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Abteilung I.
Über die verschiedenen Arten der Philosophie.

Die Philosophie oder die Wissenschaft von der menschlichen Natur kann auf zwei verschiedene Weisen behandelt werden, von denen jede ihren besonderen Wert hat und zur Unterhaltung, Belehrung und Verbesserung der Menschheit beitragen kann. Nach der einen ist der Mensch hauptsächlich zum Handeln geboren und wird in seinen Massregeln durch Geschmack und Gefühl bestimmt; er sucht den einen Gegenstand auf und vermeidet den anderen nach dem Werte, den diese Gegenstände zu haben scheinen, und nach dem Lichte, in dem sie sich darstellen. Da die Tugend anerkanntermassen das Wertvollste von allen ist, so malen die Philosophen dieser Gattung sie in den lieblichsten Farben, entlehnen dazu die Mittel der Dicht- und Redekunst und behandeln ihren Gegenstand in jener leichten und fasslichen Weise, welche die Phantasie anregt und das Interesse erweckt. Sie wählen die treffendsten Bemerkungen und Beispiele aus dem täglichen Leben und bringen die unterschiedenen Charaktere in den richtigen Gegensatz. Sie locken uns durch die Aussichten auf Ruhm und Glück in die Pfade der Tugend und erhalten uns darin durch gesunde Lehren und glänzende Beispiele. Sie lassen den Unterschied zwischen Tugend und Laster fühlen; sie erwecken und regeln die Empfindungen, und indem sie so in dem Herzen die Gesinnung für Rechtschaffenheit und wahre Ehre wach rufen, glauben sie den Endzweck ihrer Anstrengungen vollkommen erreicht zu haben.

Die Philosophen der zweiten Gattung betrachten den Menschen mehr in dem Lichte eines denkenden als handelnden Wesens; sie suchen mehr seinen Verstand zu bilden, als seine Sitten zu bessern. Die menschliche Natur gilt ihnen als ein Gegenstand philosophischer Prüfung; sie untersuchen sie mit ängstlicher Sorgfalt, um die Grundsätze zu entdecken, welche unsern Verstand leiten, unsere Empfindungen erwecken und uns zum Lob oder Tadel der Dinge, der Handlungen und des Benehmens veranlassen. Sie halten es für eine Schmach der Wissenschaft, dass die Philosophie noch nicht die Grundlagen der Moral, des Denkens und Urteilens unzweifelhaft festgestellt hat; dass sie von Wahrheit und Irrtum, von Tugend und Laster, von Schönheit und Hässlichkeit fortwährend spricht, ohne die Quelle dieser Unterschiede bezeichnen zu können. Sie unternehmen diese schwierige Aufgabe und lassen sich durch keine Hindernisse abschrecken. Von besondern Fällen gehen sie zu allgemeinen Sätzen fort und ruhen nicht, bis sie die obersten Grundsätze erreicht haben, welche in jeder Wissenschaft die Grenze der menschlichen Erkenntnis bilden. Ihre Untersuchungen erscheinen dem gewöhnlichen Leser trocken, ja unverständlich; aber ihr Streben geht auf die Beistimmung der Kenner und Weisen, und sie halten sich für die Anstrengungen eines ganzen Lebens genügend entschädigt, wenn sie einige verborgene Wahrheiten entdecken, welche zur Belehrung der kommenden Geschlechter beitragen.

Unstreitig zieht die Menge jene leichte und verständliche Philosophie dieser strengen und tiefen vor, und Viele werden sie nicht bloss für angenehmer, sondern auch für nützlicher als die andere erklären. Jene beeinflusst mehr das tägliche Leben; sie erregt das Herz und die Empfindung; sie berührt die Grundsätze, welche das Handeln bestimmen, bessert so das Benehmen der Menschen und bringt sie dem von ihr aufgestellten Muster von Vollkommenheit näher. Die strenge Philosophie stützt sich dagegen auf eine Geistesrichtung, welche in das Praktische und Thätige sich nicht einlässt; sie verschwindet, wenn der Philosoph die Dämmerung verlässt und in das Tageslicht tritt, und ihre Grundsätze können nicht leicht einen Einfluss auf das Handeln und Benehmen erlangen. Die Gefühle des Herzens, die Erregungen der Leidenschaften, die Gewalt der Affekte machen alle ihre Folgerungen zu nichte und bringen den tiefsinnigen Philosophen auf die gleiche Stufe mit jedem gewöhnlichen Menschen wieder herab.

