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Abteilung VII.
Über den Begriff der notwendigen Verknüpfung.

Abschnitt I.

Der grosse Vorteil, den die mathematischen Wissenschaften über die philosophischen haben, ist, dass die Vorstellungen der ersten wahrnehmbar und deshalb immer klar und deutlich sind; deshalb wird der kleinste Unterschied bei ihnen sofort bemerkt, und dieselben Worte bezeichnen immer dieselben Vorstellungen, ohne Zweideutigkeit oder Schwanken. Ein Oval verwechselt man nie mit einem Kreise, und eine Hyperbel nicht mit einer Ellipse. Das gleichseitige und ungleichseitige Dreieck sind durch Grenzbestimmungen getrennt, schärfer, als die zwischen Laster und Tugend, Recht und Unrecht. Wenn ein Ausdruck in der Geometrie erklärt ist, so setzt der Verstand leicht und von selbst in jedem Falle die Definition an Stelle des erklärten Wortes. Und selbst da, wo keine Definition gegeben ist, kann der Gegenstand wahrnehmbar und dadurch fest und klar erfassbar gemacht werden.

Aber die feinern Empfindungen der Seele, die Vorgänge im Denken, die mannichfachen Erregungen der Gefühle entgehn uns, trotz ihres wirklichen Unterschiedes, leicht, wenn sie innerlich betrachtet werden; auch haben wir nicht die Macht den ursprünglichen Gegenstand herbeizuschaffen, wenn Veranlassung zu seiner Betrachtung vorhanden ist. Deshalb werden unsere Schlüsse allmählich zweideutig; ähnliche Gegenstände werden leicht als gleiche behandelt, und der Schlusssatz entfernt sich oft weit von seinen Vordersätzen.

Indes kann man dreist behaupten, dass bei genauer Betrachtung die Vorteile und Nachteile dieser Wissenschaften sich ausgleichen und beide einander gleich stellen. Wenn der Verstand die geometrischen Begriffe leichter klar und deutlich erfasst, so muss er doch eine längere und verwickeltere Kette von Schlüssen ziehn und sehr entfernte Begriffe mit einander vergleichen, um die tiefern Wahrheiten dieser Wissenschaft zu erfassen. Wenn dagegen philosophische Begriffe ohne grosse Sorgfalt dunkel und verworren bleiben, so sind doch hier die Folgerungen immer kürzer, und die Mittelsätze, welche zu jenen Schlusssätzen führen, nicht so zahlreich als in den Wissenschaften, welche die Grösse und die Zahl behandeln. In der That giebt es bei Euklid keinen noch so einfachen Lehrsatz, der nicht aus mehr Gliedern bestände, als irgend ein philosophischer Satz, mit Ausnahme von Hirngespinnsten und Täuschungen. Wo man den Prinzipien des menschlichen Verstandes auf einige Schrite nachspüren kann, so kann man mit dem Fortschritt zufrieden sein, wenn man erwägt, wie bald die Natur allen unsern Untersuchungen über Ursachen einen Riegel vorschiebt und uns zur Anerkenntnis unser Unwissenheit nötigt. Das Haupthindernis des Fortschrittes in den metaphysischen Wissenschaften liegt deshalb in der Dunkelheit der Begriffe und der Zweideutigkeit der Worte. Die Hauptschwierigkeit bei der Mathematik liegt dagegen in der Länge der Folgerungen und dem Umfange der Vorstellungen, deren man zum Beweise bedarf. Unser Fortschritt in der Naturwissenschaft ist vielleicht durch den Mangel geeigneter Versuche und Erscheinungen gehindert, welche meist zufällig entdeckt werden und selbst durch die emsigste und vorsichtigste Untersuchung dann nicht gefunden werden, wenn man sie braucht. Da die Philosophie bisher weniger vorgeschritten scheint, als Mathematik und Physik, so erhellt, dass, wenn in dieser Beziehung Verschiedenheit vorhanden ist, die Schwierigkeiten, welche sich dem Fortschritt der erstern entgegenstellen, grössere Sorgfalt und Fähigkeit zu ihrer Ueberwindung fordern.

Die Metaphysik hat keine dunklern und unsicherern Begriffe, wie die der Macht, der Kraft, der Wirksamkeit oder notwendigen Verbindung, von denen man bei jeder Untersuchung fortwährend Gebrauch machen muss. Ich werde deshalb in dieser Abteilung so viel als möglich die genaue Bedeutung dieser Worte zu bestimmen suchen, um damit einen Teil der Dunkelheit zu beseitigen, über welchen man in diesem Zweige der Philosophie so viel klagt.

Der Satz wird nicht bestritten werden, dass alle unsere Begriffe nur Abbilder unserer Eindrücke sind, oder dass, mit andern Worten, wir uns nichts vorstellen können, was wir nicht vorher innerlich oder äusserlich wahrgenommen haben. Ich habe diesen Satz zu erklären und zu beweisen versucht und hoffe, dass man bei richtigem Gebrauche desselben eine grössere Deutlichkeit und Schärfe im philosophischen Untersuchen erreichen wird, als bisher möglich war. Zusammengesetzte Begriffe kann man leicht durch Definition verständlich machen, die nichts anderes ist als ein Aufzählen der Teile oder einfachen Begriffe, welche sie bilden. Hat man aber das Definieren bis zu den einfachsten Begriffen fortgesetzt, und bleiben dann immer noch Zweifel und Dunkelheiten, welche Mittel hat man dann? Durch welche Erfindung kann man diese letzten Begriffe erleuchten und dem geistigen Auge scharf und bestimmt darstellen? – Man suche nach den Eindrücken und ursprünglichen Empfindungen, von welchen diese Begriffe abgenommen sind. Diese Eindrücke sind sämtlich stark und fühlbar. Sie sind nicht zweideutig. Sie sind nicht allein selbst völlig hell, sondern auch im stande, ihr Licht den ihnen entsprechenden Begriffen mitzuteilen, die noch in der Dunkelheit liegen. Dadurch erreicht man gleichsam ein neues Vergrösserungsglas oder optisches Instrument, welches die zartesten und einfachsten Begriffe der Philosophie so vergrössert, dass sie schnell in die Wahrnehmung fallen, und dann so leicht, wie die gröbsten und sinnlichsten Vorstellungen, die unserer Untersuchung aufstossen, zu fassen sind.

Um deshalb mit dem Begriff der Kraft oder notwendigen Verknüpfung genau bekannt zu werden, muss man den ihr zu Grunde liegenden Eindruck untersuchen; und um diesen Eindruck sicher zu finden, muss man nach ihm in allen Quellen suchen, aus denen er herkommen kann.

