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Das Geheimnis des Eremiten oder die Engelsquelle

In der italienischen Provinz Toskana gibt es in der Nähe von Catenea eine einsame Alp, die im Volksmunde «der Eremit von Casella» genannt wird. Dies hat seinen guten Grund, der freilich sehr weit zurückliegt. Damit die Bedeutung des Namens nicht in Vergessenheit gerät, sei hier erzählt, welche Bewandtnis es mit dem Eremiten von Casella hat.

Vor vielen, vielen Jahren nämlich kam einmal ein junger Ritter in diese Gegend, der in Trauerkleidung und mit einem recht bleichen, bekümmerten Gesicht daherkam. Man sah den Ritter im Tal Tiberina zu Pferde, und es hatte wohl nahe gelegen, daß er als Edelmann einen Besuch im Schlosse des Grafen von Cerbone gemacht hatte, in der Burg Chitignano, oder im bekannten Normannenturm von Chiusi, wo er überall sicher willkommen gewesen wäre. Man hatte ihm, wie es hierzulande üblich ist, herzliche Gastfreundschaft geboten. Der Ritter jedoch zog es vor, sich auf der einsamen Alp von Catenea, nahe dem Walde, eigenhändig eine Hütte zu errichten, und bis diese erstellt war, schlief er unter einem Baume im Freien.

 

Um sich Brot und sonstige notwendige Lebensmittel zu besorgen, stieg er vom Berge ins Dorf Chitignano hinab, wo man den fremden Ritter gar oft gesehen hat, doch hatte er Rüstung und Schwert mit einem mantelartigen Gewand und einem Wanderstab vertauscht. So schien der Fremde halb ein Landmann, halb ein pilgernder Mönch zu sein. Wohl war er still und in sich gekehrt, schien den Dorfbewohnern versunkenen Wesens zu sein, doch war er keineswegs ablehnend oder gar unfreundlich, wenn man ihn grüßte oder in ein kleines Gespräch mit ihm kam.

Er hatte sich auf dem Berge gleich neben seiner Hütte nach und nach ein Kapellchen errichtet, an dem er lange Zeit unermüdlich zu schaffen hatte. Die Felsstücke, die er für die Grundmauern verwandte, hat ihm der Berg selbst geschenkt. Den Sand holte sich der fremde Einsiedler aus dem Flußbett der Rassina. Mörtel, Handwerkszeug und was er sonst noch für den primitiven Bau seines Privatkapellchens bedurfte, stifteten ihm gern die Dorfbewohner im Tal, die gar bald eine herzliche Zuneigung zu ihm faßten, zumal er in Krankheitsfällen nicht nur guten Rat zu erteilen wußte, sondern meistens auch die Mittel zur Heilung gab, da er sich in den Heilkräutern, die besonders auf den Bergen wachsen, gut auskannte. Ein Arzt ist in einsamen Gegenden nicht immer leicht erreichbar, und so ergab es sich, daß man in Krankheitsfällen sich an die bewährte Hilfsbereitschaft des Einsiedlers wandte.

Die Kinder fühlten sich besonders zu dem seltsamen Manne hingezogen. Sie brachten ihm Blumen, die sein Kapellchen schmückten, oder frische, süße Beeren, die sie im Walde für ihn gepflückt hatten, als kleine Erkenntlichkeit für seine freundliche Hilfe in mancherlei Nöten. Obwohl er selbst recht einfach und bescheiden lebte, war er Armen gegenüber freigebig, schien also nicht ohne Geldmittel zu sein. Er bat oftmals darum, bei Verstorbenen die Totenwache halten zu dürfen, um für den Abgeschiedenen zu beten. Eigentümlich war, daß er seinen Namen nicht nennen wollte, und wenn man ihn anfangs danach fragte, ausweichend und lächelnd meinte, es sei vielleicht nicht unbedingt nötig zu wissen, wie er heiße. Da gestand man ihm das Recht auf ein Geheimnis zu, und nannte ihn einfach den Eremiten von Casella.