Man muss auch anerkennen, dass jene leichte Philosophie den dauerhaftesten und gerechtesten Ruhm erworben hat, und dass jene tiefsinnigen Denker bei dem Eigensinn und der Unwissenheit ihrer Zeit, sich bisher nur eines vorübergehenden Rufes erfreut haben, ihren Ruhm aber bei der gerechteren Nachwelt sich nicht haben erhalten können. Der tiefsinnige Philosoph begeht in seinen scharfen Schlussfolgerungen leicht ein Versehen; ein Missgriff hat beim Weiterschreiten aber andere notwendig zur Folge; denn er schreckt vor keinem Ergebnis zurück, selbst wenn es sonderbar erscheint oder der Volksmeinung widerstreitet. Aber ein Philosoph, der nur das Gemeinverständliche in schönen und anziehenden Farben wiedergeben will, geht nicht weiter, wenn er zufällig in einen Irrtum gerät; er kehrt in die richtige Bahn zurück und schützt sich vor jeder gefährlichen Täuschung, indem er sich wieder auf den gesunden Verstand und die natürliche Empfindung beruft. Der Ruhm Ciceros blüht noch heute, während der von Aristoteles erloschen ist. La Bruyère tönt über das Meer und bewahrt noch seinen Ruf, während der Ruhm von Malebranche auf seine Nation und sein Zeitalter beschränkt geblieben ist, und Addison wird vielleicht noch mit Vergnügen gelesen werden, wenn Locke ganz vergessen sein wird.

Der strenge Philosoph ist ein Charakter, welcher der Welt meist nicht genehm ist; man meint, dass er weder zum Nutzen noch zum Vergnügen der Gesellschaft etwas beitrage; denn er lebt fern vom Verkehr mit Menschen und ist in Regeln und Begriffe vertieft, welche dem Verständnis dieser fern liegen. Auf der andern Seite aber wird reine Unwissenheit noch mehr verachtet, und in einem Zeitalter und Volke, wo die Wissenschaften blühen, gilt es als ein sicheres Zeichen der Roheit, keinen Geschmack für diese edlen Beschäftigungen zu besitzen. Man sucht meist den vollkommenen Charakter zwischen diesen beiden Extremen; ein solcher besitzt gleiches Geschick und Geschmack für Bücher, Gesellschaft und Geschäft; er bewahrt sich in der Unterhaltung die Schärfe und Feinheit, welche aus der Pflege der schönen Wissenschaften entspringen, und im Geschäft die Rechtlichkeit und Genauigkeit, welche das natürliche Ergebnis einer guten Philosophie sind. Um solche vollkommene Charaktere zu bilden und häufiger zu machen, sind Werke im leichten Stile die nützlichsten. Sie ziehen nicht zu sehr vom Leben ab, verlangen für ihr Verständnis keine tiefe Anstrengung oder Zurückgezogenheit und geben ihren Zögling der Menschheit zurück, erfüllt mit edlen Gefühlen und weisen Vorschriften, die für alle Lagen des menschlichen Lebens anwendbar sind. Vermittelst solcher Werke wird die Tugend liebenswürdig, die Wissenschaft angenehm, die Gesellschaft belehrend und die Einsamkeit unterhaltend.

Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen, und als solches empfängt er seine wahre Nahrung von der Wissenschaft. Aber die Schranken des menschlichen Verstandes sind so enge, dass man hier weder mit der Grösse, noch mit der Gewissheit des Erwerbes zufriedengestellt wird. Der Mensch ist aber nicht bloss ein vernünftiges, sondern auch ein geselliges Wesen; dennoch kann er nicht immer angenehmen und unterhaltenden Umgang geniessen und nicht immer die Empfänglichkeit dafür sich bewahren. Der Mensch ist auch ein thätiges Wesen; er muss wegen dieser Anlage und wegen der mannigfachen Bedürfnisse des menschlichen Lebens sich dem Geschäft und der Arbeit unterziehn; aber der Geist verlangt nach Erholung und kann nicht fortwährend die Last der Sorgen und Anstrengungen ertragen. Die Natur scheint daher ein gemischtes Leben als das dem Menschen angemessenste zu bezeichnen; sie warnt ihn, sich keiner dieser Neigungen zu sehr hinzugeben und dadurch die Fähigkeit für andere Beschäftigungen und Vergnügen einzubüssen.

»Folge deinem Trieb nach Wissen«, spricht sie, »aber dein Wissen bleibe menschlich und in Verbindung mit dem Leben und dem Handeln; ich verbiete nutzlose Gedanken und grüblerische Untersuchungen; ihre Strafe sei das trübsinnige Grübeln, zu dem sie dich führen, die endlose Ungewissheit, in die sie dich verwickeln, und die Kälte, mit der deine angeblichen Entdeckungen bei deren Mitteilung aufgenommen werden. Sei ein Philosoph, aber bleibe mitten in all deiner Philosophie ein Mensch.«

Begnügte man sich, die leichte Philosophie der eindringendem und tiefern Philosophie vorzuziehn, ohne letztere zu tadeln oder zu verachten, so möchte diese allgemeine Ansicht immer zulässig sein und Jedem freistehen, sich nach seinem Geschmack und Sinne zu unterhalten. Aber man geht oft weiter und verwirft schlechthin jede tiefere Untersuchung oder sogenannte Metaphysik. Wir wollen daher das in Betracht ziehn, was für sie spricht.