Wenn man sich unter äussern Gegenständen umsieht und die Wirksamkeit der Ursachen betrachtet, so kann man für keinen einzigen Fall eine Kraft oder notwendige Verknüpfung entdecken; keine Eigenschaft zeigt sich da, welche die Wirkung an die Ursache bände und die eine zur untrüglichen Folge der andern machte. Man bemerkt nur, dass das Eine thatsächlich und wirklich dem andern folgt. Dem Anstosse der einen Billardkugel folgt die Bewegung der zweiten. Dies allein nehmen die äussern Sinne wahr. Die Seele hat keine Empfindung oder innern Eindruck von dieser Folge der Gegenstände. Irgendein einzelnes Beispiel von Ursache und Wirkung hat deshalb nichts an sich, was den Begriff von Kraft oder notwendiger Verknüpfung darbieten könnte.

Bei dem ersten Auftreten eines Gegenstandes kann man nie die aus ihm hervorgehende Wirkung mutmassen. Wäre die Kraft oder Wirksamkeit einer Ursache der Seele erkennbar, so könnte man auch ohne Erfahrung die Wirkung vorhersehen und vermittelst der blossen Kraft des Denkens und Schliessens schon bei dem erstenmale sich mit Gewissheit darüber aussprechen.

Aber in Wahrheit bietet in keinem ihrer Teile die Materie in ihren wahrnehmbaren Eigenschaften eine Kraft oder Wirksamkeit, noch giebt sie einen Anhalt für das, was sie hervorbringt, oder was ihr folgt, und was man ihre Wirkung nennen kann. Undurchdringlichkeit, Ausdehnung, Bewegung, alle diese Eigenschaften sind in sich vollständig und deuten kein anderes Ereignis an, was aus ihnen hervorgehen könnte. Die Erscheinungen wechseln fortwährend in der Welt, und Eines folgt dem Andern in ununterbrochener Reihe; aber die Macht oder Kraft, welche die ganze Maschine bewegt, ist uns völlig verborgen und zeigt sich in keiner wahrnehmbaren Eigenschaft der Körper. Wir wissen, dass thatsächlich die Hitze ein beständiger Begleiter der Flamme ist; was aber das Bindende zwischen beiden ist, das können wir nicht einmal mutmassen oder ersinnen. Der Begriff der Kraft kann deshalb aus der Betrachtung der Körper in den Einzelfällen ihrer Wirksamkeit nicht abgeleitet werden, denn kein Körper zeigt eine Kraft, welche das Urbild zu diesem Begriff abgeben könnte.

Locke sagt in seinem Kapitel über die Kraft: Die Erfahrung lehrt, dass neue Hervorbringungen im Stoffe statthaben; daraus folgert man, dass eine Kraft bestehen müsse, die dergleichen bewirken könne, und so gelangt man mit diesem Denken zuletzt zum Begriff der Kraft. – Aber kein Denken kann eine neue ursprüngliche einfache Vorstellung zuführen, wie dieser Philosoph selbst anerkennt. Der Begriff der Kraft kann daher auf diesem Wege nicht entstehen.

Wenn daher die äussern Gegenstände, wie sie den Sinnen erscheinen, uns keinen Begriff von Kraft oder notwendiger Verknüpfung durch ihre Wirksamkeit in dem einzelnen Falle bieten, so muss man sehen, ob dieser Begriff seinen Ursprung nicht in einer Selbstbetrachtung der Thätigkeit der eigenen Seele hat und also das Abbild eines innern Eindrucks ist. Man kann behaupten, dass man jederzeit einer innern Kraft sich bewusst ist, weil man fühlt, dass man durch den blossen Willen die Glieder des Körpers bewegen und die Vermögen der Seele leiten kann. Ein Wollen bewirkt Bewegung in unsern Gliedern oder weckt eine neue Vorstellung in unserm Denken. Dieser Einfluss des Willens ist uns durch ein inneres Bewusstsein bekannt. Von da bekommen wir den Begriff der Kraft oder der Wirksamkeit, und wir sind sicher, dass wir selbst und alle vernünftigen Wesen Kraft besitzen. Diese Vorstellung ist deshalb eine durch Reflektion gewonnene Vorstellung; sie entspringt aus der Betrachtung der Seelenthätigkeit und des Einflusses, welchen der Wille über die Glieder des Körpers und die Vermögen der Seele ausübt.

Wir wollen diesen Satz näher untersuchen; zunächst rücksichtlich des Einflusses des Willens auf die Glieder des Körpers. Dieser Einfluss ist offenbar eine Thatsache, welche gleich allen andern natürlichen Vorgängen nur durch Erfahrung erkannt werden kann und im voraus aus keiner wahrnehmbaren Wirksamkeit oder Kraft in der Ursache, die sie mit ihrer Wirkung verknüpfte, und die eine zur untrüglichen Folge der andern machte, entnommen werden kann. Die Bewegung unseres Körpers erfolgt auf den Befehl unseres Willens. Dessen sind wir uns jederzeit bewusst. Aber die Mittel, wodurch dieses geschieht, die Kraft, mittelst deren der Wille eine so ausserordentliche That vollbringt, sind dem unmittelbaren Bewusstsein so sehr entzogen, dass sie für immer sich der genauesten Nachforschung entziehen.

Denn giebt es erstens in der ganzen Natur ein geheimnisvolleres Prinzip, als die Verbindung von Seele und Leib? Eine angenommene geistige Substanz erlangt dadurch einen solchen Einfluss über eine körperliche, dass der feinste Gedanke im stande ist, den gröbsten Stoff zu bewegen. Könnten wir durch einen leisen Wunsch Berge versetzen oder die Gestirne in ihren Laufbahnen aufhalten, so wäre diese grosse Macht doch nicht ausserordentlicher und unbegreiflicher. Könnten wir durch das Bewusstsein eine Kraft in dem Willen bemerken, so müssten wir diese Kraft und ihre Verbindung mit der Wirkung kennen; ebenso das geheime Band zwischen Leib und Seele und die Natur beider Substanzen, wodurch die eine in so vielen Fällen auf die andere einwirken kann.

Zweitens: Wir können nicht allen Teilen des Körpers in gleicher Weise gebieten, obgleich wir keinen Grund für diesen auffallenden Unterschied angeben können als die Erfahrung. Weshalb hat der Wille Macht über die Zunge und die Finger, und nicht über das Herz und die Leber? Diese Frage würde uns nicht in Verlegenheit setzen, wenn wir uns im ersten Falle einer Kraft bewusst wären und in dem andern nicht. Wäre dies, so würde man auch ohne Erfahrung einsehen, weshalb die Macht des Willens über die Organe des Lebens in so feste Grenzen befasst ist. Man wäre dann mit der Kraft oder Macht, durch welche er wirkt, genau bekannt und würde wissen, weshalb sein Einfluss gerade nur so weit und nicht weiter reichte.

