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Abteilung III.
Über die Verbindung der Vorstellungen.

Offenbar besteht eine Regel für die Verknüpfung verschiedener Gedanken oder Vorstellungen der Seele; bei ihrem Eintritt in die Erinnerung oder Phantasie führt die eine die andere nach einer gewissen Methode und Regelmässigkeit mit sich. Bei ernstem Nachdenken oder Sprechen ist dies so auffallend, dass jeder ungehörige Gedanke, welcher die regelmässige Folge oder Kette der Vorstellungen unterbricht, sofort bemerkt und zurückgewiesen wird. Aber auch in den wildesten und schwärmerischsten Träumereien, ja selbst bei wirklichen Träumen zeigt die Beobachtung, dass die Einbildungskraft nicht ganz abenteuerlich sich bewegt, sondern dass zwischen den verschiedenen Vorstellungen, welche sich folgten, immer eine Verknüpfung bestand. Könnte man das loseste und ungebundenste Geschwätz gleich niederschreiben, so würde man sofort bemerken, dass bei allen Sprüngen doch etwas da war, was sie verknüpfte. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird die Person, welche den Faden der Unterhaltung abbrach, immer angeben können, dass in ihrer Seele eine Folge von Gedanken statt gehabt, welche sie allmählich von dem Gegenstand der Unterhaltung abgeführt hat. In verschiedenen Sprachen, selbst da, wo nicht die geringste Verbindung oder ein gegenseitiger Einfluss vorausgesetzt werden kann, zeigen Worte, welche sehr verwickelte Vorstellungen bezeichnen, doch grosse Übereinstimmung; ein sicherer Beweis, dass die einfachen, darin enthaltenen Vorstellungen durch ein gewisses allgemeines Gesetz verknüpft worden sind, welches seinen Einfluss bei jedem Menschen übt.

Obgleich diese Verbindung verschiedener Vorstellungen zu augenfällig ist, um nicht bemerkt zu werden, so hat doch kein Philosoph, so viel ich weiss, versucht, diese Gesetze der Verbindung sämtlich aufzusuchen und zu ordnen; und doch ist der Gegenstand von Interesse.

Nach meiner Ansicht bestehen nur drei Gesetze der Gedankenverbindung; sie sind: die Ähnlichkeit, die Berührung in Zeit oder Raum und die Ursächlichkeit.

Dass diese drei Gesetze zur Verbindung der Gedanken dienen, werden, glaube ich, Wenige bezweifeln. Ein Gemälde führt unsere Gedanken ganz natürlich auf das Original (Ähnlichkeit); die Erwähnung eines Zimmers in einem Hause führt ganz natürlich die Gedanken oder das Gespräch auf das andere Zimmer (Berührung); und wenn man an eine Wunde denkt, so kann man es kaum verhindern, dass man nicht auch an die Schmerzen denkt, die ihr folgen (Ursache und Wirkung).

Dagegen ist der Beweis für die Vollständigkeit dieser Aufzählung, und dass keine weiteren Gesetze daneben für die Gedankenverbindung bestehen, sowohl in bezug auf des Lesers, als für die eigene Überzeugung, schwer zu führen. Alles, was man in solchen Fällen thun kann, ist, die verschiedenen Einzelfälle durchzugehen, genau die Gesetze zu erforschen, welche in ihnen die mehreren Gedanken verbinden, und dabei das Gesetz so allgemein als möglich zu machen.

So ist z. B. der Kontrast oder Gegensatz auch eine Verknüpfung der Vorstellungen; doch kann man ihn auch als eine Mischung von Ursächlichkeit und Ähnlichkeit nehmen. Wo zwei Dinge einander entgegengesetzt sind, zerstört eines das andere; d. h. die Ursache seiner Zerstörung und die Vorstellung der Zerstörung eines Gegenstandes schliessen die Vorstellung seines früheren Daseins ein.