Eines Tages kam eine arme Witwe zu ihm, ihre Not also klagend: «Ach, lieber Eremit, wenn Ihr mir helfen könntet! Wisset, mein ältester Sohn, der einzige, der für mich und meine drei kleineren unmündigen Kinder sorgen kann, ist seit einiger Zeit sehr krank. Wir haben schon zweimal den Arzt gehabt, der weit entfernt wohnt, viel Geld kostet und obendrein meinem Francesco nicht hat helfen können. Wär's nicht möglich, daß Ihr es einmal versuchtet?»

Der Eremit versprach sein Kommen, sagte aber auch: «Hört, gute Frau, mit dem Gesundwerden ist's eine eigene Sache. Die Menschen meinen, der Arzt sei es, der helfen könne, aber Gott selber ist es, der sich nur des Arztes bedient, und daher liegt es lediglich in Gottes Hand, ob er einem Kranken Gesundheit schenken will oder nicht. Die Menschen wissen auch nicht immer, wofür eine Krankheit gut sein kann. Es kann eine notwendige Prüfung für den Menschen sein, oder eine Schule der Geduld. Geht jetzt heim und betet für Euren Sohn, und morgen will ich zeitig nach ihm sehen.» Mit diesen Worten entließ er die Witwe, die nach Hause ging, während er seinerseits das Anliegen der armen Frau im Gebet vor Gott brachte.

Am nächsten Morgen machte sich der Eremit trotz heftigen Schneesturmes auf den Weg, und die Witwe kam ihm entgegengeeilt. Weinend berichtete sie, es stünde ganz schlimm mit ihrem Sohn, obwohl sie die halbe Nacht für ihn gebetet habe. Der Eremit beruhigte sie: «Gott hilft zu seiner Zeit, zu einer Zeit, die nicht wir zu bestimmen haben.»

Francesco lag sterbensmatt auf seinem Lager und konnte nur mit schwacher Stimme seine Gebrechen mitteilen. Es sah wahrlich danach aus, als wäre sein Lebenslicht am Verlöschen. Der Eremit, der die menschliche Natur gar wohl kannte, sah sogleich, daß für diesen Kranken kein Heilkraut auf den Bergen wuchs. Er ließ sich aber seine Besorgnis um den Patienten nicht merken, empfahl ihm nur ein festes Gottvertrauen, sprach ein Gebet mit ihm und verabschiedete sich.

In seine Einsiedelei zurückgekehrt, begab sich der Eremit in sein Kapellchen, um seine abendliche Andacht zu verrichten, wobei er besonders seines kranken Schützlings gedachte. Er kniete vor einem Bildnis der Mutter Gottes von der immerwährenden Hilfe. Doch während des Betens befiel ihn die Müdigkeit, so daß er im Knien einschlief. Da träumte ihm, er befände sich, wie es ja auch in Wirklichkeit der Fall war, in seiner kleinen Kapelle. Das Dach jedoch war fort, und er konnte den Sternenhimmel über sich sehen. Plötzlich sah er einen Engel, der aus der Sternenhöhe durch den weiten, stillen, nächtlichen Weltenraum zu ihm herabflog, gleich einem großen, schwebenden Licht, das die weiche Dunkelheit wundersam erhellte. Im Nu war der Engel im Betraum, blieb vor dem knienden Eremiten stehen, der kaum seine Augen auf die großen, lichtzitternden Flügel des Engels zu richten wagte. Der Engel aber sprach zum Eremiten mit glockenreiner, milder Stimme:

«Der liebe Gott schickt mich zu dir, damit ich dir eine Quelle zeige, durch deren Wasser der Kranke gesund wird. Komm und folge mir.»

Da erhob sich der Eremit und ging mit dem Engel, der durch seine Lichtgestalt den Weg erleuchtend kennbar machte. Wohl eine halbe Stunde gingen sie nebeneinander, bis sie in die Nähe der Burg von Chitignano kamen. In der Nähe eines Felsenvorsprunges blieb der Engel stehen, berührte den Stein, und sogleich begann eine Quelle zu fließen.

