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Abteilung VIII.
Über Freiheit und Notwendigkeit.

Abschnitt I.

Man sollte billig erwarten, dass in Fragen, welche seit dem Bestehen der Wissenschaften und Philosophie mit Eifer erwogen und verhandelt worden sind, wenigstens über den Sinn der Worte unter den Streitenden Übereinstimmung herrsche, und dass die Anstrengungen von zweitausend Jahren wenigstens ermöglicht hätten, von den Worten zu dem wirklichen und wahren Streitgegenstand überzugehen. Es scheint ja so leicht, genaue Definitionen der in der Untersuchung gebrauchten Ausdrücke zu geben und diese Definitionen und nicht den leeren Schall der Worte zum Gegenstand der Forschung und Prüfung zu machen. Tritt man indes der Sache näher, so ergiebt sich das Entgegengesetzte. Ist eine Streitfrage schon lange verhandelt und noch heute unentschieden, so kann man sicher abnehmen, dass irgend eine Zweideutigkeit im Ausdrucke besteht, und dass die Kämpfer den in ihrem Streite gebrauchten Worten einen verschiedenen Sinn unterlegen; denn die Seelenkräfte gelten von Natur bei Allen als gleich, sonst wäre alles Begründen und Streiten vergeblich. Wenn die Menschen daher denselben Sinn mit den Worten verbänden, so könnten sie unmöglich so lange verschiedener Meinung über ein und dasselbe sein; besonders, wenn sie sich ihre Ansichten mitteilen, und jeder Teil nach allen Richtungen Beweisgründe aufsucht, um den Sieg über den Gegner zu gewinnen. Wenn man allerdings Fragen verhandelt, die ganz ausserhalb des Bereiches menschlicher Fähigkeit liegen, z. B. über den Ursprung der Welt oder über die Einrichtung der Verstandeswelt und der des Geisterreichs, so mag man lange den fruchtlosen Streit erschallen lassen und nie zu einem bestimmten Schlusssatz gelangen. Betrifft aber die Frage irgend einen Gegenstand des gewöhnlichen Lebens und der Erfahrung, so können sicherlich nur zweideutige Ausdrücke den Streit so lange unentschieden hinhalten; nur diese können die Gegner in einer gewissen Entfernung von einander halten und sie nicht zum Ringen kommen lassen.

Dies ist der Fall in dem langen Streit über Freiheit und Notwendigkeit gewesen. Es ist dies um so auffallender, als, wenn ich nicht sehr irre, sich ergeben wird, dass in dieser Frage jedermann, der Gelehrte wie der Ungelehrte, derselben Ansicht gewesen ist, und einige wenige verständliche Definitionen dem ganzen Streite ein Ende gemacht haben würden. Der Streit ist so vielfach von aller Welt geführt und hat die Philosophen in ein solches Wirrsal dunkler Sophisterei verwickelt, dass man sich nicht wundern darf, wenn verständige Leser sich wegwenden und von einer Erörterung dieser Frage nichts mehr hören mögen, die weder Unterhaltung noch Belehrung verspricht. Indes wird die hier folgende Darstellung vielleicht die Aufmerksamkeit erregen, da sie neu ist, die Entscheidung des Streites verheisst und das Behagen des Lesers nicht durch verwickelte und dunkle Ausführungen stören wird.

Ich hoffe also klar zu machen, dass alle Menschen in der Lehre von der Freiheit und Notwendigkeit eines Sinnes gewesen sind, sobald man diesen Worten einen vernünftigen Sinn unterlegt, und dass der ganze Streit sich bisher nur um Worte gedreht hat. Ich werde mit Prüfung der Lehre von der Notwendigkeit beginnen.

Man erkennt allgemein an, dass der Stoff in all seinen Verrichtungen durch eine notwendige Kraft geleitet wird, und dass jede natürliche Wirkung so genau durch die Wirksamkeit ihrer Ursache bestimmt wird, dass keine andere Wirkung unter diesen Umständen daraus hervorgehen kann. Der Grad und die Richtung jeder Bewegung ist durch die Naturgesetze mit solcher Schärfe vorgeschrieben, dass eher ein lebendes Wesen aus dem Stoss zweier Körper hervorgehen kann, als eine Bewegung von anderer Stärke und Richtung als die wirklich hervorgebrachte. Will man daher einen richtigen und genauen Begriff von der Notwendigkeit sich bilden, so muss man sehen, woher der Begriff kommt, wenn man ihn auf Vorgänge der Körperwelt anwendet.

Wenn alle Naturvorgänge in der Weise statt hätten, dass keine zwei einander irgend ähnlich wären, sondern jeder ein eigentümlicher für sich, ohne Ähnlichkeit mit irgend einem früheren, so würde man dann offenbar den Begriff der Notwendigkeit oder der Verknüpfung dieser Gegenstände nie gebildet haben. Man könnte dann wohl sagen, dass eine Sache der andern gefolgt sei, aber nicht, dass die eine die andere hervorgebracht habe. Die Beziehung von Ursache und Wirkung wäre dann dem Menschen ganz unbekannt. Schlüsse und Begründungen in bezug auf Naturvorgänge hätten dann sogleich ein Ende, und das Gedächtnis und die Sinne würden die einzigen Kanäle sein, durch welche das Wissen um eine reale Existenz möglicherweise in die Seele eintreten könnte.

Unser Begriff einer Notwendigkeit und Kausalität entspringt also lediglich aus der wahrnehmbaren Gleichförmigkeit in der Natur, in welcher gleiche Dinge immer miteinander verknüpft sind und der Verstand durch Gewohnheit bestimmt wird, von dem einen auf das andere zu schliessen. Diese beiden Umstände bilden das Wesen von jener Notwendigkeit, welche wir dem Stoffe beilegen. Ausser der beständigen Verbindung gleicher Dinge und der richtigen Folgerung des einen aus dem andern haben wir keinen Begriff von Notwendigkeit und Verknüpfung.

Sollte sich zeigen, dass jedermann immer ohne Zaudern und Zweifeln anerkannt hat, dass diese beiden Umstände bei den freiwilligen Handlungen der Menschen und bei den Vorgängen in der Seele bestehen, so folgt, dass jedermann in der Lehre der Notwendigkeit gleichen Sinnes gewesen ist, und dass man sich bisher nur gestritten hat, weil man sich nicht verstanden hat.

Was den ersten Umstand, die feste und regelmässige Verbindung gleicher Ereignisse anlangt, so werden die hier folgenden Betrachtungen vielleicht genügenden Aufschluss gewähren. Man gesteht allgemein zu, dass eine grosse Gleichförmigkeit im menschlichen Handeln bei allen Völkern und zu allen Zeiten besteht, und dass die menschliche Natur in ihren Gesetzen und Vorgängen immer dieselbe bleibt. Die gleichen Beweggründe führen zu denselben Handlungen; die nämlichen Wirkungen folgen den nämlichen Ursachen. Die Ehrsucht, der Geiz, die Selbstliebe, die Eitelkeit, die Feindschaft, der Edelmut, der Gemeingeist: all diese Leidenschaften haben in verschiedenen Mischungen und Austeilungen unter den Menschen von Beginn der Welt und noch heute die Quelle aller Handlungen und Unternehmen unter den Menschen gebildet. Will man die Gedanken, Neigungen und den Lebenslauf der Griechen und Römer kennen, so muss man sorgfältig das Temperament der Franzosen und Engländer studieren. Man wird wenig fehlgreifen, wenn man die meisten Beobachtungen, die mit Rücksicht auf die letztern gemacht sind, auf die ersteren überträgt. Die Menschen sind in allen Zeiten und Orten so sehr dieselben, dass die Geschichte uns hierin nichts Neues oder Fremdes bietet. Ihr Hauptnutzen liegt in der Aufdeckung der festen und allgemeinen Gesetze der menschlichen Natur, indem sie die Menschen in den verschiedensten Verhältnissen und Lagen darstellt und so den Forscher mit Material versorgt, woraus er Beobachtungen bilden und die Kenntnis der regelmässigen Triebfedern menschlichen Handelns und Benehmens gewinnen kann. Die Berichte über Kriege, Umtriebe, Parteiungen und Revolutionen sind ebensoviel Sammlungen von Versuchen, aus welchen der Staatsmann oder Moralphilosoph die Grundsätze seiner Wissenschaft ableitet; gerade wie der Naturforscher und Naturphilosoph durch Versuche mit der Natur der Pflanzen, Mineralien und anderer Gegenstände bekannt wird. Die Erde, das Wasser und die anderen Elemente, welche Aristoteles und Hippokrates untersucht haben, sind den heutiges Tags untersuchten nicht ähnlicher, als die von Polybius und Tacitus geschilderten Menschen denen, welche jetzt die Welt regieren.

