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An der Ecke der Königstraße gingen die Parteien auseinander, zerstreuten sich wie die Völker nach dem Turmbau.

Tante Minchen und Onkel Eli tapperten gemächlich in der Richtung nach der Königsbrücke zu, und die Karawane Ferdinand Gebert zog schnell an ihnen vorüber in Phalanx oder vielmehr in der Schlachtordnung der alten Germanen. Der Schwede ging rechts hinauf zur Burgstraße, nach dem »König von Portugal«, wo sein Logis war, begleitet von dem alten Fräulein mit den Pudellöckchen, das es für nötig erachtete, ihn zu unterhalten und ihn für stolz hielt, da er nicht antwortete. Sie wohnte selbst in der Poststraße.

Jason und Kößling blieben beide allein an der Straßenecke im Mondenschein stehen und sahen nach, wie die anderen sich entfernten.

»Na, lieber Doktor, was fangen wir nun an?« fragte halb ängstlich Jason Gebert.

»Es ist spät, suchen wir nun unsere Lager auf«, entgegnete Kößling, der Sehnsucht hatte, allein zu sein.

»Ja, Sie junger Mann, jetzt gehen Sie nun nach Haus, tappen Ihre Treppen 'rauf und legen sich in Ihr Bett und schlafen und lassen sich was Hübsches träumen. Oder Sie zünden sich noch Ihr Licht an, holen sich den Novalis – mir ist er zu deutsch, ich weiß, Sie lieben ihn ja so –, den Novalis holen Sie sich vom Regal, machen vielleicht das Fenster auf, daß über die Bäume weg der kühle Wind zu Ihnen hineinweht, und deklamieren in die Monddämmerung hinaus: ›Fernab liegt die Welt – mit ihren bunten Genüssen. – In anderen Räumen schlug das Licht auf – die luftigen Gezelte.‹ – – Ich kenne das von ehedem. So war's bei mir früher auch. Nur, daß ich eben dafür vielleicht die ›Reisebilder‹ oder den ›Titan‹ gelesen habe ... Aber was mache ich nun? – Meinen Sie, ich kann jetzt schlafen? Meinen Sie, ich kann jetzt lesen? Den ganzen Tag über geht's ja, aber des Nachts, da packt mich mein Dämon. Wenn ich die Kinder von meinem Bruder Ferdinand sehe, dann tue ich des Nachts kein Auge zu. Sagen Sie, wäre ich nicht eher der Mann, Kinder zu haben und Kinder zu erziehen, als mein Bruder, der gar nichts mit ihnen anzufangen weiß? – Nun ja – Max und Wolfgang mögen ja ganz gute Jungen sein, aber um das Mädchen, um die Jenny, da beneide ich den Ferdinand. Haben Sie den Gang von dem Kind gesehen? – Die wird mal genau wie Jettchen.«

Gewiß, sie sähe ihr ähnlich, sehr ähnlich – aber sie habe etwas im Gesicht, einen kleinen vulgären, mondänen Zug, so einen Schatten von seelischer Unfeinheit, der doch Jettchen ganz fehlte.

»Ja, das ist nicht von uns, – das ist Jacobysch... Und dann diese Einsamkeit! – Solange Sie jung sind, Kößling, freuen Sie sich, daß Sie allein sein können, und wenn Sie älter werden, – wissen Sie, so um die Jahrhundertmitte herum –, dann weinen Sie, daß Sie allein sein müssen.