Der nächste erhebliche Vorteil der strengen und tiefer eindringenden Philosophie ist ihre Unterstützung der leichten und gemeinfasslichen, welche ohne jene in ihren Begriffen, Grundsätzen und Beweisen niemals den erforderlichen Grad von Genauigkeit erreichen kann. Alle schönen Wissenschaften sind nur Schilderungen des menschlichen Lebens in seinen mannichfachen Zuständen und Verhältnissen; sie erfüllen uns nach der Beschaffenheit der von ihnen gebotenen Gegenstände mit verschiedenen Gefühlen, z. B. des Lobes oder Tadels, der Bewunderung oder des Spottes. Ein Künstler kann auf grössern Erfolg für sein Werk rechnen, wenn er nicht bloss feinen Geschmack und schnelle Auffassung besitzt, sondern auch eine genaue Kenntnis der innern Werkstatt, der Thätigkeiten des Verstandes, der Wirkungen der Leidenschaften und der verschiedenen Empfindungen, durch die sich Laster und Tugend unterscheiden. Wenn auch diese innern Nachforschungen und Untersuchungen mühsam werden, so sind sie doch für denjenigen gewissermassen unentbehrlich, welcher mit Erfolg die äusseren und sichtbaren Erscheinungen des Lebens und der Sitten beschreiben will. Der Anatom zeigt dem Auge die hässlichsten und unangenehmsten Gegenstände, aber seine Wissenschaft nützt dem Maler selbst bei einer Venus oder Helena. Während dieser die üppigsten Farben seiner Kunst benutzt und seinen Gestalten die zierlichsten und reizendsten Stellungen giebt, muss er immer dabei den innern Bau des menschlichen Körpers beachten und die Stellung der Muskeln, die Einrichtung der Knochen und den Gebrauch und die Gestalt jedes Teils und Organs kennen. Genauigkeit dient immer der Schönheit, und richtiges Denken der zarten Empfindung. Es ist vergeblich, das Eine auf Kosten des Andern heben zu wollen.

Ausserdem zeigt sich in jeder Kunst und jedem Geschäft, selbst in solchen, die dem Leben und Handeln am nächsten stehen, dass der Geist der Genauigkeit, wie er auch erworben sei, sie alle der Vollkommenheit näher bringt und den Interessen der Gesellschaft dienlicher macht. Mag daher der Philosoph auch Geschäften fernbleiben, so muss doch der Geist der Philosophie, wenn er von Einzelnen sorgsam gepflegt wird, allmählich die ganze Gesellschaft durchdringen und in jede Kunst und jeden Beruf eine ähnliche Genauigkeit einführen. Der Staatsmann wird in Teilung und Ausgleichung der politischen Gewalten vorsichtiger und scharfsichtiger werden; der Rechtsgelehrte wird für seine Ausführungen mehr Methode und schärfere Gründe gewinnen, und der Feldherr mehr Regelmässigkeit für seinen Dienst und mehr Vorsicht in seinen Plänen und Unternehmungen. Die Festigkeit in modernen Staaten in Vergleich zu den alten, und die Schärfe der modernen Philosophie sind in gleichem Grade gewachsen, und dies wird auch in der Zukunft stattfinden.

Selbst wenn keine andere Frucht aus diesen Studien reifte, als die Befriedigung einer unschuldigen Wissbegierde, so wäre auch dies nicht zu verachten; denn sie vermehrt jene wenigen heilsamen und harmlosen Freuden, welche dem Menschengeschlecht zugeteilt sind. Der sanfteste und unschädlichste Gang dieses Lebens führt durch die Pfade der Wissenschaft und Erkenntnis; Jeder, der ein Hindernis von diesen Pfaden wegräumt oder eine neue Aussicht eröffnet, muss als ein Wohlthäter der Menschen gelten. Diese Untersuchungen mögen peinlich und ermüdend sein; aber es verhält sich hier mit dem Geiste, wie mit dem Körper; sind sie mit Kraft und üppiger Gesundheit ausgerüstet, so verlangen sie nach anstrengenden Übungen und finden ihr Vergnügen in dem, was den meisten Menschen schwer und mühevoll erscheint. Die Dunkelheit ist für den Geist so schmerzlich wie für das Auge; aber Licht der Dunkelheit abzuzwingen, sei diese Arbeit auch noch so schwer, muss notwendig erfreulich und ergötzend sein.

Man hat indes diese Dunkelheit der tiefern und eindringendern Philosophie nicht bloss als peinlich und ermüdend getadelt, sondern auch als eine unvermeidliche Quelle des Schwankens und Irrens dargestellt. Darin liegt allerdings der gerechteste und einleuchtendste Vorwurf gegen einen grossen Teil der metaphysischen Untersuchungen, dass man sagt, sie seien nicht wahre Wissenschaft, sondern entweder das Ergebnis nutzloser Anstrengungen menschlicher Eitelkeit, welche in Gegenstände eindringen will, die dem Verstand unzugänglich sind, oder das Werk eines listigen Aberglaubens, welcher auf ebenem Boden sich nicht verteidigen kann, und deshalb in dieses verworrene Gestrüpp sich verkriecht, um seine Blösse zu decken und zu schützen. Verjagt vom freien Felde, fliehen diese Räuber in den Wald und liegen auf der Lauer, um durch jeden unbewachten Zugang in den Geist einzubrechen und ihn durch religiöse Furcht und Vorurteile zu überwältigen. Der stärkste Gegner wird besiegt, wenn er einen Augenblick in seiner Wachsamkeit nachlässt, und Viele öffnen aus Feigheit und Thorheit den Feinden die Thore und empfangen sie freiwillig mit Ehrfurcht und Unterwürfigkeit als ihre legitimen Herrscher.