Wenn ein Reisender aus einem fernen Lande zurückkehrte und uns von Menschen erzählte, die ganz verschieden von allen uns bekannten wären; die von Ehrsucht, Geiz und Rachsucht ganz frei wären; denen nur Freundschaft, Edelmut, Opferwilligkeit für das Allgemeine als Genuss gelte, so würde man sogleich an diesen Umständen die Unwahrheit erkennen und ihn für einen Lügner erklären, und zwar so gewiss, als wenn er seine Erzählung mit Geschichten von Centauren und Drachen, Wundern und Ungeheuerlichkeiten aufgeputzt hätte. Will man irgend eine Verfälschung der Geschichte herausbringen, so kann man kein überzeugenderes Mittel benutzen, als nachzuweisen, dass die der Person zugeschriebenen Handlungen geradezu gegen den Lauf der Natur sind, und dass unter solchen Umständen kein menschlicher Beweggrund zu einem solchen Benehmen geführt haben könne. Die Wahrhaftigkeit von Quintus Curtius ist ebenso verdächtig, wo er den übernatürlichen Mut Alexanders beschreibt und ihn allein auf grosse Massen losstürzen lässt, als wo er die übernatürliche Kraft und Behendigkeit beschreibt, mit der er seinen Gegnern zu widerstehen vermochte. So leicht und allgemein erkennt man an, dass in den Beweggründen und Handlungen des Menschen dieselbe Gleichförmigkeit wie in den Verrichtungen der Körper besteht.

Darauf beruht der Nutzen der Erfahrung, die man durch ein langes Leben und mannigfache Thätigkeit und Gesellschaft sammelt; sie lehrt uns die Gesetze der menschlichen Natur und regelt unser künftiges Benehmen und unsere Pläne. Mit diesem Führer lernen wir einerseits die Neigungen und Beweggründe der Menschen aus ihren Handlungen, Reden und Geberden erkennen; andrerseits erklären wir aus ihren Beweggründen und Neigungen ihre Handlungen. Die allgemeinen Beobachtungen, welche wir aus langer Erfahrung aufgespeichert haben, geben den Faden, der uns im Labyrinthe der menschlichen Natur leitet. Vorwände und Schein täuschen dann nicht mehr. Öffentliche Erklärungen gelten dann für Beschönigung des Sachverhalts. Und obgleich man der Tugend und Ehre ihren Wert und ihre Geltung zugesteht, sucht man doch die so oft vorgegebene vollkommene Selbstlosigkeit nicht in der Menge und in den Parteien, nur selten in ihren Führern und kaum hie und da in einzelnen Männern von Rang und Bedeutung. Bestände nicht diese Gleichförmigkeit im menschlichen Handeln, und wäre jeder hier angestellte Versuch regellos und ungleich, so könnte man keine allgemeine Regeln über Menschen aufstellen, und selbst die noch so sehr durchdachte Erfahrung hätte keinen Nutzen. Weshalb ist der alte Bauer geschickter in seinem Geschäft als der junge Anfänger? Nur weil eine gewisse Gleichförmigkeit zwischen den Wirkungen der Sonne, dem Regen, der Erde und dem Wachstum der Pflanzen besteht, und weil die Erfahrung dem alten Praktiker die Regeln gelehrt hat, wodurch dieser Einfluss bestimmt und geleitet wird.

Man darf indes nicht meinen, dass diese Gleichförmigkeit menschlichen Handelns so weit gehe, dass alle unter denselben Umständen genau in gleicher Weise handeln, ohne Rücksicht auf den Unterschied des Charakters, der Vorurteile und Meinungen. Eine solche bis in das Kleinste reichende Gleichförmigkeit zeigt sich in keinem Teile der Natur. Man kann im Gegenteil aus der Mannichfaltigkeit des Benehmens Mehrerer eine grössere Mannichfaltigkeit von Regeln bilden, welche immer noch einen Grad von Gleichförmigkeit und Regelmässigkeit voraussetzen.

Sind nicht die Sitten der Menschen verschieden je nach verschiedenen Zeiten und Ländern? Daraus erhellt die grosse Macht der Gewohnheit und Erziehung, die die Seele von der Kindheit ab bearbeiten und zum festen Charakter bilden. Ist das Benehmen und die Aufführung der Männer nicht sehr verschieden von der der Frauen? Daraus geht der Unterschied der Charaktere hervor, welche die Natur den beiden Geschlechtern erteilt hat, und die sie beharrlich und gleichmässig bewahrt. Sind nicht die Handlungen desselben Menschen sehr verschieden nach den verschiedenen Perioden seines Lebens, nach Kindheit und Alter? Daraus können viele Beobachtungen über den allmählichen Wechsel unserer Empfindungen und Neigungen gemacht werden, und über den Unterschied der Grundsätze, welche in den verschiedenen Lebensaltern des Menschen die Oberhand haben. Selbst der individuelle Charakter zeigt Gleichförmigkeit in seiner Einwirkung, sonst könnte man aus der Kenntnis der Personen und der Beobachtung ihres Benehmens nicht auf ihre Absichten schliessen und das eigene Benehmen danach einrichten.

Ich gebe zu, dass man Handlungen aufzeigen kann, welche keine regelmässige Verbindung mit einem bekannten Beweggrunde zu haben scheinen und eine Ausnahme zu allen Regeln des Benehmens bilden, welche für die Leitung des Menschen aufgestellt worden sind. Wenn man aber ein Urteil über solche unregelmässige und ausnahmsweise Handlungen haben will, so muss man auf die Ansichten zurückgehen, die über unregelmässige Erscheinungen im Laufe der Natur und bei den Vorgängen der äusseren Gegenstände sich bilden. Alle Ursachen sind nicht mit derselben Gleichförmigkeit mit ihren Wirkungen verknüpft. Ein Handwerker, der nur einen rohen Stoff verarbeitet, kann in seiner Absicht ebenso irregeführt werden als ein Staatsmann, dem die Führung geistiger und empfindender Kräfte obliegt.

Die Menge, welche die Dinge nach ihrem ersten Anschein beurteilt, schreibt die Unsicherheit des Erfolges einer Unsicherheit in der Ursache zu, die sie ihre Wirkung manchmal verfehlen lässt, wenn auch kein Hindernis ihrer Thätigkeit entgegentritt. Aber Philosophen bemerken, dass beinah in allen Gebieten der Natur eine grosse Mannichfaltigkeit von wirkenden Kräften und Prinzipien besteht, welche wegen ihrer Kleinheit oder Entfernung nicht bemerkt werden, und erkennen es wenigstens als möglich an, dass der Widerspruch im Erfolge nicht von einer Zufälligkeit in der Ursache, sondern von den geheimen Wirkungen von Gegenursachen herrührt. Fortgesetzte Beobachtung verwandelt diese Möglichkeit in Gewissheit; man bemerkt bei genauer Untersuchung immer, dass der Gegensatz der Wirkung einen Gegensatz in den Ursachen verrät und aus deren wechselseitiger Hemmung entspringt. Ein Bauer kann, wenn die Uhr stehen bleibt, keinen Grund dafür angeben, als dass sie nicht richtig gegangen sei; aber der Sachverständige weiss, dass dieselbe Kraft der Feder oder des Pendels immer dieselbe Kraft auf die Räder übt, und dass diese gewohnte Wirkung hier vielleicht nur durch ein Sandkorn, welches die Bewegung aufhält, ausbleibt. Aus der Beobachtung verschiedener gleichlaufender Fälle entnehmen die Philosophen den Grundsatz, dass die Verknüpfung zwischen allen Ursachen und Wirkungen gleich notwendig ist, und dass die anscheinenden Ausnahmen in einzelnen Fällen nur von geheimen Gegenwirkungen entgegengesetzter Ursachen herkommen.

Wenn z. B. bei dem menschlichen Körper die gewöhnlichen Zeichen von Gesundheit und Krankheit unser Urteil täuschen; wenn die Medizin nicht in gewöhnlicher Weise wirkt; wenn unregelmässige Erfolge sich an eine besondere Ursache knüpfen, so ist der Philosoph und Arzt nicht darüber verwundert; sie bestreiten deshalb im allgemeinen nicht die Notwendigkeit und Gleichförmigkeit der Prinzipien, welche das tierische Leben regieren. Sie wissen, dass der menschliche Körper eine ausserordentlich verwickelte Maschine ist; dass viele geheime Kräfte in ihm lauern, von denen man keine Vorstellung hat; dass er uns in seiner Wirksamkeit oft unregelmässig erscheinen muss, und dass deshalb diese unregelmässigen Folgen, welche sich äusserlich zeigen, nicht beweisen, dass die Naturgesetze nicht die grösste Regelmässigkeit in ihrer inneren Wirksamkeit und Herrschaft innehalten.