»Für mich ist es ja vielleicht ganz gut, daß ich nicht geheiratet habe; denn ich wäre in einer solchen Ehe, wie sie meine Brüder führen, kaputtgegangen, écrasé – cassé! – Und dann, Sie wissen ja nicht, wie wir hier betrachtet werden. Sie sind nur solche Art Wundertier heute abend gewesen, wenn Sie nicht der Feind selbst waren. Wir sind die Außenseiter von Derby, – wir gehören nicht zu denen da. Ein Franzose und ein Engländer, von denen keiner die Sprache des anderen kann, kommen besser und leichter zusammen als wir und die. Für die gibt es nur eins: Habe einen Beruf, – sei etwas – mache Geld! Wenn du zehn Louisdor den Tag verdienst, so bist du mehr für sie als alle Goethes, Schillers und Mozarts. Für andere Dinge, für Halbheiten, für Nichtmittun-aus-Widerwillen, für all die berechtigten Gebrochenheiten haben sie kein Verständnis. Es gibt nur eins für sie, was beweist: der Erfolg! Wir sind so lange selbst für Onkel Eli der ›junge Mann‹, auf den er mitleidig herabsieht, und wenn wir sechzig Jahre alt wären. Meine Brüder waren früher nicht ganz so, aber ihnen haben das die Jacobys beigebracht ... Und, Kößling, wenn es auch so aussieht, als ob Sie für das, was Sie erfüllt, da Widerhall finden, – man macht Ihnen etwas vor ... es geht alles hier herein und da heraus. Mit Ausnahme von Jettchen – die gehört zu uns, Kößling!«

Kößling war erstaunt, denn er hatte Jason Gebert noch nicht so sprechen hören. Er war gewohnt, in ihm einen feinen Genießer, einen klugen Lebenskünstler von Geschmack und sicherem seelischem Takt zu finden, dem gar wenig von dem auf die Zunge kam, was ihn innerlich bewegte, und der das alles noch mit leisem Spott verbrämte, so daß man eigentlich nie recht wußte, wo er hielt und stand. So manchen Abend waren sie schon, seitdem sie sich seit einem halben Jahr bei Steheli zufällig kennengelernt hatten, miteinander straßauf, straßab gegangen, plaudernd über die alten Lieblinge, rechtend über die Dichter des Tages. Und selten oder nie hatte Jason Gebert die Maske des Gesellschaftsmenschen abgenommen oder das Gespräch auf persönliche Dinge gelenkt. Und deshalb war Kößling um so verwunderter, plötzlich auf ein solches Eisfeld von Vereinsamung bei Jason Gebert zu stoßen. Er war fast erschrocken darüber, daß auch dieser Mensch nichts vor ihm und anderen voraus hatte und seinen gehäuften Packen von Elend und Trostlosigkeit mit sich trug.

»Herr Gebert, wie ist es mit dem Heimweg?« sagte Kößling und lenkte in die Königstraße ein, so daß die langen, scharfen Schatten im Mondschein vor ihnen herzogen.

Aber Jason Gebert spann an seiner Gedankenkette fort, und durch das Zerwürfnis mit der Umgebung blickte immer deutlicher das Zerwürfnis mit der eigenen Person hindurch. »Warum nicht, Kößling – ich hätte vielleicht auch heiraten können. Dann, Kößling – ich hätte wenigstens jemand, mit dem ich sprechen könnte, und brauchte nicht immer des Abends wie ein alter Hund in seine Hütte zu kriechen. – Aber was war ich denn? Ich war nicht Kaufmann, ich verdiene nichts; ich war nicht Literat, denn ich schreibe nichts; – ich war nicht Gelehrter, trotzdem ich hier jahraus, jahrein höre ... ich hätte mich vielleicht doch ... Ich sehne mich manchmal nach Kindern wie eine alte Jungfer! Ich habe mal ein Mädchen vor zwanzig Jahren gekannt, Susanne Paetow – die war aus ganz gutem Haus und ein nettes, lebenstüchtiges Ding ... aber wie das so ist – nachher ist sie unters Fußvolk geraten. An Suschen Paetow muß ich immer denken – gerade so komme ich mir vor.«

Sie gingen eine Weile nebeneinander her durch die mondhelle Königstraße. Der Gedankenfreund stand gerade hinter ihnen, zog oben um die Dächer seine Silberlinien, zitterte an den Scheiben kaum entlang und umhauchte sie ganz zart mit seinem mattgrünen Licht. Und nur die Spiegelaugen der Spione vor den Fenstern blitzten durch ihn auf, voll und leuchtend wie grüne Raketenkugeln an einem Sommerabend.

Von der Parochialkirche sang die Spieluhr über alle Dächer fort, – hell und fein, und irgendwo oben in irgendeiner Nebenstraße rief der Wächter die Stunden ab.