Ist dies indes ein hinreichender Grund für den Philosophen, um von solchen Untersuchungen abzustehen und den Aberglauben in den Besitz seiner Schlupfwinkel zu lassen? Folgt daraus nicht umgekehrt die Notwendigkeit, dass man den Kampf in die geheimsten Schlupfwinkel des Feindes übertragen muss? Vergeblich ist die Hoffnung, dass der Mensch durch häufige Täuschungen endlich zum Verlassen dieser luftigen Forschungen bestimmt werden und das wahre Gebiet der menschlichen Vernunft entdecken werde. Denn abgesehen davon, dass viele an der steten Wiederaufnahme solcher Fragen ein zu lebhaftes Interesse nehmen, so darf doch auch blinde Verzweiflung vernünftiger Weise in den Wissenschaften nie als Beweggrund gelten, da trotz der Erfolglosigkeit früherer Versuche immer Raum für die Hoffnung bleibt, dass die Anstrengung, das gute Glück und der gesteigerte Scharfblick der folgenden Generationen zu Entdeckungen gelangen werde, die der Vorzeit unerreichbar waren. Jeder kühne Geist wird den schwierigen Preis zu gewinnen suchen, und das Fehlgehen seiner Vorgänger wird ihn eher reizen als entmutigen; er hofft, dass ihm allein der Ruhm aufbewahrt sei, eine so schwere Aufgabe zu lösen. Das einzige Mittel, um die Wissenschaft mit einem Male von diesen nutzlosen Versuchen zu befreien, ist, die Natur des menschlichen Verstandes streng zu untersuchen und durch eine genaue Erforschung seiner Kräfte und Fähigkeiten zu zeigen, dass er für solche entlegene und verborgene Gegenstände durchaus nicht geeignet ist. Man muss sich dieser Arbeit unterziehn, um nachher in Ruhe zu leben, und man muss die wahre Metaphysik mit Sorgfalt treiben, um die unwahre und verfälschte zu zerstören. Die Trägheit, welche Manchen vor dieser trügerischen Philosophie bewahrt, wird bei Anderen durch die Wissbegierde überwogen; und die Verzweiflung, die zu manchen Zeiten hervorbricht, weicht ein andermal übertriebenen Hoffnungen und Erwartungen. Genaues und richtiges Denken ist hier das einzige und allgemein giltige Heilmittel für Jedermann und alle Verhältnisse; es kann allein jene unverständliche Philosophie und das metaphysische Kauderwälsch entfernen, welches jene, untermischt mit dem Volksaberglauben, für unbefangene Forscher undurchdringlich macht und ihr den Schein von Wissenschaft und Weisheit verleiht.

Neben dem Vorteile, dass man nach sorgfältiger Untersuchung sich des unsichersten und lästigsten Teiles der Gelehrsamkeit entledigt, gehn aus einer sorgfältigen Prüfung der Kräfte und Fähigkeiten der menschlichen Natur auch viele positive Vorteile hervor. Die geistigen Thätigkeiten haben das Merkwürdige, dass sie, obgleich am innigsten uns gegenwärtig, doch in Dunkelheit gehüllt scheinen, wenn das Nachdenken sich auf sie richtet. Das Auge kann nicht leicht die Linien und Grenzen erkennen, welche sie sondern und unterscheiden. Diese Gegenstände sind zu fein, um lange denselben Anblick und dieselbe Lage zu bieten; sie müssen augenblicklich erfasst werden, mittelst einer höhern Einsicht, welche Naturgabe ist und durch Übung und Nachdenken sich steigert. Es ist deshalb schon eine beträchtliche Aufgabe der Wissenschaft, die verschiedenen Thätigkeiten des Verstandes kennen zu lernen, die einen von den andern zu sondern, sie in die passenden Abteilungen zu bringen und die anscheinende Verwirrung zu lösen, in welcher sie sich befinden, wenn sie zum Gegenstande der Untersuchung und des Nachdenkens gemacht werden. Dieses Ordnen und Unterscheiden, was in bezug auf äussere Dinge, den Gegenständen der Sinne, kein Verdienst ist, steigt im Werte, wenn es sich auf diese Gegenstände des Verstandes richtet, und zwar im Verhältnis zur Schwierigkeit und Mühe, welche der Ausführung anhaftet. Sollte man auch nicht über diese geistige Geographie und Abgrenzung der verschiedenen Teile und Kräfte der Seele hinauskommen, so gewährt schon dies Genugthuung. Je selbstverständlicher solche Wissenschaft erscheinen mag (aber sie ist es durchaus nicht), desto grössere Schande trifft die, welche sie nicht kennen, und doch auf Gelehrsamkeit und Philosophie Anspruch machen.