Will der Philosoph folgerecht sein, so muss er dasselbe von den Handlungen und dem Wollen verständiger Wesen gelten lassen. Die unregelmässigsten und unerwartetsten Entschlüsse eines Menschen werden von dem verstanden, der alle Einzelheiten seines Charakters und seiner Lage kennt. Ein gutmütiger Mensch giebt eine mürrische Antwort; aber er hat Zahnschmerzen oder hat noch nicht zu Mittag gegessen. Ein dummer Mensch zeigt eine ungewohnte Lebhaftigkeit in seinem Benehmen; aber es ist ihm plötzlich etwas Angenehmes begegnet. Und wenn für eine Handlung zu Zeiten keine genügende Erklärung, weder von dem Handelnden selbst noch von Andern gegeben werden kann, so wissen wir ja, dass die Charaktere der Menschen bis zu einem gewissen Grade unbeständig und unregelmässig sind. Es ist dies gewissermassen der feste Zug in der menschlichen Natur, obgleich er insbesondere für solche gilt, welche keine Regel in ihrem Benehmen festhalten, sondern sich in einer fortlaufenden Reihe von Laune und Unbeständigkeit bewegen. Trotz dieser anscheinenden Unregelmässigkeit können die inneren Prinzipien und Beweggründe regelmässig wirken; wie man ja auch bei dem Winde, dem Regen, den Wolken und anderem Wechsel des Wetters feste Gesetze für ihr Eintreten voraussetzt, die nur der menschliche Scharfsinn und die Beobachtung nicht leicht entdecken können.

So zeigt sich, dass die Verbindung zwischen Beweggrund und willkürlichem Handeln ebenso regelmässig und gleichförmig ist wie die zwischen Ursache und Wirkung in allen Gebieten der Natur. Diese regelmässige Verbindung wird von jedermann anerkannt und ist weder im Leben noch in der Philosophie bestritten worden. Da nur aus früherer Erfahrung wir alle Schlüsse für die Zukunft ziehen, und da man annimmt, dass Gegenstände, die man immer verbunden angetroffen hat, auch immer verbunden bleiben werden, so ergiebt sich von selbst, dass diese wahrgenommene Gleichförmigkeit des menschlichen Handelns die Quelle ist, aus der wir die Schlüsse für dasselbe ableiten. Um indes die Frage noch weiter zu beleuchten, will ich zu diesem letzten Punkte noch Einiges bemerken.

Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen in allen Gemeinschaften derselben ist so gross, dass kaum irgend eine menschliche Handlung in sich selbst so abgeschlossen und ohne Beziehung auf die Handlungen Anderer ist, dass ohne diese die Absicht des Handelnden erreichbar wäre. Der ärmste Handwerker, der für sich allein arbeitet, hofft mindestens auf den Schutz der Obrigkeit, um ihm den Genuss der Früchte seiner Arbeit zu sichern. Ebenso erwartet er, dass er, wenn er seine Waaren zu Markte bringt und billige Preise stellt, Käufer finden werde und dass er mit dem gelösten Gelde Andere wird bestimmen können, ihn mit dem, was er zu seinem Lebensunterhalte bedarf, zu versehen. Je weiter die Menschen ihre Thätigkeit ausdehnen, und je verwickelter der Verkehr mit Andern wird, desto grösser wird bei ihren Plänen die Mannichfaltigkeit der willkürlichen Handlungen, welche sich, nach ihren eigentümlichen Beweggründen, mit den ihrigen verbinden sollen. Bei allen diesen Entschlüssen fasst man seine Massregeln nach früheren Erfahrungen, wie bei den Erwägungen rücksichtlich äusserer Gegenstände, und man ist überzeugt, dass die Menschen, ebenso wie die Elemente, in ihrer Wirksamkeit genau so bleiben werden, wie man sie immer gefunden hat. Ein Fabrikant rechnet auf die Arbeit seiner Leute für die Fertigung seiner Waren ebenso sicher wie auf die Wirksamkeit der Werkzeuge, welche er dabei benutzt, und er würde ebenso überrascht sein, wenn er in seinen Erwartungen getäuscht würde. Kurz, dieses Schliessen aus Erfahrung auf die Handlungen Anderer dringt so in das Leben ein, dass niemand im wachen Zustande auch nur einen Augenblick davon ablässt. Kann man daher nicht mit Recht behaupten, dass alle Menschen in der Lehre von der Notwendigkeit nach der obigen Definition und Erläuterung derselben immer übereingestimmt haben?

Selbst Philosophen haben in diesem Punkte keine, von der gemeinen abweichende Ansicht; denn abgesehen davon, dass beinahe jede Handlung ihres Lebens von dieser Ansicht ausgeht, giebt es auch wenige Zweige des spekulativen Wissens, für welche sie nicht wesentlich wäre. Was sollte aus der Geschichte werden, vertraute man nicht der Wahrhaftigkeit des Geschichtsschreibers der Erfahrung gemäss, die man über die Menschen besitzt? Wie könnte die Politik eine Wissenschaft sein, wenn die Gesetze und Verwaltungsformen nicht einen gleichmässigen Einfluss auf die Gesellschaft übten? Wo bliebe die Grundlage der Moral, wenn ein bestimmter Charakter nicht die sichere und bestimmte Macht hätte, bestimmte Entschlüsse hervorzurufen, und wenn diese Entschlüsse nicht eine regelmässige Wirksamkeit auf die Handlung hätten? Und mit welchem Rechte könnte man die Kritik über einen Dichter oder ästhetischen Schriftsteller üben, wenn man das Benehmen und die Gesinnungen seiner Personen ihren Charakteren und Verhältnissen gemäss weder als natürlich noch als unnatürlich beurteilen könnte? Man kann sich daher weder mit einer Wissenschaft noch mit einer Handlung befassen, ohne die Lehre von der Notwendigkeit und die Schlussfolgerungen vom Beweggrunde auf die willkürliche Handlung und vom Charakter auf das Benehmen anzuerkennen.

Betrachtet man, wie eng die natürliche und moralische Gewissheit miteinander verkettet sind und zusammen nur eine Reihe von Schlüssen bilden, so wird man sicherlich anerkennen, dass sie gleicher Natur sind und aus denselben Prinzipien sich ableiten. Ein Gefangener, welcher weder Geld noch Einfluss hat, erkennt die Unmöglichkeit seiner Flucht, sowohl wenn er den Widerstand seines Wächters bedenkt, als wenn er die Mauern und Schranken betrachtet. Bei allen Freiheitsversuchen arbeitet er noch eher gegen Stein und Eisen der letztern, als gegen die unbeugsame Natur des erstern. Wenn dieser Gefangene zum Schaffot geführt wird, so weiss er, dass die Gewissheit seines Todes ebenso durch die Festigkeit und Treue der Wächter, als durch die Wirksamkeit des Beils und Rades bedingt ist. Seine Gedanken bewegen sich in einer bestimmten Reihe von Vorstellungen, als: Die Weigerung der Soldaten, ihn entwischen zu lassen, die Handlung des Scharfrichters, die Trennung des Kopfes vom Rumpfe, das Verbluten, die krampfhaften Zuckungen und der Tod. Hier sind natürliche Ursachen und willkürliche Handlungen verkettet; aber der Verstand macht beim Übergang von dem einen zum andern keinen Unterschied zwischen ihnen, und er ist der kommenden Begebenheit ebenso sicher, als wenn sie durch eine Reihe von Ursachen, die durch Naturnotwendigkeit, wie wir zu sagen pflegen, aneinandergekittet sind, mit Dingen verknüpft wären, die dem Gedächtnis und den Sinnen gegenwärtig sind. Eine durch die Erfahrung bekannte Verbindung wirkt immer wieder gleichartig auf den Verstand, mögen die verbundenen Dinge Beweggründe, Wollen und Handlungen oder Gestalten und Bewegungen sein. Wir können wohl die Namen der Dinge ändern, aber deren Natur und Wirksamkeit auf den Verstand ändert sich nicht.

Kommt ein mir als ehrlich und reich bekannter und mir befreundeter Mann in mein Haus, wo ich von meinen Leuten umgeben bin, so bin ich so sicher, dass er mich nicht vor seinem Fortgehen erstechen wird, um mein Silberzeug zu rauben, als ich sicher bin, dass mein neues und fest gebautes Haus nicht einfallen wird. – Aber er könnte von einem plötzlichen Wahnsinn befallen werden. – Nun, so kann auch plötzlich ein Erdbeben entstehen, mein Haus erschüttern und über meinen Kopf zusammenstürzen lassen. Ich will deshalb die Voraussetzungen ändern und sagen, dass ich gewiss bin, er werde seine Hand nicht in das Feuer halten und warten bis sie verbrannt ist. Und dies, meine ich, kann ich mit derselben Sicherheit voraus sagen, als jenes, dass, wenn er aus dem Fenster springt und keinen Anhalt findet, er nicht einen Augenblick in der Luft sich schwebend erhalten wird. Kein Verdacht eines unbekannten Wahnsinns kann ersteres, welches allen bekannten Gesetzen der Menschennatur widerspricht, im Geringsten wahrscheinlich machen. Wer an einem Nachmittag seine mit Gold gefüllte Börse auf das Pflaster von Charingcross (eine Strasse in London) legt, kann ebenso gut voraussetzen, dass sie wie eine Feder davonfliegen wird, als dass er sie eine Stunde später noch unberührt dort wiederfinden werde. Über die Hälfte der menschlichen Folgerungen enthält Schlüsse ähnlicher Art, die für mehr oder minder gewiss gelten, je nach unserer Erfahrung von dem gewöhnlichen Benehmen der Menschen in solchen besondern Verhältnissen.