Kößling war durch die Worte Jasons seltsam verwirrt geworden, denn sie enthielten viel von dem, was er selbst sich nicht einzugestehen wagte. Gewiß, er hatte den Sack voll Hoffnungen, aber er war nun schon in den Dreißigern, und es hätte bald einmal von dem etwas wahr werden können.

»Kommen Sie mit, hier vor der Königsbrücke kriegt man in einer Tabagie ein ganz vorzügliches Stettiner Bier.« Aber Kößling wollte nicht.

»Oder ob Drucker noch auf hat? Ich lade Sie zu einer Flasche Chambertin ein. Kößling, Herzensdoktor, Schleiermachers Chambertin, – vom besten! Einen Taler, acht gute Groschen die Bouteille!«

Aber Kößling war auch hierzu nicht zu bewegen.

»Ja, was denken Sie denn? Soll ich vielleicht meinen Gram allein im Weinglas ersäufen? Einfach wie man solch eine junge Katze in die Spree wirft? – Und wenn ich das wirklich tue, – morgen früh ist er wieder da! Er sitzt wie ein Kobold bei mir auf dem Bettrand und läßt die Beine baumeln und sagt, – ›Jason Gebert‹, sagt er, – ›wie ist denn das? Was hast du denn nun eigentlich hier getan? Und was gedenkst du noch zu tun, Jason Gebert? Wenn nun – wie's in dem Lied heißt – der alte Knochenhauer mit unserem Freunde Jason Gebert vielleicht morgen schon Punktum macht, hm?‹ Und dann, wenn der Kobold das gesagt hat, dann bin ich verwirrt und weiß nicht, was ich antworten soll. Das heißt, ich habe das Gefühl, daß ich etwas antworten könnte, aber ich habe das rechte Wort vergessen. Und der Kobold geniert sich gar nicht. Er kommt auch zu mir, wenn ich nicht allein bin, und ich höre seine Stimme, selbst wenn mir jemand anders mit seinen bloßen Armen die Ohren zuhält. – Denn, Kößling, mein alter Herr, – aber es liegt nun mal so in uns drin, – ich bin nun einmal aus fröhlichem Samen gezeugt und kann nicht dagegen an, und mein letzter Gang wird noch zu Mamselle Meyer ...« Jason Gebert brachte den Satz nicht zu Ende. »Nein, Kößling, wir sind eben aus der Bahn gerissen, – wir sind die, die von dem Baum der Erkenntnis gekostet haben, nicht Adam und Eva! Sie glauben nicht, wie bodensicher und abgeklärt gegen uns so ein Onkel Eli oder meine Schwägerin Hannchen ist – wie es für sie kein Rätsel gibt, wie sie ein Leben in goldener Selbstgenügsamkeit führen – unter Ausschluß der grüblerischen Gehirntätigkeit. Die fühlen sich als nützliche Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Ich habe überall hineingerochen, – es gibt wohl nichts, was ich nicht kenne von den Dingen, die unser Leben erfüllen können, die ihm einen höheren Glanz geben sollen. – Ich bin Soldat gewesen ... Sie kennen ja den Schwindel von Begeisterung, Vaterland, Freiheit und welscher Knechtschaft ... Ich bin Kaufmann gewesen, habe von Reichtümern und Welthandel geträumt und dabei mein Geld nach Argentinien verloren, – ich habe Philosophie bei Hegel gehört ... Wissen Sie, was Jean Paul über Hegel sagt? Er nennt ihn den dialektischen Vampir des inneren Menschen. – Ich habe bei Gervinus Geschichte gehört, ich habe unter Bopp Sanskrit getrieben und glaubte damit bis zur Wiege der Menschheit vorzudringen; ein Gans – liegt krank, schwerkrank, hörten Sie? – ein Gans hat mich in das stolze Gebäude des Rechts geführt – ich kenne meine Dichter einigermaßen, das müssen Sie mir selbst zugeben ... Und, Kößling, es ist Stückwerk! Es ist alles Stückwerk! Es sind Schrauben ohne Ende, Dinge, die uns doch ihren letzten Sinn verbergen. Es sind Scheinwahrheiten, und es ist nur ein kurzes Scheinglück, das sie bieten. Und vielleicht liegt der wahre Sinn des Lebens ganz woanders, – und den haben vielleicht Onkel Eli und meine Schwägerin Hannchen viel, viel besser erkannt! Sind Eli und Minchen nicht wie zwei alte Gäule, die an einer Karre ziehen, die eben so schwer ist, daß sie einer von ihnen allein nicht weiterbringen könnte? Und ist Hannchen nicht wie eine Gluckhenne über ihren Kindern, wenn ihnen jemand zu nahe kommt?«