Ein Mensch, der plötzlich am Beine oder Arme gelähmt worden ist, oder der diese Glieder kürzlich verloren hat, versucht anfänglich oft, sie zu bewegen und in der gewohnten Weise zu gebrauchen. Hier ist er sich der Kraft, seine Glieder zu regen, ebenso bewusst, als jemand in voller Gesundheit sich der Kraft, die in ihren natürlichen Zustand verbliebenen Glieder zu bewegen, bewusst ist. Aber das Bewusstsein täuscht niemals. Folglich sind wir weder in dem einen noch in dem andern Falle uns irgend einer Kraft bewusst. Nur aus der Erfahrung lernen wir den Einfluss unsers Willens kennen, und nur die Erfahrung lehrt uns, wie beständig ein Ereignis einem andern folgt, aber ohne uns über die geheime Verknüpfung, die sie aneinander bindet und untrennbar macht, zu belehren.

Drittens: Die Anatomie lehrt uns, dass der unmittelbare Gegenstand der Kraft bei freiwilliger Bewegung nicht das bewegte Glied selbst ist, sondern gewisse Muskeln und Nerven und Lebensgeister und vielleicht noch etwas Feineres und Unbekannteres, durch welches sich die Bewegung fortsetzt, ehe sie das Glied selbst erreicht, dessen Bewegung der unmittelbare Gegenstand des Wollens ist. Giebt es einen stärkern Beweis, dass die Kraft, durch welche der ganze Vorgang zu stande kommt, anstatt durch inneres Gefühl oder Bewusstsein geradezu und voll erkannt zu sein, vielmehr im höchsten Grade geheimnisvoll und unbegreiflich ist? Die Seele will einen bestimmten Erfolg; unmittelbar entsteht aber ein anderer Erfolg, der uns unbekannt und gänzlich von dem gewollten verschieden ist; dieser Erfolg bewirkt einen andern, ebenso unbekannten, bis endlich nach einer langen Reihe der verlangte Erfolg hervortritt. Hätten wir die ursprüngliche Kraft wahrgenommen, so hätten wir sie gekannt; dann hätten wir auch die Wirkung gekannt, weil alle Kraft in Beziehung zur Wirkung steht. Umgekehrt, ist die Wirkung unbekannt, so kann auch die Kraft nicht bekannt und wahrgenommen sein. Wie kann man in Wahrheit sich einer Kraft über die Glieder bewusst sein, wenn man keine solche hat, sondern nur eine solche zur Erregung gewisser Lebensgeister, welche zwar zuletzt die Bewegung der Glieder hervorbringen, aber dabei doch in einer für uns ganz unbegreiflichen Weise wirksam sind?

Aus alledem kann man ohne Übereilung und mit Gewissheit schliessen, dass unser Begriff der Kraft nicht das Abbild einer Empfindung oder Wahrnehmung der Kraft in uns ist, wenn wir eine Bewegung unternehmen, oder unsere Glieder nach ihrer Bestimmung und Einrichtung gebrauchen. Dass deren Bewegung den Befehlen des Willens folgt, ist ein Gegenstand der gemeinen Erfahrung, wie bei andern natürlichen Vorgängen; aber die Kraft oder Wirksamkeit, wodurch dies geschieht, ist ebenso wie bei andern natürlichen Vorgängen unbekannt und unbegreiflich.

Man könnte sagen, dass die Vorstellung der Kraft und Macht sich aus dem Widerstande bilde, den man bei Körpern begegnet, und der uns nötige, unsere Kraft anzuwenden und alle unsere Macht aufzubieten. Diese Anstrengung ( nisus), deren wir hierbei uns bewusst werden, wäre also der herrschende Eindruck, von dem wir diese Vorstellung hernehmen. – Allein man spricht bei einer Menge Dingen von ihrer Kraft, wo man einen solchen Widerstand oder eine solche Kraftäusserung nicht voraussetzen kann; so bei dem höchsten Wesen, dem ja Nichts Widerstand leisten kann; so bei der Seele, in ihrer Herrschaft über Gedanken und Glieder beim gewöhnlichen Denken und Bewegen, wo die Wirkung unmittelbar dem Willen folgt, ohne Äusserung oder Hilfe einer Kraft; so beim leblosen Stoff, der solcher Empfindung unfähig ist. Sodann hat diese Empfindung des Anstrengens, um einen Widerstand zu überwinden, keine bekannte Verknüpfung mit irgend einem Ereignisse. Was folgt, lernt man nur aus Erfahrung, aber nicht a priori.

Indes ist es richtig, dass diese lebendige Anstrengung, die man empfindet, dem gewöhnlichen und ungenauen Begriff der Kraft ziemlich entspricht, obgleich sie für den scharfen und genauen Begriff derselben nicht zureicht.

Soll man nun behaupten, dass wir uns einer Kraft oder Wirksamkeit in der Seele bewusst sind, wenn wir auf Geheiss unsers Willen eine neue Vorstellung erfassen, die Seele in deren Betrachtung festhalten, sie nach allen Seiten wenden und sie zuletzt, wenn wir glauben, sie hinlänglich betrachtet zu haben, wegen einer andern Vorstellung fortschicken? Ich glaube, dieselben Gründe ergeben, dass auch ein solches Geheiss des Willens uns keine wirkliche Vorstellung von der Kraft und Wirksamkeit gewährt.

Erstens: muss man einräumen, dass wir, wenn wir die Kraft kennen, dann auch in der Ursache den Umstand kennen, welcher sie befähigt, die Wirkung hervorzubringen; denn Beides ist gleichbedeutend. Wir müssten also dann sowohl die Ursache und Wirkung, als auch ihr Verhältnis zu einander kennen. Wer will aber behaupten, mit der Natur der menschlichen Seele, oder mit der Natur einer Vorstellung, oder mit der Art, wie die eine die andere hervorbringt, bekannt zu sein? Hier ist eine wirkliche Schöpfung, eine Hervorbringung aus Nichts; und dies scheint auf den ersten Blick eine so grosse Kraft zu bedingen, wie sie über den Bereich jedes endlichen Wesens hinausgeht. Man muss wenigstens anerkennen, dass eine solche Kraft von der Seele nicht gefühlt wird, ihr nicht bekannt ist, ja ihr unbegreiflich ist. Wir empfinden nur den Erfolg, nämlich das Dasein einer Vorstellung infolge des Geheisses des Willens; aber die Art, wie dieser Vorgang sich vollzieht, die Kraft, durch welche er hervorgebracht wird, geht über unser Begreifen.

Zweitens: die Macht der Seele über sich selbst ist ebenso beschränkt, wie ihre Herrschaft über den Leib, und diese Schranke lernt man nicht durch die Vernunft oder durch eine Kenntnis der Natur von Ursache und Wirkung kennen, sondern nur durch Erfahrung und Beobachtung, wie bei allen anderen Naturereignissen und Vorgängen der äusseren Körper. Unsere Macht über unsere Gefühle und Leidenschaften ist viel schwächer als die über unsere Vorstellungen, und selbst diese Macht ist in sehr enge Grenzen gefasst. Getraut sich jemand den letzten Grund für diese Schranken anzugeben oder zu zeigen, weshalb die Kraft in einem Falle versagt und in dem andern nicht?