Ich habe oft nach dem Grunde gesucht, weshalb jedermann, obgleich er die Lehre der Notwendigkeit ohne Zaudern in seinem Handeln und in seinem Denken anerkennt, doch so schwer sich entschliesst, sie in Worten anzuerkennen und zu allen Zeiten eher zur entgegengesetzten Meinung sich bekennt. Die Sache kann vielleicht so erklärt werden. Wenn man die Wirksamkeit der Körper und die Hervorbringung der Wirkungen aus ihren Ursachen untersucht, so findet sich, dass all unser Denken uns in der Kenntnis dieser Beziehung nicht weiter bringt, als zu der einfachen Beobachtung, dass gewisse Dinge beständig miteinander verbunden sind, und dass der Verstand durch einen gewohnten Gedankengang bei dem Eintritt des einen zum Glauben des andern bestimmt wird. Obgleich dies Ergebnis menschlicher Unwissenheit sich aus der genauesten Untersuchung der Frage ergiebt, so neigen die Menschen doch sehr zu der Meinung, dass sie tiefer in die Kräfte der Natur eindringen und etwas gleich einer notwendigen Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung erkennen. Wenden sie sich dann zur Betrachtung der Vorgänge in ihrer eigenen Seele und fühlen sie da keine solche Verknüpfung zwischen Beweggrund und Handlung, so entnehmen sie daraus, dass ein Unterschied in den Wirkungen besteht, je nachdem sie aus körperlicher Kraft oder aus Gedanken und Einsicht entspringen. Ist man aber einmal überzeugt, dass man nichts weiter von Ursächlichkeit jeder Art kennt, als bloss die beständige Verbindung von Dingen und demgemäss die Folgerung des Verstandes von dem Einen auf das Andere, und findet man, dass diese zwei Umstände allgemein bei willkürlichen Handlungen statthaben, so wird man geneigter sein, auch hier dieselbe Notwendigkeit, wie bei allen andern Ursachen anzuerkennen. Und obgleich diese Darstellung dem Systeme vieler Philosophen widerspricht, insofern sie den Entschlüssen des Willens Notwendigkeit zuschreibt, so ergiebt sich doch bei näherer Betrachtung, dass man nur in Worten, aber nicht in dem Sinne voneinander abweicht. Die Notwendigkeit in dem hier dargelegten Sinne ist nie und kann, meines Erachtens, nie von einem Philosophen zurückgewiesen werden. Man kann höchstens behaupten, dass der Verstand bei körperlichen Vorgängen eine weitere Verknüpfung zwischen Ursache und Wirkung erkennen kann, eine Verknüpfung, die bei willkürlichen Handlungen vernünftiger Wesen nicht stattfindet. Ob dies sich so verhält oder nicht, kann nur die Untersuchung entscheiden, und es liegt diesen Philosophen ob, ihre Behauptung zu beweisen und jene Notwendigkeit zu definieren, zu beschreiben und in der Wirksamkeit der körperlichen Ursachen aufzuzeigen.

Es scheint wirklich, dass man die Frage über Freiheit und Notwendigkeit am verkehrten Ende anfasst, wenn man mit der Untersuchung der Seelenvermögen, dem Einfluss des Verstandes und der Wirksamkeit des Willens beginnt. Man muss mit einer einfacheren Frage beginnen, nämlich mit der Wirksamkeit der Körper und des vernunftlosen Stoffes, und ermitteln, ob man hier einen Begriff von Ursächlichkeit und Notwendigkeit bilden kann, der mehr ist, als regelmässige Verbindung der Dinge und daraus folgenden Schluss des Verstandes von einem auf den andern. Wenn diese Bestimmungen in Wahrheit den ganzen Inhalt der Notwendigkeit ausmachen, welche bei körperlichen Dingen angenommen wird, und wenn jedermann anerkennt, dass diese Bestimmungen auch bei der Wirksamkeit der Seele bestehen, so ist der Streit zu Ende, oder er ist wenigstens dann nur noch ein Wortstreit. So lange man aber voreilig annimmt, dass man bei den Vorgängen der äussern Gegenstände noch einen weitern Begriff von Ursächlichkeit und Notwendigkeit habe, während man doch in den willkürlichen Handlungen der Seele nichts Weiteres finden kann, bleibt es unmöglich, die Frage zu einer bestimmten Entscheidung zu bringen, da man von irrtümlichen Voraussetzungen ausgeht. Der einzige Weg, sich nicht zu täuschen, ist, höher zu steigen, den geringen Umfang der Wissenschaft in bezug auf körperliche Ursachen zu untersuchen und sich zu überzeugen, dass Alles, was wir von ihnen wissen, sich auf die beständige Verbindung und die obenerwähnte Schlussfolgerung beschränkt. Es wird uns vielleicht schwer, dem menschlichen Verstande so enge Schranken zu setzen; aber wenn wir diese Lehre auf die willkürlichen Handlungen ausdehnen, werden wir keine Schwierigkeiten mehr finden. Denn da diese Handlungen offenbar eine regelmässige Verbindung mit den Beweggründen, Umständen und Charakteren haben, und da wir fortwährend von dem Einen auf das Andere schliessen, so muss man selbst in Worten sich zu der Notwendigkeit bekennen, die man bereits in jeder Überlegung des Lebens und in jedem Schritt unseres Benehmens und Handelns anerkannt hat.

Anm. F. Das Vorwiegen der Lehre von der Freiheit lässt sich noch aus einem andern Grunde erklären; nämlich aus einer falschen Empfindung oder anscheinenden Wahrnehmung von einer Freiheit oder Gleichgiltigkeit bei vielen unserer Handlungen. Die Notwendigkeit eines Geschehens, sei es eines körperlichen oder eines geistigen, ist eigentlich keine Bestimmung in dem wirkenden Element, sondern in dem denkenden oder verständigen Wesen, das das Geschehen betrachtet; sie besteht wesentlich in der Nötigung des Denkens, das Dasein des Geschehnisses aus vorhergehenden Dingen zu schliessen. Wie die Freiheit, als Gegensatz der Notwendigkeit, nur der Mangel dieser Nötigung ist, und das Gefühl einer gewissen Ungebundenheit und Gleichgiltigkeit, die man bei dem Übergehen oder Nicht-Übergehen von der Vorstellung eines Dinges zu der eines darauffolgenden empfindet. Obgleich man bei der Betrachtung der menschlichen Handlungen selten eine solche Ungebundenheit und Gleichgiltigkeit fühlt, sondern meist mit ziemlicher Gewissheit aus den Beweggründen und Neigungen des Handelnden auf sie schliessen kann, so trifft es sich doch oft, dass man bei dem eignen Handeln etwas dem Ähnliches empfindet. Da nun das Ähnliche leicht verwechselt wird, so hat man diesen Umstand für einen vollen, ja anschaulichen (intuitiven) Beweis der menschlichen Freiheit genommen. Wir fühlen, dass unsere Handlungen in der Regel von unserm Wollen abhängen, und meinen zu fühlen, dass der Wille selbst von nichts abhängt; denn wenn dieses bestritten wird, wird man bei einem Versuch bemerken, dass der Wille sich leicht nach jeder Richtung hin wendet und ein Bild von sich (oder eine Velleität, wie die Schule sagt) selbst nach der Seite hin, wo er nicht bleibt, erzeugt. Nun meint man, dass dieses Bild oder diese schwache Wendung zu dieser Zeit hätte ausgeführt werden können; weil man, wenn es bestritten wird, bei einer zweiten Probe findet, dass man es jetzt kann. Man bedenkt nicht, dass hier der phantastische Wunsch, die Freiheit darzulegen, der Beweggrund des Handelns ist. Wenn wir auch uns einbilden, in einem solchen Falle die Freiheit in uns zu fühlen, so kann doch sicherlich ein Zuschauer dies Handeln aus unserm Charakter und Beweggrunde folgern, und ist dieses nicht, so weiss er doch, dass er es vermöchte, wenn er vollständig mit den Umständen und unserem Temperament und mit den geheimen Triebfedern unserer Natur und Stimmung bekannt wäre. Darin besteht aber das wahre Wesen der Notwendigkeit nach der oben gegebenen Lehre.

Um in diesem versöhnlichen Unternehmen über die Freiheit und Notwendigkeit, der bestrittensten Frage in der bestrittensten Wissenschaft, nämlich der Metaphysik, fortzufahren, wird es nur weniger Worte bedürfen, um zu beweisen, dass die Menschen in der Lehre der Freiheit ebenso derselben Meinung wie bei der Notwendigkeit gewesen sind, und dass der ganze Streit auch hier sich nur um Worte gedreht hat. Denn was versteht man unter Freiheit bei willkürlichen Handlungen? Man meint sicherlich nicht, dass die Handlungen so wenig Zusammenhang mit den Beweggründen, Neigungen und Umständen haben, dass nicht das Eine mit einer gewissen Gleichförmigkeit aus dem Anderen folgte, und dass das Eine keinen Anhalt biete, um auf die Existenz des Andern zu schliessen; denn das sind klare und anerkannte Thatsachen. Man kann deshalb unter Freiheit nur die Macht verstehen, zu handeln oder nicht zu handeln, je nach dem Beschluss des Willens; d. h. wenn wir uns ruhn wollen, so können wir es, und wenn wir uns bewegen wollen, so können wir es auch. Diese bedingte Freiheit wird allgemein bei jedem anerkannt, der nicht ein Gefangener und in Ketten ist. Hier ist also kein Streitgegenstand.