«Hier ist die Quelle, aus der man schöpfen soll», sagte der Engel, und geleitete dann den Eremiten bis in sein Heim zurück.

Am andern Morgen begab sich der Eremit an jene Stelle, wo er im Traum mit dem Engel gewesen war. Zu seinem höchsten Erstaunen entdeckte er hier eine Quelle, wo nie zuvor eine gewesen war. Der Eremit machte das Zeichen des Kreuzes über die Quelle, kniete nieder und trank zum erstenmal von jenem Wasser, das später vielen Menschen heilsam und zum Segen werden sollte.

Dann holte der Eremit einen Krug aus seiner Hütte, ging nochmals zur Quelle, füllte den Krug mit Wasser und ging damit in das Haus der Witwe. Hier wähnte man bereits, der Kranke läge im Verscheiden, aber kaum hatte er von jenem Quellwasser etwas getrunken, als er sich schon wieder wohler fühlte, und in wenigen Tagen war er gesünder denn je zuvor.

Die Kunde von der wunderbaren Heilung Francescos verbreitete sich rasch in der ganzen Gegend, obwohl der Eremit eigens darum gebeten hatte, Stillschweigen über die Angelegenheit zu bewahren. «Gottes Hilfe ist stets ein Wunder. Nur manchmal zeigt er uns Plötzliches und Erstaunliches, damit wir auch auf seine mehr unscheinbare Hilfe aufmerksam werden.» So sprach der Eremit, der nicht vertrug, wenn man ihm sonderlich ehrerbietig begegnete. Er wurde scheu und verlegen, sobald man ihm zu lebhaft danken wollte, wie dies ein wenig in der Art der Toskaner liegt. Der Eremit wies daraufhin: «Bedenkt, daß Gott sich oftmals eines unwürdigen, geringen Menschen bedient, um seine Wunder zu vollbringen.»

Nun lag die Quelle, aus der viele Kranke der Umgebung das Heilwasser schöpften, auf einem Grundstück, das dem Grafen Orlando und seiner Gemahlin, der Gräfin Sophia, gehörte.

Als nach einigen Jahren der Eremit sein Ende nahe fühlte, machte er dem Grafen eines Tages einen Besuch, um ihn zu bitten, doch gütigst darauf zu achten, daß in späteren Zeiten nicht etwa die Quelle zu irgendeinem profanen Zweck gebraucht wurde.

Der Graf versprach, darüber wachen zu wollen. Er sagte:

«Die Quelle liegt zwar auf meinem Grundstück, aber sie gehört ja gleichwohl nicht mir. Wer will, mag sie zum Segen benutzen.»

Da anvertraute der Eremit dem Grafen Orlando die Entstehungsgeschichte der Quelle, die nach dem Tode des Eremiten durch Orlando verbreitet wurde. Die Quelle wurde seit dieser Zeit die Raphaels- oder die Engelsquelle genannt.

 

Jetzt aber soll vom seligen Sterben des Eremiten berichtet werden, und wie sein letztes Geheimnis bekannt wurde. Es war um Ostern, und die Gräfin Sophia, die eine große Verehrung für den Eremiten empfand, war auf den Einfall gekommen, ihm mit noch vielen andern Dorfbewohnern einen Besuch abzustatten, weil man ihn in der letzten Zeit seines Erdenlebens gar wenig mehr zu sehen bekam, da er inzwischen alt und schwach geworden war.

Da man nun bis zur Alp von Casella gekommen und nahe der Hütte des Eremiten war, sah man ihn mitten auf der Wiese unter den ersten Frühlingsblumen liegen. Als er die Besucher erblickte, fiel es ihm schwer, sich aufzurichten. Die Gräfin Sophia war die erste, die zu ihm eilte, ihn besorgt stützend.

«Oh, Väterchen», rief sie erschrocken aus, «wir sind gekommen, um zu sehen, wie es Euch geht. Wie ich sehe, fühlt Ihr Euch nicht wohl. Was können wir für Euch tun? Sagt uns, was Euch fehlt.»