Über Onkel Eli und Tante Minchen war Kößling nicht so wohlunterrichtet, aber das von Tante Hannchen konnte er aus eigener Erfahrung bestätigen.

Nun standen sie, ohne daß sie eigentlich hätten sagen können, wie sie dahin gekommen, an der Langen Brücke, und der Mond schob, sich nähernd und weichend, sein glitzerndes Abbild über die Wasserfläche, während er selbst oben, ganz oben, rechts von ihnen, klein in der wolkenlosen Himmelsluft stand, gerade über dem phantastisch versilberten Giebel der Schloßapotheke. Der Kurfürst oben zu Pferde ritt, ein schreckhafter Schatten, über die sich windenden Gestalten fort, und drüben auf dem hellen, menschenleeren Schloßplatz brannten ganz unnötig die roten, zuckenden Flammen des Gaskandelabers. Vom Mühlenwehr herauf kam das Rauschen zu den beiden gurgelnd und brausend durch die stille Nacht. Der Stromlauf lag vor ihnen in einer grünen, hellen Dämmerung, und wie Träume zitternd und fein spannen sich Brücken darüber.

»Das Leben ist ein Strom, Kößling, in dem müssen wir schwimmen. Wir müssen Arme und Beine brauchen, um uns in ihm zu halten, um zu fühlen, wie es uns vorwärts bringt. Aber wir brauchen nur unser Hirn; und mit dem Kopf allein kann man nicht schwimmen. Deshalb sind wir auch ewig am Untergehen, und es ist nur ein Wunder, wie wir uns noch so lange halten. – Und dann der Traum, – der närrische Traum, daß wir etwas werden möchten, etwas, das außerhalb der gewöhnlichen Wege liegt; daß wir die Menschen rühren oder entzücken wollen; daß wir heute Beifall ernten wollen und uns ein Konto auf die Zukunft öffnen; daß wir anderen die Gerechtigkeit über uns selbst geben, statt zu begreifen, daß alles nur in unseren eigenen Händen liegt. Dieser närrische Traum, Kößling, auf den Sie nun schon Jahre darben und entbehren, statt an die Krippe zu gehen, in die man für Sie schon den Hafer von Amt, Sold und Titeln geschüttelt hat. Wolfenbüttel wartet. Sie wissen, da ist schon mal einer untergekrochen, der mehr war als Sie und ich als Zugabe. Berlin ist gefährlich! Es ist zu lärmend, – es stößt uns zu viel! – Wenn Sie einen Schmetterling ziehen wollen, dürfen Sie auch nicht jeden Tag die Puppe anfassen, sonst kommt er verkrüppelt aus oder geht ganz ein.«

Kößling, der schon die ganze Zeit gefühlt hat, daß diese Rede ihn eigentlich ebenso anging wie Jason Gebert, war über diese Wendung des Gesprächs kaum erstaunt. Und ebensowenig nahm er sie von dem Älteren übel auf. Die späte Stunde, die Ruhe der Nacht ringsum, die weite, mondhelle Einsamkeit der hallenden Straßen, all das schien eine ernste und gewichtige Unterredung zu rechtfertigen, ja schien fast herauszufordern, Dinge zu sagen, die man sonst in sich verwahrt und verschweigt.

Nein, sagte Kößling, das bliebe ihm immer noch, – er wäre zäh und würde sich wohl durchbeißen. Entbehrungen schrecken ihn nicht, er hätte sich draußen immer wohler gefühlt als in Braunschweig.