Welche Definition der Freiheit man auch aufstelle, immer muss man zwei Umstände beachten, erstens, dass sie mit den Thatsachen übereinstimme, und zweitens, dass sie mit sich selbst übereinstimme. Beachtet man Beides, und macht man die Definition verständlich, so wird sich sicherlich ergeben, dass alle Welt hierbei einerlei Meinung ist.

Man giebt allgemein zu, dass nichts da ist ohne Ursache für sein Dasein, und dass Zufall im strengen Sinne nur eine Verneinung ist und keine wirkliche Kraft bezeichnet, die irgend ein Dasein in der Natur hätte. Aber man behauptet, dass gewisse Ursachen notwendig seien und andere nicht. Hier zeigt sich nun der Nutzen der Definitionen. Man möge nur eine Ursache definieren, ohne die notwendige Verknüpfung mit der Wirkung als einen Teil der Definition darin aufzunehmen; man zeige genau den Ursprung des Begriffs, welcher durch die Definition ausgedrückt ist; gelingt es, so will ich mich sofort für besiegt erklären. Hat man aber die obige Erklärung der Sache angenommen, so erhellt, dass ein solches Unternehmen unausführbar ist. Ohne regelmässige Verbindung der Dinge unter einander hätten wir nie den Begriff von Ursache und Wirkung bekommen, und diese regelmässige Verbindung führt zu der Folgerung des Verstandes, welche die einzige Verknüpfung ist, die man begreifen kann. Jeder Versuch, die Ursache zu definieren, ohne diese Bestimmungen aufzunehmen, muss entweder in unverständliche Ausdrücke geraten, oder in solche, welche nur in Worten von dem zu definierenden Gegenstand verschieden sind.

Anm. G. Wird z. B. die Ursache als das definiert, was etwas hervorbringt, so ist das: Hervorbringen hier synonym mit: verursachen. Dasselbe gilt, wenn die Ursache als das definiert wird, wodurch etwas existiert. Denn was bedeutet das Wort wodurch? Hätte man gesagt, die Ursache ist das, nach dem ein anderes Ding beständig existiert, so hätte man diese Worte verstanden. Denn dies allein wissen wir in der That davon. Diese Beständigkeit ist das wahre Wesen der Notwendigkeit, und man hat keinen andern Begriff davon.

Wenn man aber die oben gegebene Definition anerkennt, so ist die Freiheit, als Gegensatz der Notwendigkeit und nicht des Zwanges, dasselbe wie Zufall, von dem man allgemein anerkennt, dass er nicht besteht.

Schon bisher hat Hume von der notwendigen Verknüpfung gesprochen, indes ist bereits am Schluss der Erläuterung 11 gezeigt worden, dass Hume bisher nur den Begriff der Kraft behandelt hat, so erklärt es sich, dass er hier noch einmal von der Notwendigkeit, als etwas Neuem, zu sprechen beginnt. Im Hauptteile behandelt Hume hier die Notwendigkeit; er wiederholt indes nur die bereits behandelten Bestimmungen der Ursächlichkeit und notwendigen Verknüpfung; er erklärt Notwendigkeit und Verknüpfung für identisch. Deshalb kehrt denn auch seine bereits früher gegebene Erklärung wieder, dass die Notwendigkeit nichts ist, als eine Gewohnheit, von zwei oft beisammen gewesenen Vorstellungen beim Eintritt der einen auch die andere sich vorzustellen. Die Verknüpfung der Dinge selbst ist nach Hume nicht die Notwendigkeit, sondern sie ist nur der Grund, dass ihre Vorstellungen in der Seele sich folgen, und nur das Gefühl dieser Folge im Vorstellen soll die Notwendigkeit sein.

Abgesehen von der schon gerügten Verwechselung des Objektiven mit dem Subjektiven hierbei, hat Hume auch den Begriff des Notwendigen an sich nicht vollständig erfasst. Die Notwendigkeit ist zwar in der Ursächlichkeit mit enthalten, allein sie ist nicht identisch mit ihr; sie zeigt sich auch noch in anderen Vorstellungen, und näher betrachtet ist sie keine Beziehungsform, sondern eine Wissensart. Die Natur dieser und ihr Unterschied von den Beziehungen ist B. I. S. 56 dargelegt worden. Solche Wissensarten sind unter anderen das bekannte, das gesteigerte, das gewisse und das notwendige Wissen. In allen diesen Arten kann der Inhalt der Vorstellung derselbe bleiben und doch bald als ein bekannter, bald als ein gewisser, bald als ein notwendiger u. s. w. vorgestellt werden. Die Lehrsätze der Geometrie sind z. B. dem Schüler vor dem Beweise beim ersten Hören nur ein blosses Wissen; dies Wissen wird ein gewisses, wenn der Schüler auf die Autorität des Lehrers hin den Satz glaubt; aber erst nach dem Beweise wird sein Wissen dieses Lehrsatzes ein notwendiges, und doch hat der Inhalt des Lehrsatzes sich bei diesen verschiedenen Arten seines Wissens nicht im mindesten geändert. Das Notwendige ist deshalb keine gegenständliche, den Dingen anhaftende Bestimmung, sondern nur eine Art, sie vorzustellen. Auch die gewöhnliche Logik erkennt dies an, indem sie die Notwendigkeit zur Modalität der Urteile rechnet. Dennoch wird später in der Metaphysik dies vergessen und das Notwendige als eine Bestimmung der Dinge selbst behandelt. Es ist ein Hauptziel des Realismus, die Philosophie vor diesem Irrtum zu schützen und sich immer bewusst zu bleiben, dass die Wissensarten, ebenso wie die Beziehungsformen, nur dem Denken angehören, aber nichts Wirkliches bezeichnen.

Jede Wissensart, als ein mit seienden Elementen durchzogenes Wissen (B. I. 57), hat ihre bestimmten Ursachen, an welche sie geknüpft ist. Die Notwendigkeit haftet 1) an dem Wahrnehmen; alles Wahrgenommene wird notwendig für daseiend gehalten; 2) an dem Widerspruch; alles sich Widersprechende wird notwendig für nicht daseiend oder unmöglich gehalten; und 3) an den Beziehungsformen, von denen die zusammengehörenden Bestimmungen als notwendig verbunden vorgestellt werden; deshalb hat die Ursache notwendig eine Wirkung; deshalb hat die Substanz notwendig Accidenzen; das Ganze Teile, das Äussere ein Inneres u. s. w.

Hieraus erhellt, dass der Begriff der Notwendigkeit viel weiter reicht, als Hume meint, und dass er nicht, wie Hume thut, auf die Kategorie der Ursachlichkeit beschränkt werden kann.

Nach diesen Vorbemerkungen wird die Darstellung Hume's sich leichter verstehen lassen. Alles läuft in derselben auf den Satz hinaus, dass die menschlichen Handlungen ebenso regelmässig und gleichförmig mit bestimmten Motiven verknüpft seien, wie die Ereignisse in der Natur es mit ihren Ursachen sind.
Diese Regelmässigkeit stellt Hume sehr klar und überzeugend dar. Er zeigt auch, dass sie durch scheinbare Ausnahmen nicht aufgehoben werde, weil neben der äusseren Ursache auch der Charakter und das Temperament des Menschen mitwirken, so dass, wenn man alle diese Umstände in Rechnung zieht, die Regelmässigkeit ohne Ausnahme besteht. Dies letzte Moment ist die Empfänglichkeit, welche als zweiter Faktor neben der äusseren Ursache die Gefühle und Motive bewirkt; sie ist indes von Hume nicht erschöpft, wie die Vergleichung mit B. XI. S. 36 ergiebt, wo diese Lehre ausführlicher dargestellt ist.

Bis hier kann man Hume beitreten. Allein nun folgt sein Irrtum, indem er diese Regelmässigkeit mit der Notwendigkeit verwechselt, und aus jener die Notwendigkeit alles menschlichen Handelns ableitet.

Zunächst scheinen beide Begriffe allerdings identisch; allein in Wahrheit ist die Notwendigkeit, wie gezeigt worden, nur im Denken. Sie entsteht allerdings aus der Regelmässigkeit thatsächlicher Verbindungen dann, wenn im Denken der einzelne Fall unter die Regel subsumirt wird. Dann, aber auch erst dann, wird die Folge für das Denken, auf Grund des zweiten Fundamentalsatzes (B. I. 62. 68.), eine notwendige. Aber diese Notwendigkeit hängt nicht den Dingen und auch nicht dem Handeln an; sondern ist nur eine besondere Art, dieselben sich vorzustellen. Die einzelne wahrgenommene Handlung hat keine Notwendigkeit; dies fühlt Jeder; erst wenn man eine Regel herbeiholt und sie als darunter gehörig erkennt, wird die Handlung, als Glied solcher Regel, als eine notwendige vorgestellt.

