Josef Hofmiller
Versuche
Josef Hofmiller

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Nachwort

Es war mir eine Herzensfreude, nach den spätesten Aufsätzen Josef Hofmillers, die der Verlag der »Corona« als »Letzte Versuche« herausgab, das Erstlingswerk meines Mannes als Ersten Band der geplanten Gesamtausgabe seiner Schriften vorzubereiten. Wir bringen das Buch, das 1909 im Verlag der »Süddeutschen Monatshefte« erschienen war, in ursprünglicher Gestalt. Auch der Essay über Maeterlinck, den Hofmiller später etwas gekürzt den »Franzosen« eingereiht hatte, ist in der Fassung des Erstdrucks belassen.

Im Anhang sind Aufsätze vereinigt, die im Ton, in den Themen, in der Zeit zusammengehören und sich wie von selbst aneinandergefügt haben. Ritter, Mozart, Augsburg bedeuten Erlebniskomplexe des jungen Kritikers, die ihre Tragweite haben, aus seinem Werden nicht wegzudenken sind: Spürt man es dem »Alexander Ritter« nicht an, wie sehr die Würdigung eines Künstlers ihm Herzenssache war? Wer, im Freundeskreise, hat Hofmiller nicht einmal über Mozart reden hören? Und nicht nur ist er von Vaters Seite her Schwabe, in Kranzegg am Fuße des Grünten geboren, in Augsburg verbringt er viele Ferien seiner Jugend und Hochschulzeit, und auch später kehrt er immer wieder gern bei den Verwandten in der heimatlichen Stadt ein.

Schwer war die Wahl aus den Kritiken; denn die Besprechungen des Musik- und Theaterreferenten der »Allgemeinen Zeitung« – ein Nebenberuf, den der Neuphilologe von 1901 bis 1907 ausübte –, gehen in die Hunderte. Schon die ersten fallen durch Temperament, Unbefangenheit, Mut, durch Witz und Humor aus dem Rahmen der üblichen, um dann schnell jene Höhe zu erreichen, die nur dem geborenen Kritiker zugänglich ist. Umfassendes Wissen, Einsicht, Verpflichtung dem Ererbten gegenüber und die Sorge, daß es in dem kulturellen Durcheinander der Jahrhundertwende verschleudert werden könnte, geben seinen Ausführungen Tiefe und die Kraft, aufbauende Kräfte zu erregen.

Wenn man in Fontanes wundervollen »Causerien über Theater« liest, die Eindrücke ordnet und zusammenzufassen sucht, fällt einem auf, wie sehr die beiden Kritiker im Einzelnen auseinandergehen, wie sie sich aber bis zur Übereinstimmung in ihren Grundansichten und Grundforderungen nähern. Fontane, der durch reiche Lebenserfahrung Gereifte, zurückhaltend, immer gütig, Erfreuliches auch in Fehlleistungen, die er klar herausstellt, zu sehen bereit; der junge Hofmiller bissig bis zum Sarkasmus, im Unmut gelegentlich über die Schnur hauend, schonungslos – dann wieder schwärmerisch und hingegeben wie ein Student, dem Konzertsaal und Theater Entrückung ins Märchen bedeuten. Doch sobald es gilt, Farbe zu bekennen, heißt es bei beiden: Weg mit dem Pessimismus! Nur was uns erhebt, freier, größer und reiner macht, hat ein Lebensrecht auch auf der Bühne! Deswegen lehnte Fontane schließlich Ibsen ab, deswegen kämpfte Hofmiller seinen Kampf gegen die Dekadenz des zeitgenössischen Dramas.

Die wenigen Kritiken, die wir diesem Bande mitgeben konnten, versprechen ein Mehr in einem eigenen Buche, in dem nur der »Delta-Kritiker« zu Worte kommen soll. In diesem Zusammenhange darf ich Herrn Verleger Karl Rauch danken, der das opfervolle Wagnis der Gesamtausgabe unternahm und in großzügiger Weise fortzuführen bestrebt ist. Von ihm wie von manchen Seiten habe ich wertvolle Anregungen für die Gestaltung des ersten Bandes empfangen; besonders danke ich Herrn Fritz Gutsche, dem feinen Kenner Fontanes und Hofmillers, für seine Mitarbeit.

 

Im 7. Heft des 18. Jahrgangs der »Gesellschaft«, in der die Nietzsche-Aufsätze zuerst erschienen, die sieben Jahre später den Anfang seines ersten Buches bilden sollten, sagt Hofmiller in der Einleitung zu »Nietzsches Testament«: »Darstellung, nicht zustimmendes oder verneinendes Urteil, schien die erste und zunächst einzig geziemende Aufgabe«. Seine Nietzsche-Biographie, drei Jahrzehnte später in der »Coleman-Reihe« veröffentlicht, zeigt den Weg auf, den der Kulturkritiker gegangen ist: nicht als Stilist nur, sondern auch als Mensch, als Denker. Daß wir ihn in seinem lebhaften Ringen um die Vollkommenheit des Ausdrucks, in seinem Fragen um die Inhalte des Seins und die Sicherheit der Lebenshaltung die lange Wegstrecke begleiten dürfen, die er selbst mit so vielen Marksteinen gezeichnet hat, das erhält uns sein Antlitz lebendig, beglückt und verjüngt uns Lernende.

Rosenheim, am 28. Dezember 1937.

Hulda Hofmiller


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