Drittens: Diese Macht über sich selbst ist zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Ein gesunder Mensch besitzt sie in stärkerem Masse als ein durch Krankheit geschwächter. Wir sind am Morgen mehr Herr unseres Denkens, als am Abend; in nüchternem Zustande mehr, als nach einer reichlichen Mahlzeit. Kann man einen anderen Grund, als die Erfahrung, für diesen Unterschied angeben? Wo bleibt also die Kraft, deren wir uns bewusst sein wollen? Sollte hier nicht, entweder in der geistigen oder körperlichen Substanz, oder in beiden, ein geheimer Mechanismus oder Bau der Teile bestehen, von dem die Wirkung abhängt; ein Bau, der, weil er uns gänzlich unbekannt ist, die Kraft oder Wirksamkeit des Willens so unbekannt und unbegreiflich bleiben lässt?

Das Wollen ist unzweifelhaft ein Vorgang in der Seele, den man genau kennt. Man schaue auf ihn und betrachte ihn von allen Seiten. Zeigt sich dabei irgend eine solche schöpferische Kraft, welche eine neue Vorstellung aus dem Nichts erhebt und – wenn man so reden darf – mit einem: Es werde! die Allmacht des Schöpfers nachahmt, welcher alle die mannigfachen Erscheinungen der Natur in das Dasein rief? Wir sind weit entfernt uns dieser Wirksamkeit des Willens bewusst zu sein, vielmehr gehört dazu eine so sichere Erfahrung, wie wir sie besitzen, um die Überzeugung zu gewinnen, dass solche ausserordentliche Wirkungen aus einem einfachen Akt des Willens hervorgehen.

Die meisten Menschen finden es nicht schwer, die gewöhnlichen und bekannten Vorgänge der Natur zu erklären; z. B.: den Fall schwerer Körper, das Wachsen der Pflanzen, die Erzeugung der Tiere und die Ernährung des Körpers durch Lebensmittel. Sie meinen, sie nähmen in all diesen Fällen die eigentliche Kraft und Wirksamkeit der Ursache wahr, wodurch die Ursache mit der Wirkung verknüpft und in ihrer Wirksamkeit untrüglich ist. Man nimmt durch lange Gewohnheit eine solche Weise des Denkens an, dass man bei dem Eintritt der Ursache deren gewöhnlichen Begleiter unmittelbar und sicher erwartet und dass man sich kaum vorstellen kann, wie ein anderer Erfolg daraus hervorgehen könne.

Nur bei Wahrnehmung ausserordentlicher Ereignisse, wie Erdbeben, Pest, Wunder aller Art, findet man sich in Verlegenheit, wenn eine eigentliche Ursache und die Art bezeichnet werden soll, wie die Wirkung hervorgebracht wurde. Gewöhnlich nimmt man in solchen schwierigen Fällen seine Zuflucht zu einem unsichtbaren, geistigen Prinzip, als unmittelbarer Ursache eines solchen überraschenden Vorganges; man meint, dass ein solcher nicht von den gewöhnlichen Naturkräften abgeleitet werden könne. Aber weiterdenkende Philosophen bemerken leicht, dass diese Wirksamkeit der Ursache in den bekanntesten Vorgängen ebenso unerkennbar ist als in den seltensten, und dass man nur durch Erfahrung die häufige Verbindung von Gegenständen kennen lernt, ohne doch die wahre Verknüpfung derselben erfassen zu können. Viele Philosophen halten sich deshalb aus Vernunftgründen verpflichtet, für alle Fälle dasselbe Prinzip anzunehmen, was die grosse Masse nur bei wunderbaren und übernatürlichen zu Hilfe ruft. Sie nehmen an, dass die Vernunft und der Geist nicht allein die letzte und ursprüngliche Ursache aller Dinge sei, sondern auch die unmittelbare und einzige Ursache von jedem natürlichen Ereignis. Sie behaupten, dass die Dinge, welche man gewöhnlich Ursachen nennt, in Wahrheit nur Veranlassungen sind, und dass das wahre und unmittelbare Prinzip jeder Wirkung nicht eine Kraft oder Macht in der Natur, sondern ein Wollen des höchsten Wesens ist, welches bestimmt, dass solche besondere Gegenstände für immer miteinander verbunden sein sollen. Anstatt zu sagen, dass eine Billardkugel die andere durch eine von dem Urheber der Natur überkommene Kraft bewegt, ist es nach ihnen die Gottheit selbst, welche durch ein besonderes Wollen die zweite Kugel bewegt, indem sie zu dieser Handlung durch den Stoss der ersten Kugel bestimmt wird, und zwar infolge der allgemeinen Gesetze, welche sie sich selbst in ihrer Regierung der Welt auferlegt hat. Indes bemerken Philosophen, die in ihren Untersuchungen weiter gehen, bald, dass so wenig, wie die Kraft bekannt ist, durch welche Körper aufeinander wirken, es ebensowenig die Kraft ist, von welcher die Wirksamkeit der Seele auf den Körper und des Körpers auf die Seele abhängt. Man kann weder durch äussere noch innere Wahrnehmung das letzte Prinzip in dem einen Falle näher angeben als in dem andern. Die gleiche Unwissenheit treibt zu der gleichen Folgerung. Jene behaupten, dass die Gottheit die unmittelbare Ursache der Verbindung von Seele und Leib ist; nicht die Sinnesorgane sollen durch ihre Erregung von äusseren Gegenständen die Empfindung in der Seele hervorbringen, sondern ein besonderes Wollen unseres allmächtigen Schöpfers, welcher infolge einer solchen Erregung des Organs eine solche Empfindung erweckt. Ebenso ist es nicht die Willenskraft, welche die örtliche Bewegung der Glieder veranlasst, sondern Gott selbst, welchem es beliebt, unser an sich ohnmächtiges Wollen zu unterstützen und jene Bewegung zu gebieten, die man irrtümlich der eigenen Kraft und Wirksamkeit zuschreibt. Auch bleiben die Philosophen nicht bei dieser Annahme stehen; sie dehnen bisweilen diesen Einfluss auf die inneren Vornahmen der Seele aus. Unsere geistigen Anschauungen oder Begriffe sollen nur eine Offenbarung sein, welche der Schöpfer uns macht. Wenn wir freiwillig unsere Gedanken auf einen Gegenstand richten und sein Bild in der Einbildung aufstellen, so soll nicht der Wille diesen Begriff erzeugen, sondern der Schöpfer der Welt, welcher ihn der Seele enthüllt und vergegenwärtigt.

