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[Vorworte]

Vorwort des Herausgebers.

Bei der Übersetzung des vorliegenden Werkes ist eine englische Ausgabe, London 1788, benutzt worden, deren Text durchaus korrekt ist. Indess gilt dies auch von allen anderen englischen Ausgaben der Werke Hume's, welche der Unterzeichnete einzusehen Gelegenheit hatte. »Die Untersuchung über den menschlichen Verstand« bildete ursprünglich einen Teil des Erstlingswerkes Hume's: »Über die menschliche Natur«. Hume war später mit diesem Werke nicht mehr zufrieden, arbeitete es um und gab 1748 den ersten Teil unter dem obigen Titel heraus. Später nahm Hume es in seine Essays auf, deren dritten Teil es bildete. Bei diesem Anlass fügte Hume dem Text einzelne Anmerkungen bei, welche hier mit aufgenommen worden sind. Alle diese Anmerkungen unter dem Text stammen von Hume selbst her.

Die Übersetzung hat nicht so fliessend und leicht gehalten werden können, als der Unterzeichnete gern gewollt hätte; mindestens ein Teil der Schuld trifft indess hierbei Hume selbst, dessen Periodenbau oft sehr verwickelt ist und an Pleonasmen leidet. Der Engländer wird in Folge der Natur seiner Sprache weniger davon berührt, als der Deutsche; aber der Unterzeichnete hielt sich nicht für berechtigt, in der Vereinfachung der Ausdrucksweise des Verfassers noch weiter zu gehen, als es geschehen ist.

Dies Hume'sche Werk wird den Besitzern der Philosophischen Bibliothek eine angenehme Erholung nach dem Studium von Kant und Spinoza gewähren. Hume's Darstellung ist einfach und klar; man kann ihr spielend folgen. Und dennoch hält sich der Inhalt nicht auf der Oberfläche, sondern betrifft die tiefsten Fragen aus der Philosophie des Wissens. Leser, welche den realistischen Ansichten beipflichten, wie sie in der Einleitung B. I. und in den Erläuterungen zu Kant und Spinoza B. III. und V. dargelegt sind, werden mit Vergnügen bemerken, dass Hume beinahe auf demselben Boden steht, und dass es nur die Bescheidenheit ist, welche diesen bedeutenden Mann seine Lehre Skepticismus statt Realismus nennen liess. Die Zurückführung der Ursachlichkeit auf eine Gewohnheit des Denkens statt auf eine Beziehungsform des Denkens ist der einzige erhebliche Unterschied und dieser hat durchaus nicht die grosse Bedeutung, welche die Dogmatiker und selbst Kant ihm beilegen, und welche Hegel so geringschätzig über ihn urteilen lässt.

Das Studium des Werkes hat auch insofern Interesse, als Kant durch dasselbe zu seiner kritischen Philosophie geführt worden ist, wie er in seiner Kritik der praktischen Vernunft selbst bekennt. Kant beschränkt diesen Anstoss auf den Begriff der Kausalität; allein der aufmerksame Leser wird leicht finden, dass der Einfluss weiter reicht. Der vorsichtige und gemässigte Skepticismus und Idealismus eines Collier, Berkeley, Priestley, Hume und Anderer wurde in Folge deutscher Gründlichkeit von Kant, Fichte und den Späteren in einer Weise ausgedehnt und zum allgemeinen Prinzip der Philosophie erhoben, wie in England Niemand für möglich gehalten hätte. Alle anderen Nationen konnten dieser, immer mehr in eine unergründliche Tiefe und in eine unfassbare Darstellung geratenden deutschen Philosophie nicht folgen; sie fand sich zuletzt selbst in Deutschland isoliert und bildete nur noch den mysteriösen Kultus einer kleinen Gemeinde Eingeweihter, deren Jargon Niemand ausserhalb ihrer verstand. Diese Abschliessung hat sich zwar jetzt überlebt, allein man kann sich nur schwer entschliessen, dass so sauer Erworbene aufzugeben; man lässt sich nur stückweise Einzelnes entreissen, und doch wird es der Philosophie nicht erspart werden können, selbst noch hinter Kant, auf die beobachtende Methode Hume's zurückzugehen und von ihm zu lernen.

Indem diese Methode den Schriftsteller von selbst zu einer klaren und widerspruchsfreien Darstellung nötigt, konnten die Erläuterungen hier kürzer als sonst gehalten und dem Werke unmittelbar angefügt werden. Es sind bei denselben die in B. III. und V. der Philosophischen Bibliothek besprochenen Grundsätze festgehalten worden; das realistische Prinzip war hier um so mehr am Orte, als Hume selbst darauf steht.