Auch bleibt kein Raum für den Argwohn, dass diese Wissenschaft unsicher und chimärisch sei; man müsste denn an einer Zweifelsucht festhalten, welche alles Nachdenken und selbst alles Handeln zerstört. Man kann nicht bestreiten, dass der Verstand mit verschiedenen Kräften und Fähigkeiten ausgestattet ist, die sich streng von einander unterscheiden; dass das, was in der unmittelbaren Wahrnehmung wirklich verschieden ist, durch Nachdenken unterschieden werden kann, und dass daher Wahrheit und Irrtum an allen Fragen dieses Gebietes haftet, und zwar eine Wahrheit und ein Irrtum, die nicht jenseit des Bereichs des menschlichen Verstandes liegen. Es giebt viele naheliegende Unterscheidungen dieser Art, wie zwischen Wille und Verstand, Phantasie und Leidenschaften, welche von jedem menschlichen Wesen begriffen werden. Die feineren und philosophischeren Unterscheidungen sind nicht weniger wirklich und gewiss, wenn sie auch schwerer zu fassen sind. Einzelne, namentlich neuerliche Erfolge bei diesen Untersuchungen können einen besseren Begriff von der Gewissheit und Festigkeit in diesem Gebiet der Erkenntnis gewähren. Sollte es denn eine würdige Aufgabe für einen Philosophen sein, das wahre System der Planeten festzustellen und die Ordnung und die Stellung dieser fernen Körper zu ermitteln, während man die Männer nicht beachtet, welche mit so viel Erfolg die Gebiete der Seele erforschen, wobei doch Jedermann so innig beteiligt ist?

Weshalb sollte man nicht hoffen, dass die Philosophie bei sorgfältiger Pflege, und ermutigt durch die öffentliche Aufmerksamkeit, in ihren Untersuchungen immer weiter kommen und einigermassen die verborgenen Triebfedern und Kräfte entdecken werde, welche die menschliche Seele in ihrer Thätigkeit stützen und leiten? Die Astronomen hatten sich lange begnügt, aus den sichtbaren Erscheinungen die wahre Bewegung, Ordnung und Grösse der Himmelskörper zu beweisen, bis sich endlich ein Philosoph erhob, welcher durch glückliches Nachdenken auch die Gesetze und Kräfte bestimmte, durch welche der Lauf der Planeten geleitet und in Ordnung gehalten wird. Das Gleiche ist in andern Gebieten der Natur vollbracht worden. Und man hat keinen Grund, an einem gleichen Erfolg bei den Untersuchungen der Kräfte und der Einrichtungen der Seele zu verzweifeln, wenn mit gleicher Fähigkeit und Vorsicht vorgegangen wird. Es ist wahrscheinlich, dass die eine Kraft und das eine Gesetz in der Seele von einem andern abhängt, welches wieder auf höhere und allgemeinere zurückgeführt werden kann, und vor, ja selbst nach einem sorgfältigen Versuch wird es schwer sein, genau zu bestimmen, wie weit man mit solchen Untersuchungen gelangen könne. Sicherlich werden solche Versuche tagtäglich, selbst von denen gemacht, welche am oberflächlichsten philosophieren, doch nichts ist notwendiger für den Eintritt in ein solches Unternehmen als die höchste Sorgfalt und Aufmerksamkeit, damit, wenn das Ziel im Bereich des menschlichen Verstandes liegt, es endlich erreicht werde, und wo nicht, mit Zuversicht und Sicherheit aufgegeben werden könne.

Dieses letztere Resultat ist sicherlich nicht wünschenswert und darf nicht zu voreilig angenommen werden. Denn wie viel müsste die Schönheit und der Wert dieser Art der Philosophie einbüssen bei solch einer Voraussetzung. In der Moral suchte man bisher gegenüber der grossen Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Handlungen, welche Billigung oder Missbilligung hervorrufen, nach irgend einem allgemeinen Grundsatz, von dem der Unterschied der Gesinnungen sich ableitete. Und obgleich man aus Liebhaberei für Prinzipien dies oft zu weit getrieben hat, so verdient es doch sicherlich Entschuldigung, wenn gewisse allgemeine Regeln gesucht werden, auf die sich alle Laster und Tugenden mit Grund zurückführen lassen. Ähnliches hat man in der Kunst, in der Logik, in der Staatswissenschaft versucht, und zwar nicht ohne Erfolg, obgleich vielleicht nur längere Zeit, grössere Sorgfalt und ausharrenderer Fleiss diese Wissenschaften ihrer Vollkommenheit näher bringen kann. Wollte man mit einemmale all diese Versuche abweisen, so wäre dies sicherlich voreiliger, unüberlegter und eigenwilliger, als die dreisteste und absprechendste Philosophie, welche je ihre rohen Gebote und Grundsätze den Menschen aufzudringen versucht hat.