So ist nach diesen Philosophen jedes Ding von Gott erfüllt. Sie begnügen sich nicht mit dem Grundsatze, dass alles nur durch seinen Willen, und die Kraft nur durch seine Zulassung besteht; sie nehmen auch der Natur und allen erschaffenen Wesen jede Macht, um ihre Abhängigkeit von Gott noch ersichtlicher und unmittelbarer zu machen. Sie bedenken nicht, dass sie durch diese Lehre die Grösse jener Eigenschaften, die sie so hoch erheben wollen, vielmehr verkleinern statt vergrössern. Denn es zeigt offenbar mehr Macht in der Gottheit an, wenn sie einen gewissen Grad von Kraft den niederen Wesen überweist, als wenn sie alles durch ihren unmittelbaren Willen vollbringt. Es zeigt mehr Weisheit, wenn der Bau der Welt mit so vollkommener Voraussicht eingerichtet ist, dass sie von selbst und durch ihre eigene Thätigkeit den Zwecken der Vorsehung dient, als wenn der Schöpfer jeden Augenblick genötigt ist, ihre Teile zurecht zu stellen und durch seinen Atem alle Räder dieser ungeheuern Maschine zu beseelen. Verlangt man indes eine philosophischere Widerlegung dieser Lehre, so werden vielleicht die zwei folgenden Erwägungen genügen.

Erstlich scheint es mir, dass diese Lehre von der allgemeinen Wirksamkeit und Beihilfe des höchsten Wesens zu kühn ist, um jemand zu überzeugen, welcher die Schwäche der menschlichen Vernunft und die engen Grenzen, in die sie bei ihrer Thätigkeit eingeschlossen ist, genügend erkannt hat. Wenn auch die zu dieser Lehre führende Schlusskette noch so logisch wäre, so kann man doch argwöhnen, wenn nicht geradezu behaupten, dass sie uns weit über das Gebiet unserer Fähigkeiten hinausführt, insofern sie zu so ausserordentlichen und vom gewöhnlichen Leben und der Erfahrung so weit abliegenden Schlüssen leitet. Wir sind in das Wunderland schon vor den letzten Schritten dieser Lehre eingetreten, und da kann unseren gewöhnlichen Beweis-Methoden nicht mehr vertraut werden, da haben unsere gewöhnlichen Analogien und Wahrscheinlichkeiten keine Geltung. Die Leine des Senkbleis ist zu kurz, um den Boden eines so unendlichen Abgrundes zu erreichen. Wenn man sich auch schmeichelt, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit und Erfahrung den Führer bei jedem unserer Schritte abgiebt, so hat doch diese vermeintliche Erfahrung sicherlich bei Gegenständen keine Geltung, welche überhaupt ausserhalb des Kreises der Erfahrung liegen. Wir werden später hierauf zurückkommen. (In Abschnitt XII.)

Zweitens kann ich die Beweise, auf welche diese Lehre sich stützt, nicht als überzeugend anerkennen. Wir kennen allerdings nicht die Art, in welcher Körper aufeinander wirken; ihre Kraft und Wirksamkeit ist uns ganz unbegreiflich; aber ist uns die Art und Kraft nicht ebenso unbekannt, wodurch ein Geist, und selbst der höchste Geist, auf sich oder einen Körper wirkt? Ich frage, woher nehmen wir die Vorstellung davon? In uns haben wir keine Empfindung oder Bewusstsein von dieser Kraft. Wir wissen von dem höchsten Wesen nur, was wir durch Betrachtung der eigenen Vermögen von diesen ableiten. Wäre daher unsere Unwissenheit ein genügender Grund, um etwas zurückzuweisen, so würde man eher auf das Prinzip kommen, alle Wirksamkeit ebenso bei dem höchsten Wesen, wie bei dem gröbsten Stoff zu leugnen; denn wir verstehen die Wirksamkeit des Einen so wenig, wie die des Andern. Ist es schwerer, sich vorzustellen, dass die Bewegung vom Stosse entspringt, als dass sie vom Wollen entspringt? Alles, was wir wissen, ist nur unsere gänzliche Unwissenheit in beiden Fällen.

Anm. D. Es bedarf keiner weiteren Untersuchung der Vis inertiae (Trägheitskraft), die dem Stoffe beigelegt und von der in der neuen Philosophie so viel gesprochen wird. Man lernt aus Erfahrung, dass ein Körper in Ruhe oder in Bewegung seinen Zustand beibehält, bis er durch eine neue Ursache eine Änderung erleidet, und dass ein gestossener Körper dem stossenden Körper soviel Kraft entzieht, als er selbst empfängt. Dies sind Thatsachen. Nennt man dies eine Vis inertiae, so bezeichnet man damit nur die Thatsachen, ohne einen Begriff von dieser trägen Kraft zu bieten. Man spricht ebenso von der Schwere und meint damit gewisse Wirkungen, ohne die thätige Kraft zu kennen. Es war nicht die Meinung Isaak Newton's, den mittelbaren Ursachen alle Kraft und Wirksamkeit abzusprechen, obgleich mehrere von seinen Schülern eine solche Lehre auf sein Ansehen zu stützen versuchten. Dieser grosse Philosoph nahm im Gegenteil ein ätherisches wirksames Fluidum zu Hülfe, um die allgemeine Anziehung zu erläutern; obgleich er in seiner Vorsicht und Bescheidenheit anerkannte, dass dies eine blosse Hypothese sei, bei der man, ohne weitere Versuche, sich nicht beruhigen dürfe. Über die Meinungen waltet hier ein wunderbares Schicksal. Descartes bot die Lehre von der allgemeinen und ausschliesslichen Wirksamkeit Gottes, ohne darauf zu bestehen. Malebranche und andere Cartesianer nahmen sie zur Grundlage ihrer ganzen Philosophie. Sie gewann indes in England kein Ansehn. Locke, Clarke und Cudworth beachten sie nicht, sondern nehmen sämtlich an, dass der Stoff eine wirkliche, obgleich untergeordnete und abgeleitete Kraft hat. Wodurch ist also diese vis inertiae zu solcher Bedeutung bei unseren modernen Metaphysikern gelangt?

Dieser Abschnitt beschäftigt sich zunächst mit dem Unterschied der moralischen und mathematischen Wissenschaften. Hier ist Hume's Darstellung sehr schwach und unvollständig. Es kann hier einfach auf das Bezug genommen werden, was in den Erläuterungen zu Kant's Kritik der reinen Vernunft (B. III. S. 91) und in B. I. S. 79 ausgeführt worden ist. Demnächst behandelt dieser Abschnitt die Kraft in der Ursache, welche die Wirkung hervorbringt. Es ist bereits oben (Nummer 5) gezeigt worden, dass diese Kraft eine Erfindung der Seele ist, um sich die Erzeugung der Wirkung aus der Ursache verständlicher zu machen. Ebenso ist dort dargelegt worden, dass die Einführung einer solchen Kraft als Vermittlerin die Schwierigkeit nicht hebt, sondern nur verschiebt.