«Ich danke euch, daß ihr gekommen seid. Wenn ihr etwas für mich tun wollt, bitte ich euch alle um euer Gebet, um das Almosen eures Fürbittgebetes. Es geht mit mir zu Ende. Ich freue mich aber, daß ihr gekommen seid, denn ich möchte nicht von euch scheiden, bevor ihr nicht wisset, wem ihr in eurem Lande Gastfreundschaft erwiesen habt, wofür ich euch allen noch einmal danken möchte. Kommt näher, schart euch um mich und ich will euch erzählen, wer ich bin.»

Man führte den Eremiten zu einem Baum, wo er sich niederließ und an den er sich anlehnen konnte, während die Besucher sich um ihn auf der Wiese gruppierten. Der Eremit lächelte ihnen freundlich zu und begann seine Erzählung.

«Mein Name ist Gilberto. Nur meinen Stammnamen bitte ich meiner Familie wegen verschweigen zu dürfen. Ich bin Sizilianer, und mein Vater war ein vornehmer Edelmann, der im Kriege gefallen ist. Er hinterließ meiner Mutter, meinem älteren Bruder Robert und mir ein beträchtliches Vermögen an Geld, dazu viele Landgüter.

Meine Mutter ließ mir eine sorgliche Erziehung angedeihen, und ich habe meine frühen Knabenjahre in Unschuld und Frohsinn verbracht. Da ich aber heranwuchs, und erfuhr, daß mein Bruder Robert als der Erstgeborene den größeren Teil unseres Vermögens erben sollte, begann sich in mir der Neid zu regen. Vor allem waren es besonders schöne Landgüter, die ich gern einmal besessen hätte, die jedoch meinem Bruder zufallen mußten. Die Habgier war die Krankheit meiner Seele, von der ich leider sehr spät geheilt werden sollte. Ehrgeiz, Herrschsucht und Ruhmbegierde, das waren die bösen Eigenschaften, von denen ich besessen war. Der Haß jedoch, den ich meinem Bruder gegenüber empfand, wurde durch üble Freunde unterstützt und geschürt. Meine Altersgenossen sagten mir, ich sei viel schöner, viel kühner und eigne mich weit mehr zu einem Herrscher als mein Bruder Robert, der von bescheidenerem Wesen war als ich.

Hätte Robert gewußt, wie der Neid mich peinigte, würde er mir alles, was ich durchaus haben wollte, wahrscheinlich überlassen haben. Er war nämlich im Gegensatz zu mir ein überaus nachgiebiger Mensch. Er hätte eher selbst ein Unrecht erduldet, als daß er es geschehen ließ. Er war von großer Sanftmut. Er konnte niemandem böse sein und darum hatte ihn beinahe jedermann lieb. Ich aber haßte ihn, und hatte ihn wohl auch ohne jegliche Ursache gehaßt, weil ich Gott nicht wahrhaft liebte.

Als Robert seine Volljährigkeit erreicht hatte, erhielt er vom König selbst die Bestätigung aller Feudalrechte über sein Erbgut. Er veranstaltete ein Turnier, zu dem die tapfersten Ritter Siziliens eingeladen wurden. Ich jedoch durfte, da mir noch zwei Jahre an der Volljährigkeit fehlten, nicht am Turnier teilnehmen, was mich sehr verdroß, da ich gar zu gern meine Geschicklichkeit im Reiten und Fechten gezeigt hätte. Mein Bruder selbst hätte mir das Vergnügen gern gegönnt, doch meine Mutter wünschte es nicht. Meine falschen Freunde indessen stachelten mich auf, ich solle mir doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, meinem Bruder zu zeigen, daß ich ihm im Fechten überlegen sei. Man riet mir, in einer fremden Rüstung mit herabgelassenem Visier zu erscheinen, und so betrat ich unerkannt den Kampfplatz.