Wenn aber diese Untersuchungen über die menschliche Natur zu hoch und unverständlich erscheinen, so darf man dies doch nicht als einen Grund für ihre Unwahrheit geltend machen. Es scheint vielmehr natürlich, dass das nicht so augenfällig und leicht sein kann, was bisher so vielen weisen und gründlichen Philosophen entgangen ist. Trotz aller Mühe, welche diese Untersuchungen uns kosten sollten, werden wir uns wohl in bezug auf Nutzen, wie Annehmlichkeit für hinreichend belohnt halten, wenn wir damit den Vorrat von Kenntnissen über Gegenstände von so unsäglicher Wichtigkeit etwas vermehren könnten.

Trotz alledem bleibt das tiefere Denken, in welchem solche Untersuchungen sich bewegen, keine Empfehlung, sondern eher ein Nachteil für sie. Vielleicht kann diese Schwierigkeit durch Sorgfalt und Geschick und durch Vermeidung aller überflüssigen Ausführlichkeit überwunden werden. Und so habe ich in der folgenden Untersuchung einiges Licht über Dinge zu verbreiten gesucht, deren Unsicherheit den Weisen, und deren Dunkelheit den Unwissenden bisher zurückgeschreckt hat. Wohl mir, wenn es mir gelingt, die Trennung der beiden Arten zu philosophieren dadurch zu beseitigen, dass ich die Gründlichkeit mit der Klarheit, und die Wahrheit mit der Neuheit verbinde.

Noch glücklicher würde es mich machen, wenn ich durch solche leichtere Weise der Behandlung die Grundlagen jener dunklen Philosophie erschüttern könnte, welche bisher nur dem Aberglauben als Schutz und dem Unsinn und Irrtum als Deckmantel gedient hat.

Das Wort: Philosophie wird bei den Engländern, wie schon Hegel erwähnt, in einem weitern Sinne als bei den Deutschen gebraucht. Es wird dort jede Untersuchung zur Philosophie gerechnet, die über das blosse Wahrnehmen und Nächste hinaus mit Aufsuchung der Begriffe und Gesetze eines Gebietes sich beschäftigt. Deshalb gehört in England schon die Naturwissenschaft im gewöhnlichen Sinne zur Philosophie, während sie in Deutschland davon streng unterschieden wird. Der deutsche Idealismus sucht den Unterschied der besondern Wissenschaften von der Philosophie in den eigentümlichen Mitteln, welche letztere zur Erkenntnis der Wahrheit benutzt; der Realismus dagegen unterscheidet beide nur durch den Grad der Allgemeinheit ihres Inhaltes. Die Philosophie beschäftigt sich mit den höchsten Begriffen und Gesetzen des Seins und Wissens; die besondern Wissenschaften mit den niedern, dem Einzelnen näher stehenden. Es besteht deshalb zwischen beiden keine scharfe und keine gegenständliche Grenze. Das Nähere ist in B. I. 87 ausgeführt.
Indem Hume von jenem weitern, in England üblichen Begriffe ausgeht, wird es ihm möglich, die Philosophie in eine leichte und strenge einzuteilen, was für den deutschen Begriff unmöglich ist. Insbesondere kann die Form der Darstellung, die leichtere und verständlichere oder die strengere und wissenschaftlichere Behandlung des Stoffes keinen Anhalt für die Einteilung der Philosophie abgeben; hier muss vielmehr jede Darstellung zugleich verständlich und auch streng und wissenschaftlich sein, wie auch Hume sich selbst vorgesetzt hat.
Ebensowenig dürfen hier Zwecke zur Einteilung benutzt werden, welche der Philosophie fremd sind. Die Philosophie, hat wie die besondern Wissenschaften, nur einen Zweck; dieser ist die Erkenntnis der Wahrheit. Sie ist reines Wissen und will nur den Inhalt des Seienden in die Wissensform umsetzen (B. I. 77. Ästhetik I. 24). Jeder andere Zweck liegt ausserhalb ihrer; insbesondere auch ihre Verwendbarkeit zur Steigerung des Glückes oder der Sittlichkeit unter den Menschen. Es mag sein, dass sie dazu benutzt werden kann; allein dieser Nutzen ist ihr zufällig, und sie würde Philosophie und Wissenschaft bleiben, auch wenn eine solche Verwendung ihrer nicht möglich wäre. Gerade darin liegt die Hoheit aller Wissenschaft.
Damit erscheinen denn auch alle jene Gründe als überflüssig, womit Hume hier die strenge Philosophie, gegenüber der leichtern, zu verteidigen sucht.

Der ethischen Auffassung gegenüber ist allerdings die wissenschaftliche Thätigkeit des Menschen nur eine vereinzelte, zum Gebiet der Lust gehörende (B. XI. 145), welche dem sittlichen Gesetz, wie jedes andere Handeln, unterthan ist. Es kann deshalb sein, dass das sittliche Gebot oder die Pflicht dem Menschen auch in der Erforschung der Wahrheit Schranken setzt, die er nicht überschreiten darf, selbst wenn diese Schranken die Aufsuchung der Wahrheit und die Erkenntnis hemmen und die volle Erreichung der Wahrheit verhindern sollten; wie dies zum Teil in der christlichen Moral stattfindet, welche die Vernunft mehr oder weniger dem Glauben und der Offenbarung unterordnet. Vom sittlichen Standpunkt gilt daher selbst die Philosophie nicht als das Höchste, Absolute; sondern sie hat sich den Moral-Geboten in ihren Zielen und Mitteln gehorsam zu fügen.