Ist dies richtig, so erhellt, dass die Notwendigkeit überhaupt in dem Seienden nicht besteht; weder in der Natur noch in dem Handeln; nur die Regelmässigkeit wird in beiden angetroffen, aber keine Notwendigkeit. Erst durch Subsumtion der Handlung unter eine Regel wird die Handlung als eine notwendige vorgestellt; aber sie selbst wird damit keine notwendige.

Wenn deshalb Hume fragt: Wie kommt es, dass die Menschen allgemein die Regelmässigkeit zwischen Motiv und Handeln anerkennen und doch die Notwendigkeit des Handelns leugnen, so liegt der Grund eben darin, dass die Notwendigkeit nur im Denken ist, aber keine seiende Bestimmung des Handelns bildet. Deshalb wird sie nicht innerlich wahrgenommen; deshalb fühlt sich Jeder, trotz der Regelmässigkeit, doch in seinem Handeln frei, d. h. er fühlt, dass keine eiserne Kette der Notwendigkeit sein Handeln an das Motiv knüpft, sondern nur, dass es ihm zeitlich folgt.
Das ist die wahre Lösung dieser bestrittenen Frage. Das weitere ist in B. XI. S. 81 ausgeführt. Neuerlich hat Stuart Mill dieselbe Ansicht aufgestellt; allein seine Begründung ist mangelhaft, weil ihm die Notwendigkeit als eine seiende Bestimmung der Dinge gilt.

Hume war dieser Lösung ziemlich nahe. Er giebt zu, »dass man beim Handeln keine Verknüpfung zwischen Motiv und Handlung fühle, während man sich einbilde, eine solche Verknüpfung in den Naturvorgängen erkannt zu haben.« Deshalb, meint Hume, halte man nur diese für notwendig, aber die Handlungen für frei, obgleich doch die Verbindung bei beiden und somit die Notwendigkeit bei beiden in gleicher Weise bestehe.

Vielmehr hätte Hume folgern sollen: Da die Notwendigkeit also nicht gefühlt wird, so ist sie auch kein Seiendes; deshalb besteht die Notwendigkeit weder im Natürlichen, noch im Handeln; sie kommt erst durch das Denken herbei, wenn man das Einzelne unter eine Regel subsumiert. Deshalb besteht zwar die Regelmässigkeit im Handeln; deshalb folgt dem bestimmten Motiv regelmässig die bestimmte Handlung; aber es besteht keine Notwendigkeit dabei; das Handeln des Menschen ist frei, d. h. nicht notwendig, sondern nur regelmässig. In der Anmerkung F, die Hume später hinzugefügt hat, steht er dieser Ansicht ganz nahe. Er erkennt da bestimmt an, dass die Notwendigkeit nur im Denken ist, und dass sie bei dem Handeln nicht gefühlt wird. Hier lag der Schluss ganz nahe, dass deshalb das Handeln, als zum Sein gehörig, frei sein müsse. Hume wurde nur deshalb an diesem Schluss gehindert, weil er die Regelmässigkeit mit der Notwendigkeit verwechselte.

Gerade weil der Mensch sein Inneres genauer übersieht und weiss, dass da keine Notwendigkeit zwischen Motiv und Wollen besteht, deshalb leugnet er diese Notwendigkeit für sein Handeln; aber weil dieses genaue Eindringen in das Innere bei der Natur für ihn nicht möglich ist, deshalb lässt er sich diese Notwendigkeit in den Naturvorgängen gefallen. Er bildet sich nicht ein, wie Hume meint, hier die Notwendigkeit bemerkt zu haben; er ist hier nur bereiter, die erkannte Regelmässigkeit mit der Notwendigkeit zu vertauschen, weil er hier in das Innere der Natur nicht so wie in seine Seele blicken und sich nicht so überzeugen kann, dass auch da kein notwendiges Band vorhanden ist.

Wenn Hume meint, der Streit über die Freiheit oder Notwendigkeit des menschlichen Handelns sei ein blosser Wortstreit, so hat er Recht, insofern man mit ihm Regelmässigkeit und Notwendigkeit als identisch nimmt; sind aber beide Begriffe unterschieden, wie dies offenbar der Fall ist, dann ist der Streit kein blosser Wortstreit; obgleich man zugeben kann, dass die unzweifelhaft bestehende Regelmässigkeit des menschlichen Handelns die Hauptsache ist, und die Abhaltung der Notwendigkeit von demselben trotz seiner Regelmässigkeit ein feineres und schärferes Denken erfordert, was nicht Jedermanns Sache ist. Interessant ist auch die der späteren Ausgabe zugesetzte Anmerkung G. S. 92. Der Realismus bestreitet die seiende Natur des Entstehens oder des Werdens von einem aus oder durch ein anderes (man sehe B. I. S. 41); vielmehr ist dieser Begriff nach ihm nur ein anderes Wort für den bereits erörterten Begriff der Kraft, welche in der Ursache wohnen und die Wirkung hervorbringen soll. Indem diese Kraft sich nur als eine Beziehungsform des Denkens erwiesen hat, muss dasselbe auch von der Erzeugung gelten, obgleich man sie beinahe allgemein noch heutzutage als einen seienden Vorgang nimmt. Die Erzeugung ist wie die Kraft nur eine Verdoppelung der Ursächlichkeit; im Sein ist nur die zeitliche Folge des einen (Wirkung) auf das andere (Ursache).

Es ist nun sehr merkwürdig, dass Hume bei der späteren Ausgabe seines Werkes, wo er die Anmerk. G hinzugefügt hat, schon ganz zu denselben Resultaten gelangt ist, wie diese Anmerkung G ergiebt. Nur den Unterschied zwischen Regelmässigkeit (Hume sagt: »Beständigkeit«) und Notwendigkeit vermag er sich nicht klar zu machen. Erst wenn letztere ebenfalls als eine Wissensart, welche nur innerhalb des Denkens und Vorstellens besteht, erkannt worden ist und aus dem Seienden entfernt wird, lösen sich alle Schwierigkeiten, die dem Freiheitsbegriffe anhaften.

Abschnitt II.

Nichts ist in Streitfällen gebräuchlicher und doch tadelnswerter als der Versuch, eine Behauptung dadurch zu widerlegen, dass man sagt, sie sei von gefährlichen Folgen für Religion und Moral. Führt eine Behauptung auf Ungereimtheiten, so ist sie sicherlich falsch; aber sie ist es nicht deshalb, weil sie gefährliche Folgen hat. Solche Wendungen sollte man daher ganz vermeiden; sie führen nicht zur Entdeckung der Wahrheit, sondern machen nur die Person des Gegners verhasst. Ich führe dies nur im allgemeinen an, ohne einen Vorteil daraus ziehen zu wollen. Ich unterwerfe mich offen einer solchen Prüfung und wage dreist zu behaupten, dass die oben dargelegten Sätze über Notwendigkeit und Freiheit sich nicht allein mit der Moral vertragen, sondern eine wesentliche Stütze derselben bilden.

Die Notwendigkeit kann auf zwei Arten definiert werden, nach den zwei Definitionen der Ursache, von der sie einen wesentlichen Bestandteil bildet. Sie besteht entweder in der beständigen Verbindung gleicher Dinge oder in dem Verstandesschluss von dem einen auf das andere. Nun hat man allgemein, wenn auch schweigend, in den Schulen, auf der Kanzel und im Leben anerkannt, dass die Notwendigkeit in beiderlei Sinn (im Grunde ist es nur einer) dem Willen des Menschen angehört, und niemand hat bis jetzt geleugnet, dass man Folgerungen aus menschlichen Handlungen ziehen kann, und dass diese Folgerungen sich auf die Verbindung stützen, welche zwischen gleichen Handlungen und gleichen Beweggründen, Neigungen und Umständen wahrgenommen wird. Der einzige Punkt, worüber man verschiedener Meinung sein kann, ist entweder, dass man sich nicht entschliessen mag, dieser Eigenschaft des menschlichen Handelns den Namen: Notwendigkeit zu geben; so lange man indes im Sinne einig ist, kann das Wort keinen Schaden thun; oder dass man meint, noch etwas Weiteres in der Wirksamkeit der Körper entdecken zu können. Welche Folge dies nun auch auf Naturwissenschaft und Metaphysik haben mag, auf die Moral und Religion hat es offenbar keine. Ich kann bei der Behauptung, dass kein anderer Begriff von Notwendigkeit oder Verknüpfung in der Wirksamkeit der Körper besteht, missverstanden werden; aber der Wirksamkeit der Seele schreiben wir gewiss nichts zu, als was jeder bereitwillig anerkennt und anerkennen muss. Ich verändere nichts in dem feststehenden orthodoxen System rücksichtlich des Willens, sondern nur rücksichtlich der körperlichen Dinge und Ursachen. Keine Lehre kann deshalb unschuldiger als diese sein.

Da sich alle Gesetze auf Lohn oder Strafe gründen, so wird als fundamentales Prinzip angenommen, dass diese Beweggründe einen gleichförmigen und regelmässigen Einfluss auf die Seele üben und sowohl die guten Handlungen veranlassen, wie die schlechten verhindern. Man nenne diesen Einfluss, wie man wolle, da er regelmässig mit der Handlung verbunden ist, so muss er als eine Ursache gelten und als ein Beispiel von der Notwendigkeit angesehen werden, wie ich sie hier behaupte.

