Henrik Ibsen
Gedichte
Henrik Ibsen

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Sängerfahrt

Hin durch die Fjordgebirgsstille,
Im Sonntagsmorgenglanz,
Dampft unsre stolze Zille,
Buntüberwimpelt ganz.

Singen junger Gesellen,
Jubel von Herz und Mund,
Wälzt sich über die Wellen,
Weckt den träumenden Sund.

Vorne vom Steven locken
Hörner und Tuben im Chor.
Zum Kirchgang mahnen die Glocken; –
Der Fischer hat heut kein Ohr.

Er hört nicht der Glocken Munde,
Vergessen sein Liederbuch liegt,
Vergessen der Frühpredigt Stunde,
Die Sängerfahrt hat ihn besiegt.

Doch wie er gestützten Hauptes
Hinausstarrt voll Wunderlichkeit
Auf die tönende Flut, o glaubt es,
Ist er von Gott nicht weit.

Er weiß von der Fahrt nichts zu sagen,
Er weiß nicht, warum wir hier sind,
Doch fühlt er sein Herzblut schlagen,
Wie's heiß und kalt ihn durchrinnt.

Er hebt, wie die Augen zu schützen,
Die Hand und tritt an die Flut;
Und die Sänger schwingen die Mützen,
Und der Fischer greift an den Hut.

Auf blauen Dünungen schweifen
Vorüber wir, selig leicht;
Er folgt dem Rauchwolkenstreifen,
Solange sein Auge reicht.

Wir fliegen mit flatternden Fahnen,
Wir singen uns vogelfrei;
Durch ihn geht ein dämmerndes Ahnen:
Da zog etwas Großes vorbei.

Wir steuern von Fest zu Feste
Mit Blumen und Lampenschein;
Er kennt keine anderen Gäste
Als der Sorgen schweigenden Reihn.

Und doch, du magst es verschmerzen; –
Denn kam er zur Kirche auch nicht,
So blieb ihm gewiß doch im Herzen
Ein Abglanz von Lied und Licht.

Seht, so soll'n wir Brüder, wir jungen,
Festlich durchs Leben hin
Tragen mit zündenden Zungen
Schönheit von Sinn zu Sinn.

Da sind keine Höhlen noch Grüfte, –
Sie geben doch Widerhall.
Wir sind wie die Sänger der Lüfte
Mit Saatkorn in Schnabel und Krall'.

Ob wir durchs Hochgebirg streifen,
Ob über Fjord und Sund,
Ein Korn stiebt nieder, zu reifen
In sehnsüchtig harrendem Grund.


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