Als mein Bruder zum Gefecht mit einem Baron die Arena betrat, wurde er durch Fanfarenklänge begrüßt, was mir, so lächerlich dies auch klingen mag, einen Neid ohnegleichen verursachte. Dazu kam noch, daß Robert recht gewandt den Baron aus dem Sattel hob und sein Sieg allgemein bejubelt wurde. Ein wenig später meldete ich mich unter fremdem Namen zum Turnier mit meinem Bruder, der meinem Wunsch sogleich entsprach. So standen wir kampfbereit einander gegenüber. Trotzdem mir das Blut in den Adern vor Wildheit rauschte, fehlte meiner Hand die Sicherheit nicht. Nur von dem einen Verlangen erfüllt, meinen Gegner vor mir auf dem Boden zu sehen, stieß ich geschickt zu. Mein Bruder glitt aus dem Sattel, blieb jedoch im Fallen mit einem Fuß im Steigbügel hängen, während das scheu gewordene Pferd ins Rennen kam, den unglücklichen Reiter mit sich schleifend. Die Knappen eilten herbei, das Tier zum Stehen zu bringen. Es gelang. Eilends nahm man Robert den Helm ab. Man öffnete den Panzer, aber es war zu spät. Das edle Herz meines Bruders schlug nicht mehr. Und ich war jetzt der einzige Sohn meiner Mutter, deren verzweifelter Schmerzensschrei mir lange, ach sehr lange, in den Ohren blieb. Und noch ein anderer Schrei drang mir ins böse Herz. Es war die junge Braut meines Bruders, deren klagende Stimme ich vernahm und deren Lebensglück ich zerstört hatte. Ach, kaum hatte ich die grauenvolle Tat vollbracht, als mich auch schon mein Gewissen rüttelte und nichts anderes mehr in mir war als Verzweiflung über meine Ruchlosigkeit. Die allgemeine Verwirrung benutzend, floh ich auf meinem Pferde davon, um nie wieder zurückzukehren.

In Messina angekommen, wollte ich mich auf ein Schiff begeben, das zunächst nach Reggio fuhr. In der Stadt begegneten mir ein paar junge Männer aus meinem Bekanntenkreise, die mich zur Rückkehr bewegen wollten. Sie suchten mich zu beruhigen und wollten meine Gewissensangst beschwichtigen, indem sie mir sagten, es sei ein unglücklicher Zufall gewesen, der bei den Turnieren ja oft vorkomme, und ich sei nicht schuld am Tode meines Bruders. Was aber halfen mir solche Zusprüche, da mein Gewissen mir etwas anderes sagte. Immerhin entließen mich meine Freunde nicht, ohne mir eine größere Geldsumme auszuhändigen, für die ich ihnen eines unserer Landgüter überließ.

Ach, meine Freunde, die Reue ist etwas, was man wohl empfinden kann, doch läßt sich nichts darüber sagen. Es zog mich nach langer Irrfahrt nach Rom, wo ich meine Beichte ablegte. Für die Sühne aber reicht mein Leben nicht aus, wenn nicht Gott mir barmherzig ist. Ich bitte euch, betet für mich und für die Ruhe meiner Seele, und Gott möge euch euer Gebet vergelten. Er möge euch segnen.»

Die Stimme des Eremiten wurde leiser. Kaum vernehmbar fielen die letzten Worte von seinen Lippen:

«Ach, ich sah einmal einen Engel im Traum, der mich zu einer Quelle führte und die zu eurem Heile, zu eurer Gesundheit weiter fließen möge. Gott heilt nicht nur den kranken Leib. Seine Güte heilt auch die kranke Seele. Komm, Engel, führe mich noch einmal zur Quelle der Liebe.»

Wir wissen es nicht, aber es kann sein, daß es der Engel Raphael war, der die Seele des Eremiten in die ewige Heimat trug. Die Quelle, die er einst durch den Engel entdecken durfte, ist bis auf den heutigen Tag nicht versiegt.

Der kleine Betraum des Eremiten ist später zur Kapelle geweiht worden. Und der Sohn der Witwe, Francesco, ließ von einem Künstler ein Bild malen, das noch heute im Kapellchen von Casella zu sehen ist. Das Bild zeigt einen Engel, der sich dem andächtigen Beter, dem Eremiten Gilberto zuneigt.

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