Eine Lebensbeschreibung Hume's ist nach dem Plane der Sammlung dem Werke selbst vorausgeschickt worden.

Berlin, im April 1869.
v. Kirchmann.

 

Vorwort zur zweiten Ausgabe.

Alle Freunde der Philosophie werden mit Vergnügen vernehmen, dass die sehr starke erste Auflage des Hume'schen Werkes (2500 Exemplare) vom Jahre 1869 jetzt bereits vergriffen und eine neue Auflage notwendig geworden ist. Der Unterzeichnete hat die Übersetzung nochmals durchgesehen, indess dabei einzelne Wortstellungen ausgenommen, nur wenig zu ändern gefunden. Dagegen sind die Erläuterungen teils umgearbeitet worden, um den Sinn klarer und verständlicher zu machen, teils mit Zusätzen versehen worden, um die starken und schwachen Seiten des Werkes deutlicher hervortreten zu lassen. Obgleich sich Hume selbst einen Skeptiker nennt, so ist er nichts weniger als dies; er bekämpft nur die übertriebenen Aussprüche eines masslosen Dogmatismus. In Wahrheit steht er in allen Hauptfragen auf dem Standpunkte Locke's und unterscheidet sich von diesem nur in der Auffassung der Ursachlichkeit, und auch hier nicht erheblich. Denn Hume ist ebenso wie Locke der Ansicht, dass in den Dingen geheime Kräfte als Ursachen bestehen, aus denen die denselben als Wirkungen zugeschriebenen Folgen hervorgehen; er erkennt die Realität der ursächlichen Verknüpfung und des Entstehens des einem aus dem anderen als einen seienden Vorgang an und bestreitet nur, dass diese geheimen Kräfte erkennbar seien. Deshalb könne der Mensch sich nur an die regelmässige zeitliche Folge von bestimmten Wirkungen auf bestimmte Ursachen halten; diese Folge allein sei wahrnehmbar und wenn solche Folgen oft wahrgenommen würden, so bilde sich eine gewohnheitsmässige Verknüpfung beider (Ideen-Assoziationen) in der Seele und diese Gewohnheit führe dann den Menschen dazu, auch eine Notwendigkeit und Allgemeinheit in diese Folge selbst zu legen. Beide Bestimmungen sollen deshalb innerhalb des menschlichen Denkens auf einem gewissen Instinkt (S. 56. 157; Erl. 19) beruhen, der ihn auch ohne Erkenntnis der wahrhaften wirkenden Kräfte dazu nötige oder dränge (S. 56), den Begriff der Ursachlichkeit auf diese regelmässigen Folgen zu übertragen (S. 74), indem der Mensch in Folge der Gewohnheit gleichsam fühle, dass diese Vorstellungen durch eine Kraft verknüpft seien, welche er dann auch auf die vorstellten Dinge selbst übertrage. (S. 75.)

Hiernach erhellt, dass Kant dem Hume Unrecht thut, wenn er meint, Hume habe die Realität der Ursachlichkeit, so wie die in ihr enthaltene Notwendigkeit und Allgemeinheit ganz geleugnet. Dagegen ist allerdings die Ableitung dieser Bestimmungen aus einer Gewohnheit der Gedankenverbindung unzureichend; allein wenn Hume hier gefehlt hat, so hat doch auch Kant noch nicht die Natur dieser Beziehungsform voll erkannt. Auch Kant will ihr noch eine objekte Bedeutung, wenn auch nur für die Welt der Erscheinungen, zuerkennen, während doch in Wahrheit diese Beziehungsform rein dem Denken angehört und im Sein für den Menschen nichts besteht, als die regelmässige, zeitliche Folge, aber kein Entstehen des einen aus dem andern.

Nachdem auch das Werk von Locke über den menschlichen Verstand in der philosophischen Bibliothek erschienen ist (Bd. 50 u. 51), werden die Leser des Hume'schen Werkes wohl thun, damit die Ausführungen Locke's in Buch 7 meines Werkes zu vergleichen.

Berlin, im November 1874.
v. Kirchmann.

 

Vorwort zur vierten Auflage.

Die vorliegende vierte Auflage ist einer gründlichen Durchsicht unterworfen und vielfach verbessert worden.

G. G.

Erklärung der Abkürzungen.

B. I. oder XI. bedeutet den ersten oder elften Band der Philosophischen Bibliothek.

Ästhetik I bedeutet Ästhetik auf realistischer Grundlage von J. H. von Kirchmann. Berlin 1868. Band I.

Ph. d. W. bedeutet Philosophie des Wissens von J. H. von Kirchmann. Berlin bei J. Springer. 1864.

Die danebenstehenden arabischen Ziffern bezeichnen die Seitenzahl.


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