbrett streicht, ehe er auf das Tau hinausgeht. Dann sah er in die Hand.

»Ja,« sagte er, »die Ehrenlinie ist ganz und lang, sehe ich, und reicht so weit, wie sie reichen kann, ohne bis zu einer Krone zu reichen. Der Glücksstrich ist für einige Zeit matt, aber er wird schon mehr und mehr klar. Da ist die Lebensfurche, die sieht ganz übel aus, leider; Ihr müsset Euch wohl in acht nehmen, bis Ihr die Siebenundzwanzig erreicht habt, bis dahin ist Euer Leben hart und heimlich bedrohet; aber dann wird die Linie klar und stark, ganz bis in das hohe Alter hinein, doch sie zweiget nur einen Strich ab – ja, doch, da ist noch ein kleinerer daneben – ja, Ihr werdet Leibeserben aus zween Ehen bekommen, dem ist nichts im Wege, aber nur wenige in jeder.«

Er ließ die Hand los.

»Höret,« sagte er ernsthaft, »es ist Gefahr für Euch da, aber wo sie drohet, das seh ich nicht, jedoch offene Kriegsgefahr ist es keineswegs; sollte es ein Sturz sein oder sonstiger Reiseunfall, so nehmet hier diese dreieckigen Malachite, sie sind von einer besonderen Art; sehet hier, in diesem Ring hab ich sie selber, sie schützen gut wider Fallen oder Sturz von Roß oder Wagen. Nehmet sie mit, traget sie auf der bloßen Brust; oder lasset Ihr sie in einen Ring hineinsetzen, da nehmet das Gold dahinten heraus, denn sie müssen berühren, wenn sie schirmen sollen; und sehet hier einen Laspisstein; könnt Ihr sehen, es sitzet darin gleichsam das Bild eines Baumes, der ist sonderlich selten und sein und gut gegen schleichenden Waffenstich und flüssig Gift. Ich bitte Euch nochmals, mein teurer junger Herr, Ihr möget Euch wohl hüten, insonderheit vor den Weibsbildern; ich weiß es nicht bestimmt, aber da sind Zeichen, die darauf hindeuten, daß die Gefahr in der Hand eines Weibsbildes blitzet; aber ich weiß es nicht, es ist nichts gewiß; hütet Euch daher auch vor argen Freunden und schalkischen Dienern, vor kalten Gewässern und vor langen Nächten.«

Ulrik Frederik nahm die Geschenke freundlich entgegen und vergaß nicht, am folgenden Tage dem Goldmacher eine kostbare Halskette zu senden, als Dank für seine guten Ratschläge und guten Schutzsteine.

Hierauf ging seine Reise ohne Unterbrechung geradesweges nach Spanien.


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