»Nein, Doktor, Sie haben mich falsch verstanden. Ich meine nicht die äußeren Entbehrungen, – sie sind zu ertragen, – ich meine die seelische Empfindung des Ausgeschlossenseins von der Familie, dem Bürgertum, dem Staat. Haben Sie je den Sinn des Begriffs Staat erfaßt? Und die Abgetrenntheit von ganz einfachen menschlichen Dingen meine ich. Von den Freuden und Schmerzen, von denen jene durchrüttelt werden. Wir üben stets Kritik an uns selbst. Wir setzen all unser Empfinden in Worte um. Wir sind unsere eigenen Zuschauer, deswegen leben wir auch nicht, sondern betäuben uns nur mit Leben; und wir sind nicht ruhevoll, weil wir stets nach dem Neuen ausspähen, dessen wir doch nicht teilhaftig werden; und weil wir zu dem Alten keine Beziehungen mehr haben. Wir sind wie das Korn zwischen den beiden Mühlsteinen Gestern und Morgen, das zerrieben wird.

Aber vielleicht trifft all das für Sie nicht zu, denn ich rede nur von mir selbst. Niemand kann die Erfahrungen eines anderen beurteilen. Sehen Sie, mein Vater, der hat noch beides zu vereinen gewußt. Er hatte die natürliche Lebensstärke und die Sinnenfeinheit. Er stand noch ganz im Ancien régime, mitten im Leben seiner Zeit; die Arbeiten aus seiner Werkstatt waren den Parisern gleich. In sein Haus kam alles, Offiziere, Hofleute – er hatte seinen Quartettabend –, kein neuer Goethe und kein neuer Jean Paul blieb bei ihm ungelesen. Und ich seh' ihn immer noch, wenn er des Abends, nachdem wir Jungen ihm den Gutenachtgruß geboten, stocksteif und stolz in sein Schlafzimmer ging und voran der Diener mit einem dicken Band des Athenäums in der einen und einem silbernen Leuchter mit einer hohen Kerze in der anderen Hand. Einer von uns hat noch etwas von dem alten Herrn. Dieselbe Sinnenfeinheit und dieselbe Lebensstärke. Sie sieht ihm auch am ähnlichsten. Haben Sie nicht heute das Bild hängen sehen? Genau der Mund und die lange, gerade Nase mit dem breiten Rücken. – Aber sie bringen mir das Mädchen herunter. Sie glauben nicht, es ist bei uns ein Kampf, ein stiller, friedfertiger Kampf auf Leben und Tod. Und die anderen werden Sieger. Es ist ein Tauziehen, wie wir's bei Vater Jahn getrieben haben. Zwischen den Geberts und den Jacobys. Und meine Brüder haben sie sich schon gekapert.«

Als das Gespräch auf Jettchen kam, hatte Kößling im Augenblick alles vergessen, was ihn vielleicht in dieser Sache selber betraf, und war nur noch begierig, von Jettchen zu hören.

Sie standen jetzt beide an der steinernen Wange der Königsbrücke. Am Eingang des Säulenwegs, der sich mit seinen mondsilbernen Putten scharf gegen einen tiefen Nachthimmel abzeichnete. Durch das Gezaser der kahlen Bäume drüben sahen ganz vereinzelt blinzende Sterne, und die Bäume selbst raunten, als ob sie etwas im Halbschlaf vor sich hin sprächen. Jener herbe, würzige Duft, bitterlich, harzig, weinähnlich, der Duft der steigenden Säfte in den Rüstern und Pappeln, kam mit einem leichten Luftzug zu den beiden herüber, die jetzt still geworden waren und gleichsam zu staunen schienen, warum dieser schmale Wasserlauf zwischen dem nächtigen Gewirr der Häuser sich so spurlos verlor.

Drüben an der anderen Seite der Brücke zog ein junges Menschenpaar, ein Handwerker mit seiner Liebsten, entlang durch die milde, halbhelle Nacht, still, taktmäßig weiterschreitend; wie Kinder hatten sie sich bei den Händen gefaßt und gingen, mit den Armen schlenkernd, wortlos und glücklich nebeneinander her. Und die beiden wandten sich und starrten ihnen wie gebannt nach. Jeder ganz verfangen und zappelnd und schlagend, – wie ein Fisch – in dem Netz der eigenen Gedanken und Empfindungen.

 


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