Man kann deshalb Hume in seinen hier gegebenen Ausführungen über die Unerkennbarkeit einer solchen erzeugenden Kraft beitreten, aber nicht deshalb, weil, wie Hume meint, diese Kraft existiere und nur unerkennbar sei, sondern weil sie gar nicht existiert und ein blosses Gebilde der Phantasie ist.

Dagegen ist die Kraft davon wohl zu unterscheiden, welche in dem thätigen Fühlen (B. I. 3) wahrgenommen wird. Diese Kraft wird vermittelst der Muskeln und Nerven wirklich gefühlt und ist daher eine seiende Bestimmung, welche sich zu der Bewegung und zu dem Drucke besondert. Hume vermischt diese seiende Kraft mit jener erdachten Kraft in der Ursache und erklärt beide für unerkennbar. Dies ist ein Irrtum. Die gefühlte Kraft in der Schwere der Körper, in der Elastizität, in dem Drucke, in der Bewegung ist ein Wirkliches und deshalb auch in seinem Wesen durch den Sinn des Fühlens gegeben. Es ist ein Fehler der Naturforscher und Philosophen, dass sie diese gefühlte Kraft, welche in der Bewegung und dem Druck enthalten ist, auf die Entstehung der Wirkung aus der Ursache übertragen und damit das Wort: »Kraft« so zweideutig gemacht haben, dass grosse Verwirrung in den Wissenschaften daraus entstanden ist.

Viele Systeme nahmen an jener eingebildeten Kraft Anstoss; sie fühlten, dass damit die Schwierigkeit nicht beseitigt wurde, die in der Erzeugung des Einen aus dem Anderen für das Begreifen besteht; sie liessen deshalb diesen Begriff der Kraft fallen und setzten an deren Stelle die Wirksamkeit Gottes. Es sind dies die Systeme des Occasionalismus, für welche Descartes und Malebranche die Bahn gebrochen haben. Hume hat diese Lehre hier bekämpft. An sich ist indes dieser Occasionalismus nicht so verkehrt, wie er auf den ersten Blick erscheint. Will man einmal mit der blossen regelmässigen Folge des Einen auf das Andere sich nicht begnügen; verlangt man noch nach einer Vermittelung, so ist am Ende eine Vermittelung durch die Allmacht Gottes natürlicher, als durch eine in die Ursache verlegte geheime Kraft, die man weder begreifen noch erkennen kann. Will man einmal zu Unbegreiflichkeiten fortgehen, so ist es einfacher, bei der Allmacht Gottes stehen zu bleiben, als bis zu solchen erdichteten geheimnisvollen Kräften fortzuschreiten. Allein Hume macht mit Recht gegen Beides geltend, dass die Schwierigkeit dieselbe bleibe. »Wir verstehen«, sagt Hume, »ebensowenig, wie aus dem Wollen des höchsten Wesens ein Anderes hervorgehen kann, als wie dies aus geheimnisvollen, in der Ursache wirkenden Kräften geschehen kann.« Die in der Anmerk. S. 64 angezogene Stelle aus Locke ist zu finden in B. 50 S. 246 der phil. Bibliothek.]

Abschnitt II.

Es wird Zeit, mit dieser Untersuchung, die schon zu lang geworden, zu Ende zu kommen. Wir haben vergeblich nach dem Begriff einer Kraft oder notwendigen Verbindung in all den Quellen gesucht, aus denen er möglicherweise abfliessen könnte. Es erhellt, dass wir bei den einzelnen körperlichen Vorgängen, auch selbst bei der grössten Genauigkeit, nur die Folge des Einen auf das Andere wahrnehmen; aber keine Kraft oder Macht erfassen, durch welche die Ursache wirkt, und kein Band zwischen ihr und der angenommenen Wirkung. Dieselbe Schwierigkeit zeigt sich bei Betrachtung der Wirksamkeit der Seele auf den Körper; wir sehen dem Wollen der ersten die Bewegung des letzteren folgen, aber können das Band, welches Bewegung und Wollen verknüpft, oder die Wirksamkeit, wodurch die Seele diese Bewegung hervorbringt, nicht wahrnehmen oder erfassen. Die Gewalt des Willens über seine eigenen Vermögen oder Gedanken ist nicht um ein Haar begreiflicher; kurz, in der ganzen Natur zeigt sich nicht ein einziger Fall von Verknüpfung, den man erfassen könnte. Alle Ereignisse erscheinen völlig lose und getrennt; Eines folgt dem Andern, aber niemals können wir ein Band zwischen ihnen wahrnehmen. Sie scheinen verbunden, aber nie verknüpft. Da man keinen Begriff von einer Sache haben kann, welche weder äusserlich noch innerlich wahrgenommen wird, so scheint notwendig zu folgen, dass wir überhaupt keinen Begriff von Verknüpfung oder Kraft haben, und dass diese Worte, sowohl im philosophischen Untersuchen wie im gewöhnlichen Leben ohne Sinn sind.

Indes bleibt noch ein Weg, um dieser Folgerung zu entgehen, und eine Quelle, die wir noch nicht untersucht haben. Es ist ohne Erfahrung trotz allen Scharfsinns unmöglich, von einem natürlichen Gegenstande oder Ereignisse seine Folge zu entdecken oder nur zu erraten; man kann mit dem Wissen nicht über den Gegenstand hinauskommen, der dem Gedächtnis oder den Sinnen unmittelbar gegenwärtig ist. Selbst nach einem Falle oder Versuche, wo die besondere Folge bemerkt worden, bat man noch kein Recht, eine allgemeine Regel daraus zu bilden oder das vorauszusagen, was in gleichen Fällen eintreten werde. Es gilt mit Recht als eine unverzeihliche Dreistigkeit, von einem einzelnen, wenn auch noch so genauen und gewissen Versuche auf den Lauf der Natur zu schliessen. Ist aber eine besondere Art von Ereignissen immer und in allen Fällen miteinander verbunden gewesen, so ist man nicht länger bedenklich, beim Eintritt des Einen das Andere vorauszusagen und die Schlussweise anzuwenden, welche uns allein über Thatsachen und Dasein Gewissheit geben kann. Man nennt dann das Eine die Ursache und das Andere die Wirkung; man nimmt eine Verknüpfung zwischen ihnen an und eine gewisse Kraft in dem Einen, durch welche das Andere unfehlbar hervorgebracht wird, und welche mit der grössten Gewissheit und strengsten Notwendigkeit wirkt.