Der allein wahre Gegenstand des Hasses und der Rache ist eine Person oder ein mit Verstand und Bewusstsein begabtes Wesen, und wenn irgend verbrecherische oder verletzende Handlungen diese Gefühle erwecken, so geschieht es nur durch ihre Verknüpfung mit einer Person in Beziehung auf sie. Die Handlungen sind aber ihrer Natur nach vergänglich und vorübergehend; sobald sie nicht aus irgend einer Ursache im Charakter oder der Gesinnung der handelnden Person hervorgehen, so können die guten ihr nicht zur Ehre, und die schlechten ihr nicht zur Schande gereichen. Die Handlungen selbst können tadelnswert und allen Regeln der Religion und Moral zuwider sein; aber der Mensch ist für sie nicht verantwortlich, und da sie aus nichts Beständigem und Beharrlichem in ihm hervorgehen und nichts der Art hinter sich zurücklassen, so kann er unmöglich ihretwegen zum Gegenstand einer Strafe oder Rache werden. Nach dem Prinzip, welches die Notwendigkeit und folglich die Ursachen leugnet, ist ein Mensch nach Begehung des abscheulichsten Verbrechens so rein und fleckenlos als wie im Augenblick seiner Geburt. Sein Charakter ist dann in keiner Weise bei seinen Handlungen beteiligt, denn sie gehen nicht aus ihm hervor, und die Schlechtigkeit des Einen kann nie als Beweis für die Verderbtheit des Andern dienen.

Man tadelt niemand wegen solcher Handlungen, welche er unbewusst und zufällig begeht, was auch die Folgen derselben sein mögen. Weshalb nicht? Weil die Prinzipien dieser Handlungen nur momentan sind und in ihnen endigen. Man tadelt jenen weniger, der heftig und unvorsichtig handelt, als den, der mit Überlegung vorgeht. Weshalb? Weil ein heftiges Temperament, obgleich es ein beständiges Prinzip oder eine Ursache in der Seele ist, doch nur zeitweise sich äussert und nicht den ganzen Charakter ansteckt. Umgekehrt wäscht Reue jedes Verbrechen aus, wenn sie sich mit einer Besserung des Lebens und Benehmens verbindet. Wie lässt sich dies erklären? Nur dadurch, dass Handlungen den Menschen nur strafbar machen, so weit sie ein Zeichen strafbarer Grundsätze der Seele sind. Hören sie durch einen Wechsel dieser Grundsätze auf, solche sichere Zeichen zu sein, so sind sie auch nicht mehr strafbar. Aber ohne die Lehre von der Notwendigkeit sind sie niemals zuverlässige Zeichen und folglich niemals strafbar.

Ebenso leicht und mit denselben Gründen lässt sich zeigen, dass die Freiheit in dem obigen Sinne, in dem Alle übereinstimmen, der Moralität ebenso wesentlich ist, und dass keine menschliche Handlung, der sie abgeht, als eine moralische gelten, oder Gegenstand von Lob und Tadel sein kann. Denn da die Handlungen nur insoweit der Gegenstand unserer moralischen Gesinnung sind, als sie die Zeichen des innern Charakters, der Leidenschaften und Affekte sind, so können sie weder zu Lob noch Tadel Anlass geben, wenn sie nicht aus diesen Quellen abstammen, vielmehr durch äussere Gewalt veranlasst sind.

Ich behaupte nicht, dass ich alle Einwendungen widerlegt oder beseitigt habe, die man gegen diese Lehre von der Notwendigkeit und Freiheit erheben kann; ich kann mir andere Einwürfe denken aus Gebieten, die hier nicht haben berührt werden können. Man kann z. B. sagen: Dass, wenn die willkürlichen Handlungen denselben Gesetzen der Notwendigkeit unterliegen wie die Vorgänge der Körper, so bestehe eine fortlaufende Kette notwendiger Ursachen, welche voraus bestimmt und voraus angeordnet sei, und welche von der ersten Ursache aller Dinge bis zu dem einzelnen Wollen jedes einzelnen menschlichen Geschöpfes reiche. Nirgends in der Welt sei dann Zufall, nirgends Gleichgültigkeit, nirgends Freiheit. Wenn wir handeln, sind wir gleichzeitig der Gegenstand eines Handelns; der letzte Urheber aller unserer Entschlüsse ist der Schöpfer der Welt, der dieser ungeheuren Maschine zuerst Bewegung mitteilte und allen Wesen die bestimmte Stellung gab, aus der alle späteren Vorgänge mit unerbittlicher Notwendigkeit sich ergeben mussten. Menschliche Handlungen können deshalb niemals moralisch schlecht sein, da sie von einer so guten Ursache kommen; oder sind sie schlecht, so verwickeln sie den Schöpfer in dieselbe Schuld, da er anerkanntermassen die letzte Ursache und der Urheber derselben ist. So wie ein Mensch, der eine Mine anzündet, in gleicher Weise für die Folgen einstehen muss, mag der Zündfaden lang oder kurz gewesen sein, ebenso muss beim Dasein einer fortlaufenden Kette notwendiger Ursachen das endliche oder unendliche Wesen, welches die erste Ursache bildet, auch als der Urheber der übrigen gelten und sowohl den Tadel tragen, als das Lob erhalten, das ihnen gebührt. Unsere klaren und unveränderlichen moralischen Begriffe erheben diese Regel zu einer unzweifelhaften bei Betrachtung der Folgen menschlicher Handlungen; diese Gründe gelten aber in noch höherem Masse für das Wollen und die Absichten eines allweisen und allmächtigen Wesens. Unwissenheit und Ohnmacht mag ein so beschränktes Geschöpf, wie den Menschen, entschuldigen, aber bei unserem Schöpfer bestehen diese Mängel nicht. Er übersah, er bestimmte, er beabsichtigte all diese Handlungen der Menschen, welche man so vorschnell für strafbar erklärt. Daraus folgt, dass sie entweder nicht strafbar sind, oder dass die Gottheit, aber nicht der Mensch dafür verantwortlich ist. Da aber jeder dieser zwei Sätze verkehrt und gottlos ist, so folgt, dass die Lehre, aus der sie sich ergeben, unmöglich wahr sein kann, denn alle diese Einwürfe treffen dann auch sie. Verkehrte Folgen, wenn sie wirklich aus einer Lehre sich ergeben, beweisen die Verkehrtheit dieser; ebenso wie strafbare Handlungen die ursprüngliche Ursache strafbar machen, wenn die Verbindung zwischen beiden notwendig und unvermeidlich ist.

Dieser Einwurf besteht aus zwei Teilen, die wir jeden für sich betrachten wollen. Der erste ist, dass, wenn man menschliche Handlungen durch eine notwendige Kette auf die Gottheit zurückführen kann, sie nie strafbar sein können, und zwar wegen der unendlichen Vollkommenheit des Wesens, von denen sie abgeleitet werden, und welches nichts wollen kann, als was gut und löblich ist. Oder zweitens: wenn sie strafbar sind, so muss man die Eigenschaft der Vollkommenheit zurücknehmen, welche man der Gottheit beilegt, und ihn als den letzten Urheber der Schuld und des Bösen in all seinen Geschöpfen anerkennen.

Die Antwort auf den ersten Einwurf scheint augenfällig und überzeugend. Viele Philosophen folgern nach einer genauen Untersuchung der Naturerscheinungen, dass das Ganze, als Einheit betrachtet, in jedem Zeitpunkte seines Daseins mit vollkommener Güte angeordnet sei, und dass deshalb das höchste mögliche Glück allen Geschöpfen zu teil werde, ohne Beimischung eines wahrhaften und positiven Übels oder Elendes. Jedes natürliche Übel ist nach dieser Ansicht ein wesentlicher Teil des wohlwollenden Systems und konnte selbst durch die Gottheit, wenn man sie als weise anerkennt, nicht beseitigt werden, ohne grösseres Übel einzuführen oder grösseres Gute als Folge davon auszuschliessen. Aus dieser Lehre entnahmen mehrere Philosophen, unter andern die alten Stoiker, einen Trostgrund bei allen Leiden, indem sie ihren Schülern lehrten, dass diese Übel, unter denen sie litten, in Wahrheit Güter für das Ganze wären, und dass für den weiten, das ganze System der Natur umfassenden Blick jedes Ereignis zum Gegenstand einer Freude und Lust werde. Indes zeigte sich diese Auffassung trotz ihrer Erhabenheit und Annehmbarkeit doch für die Praxis bald als schwach und unwirksam. Man würde sicherlich einen Menschen, der unter stechenden Gichtschmerzen leidet, mehr erbittern als beruhigen, wenn man ihm die Richtigkeit dieser allgemeinen Gesetze vorhielte, welche die bösen Säfte in seinem Körper veranlasst und sie durch ihre Kanäle zu den Sehnen und Nerven geführt haben, wo sie die heftigen Qualen veranlassen. Dieser umfassende Standpunkt wird für einen Augenblick den Geist des Denkers erfreuen, der sich behaglich und sicher fühlt; aber er kann keine Festigkeit in seiner Seele gewinnen, selbst wenn ihn Schmerz und Leidenschaft nicht stören; noch weniger kann er das Feld behaupten, wenn solche Gegner sich erheben. Die Gefühle treiben zur engern und ungezwungenem Auffassung der Dinge. Infolge einer Einrichtung, welche der Schwäche der menschlichen Seele mehr entspricht, sieht man dann nur die Wesen, die um uns sind, und wird durch solche Ereignisse erregt, welche dieser individuellen Auffassung gut oder sehlecht erscheinen.