Allein als reines Wissen für sich betrachtet, kennt die Philosophie keine Schranke; ähnlich wie z. B. auch die Medizin keine Scham kennt; sie ist innerhalb ihres besondern Gebietes souverain, und keine Rücksicht auf eine Lust oder ein sittliches Gebot kann ihr hier als eine Schranke entgegengestellt werden; ja sie nimmt das sittliche Gebot, welches im Sein als ihr Gebieter sich geltend macht, hier zu ihrem Gegenstand und vermag es damit seiner Hoheit zu entkleiden und sich gleichsam zu unterwerfen.

Diese anscheinende Antinomie ist keine Eigentümlichkeit der Philosophie; sie tritt bei jeder besondern Thätigkeit hervor. Als eine besondere, z. B. als Reitkunst, oder als Kunst, den Nationalreichtum zu vermehren (Nationalökonomie), hat solche Thätigkeit nur ihren besondern Zweck im Auge; alles Andere ist dabei zurückgestellt. Allein damit ist die sittliche Ordnung nicht aufgehoben; vielmehr muss jede besondere und somit nur technische Thätigkeit sich der höchsten Ordnung unterwerfen, welche als sittliches Gebot alles Handeln beherrscht oder beherrschen kann; kein einzelnes technisches oder wissenschaftliches Handeln darf die Befolgung des Sittlichen deshalb ablehnen, weil es dadurch in der vollen Erreichung seines besondern Zieles gehindert werde. Gilt dies für die Reitkunst, für die Finanzkunst u. s. w., so gilt es auch für die Erkenntniskunst, d. h. für die Philosophie. Als reines Wissen, was über dem Weltall oder dem Seienden schwebt, wird die Philosophie von den Geboten des Nutzens, der Klugheit und der Sittlichkeit nicht erreicht; aber insofern der einzelne Mensch dieses Wissen sich aneignen und es weiterführen will, fällt diese seine Thätigkeit in das Seiende, wird ein Handeln und damit den Geboten der Klugheit und Sittlichkeit unterthan. Ähnlich verhält es sich mit dem Schönen. Als ideales Bild des seelenvollen Realen (Ästhetik I. 309) wird es weder von der Klugheit noch von dem Sittengebote erreicht; es steht über der realen Welt und ihren Regeln. Aber der Mensch, insofern er das Schöne schafft oder geniesst, handelt, und dieses Handeln bleibt der Moral unterthan und kann sich dem Pflichtgebot wegen der Hoheit seines Gegenstandes nicht entziehen.

Wie weit übrigens die Moral hier zu gehen habe, ist so positiv, wie die ganze Moral überhaupt, und kann nie aus dem Gegenstande oder der Natur des Handelns abgeleitet werden (B. XI. 62). Deshalb haben die sittlichen Schranken nach Zeit und Ländern sehr gewechselt. In Griechenland war die Freiheit nicht so gross, als man gewöhnlich meint; Sokrates musste wegen seiner Lehre den Giftbecher trinken, und andere Philosophen wie Anaxagoras und Aristoteles mussten sich den Verfolgungen durch die Flucht entziehen. Die Schranken, welche die christliche Kirche der Philosophie im Mittelalter zog, sind bekannt; sie werden noch jetzt von dem Katholizismus festgehalten. In den modernen Staaten ist die Freiheit der Wissenschaft zwar als Prinzip anerkannt, aber in der Anwendung auf das Bestehende ist die Grenze oft eng gezogen. Die Anhänger der bestehenden Religionen und der überkommenen politischen und sozialen Zustände, welche die ihnen von der Philosophie drohenden Gefahren wohl erkennen, drängen fortwährend auf Minderung dieser Freiheit, und sie bleibt deshalb ein schwankender Besitz.

Hume hält sich bei dieser Frage ganz naiv und populär. Seine Betrachtungen sind nach dem Vorstehenden leicht zu berichtigen.

Hume bezeichnet demnächst als seine hier gewählte Aufgabe die Untersuchung des menschlichen Verstandes. Sein Werk gehört deshalb zur Philosophie des Wissens (B. I. 95). Im ersten Teile untersucht Hume das Erkennen; im zweiten, von den Wundern ab, den Glauben. Locke war ihm mit einem Werke gleichen Titels vorangegangen, welches in England zu hohem Ansehen gelangt war. Berkeley, Priestley und Andere setzten diese Untersuchungen fort, welche immer mehr einem Idealismus sich näherten, welcher das Sein der äusseren Dinge leugnete. Hume ging ebenfalls von Locke aus, aber anstatt auf die Frage nach der Wirklichkeit des Inhaltes der Wahrnehmungen tiefer einzugehen, wendete er sich mehr den in dem menschlichen Denken vorhandenen Beziehungsformen zu, insbesondere der Ursachlichkeit, und gelangte so zu einem System, was man als Skeptizismus bezeichnet hat, aber diesen Namen nicht verdient, da Hume das Seiende weniger als jene Idealisten und selbst als Kant in Zweifel zieht. Hume leugnet nur, dass man die Wirklichkeit des Wahrgenommenen beweisen könne, und bestreitet nur die Realität jener Beziehungsformen; im übrigen erklärt er in dieser Abteilung selbst, dass die Wahrheit dem menschlichen Verstand erreichbar sei und dass er hoffe, ihr näher gekommen zu sein. Damit kann selbst der Realismus und Empirismus übereinstimmen.

