Henrik Ibsen
Gedichte
Henrik Ibsen

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Hochlandsleben

Hochsommernacht umflort das Tal;
Schon schläft es, bleich und blind;
Doch um den Kamm, da brandet fahl
Ein See im Abendwind:
Da braut der Nebel graue Flut,
Verschleiert steht der Firn,
Der eben noch im Licht geruht,
Der letzten Sonne goldne Glut
Um seine hehre Stirn.

Doch über dieser Wogen Brand,
In Gold- und Bernsteinglanz,
Erhebt sich hell ein friedlich Land,
Wie stiller Inseln Kranz.
Ein Schiffsbug, sich die Brust des Weihs
Dem All entgegenstreckt,
Indes sich hinter Dem in Eis,
Gleich Trollgefolg', der Gipfel Kreis
Drohend gen Westen reckt.

O, sieh den Säter dort noch, eh'
Die Nacht ihn blässer malt!
Wie blau der Fels, wie hell der Schnee
Das stille Heim umstrahlt!
's ist eine Welt für sich allein,
Und wer in ihr sich sonnt,
Vom Tal getrennt durch Bach und Stein,
Gewinnt sich wärmern Sonnenschein
Und weitern Horizont.

Sieh dort die Sätermaid umbraut
Von Nacht und Abendbrand!
Den Geist der Tiefe, den sie schaut,
Hat Sprache nie benannt.
Sie weiß es nicht, wie weit er will,
So wenig, wie er heißt.
Doch unter Lur und Glockenspiel
Geht's in die Abendglut als Ziel; –
Ob dort ein Port sich weist? –

Er währt so kurz, dein Hochlandstraum
Im Säter unterm Firn;
Bald deckt ein weißer, starrer Saum
Der Hütte niedre Stirn.
Dann sitzest du tagaus, tagein
Am warmen Winterherd; –
Doch spinn' nur munter Woll' und Lein:
Ein Hochgebirg im Abendschein
Ist seinen Winter wert.


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