Der Fall ist derselbe für das moralische, wie für das physische Übel. Diese weitgreifenden Betrachtungen können, wenn sie bei dem Einen von so geringer Wirksamkeit befunden sind, keine stärkere bei dem andern haben. Die menschliche Seele ist von Natur so eingerichtet, dass sie bei dem Auftreten von Charakteren, Neigungen und Handlungen unmittelbar das Lobens- oder Tadelnswerte daran empfindet, und keine Erregung ist ihrer Natur und Beschaffenheit so wesentlich als diese. Die Charaktere, welche unser Lob erwecken, sind hauptsächlich solche, welche zu dem Frieden und der Sicherheit der menschlichen Gesellschaft beitragen; die Charaktere, welche den Tadel wachrufen, sind vorzüglich solche, welche auf allgemeinen Schaden und Störung absehen. Das moralische Urteil entspringt daher offenbar, bald mittelbar, bald unmittelbar aus einer Rücksicht auf diese entgegengesetzten Interessen. Was vermögen da philosophische Betrachtungen, welche die entgegengesetzte Ansicht oder Vermutung aufstellen, dass alles in Beziehung auf das Ganze recht sei, und dass die Eigenschaften, welche der Gesellschaft schaden, in der Hauptsache wohlthätig seien und der ursprünglichen Absicht der Natur ebenso entsprechen als solche, welche ihr Glück und ihre Wohlfahrt geradezu befördern? Können solche unsichere und weitschweifende Erwägungen jener Empfindung die Wage halten, welche aus der unmittelbaren und natürlichen Auffassung der Dinge entspringt? Wird der, dem eine beträchtliche Summe gestohlen worden ist, seinen Ärger über den Verlust durch diese erhabenen Betrachtungen in irgend einer Weise gemindert finden? Weshalb sollte seine sittliche Empörung über das Verbrechen damit unverträglich sein? Oder weshalb sollte nicht das Anerkenntnis eines wirklichen Unterschiedes zwischen Laster und Tugend sich mit allen tiefern Systemen der Philosophie vereinigen lassen? Ebenso wie der wirkliche Unterschied zwischen persönlicher Schönheit und Hässlichkeit? Diese Unterschiede gehen aus den natürlichen Empfindungen der menschlichen Seele hervor, und diese Empfindungen lassen sich durch keine philosophische Theorie oder Spekulation regeln oder ändern.

Der zweite Einwurf gestattet keine so leichte und genügende Antwort; es ist nicht möglich, deutlich zu erklären, wie die Gottheit die mittelbare Ursache aller menschlichen Handlungen sein kann, ohne damit der Urheber von Sünde und Bösem zu werden. Dies sind Geheimnisse, für deren Erörterung die natürliche und sich selbst überlassene Vernunft allein unfähig ist. Welches System sie auch erfasst, so wird sie bei jedem Schritt in solchen Fragen sich immer in unlösbare Schwierigkeiten, ja Widersprüche verwickelt finden. Die Versöhnung der Freiheit und Zufälligkeit des menschlichen Handelns mit der Allwissenheit; oder die Verteidigung unbedingter Ratschlüsse, wobei die Gottheit doch nicht als der Urheber des Bösen gilt, haben bisher alle Kraft der Philosophie überschritten. Wohl ihr, wenn sie es daran als Verwegenheit erkennt, in diesen erhabenen Mysterien zu grübeln; wenn sie ein Gebiet voll Dunkelheit und Verwickelung verlässt, und mit der ihr gebührenden Bescheidenheit zu ihrem eigentlichen und wahren Gebiete zurückkehrt, d. h. zur Erforschung des gewöhnlichen Lebens. Sie wird hier Schwierigkeiten genug für ihre Untersuchungen antreffen, ohne dass sie sich in ein so grenzenloses Meer von Zweifeln, Ungewissheiten und Widersprüchen zu stürzen braucht.

Im ersten Teile dieses Abschnittes führt Hume mit viel Geschick aus, dass schon eine für das menschliche Handeln bestehende Ursachlichkeit auch alle Zurechnung und Strafbarkeit desselben aufhebe. Hier ist Hume ganz im Rechte. Das völlig grundlose Handeln, bei dem selbst der handelnde Mensch nicht wissen kann, was er in der nächsten Minute thun werde, ist der reine Zufall. Man vergleiche B. XI. S. 83. Deshalb ist die Regelmässigkeit des Handelns bei gleichen Ursachen für die menschliche Gesellschaft gar nicht zu entbehren; alle Einrichtungen und Gesetze sind darauf gegründet und haben nur dadurch eine Bedeutung. Allein mehr als diese Regelmässigkeit ist nicht notwendig; insbesondere nicht die Notwendigkeit, welche Hume auch hier nur deshalb folgert, weil er sie mit der Regelmässigkeit verwechselt. Wenn Hume S. 97 auch die Freiheit des Handelns mit der Moralität für verträglich erklärt, so hängt dies mit dem S. 94 aufgestellten Begriff zusammen, wonach er die Freiheit nicht als Freiheit des Willens, sondern als die Freiheit dem Willen gemäss zu handeln nimmt, d. h. als eine Macht. (B. XI. S. 77.) Indes treten bei der Annahme der Regelmässigkeit manche Bedenken über die Zulässigkeit der Strafen, über die Möglichkeit der Reue, der Gewissensbisse, der Busse, der Vergebung u. s. w. auf, die eine sorgfältige Untersuchung verdienen. Das Wichtigste davon ist B. XI. 86 zu finden. Hume kommt in diesem Abschnitt II nur auf Einzelnes davon zu sprechen. Zunächst behandelt er die Frage, wie sich die Allmacht und Allwissenheit Gottes mit der Notwendigkeit des menschlichen Handelns vertrage. Er bemerkt sehr richtig, dass bei Annahme eines solchen höchsten Schöpfers man entweder alles Übel und Böse in der Welt leugnen, oder Gott als den wahren Urheber desselben anerkennen müsse.

Die erste Alternative ist nicht sowohl von den Stoikern, als von Spinoza verteidigt worden. Nach Spinoza sind Recht und Unrecht nur verworrene Begriffe, die mit der Auffassung der Welt in ihrer Totalität verschwinden. Es ist auffallend, dass Hume Spinoza nicht nennt. Auch Leibniz mit seiner Theodicee gehört hierher, wonach Gott die Welt so gut geschaffen hat, als es ihm überhaupt möglich war.

Hume's Widerlegung in bezug auf diese Alternative ist schwach, mindestens in der Form. Im Grunde hat er aber Recht, dass der Schmerz und das Böse etwas Positives und Wirkliches sind, was durch das blosse Denken und Beziehen auf das Ganze nicht aufgehoben und beseitigt werden kann. Dieses Positive des Schmerzes kann damit für den Leidenden nicht beseitigt werden; man kann höchstens sagen: dieser Schmerz ist um einer grösseren Lust willen für Andere oder für ihn notwendig. Allein dann erschüttert diese Ausflucht wieder die Allmacht Gottes, die es ja hätte besser einrichten können. In bezug auf das Böse ist die Analogie nicht so leicht, als Hume sie sich macht; hier hängt alles von dem Begriff des Sittlichen ab, dessen Erörterung hier zu weit führen würde. Man vergleiche B. XI. S. 76.

Bei der zweiten Alternative erklärt Hume offen, dass ihre Lösung über seine Kräfte gehe. Dieses Geständnis würde für einen Philosophen sehr beschämend sein, wenn man nicht annimmt, dass diese Sätze nur eine feine Ironie sind, mit der von nun ab Hume sich gegen die christlichen Dogmen wendet. Er zeigt ihre Widersinnigkeit vor dem Richterstuhle der Vernunft; allein er verfehlt nie, am Schluss mit einem versteckten Lächeln eine tiefe Verbeugung vor dem Glauben zu machen und so die Geistlichkeit sich vom Halse zu halten. In den folgenden Abteilungen tritt diese Ironie deutlicher hervor; man könnte deshalb diese Ironie schon hier vermuten, wenn man nicht annehmen müsste, dass die Ungläubigkeit Hume's sich bis zur Leugnung eines allmächtigen und allweisen persönlichen Gottes nicht ausgedehnt hat; dann ist die Stelle ernst zu nehmen. Hätte Hume die Ethik Spinoza's studiert, so hätte ihm die Lösung, an der er hier verzweifelt, nicht schwer fallen können. Indem nach Spinoza die Begriffe von recht und sittlich nur relative Gültigkeit für den beschränkten Menschen haben, bei Gott aber nicht bestehen, fällt die ganze Schwierigkeit hinweg.


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