Der Begriff einer notwendigen Verknüpfung der Vorgänge scheint daher aus der Beobachtung einer Anzahl ähnlicher Fälle, welche diese beständige Verbindung darlegen, hervorzugehen; der einzelne Fall kann diesen Begriff nie zuführen, wenn man ihn auch von allen Seiten beleuchtet und prüft. Eine Anzahl von Fällen, welche als völlig gleich vorausgesetzt worden sind, hat aber nichts Unterscheidendes von dem einzelnen Fall, ausgenommen, dass infolge der Wiederholung solcher gleichen Fälle der Verstand durch Gewohnheit veranlasst wird, beim Auftreten des einen seinen gewöhnlichen Begleiter zu erwarten und zu glauben, dass er ins Dasein treten werde. Diese Verknüpfung, welche wir in der Seele fühlen, dieser gewohnte Übergang des Vorstellens von einem Gegenstande zu seinem gewöhnlichen Begleiter ist also die Empfindung oder der Eindruck, aus dem der Begriff der Kraft oder notwendigen Verknüpfung gebildet wird. Nur so liegt die Sache. Man betrachte die Frage von allen Seiten, man wird keinen andern Ursprung dieses Begriffes entdecken. Darin liegt der einzige Unterschied zwischen einem einzelnen Falle, aus welchem man nie den Begriff einer Verknüpfung gewinnen kann, und einer Anzahl gleicher Fälle, welche ihn uns zuführt. Wenn jemand das erste Mal die Mitteilung der Bewegung durch Stoss wahrnimmt, z. B. zweier Billardkugeln, so kann er nicht sagen, dass das Eine mit dem Andern verknüpft sei, sondern nur dass sie verbunden waren. Erst wenn er mehrere Fälle wahrgenommen hat, sagt er, dass sie verknüpft sind. Was hat sich nun ereignet, um diesen neuen Begriff der Verknüpfung zu erwecken? Nichts, als dass er nunmehr fühlt, wie diese Ereignisse in seinem Vorstellen verknüpft sind, so dass er bei dem Eintritt des Einen die Existenz des Andern gleich voraussehen kann. Wenn man daher von der Verknüpfung zweier Gegenstände spricht, so meint man nur, dass sie im Vorstellen eine Verbindung gewonnen haben und damit die Folgerung des Einen auf das Andere wachrufen. Ein solcher Schluss scheint allerdings etwas sonderbar, aber er besitzt doch genügende Beweiskraft; und diese wird auch nicht durch allgemeines Misstrauen in den Verstand oder skeptische Zweifel gegen eine neue und ungewohnte Folgerung geschwächt. Solche Folgerungen sind dem Skepticismus die willkommensten; sie decken die Schwäche und engen Grenzen des menschlichen Verstandes und Vermögens auf.

Und welcher stärkere Beweis als dieser könnte für die erstaunliche Schwäche und Unwissenheit des Verstandes beigebracht werden? Wenn irgend eine Beziehung zwischen Dingen vollkommen zu kennen für uns von Bedeutung ist, so ist es die von Ursache und Wirkung. Darauf stützen sich alle unsere Schlüsse über Thatsächliches und Dasein. Dadurch allein erreichen wir Gewissheit über Dinge, welche des gegenwärtigen Zeugnisses des Gedächtnisses und der Sinne entbehren. Der einzige unmittelbare Nutzen aller Wissenschaften besteht darin, dass sie uns lehren, wie man kommende Ereignisse durch ihre Ursache beherrschen und leiten kann. Unser Vorstellen und Nachdenken ist fortwährend mit dieser Beziehung beschäftigt. Und doch sind die Begriffe, die man von ihr bildet, so unvollkommen, dass man keine richtige Definition der Ursache geben kann, wenn man nicht ein ihr Äusserliches und Fremdes mit hinzuzieht. Ähnliche Gegenstände sind immer mit ähnlichen verknüpft. Dies sagt uns die Erfahrung. Dem entsprechend kann man die Ursache definieren, als einen Gegenstand, dem ein anderer folgt, so dass alle dem ersten ähnlichen Gegenstände solche, die dem zweiten ähnlich sind, zur Folge haben. Oder mit anderen Worten: So dass, wenn das erste Ding nicht gewesen wäre, das zweite niemals hätte entstehen können. Der Eintritt einer Ursache führt den Verstand durch einen gewohnten Übergang immer zur Vorstellung der Wirkung. Dies lehrt die Erfahrung ebenfalls. Man kann danach noch eine andere Definition der Ursache geben, als eines Gegenstandes, dem ein anderer folgt, und dessen Eintritt immer die Gedanken auf diesen anderen führt. Obgleich beide Definitionen von Umständen, die der Ursache fremd sind, entlehnt sind, kann man doch diesem Übelstand nicht abhelfen, noch eine bessere Definition geben, welche in der Ursache den Umstand bezeichnet, der sie mit ihrer Wirkung verknüpft. Man hat keinen Begriff von dieser Verknüpfung, ja nicht einmal einen bestimmten Begriff von dem, was man damit fordert. So sagt man z. B. das Zittern der Saite sei die Ursache des Tones. Aber was versteht man unter diesem Satz? Man meint entweder: Dass dieser Ton dieser Schwingung nachfolgt, und dass allen ähnlichen Schwingungen ähnliche Töne gefolgt sind; oder: Dass diese Schwingung von diesem Ton gefolgt ist, und dass bei dem Eintritt des einen die Seele den Sinnen vorgreift und unmittelbar die Vorstellung des andern bildet. Man kann die Beziehung einer Ursache und Wirkung in ein oder der anderen Weise auffassen; aber darüber hinaus hat man keinen Begriff von ihr.

Anm. E. Nach diesen Erläuterungen und Definitionen ist der Begriff der Kraft also nur eine Beziehung, wie der der Ursache; Beide beziehen sich auf eine Wirkung oder ein Ereignis, was mit ihnen verbunden ist. Betrachtet man den unbekannten Umstand eines Gegenstandes, wodurch das Mass oder die Grösse seiner Wirkung bestimmt und festgestellt wird, so nennt man es Kraft; demgemäss ist die Wirkung, wie alle Philosophen anerkennen, das Mass der Kraft. Hätte man eine Vorstellung von der Kraft in sich, weshalb mässe man sie nicht unmittelbar? Der Streit, ob die Kraft eines bewegten Körpers gleich ist seiner Schnelligkeit oder gleich dem Quadrat seiner Schnelligkeit, sollte dann nicht durch Vergleichung seiner Wirkungen in gleichen oder ungleichen Zeiten entschieden werden, sondern durch unmittelbare Messung und Vergleichung.