Je mehr solche Fälle man prüft, und je mehr Sorgfalt man anwendet, desto mehr wird man sich überzeugen, dass die von mir gegebene Aufzählung alles umfasst und vollständig ist.

In dieser Abteilung vermischt Hume die Gesetze der sogenannten Ideen-Association (Folge der Gedanken) mit den Verbindungs- oder Einheitsformen, welche für die Gegenstände der Vorstellungen bestehen und in diesen mit vorgestellt werden. Dies sind zwei durchaus verschiedene Verhältnisse; jene Gesetze behandeln die Verbindung der Gedanken als Zustände der Seele; diese die Verbindung ihres Vorgestellten, d. h. der Dinge selbst, nicht bloss ihrer Vorstellungen. Deshalb sind auch die für beide Arten bestehenden Gesetze durchaus verschieden. Diese Verwechselung beider bildet den fundamentalen Irrtum Hume's, der sich durch sein ganzes Werk zieht und Kant den Anlass zu seinen Angriffen gegeben hat. So ist die Ursächlichkeit eine Einheitsform, welche sich auf die Dinge selbst bezieht (B. I. 40. 53) und gehört zu den der Seele von Natur einwohnenden Formen, die Dinge auf einander zu beziehen; aber Hume nimmt sie nur als eine Folge der Vorstellungen, welche wegen häufiger Wiederholung zur Gewohnheit geworden ist; ganz so, wie bei dem Schüler sich zuletzt mit der Vokabel,die Vorstellung der Sache verbindet. Ebenso ist die Ähnlichkeit, oder vielmehr die Gleichheit eine Beziehungsform für die Dinge selbst (B. I. 53.); und die zeitliche und örtliche Berührung ist sogar eine wahrnehmbare oder seiende Einheitsform der Dinge. (B. I. 26.) Das Gesetz der Ideen-Association kann nun zwar häufig mit diesen objektiven Einheitsformen zusammentreffen; allein dies ist ihm nur zufällig; das Gesetz derselben lautet an sich ganz anders, und zwar dahin: dass von Vorstellungen, welche zugleich oder unmittelbar hinter einander in der Seele gewesen sind, die eine oder die erste bei ihrem Wiedereintreten in die Seele die andere erweckt. (B. I. 12.) Es kommt also bei dieser Gedankenverbindung auf die Natur und den Inhalt der dadurch vorgestellten Gegenstände, und ob diese verbunden sind, gar nicht an; das Entfernteste und Verschiedenste kann sich einander so als Vorstellung in der Seele erwecken, wenn es nur vorher ein oder mehrere male in der Seele beisammen vorgestellt worden ist. Wenn also die Ähnlichkeit, die Berührung und die Ursächlichkeit auch für die Ideen-Association sich wirksam zeigen, so ist dies nicht die Folge ihrer eigenen Natur, sondern, dass das von diesen Verbindungsformen Befasste auch im Vorstellen oder als Gedanken in der Seele beisammen gewesen ist und deshalb sich einander wieder erweckt. Die Ursachlichkeit kann daher zwar auch eine Verbindung der Gedanken bewirken; aber ihr Begriff geht weiter und bezieht die Dinge selbst. Der Mensch unterscheidet deshalb auch die subjektiven Verbindungen sehr genau von den objektiven. Ich komme durch die Ideenassociation wohl von dem Ofen auf die Wärme; ich kann aber auch durch sie vom Ofen auf einen Bekannten kommen, den ich gestern am Ofen gesehen habe. Als Gedankenverbindung beruhen beide Fälle auf demselben Gesetze und sind die gleiche Erscheinung; aber dennoch gilt der Seele nur die erste als eine ursachliche, d. h. als eine auf die Gegenstände und nicht bloss ihre Gedanken sich beziehende Verbindung. Diesen wichtigen Unterschied übersieht Hume, und dies ist der durchgehende Fehler seines Systems, wie sich später näher ergeben wird.


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