Es ist bekannt, dass Humes Untersuchungen Kant zu seinem transcendentalen Idealismus geführt haben; allein der höhere und bleibende Wert des Humeschen Werkes liegt darin, dass er jene Beziehungsformen für sich zum Gegenstand der Untersuchungen genommen und auf die hohe Bedeutung und eigentümliche Natur derselben mehr, als bis dahin geschehen war, aufmerksam gemacht hat. Hume behauptete ihre Idealität, ohne dabei die Realität des Wahrgenommenen zu leugnen; während vor Hume die Philosophie gerade das Umgekehrte behauptet hatte. Kant fühlte die tiefe Wahrheit von der Idealität dieser Beziehungsformen; allein in dem Eifer, ihnen dennoch eine objektive Gültigkeit zu erhalten, opferte er die Realität des Wahrgenommenen und so blieb ihm nur eine Erscheinungswelt übrig, in der, als solche, jene Beziehungen zwar Geltung haben, die aber in der That nur eine Welt des Scheines und der Täuschung ist, da erst hinter ihr das Wirkliche, als Ding-an-sich, aber als das Unerkennbare sich befinden soll. Fichte und die Späteren suchten diesen Dualismus zu beseitigen, indem sie das Ding-an-sich ganz fallen liessen und das Denken zu dem allein Realen erhoben.
Das natürliche Vorstellen und die besonderen Wissenschaften haben diesen Gewaltsamkeiten der deutschen Philosophie nie folgen können. Indem die Philosophie gegenwärtig in der Umkehr begriffen ist und den natürlichen Fundamenten der Erkenntnis sich wieder zuwendet, erhält das Werk von Hume wieder eine höhere Bedeutung. Denn soll die realistische Auffassung in der Philosophie einen festern Boden gewinnen, so ist durchaus nötig, dass sie sich über die Natur jener Beziehungsformen klar werde und über ihre Realität oder Idealität sich entscheide. Noch herrscht darüber selbst in der neuesten Philosophie ein Schwanken und eine Unsicherheit (z. B. Ueberweg, Geschichte der Philosophie. B. III. S. 140. Anmerk. Ausgabe II.), welche bei ihr, die noch ganz von den Prinzipien des Idealismus getränkt ist, zwar nicht wundern darf, aber deren Beseitigung dennoch eine Hauptaufgabe der Philosophie für die nächste Zeit bilden dürfte. Der Rückblick auf Hume wird dabei sicherlich von Nutzen sein.

Von den S. 11 erwähnten Schriftstellern war la Bruyère, geb. 1639 oder 1644, Schatzmeister zu Caen in Frankreich. Er kam durch Bossuets Empfehlung an den Hof, wo er Untergouverneur des Herzogs von Bourgogne unter Fénelon wurde. Er galt als ein feiner Charakterzeichner und vorzüglicher französischer Prosaist. Sein bedeutendstes Werk erschien 1687 unter dem Titel: Les caractères de Theophraste avec les caractères ou les moeurs de ce siècle, und gehört noch gegenwärtig zu den geistreichsten Sittenschilderungen des 17. Jahrhunderts. Es hat noch bis in die neueste Zeit zahlreiche Auflagen und Übersetzungen erlebt. – Malebranche, französischer Philosoph, geb. 1638, ward durch die Schriften des Descartes zur Philosophie geführt und wurde der Begründer des Occasionalismus, über welchen Hume später sich noch näher auslässt. Das berühmteste Werk Malebranches ist seine: Recherche de la vérité, was 1674 zu Paris in 4 Bänden erschien. – Addison, ein englischer Dichter, Gelehrter und Staatsmann, geb. 1672, gest. 1719, gewann seine litterarische Berühmtheit hauptsächlich durch die Wochenschrift: The Spectator, deren wichtigste Artikel von Addison herrührten. – John Locke, geb. 1632, gest. 1704, wurde in England der Begründer des Sensualismus und Empirismus; sein Hauptwerk ist »Ein Versuch in Betreff des menschlichen Verstandes« in vier Büchern, was viele Auflagen erlebt und in die meisten europäischen Sprachen übersetzt worden ist. In der philosophischen Bibliothek bildet es den 51. und 52. Band.
Das Urteil Humes über den Ruhm dieser Schriftsteller mag für seine Zeit allenfalls wahr gewesen sein; für die Gegenwart kann es nicht mehr als richtig gelten, vielmehr wird namentlich in Deutschland jetzt Malebranche und Locke viel höher gestellt und mehr gelesen, als ihre hier genannten Nebenbuhler.


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