Den Worten: Kraft, Macht, Wirksamkeit begegnet man zwar überall in der Unterhaltung und Philosophie; aber das beweist nicht, dass wir in dem einzelnen Fall mit dem verknüpfenden Prinzip zwischen Ursache und Wirkung bekannt wären und den letzten Grund für die Hervorbringung des einen Dinges durch das andere erklären könnten. Diese Worte haben trotz ihres häufigen Gebrauchs eine sehr schwankende Bedeutung, und ihre Begriffe sind unbestimmt und verworren. Kein lebendes Wesen kann einen Körper in Bewegung setzen ohne das Gefühl des Nisus oder der Anstrengung, und jedes fühlt den Schlag oder Stoss eines in Bewegung befindlichen Körpers. Die Empfindungen, die nur den Lebewesen angehören, und aus denen man a priori nichts folgern kann, überträgt man bereitwillig auf leblose Dinge und nimmt ein gleiches Gefühl bei ihnen an, wenn sie Bewegung empfangen oder übertragen. Was die Wirksamkeit anlangt, welche ausgeübt wird, ohne dass wir die Vorstellung einer mitgeteilten Bewegung damit verbinden, so halten wir uns nur an die beständig wahrgenommene Verbindung der Vorgänge; wir fühlen da eine gewohnte Verknüpfung der Vorstellungen und übertragen diese Gefühle auf die Gegenstände; denn nichts ist gebräuchlicher, als den äusseren Körpern die innerlichen Empfindungen beizulegen, welche sie veranlassen.

Fassen wir das in diesem Abschnitt Gesagte zusammen, so ist jede Vorstellung von einem vorgehenden Eindruck oder einer Empfindung abgenommen; wo kein Eindruck zu finden ist, da ist sicherlich auch keine Vorstellung vorhanden. In allen einzelnen Fällen von Wirksamkeit der Körper oder Seelen erweckt nichts den Eindruck von Kraft oder notwendiger Verbindung und kann deshalb auch nichts die Vorstellung davon veranlassen. Wenn aber mehrere gleiche Fälle eintreten, und derselbe Gegenstand immer von demselben Erfolge begleitet ist, so beginnt man den Begriff von Ursache und Wirkung zu bilden. Man fühlt dann einen neuen Eindruck oder eine Empfindung, nämlich eine gewohnheitsmässige Verbindung im Denken und Vorstellen zwischen einem Gegenstand und seinem gewöhnlichen Begleiter. Und diese Empfindung ist das Urbild von dem Begriff, den wir suchten. Dieser Begriff geht nur aus einer Anzahl gleicher Fälle und nicht aus einem einzelnen Falle hervor; also muss er aus dem entspringen, was die Anzahl von dem einzelnen Fall unterscheidet. Diese gewohnte Verknüpfung und dieser Übergang innerhalb des Vorstellens ist das Einzige, worin beide sich unterscheiden; in allem Anderen sind sie gleich. Der erste Fall, wo man die Mitteilung der Bewegung durch den Stoss von zwei Billardkugeln wahrnahm (um zu diesem deutlichen Beispiel zurückzukehren), ist genau jedem später vorkommenden Falle gleich; ausgenommen, dass man bei dem erstenmale von dem einen Ereignis nicht auf das andere schliessen konnte, was wir jetzt nach einer langen Reihe gleicher Erfahrungen im stande sind. Ich weiss nicht, ob der Leser diese Darstellung leicht fassen wird; wollte ich aber noch mehr Worte verwenden oder den Gegenstand in mannichfacheres Licht stellen, so fürchte ich, ihn nur dunkler und verworrener zu machen. In allen abstrakten Untersuchungen giebt es einen Gesichtspunkt, der, wenn wir ihn glücklich treffen, den Gegenstand besser erläutert als alle Beredtsamkeit und aller Wortreichtum der Welt. Diesen Gesichtspunkt sollten wir zu gewinnen versuchen; den Schmuck der Beredtsamkeit aber für Gegenstände aufbewahren, die dazu geschickter sind.

Nachdem Hume im Vorhergehenden dargelegt hat, dass man die in der Ursache enthaltene erzeugende Kraft nicht wahrnehmen und ihre Wirksamkeit nicht begreifen könne, geht er auf die Frage über: Woher ist trotzdem dieser Begriff der Kraft gekommen? Ein Eindruck, dessen Kopie dieser Begriff wäre, ist nicht vorhanden; folglich ist diese Kraft, sagt Hume, ein blosses Hirngespinnst. – Hätte Hume hier geendigt, so hätte er Recht gehabt; diese Kraft ist in Wahrheit nur ein anderes Wort für die Erzeugung, den Kern der Ursachlichkeit, welche als reine Beziehungsform nur im Denken besteht. Allein Hume geht weiter und sucht nach einer Ableitung dieses Begriffes aus demselben Prinzip der Gewohnheit, was er schon bisher benutzt hat. Die subjektive Verknüpfung der Vorstellungen, die durch die häufigen, gleichzeitigen oder sich folgenden Wahrnehmungen ihrer Gegenstände in der Seele sich bildet, und deren Wirksamkeit bei dem Eintreten der ersten Vorstellung man fühlt, ist nach Hume das Urbild oder der Eindruck, nach welchem jener Begriff der Kraft gebildet worden ist. – Auch hier kann nur das Frühere wiederholt werden; die Seele unterscheidet sehr genau diese subjektive Folge der Vorstellungen und die gegenständliche in den Dingen. Jene ist in vielen Fällen, wie bei dem Sprechen und Schreiben und bei der Erinnerung an Gesehenes, ebenso stark vorhanden wie bei der Folge von Vorstellungen einer Ursache und Wirkung; dennoch nimmt die Seele jene Verbindungen nur als subjektive, ohne ihnen eine Verbindung in den damit vorgestellten Dingen selbst unterzulegen; nur bei der Ursachlichkeit setzt sie der an sich ebenfalls vorhandenen subjektiven Verbindung noch ein Anderes hinzu, nämlich die Beziehung auf ein Gegenständliches und die Annahme, dass auch dieses Gegenständliche verbunden sei. Darin und nicht in der blossen Folge der Vorstellungen liegt das Wesen der Ursachlichkeit, und somit auch der in sie verlegten geheimnisvollen Kraft.

In der Anmerkung E. zu diesem Abschnitt ist Hume der Wahrheit ganz nahe, er erkennt an, dass die Kraft der Ursache nur eine Beziehung im Denken ist. Damit war Alles gesagt. Allein Hume vermischt sie dann mit der gefühlten Kraft, welche etwas ganz Anderes und Wirkliches ist, und kommt so zuletzt wieder darauf zurück, jene Kraft der Ursache dieser gleich zu stellen und beide aus dem subjektiven Gefühl der Gedankenverbindung abzuleiten; anstatt dass er einfach bei der Beziehungsform des Denkens hätte stehen bleiben sollen.

Übrigens erhellt aus dem hier Bemerkten, dass die Überschrift dieses Kapitels, welches in Wahrheit nur von der in der Ursache angenommenen Kraft handelt, unrichtig ist, denn die »notwendige Verknüpfung« ist etwas Anderes und höchstens nur die Folge der Kraft. Genauer aufgefasst ist die Notwendigkeit nur eine Bestimmung, welche dem Wissen, aber nicht dem Sein angehört. Bd. I. S. 62.


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