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Von St. Ambrosius, dem heiligen Lehrer

Als der hl. Ambrosius noch als kleines Kind in der Wiege lag, kam eines Tages ein großer Schwarm Bienen auf ihn zu, ließ sich auf sein Antlitz nieder, ohne ihm irgend welchen Schaden zu tun. Danach flogen die Bienen hoch in die Luft, anzusehn gleich goldenen, zierlichen Kugeln. Das wunderte alle, die es sahen.

 

Eines Tages ging das Kind, von seiner größeren Schwester an der Hand geführt, in die Kirche. Da sah es, wie seine Schwester dem Bischof Ehre erwies, und ihm mit andächtiger Höflichkeit die geweihte Hand küßte. Da sagte Ambrosius:

«Schwester, küß auch meine Hand, weil dies doch einmal sein wird.»

Die Schwester hielt die Rede ihres Brüderleins für kindliches Geplauder, lächelte und sagte ihm:

«Nun, wenn es einmal sein wird, daß ich dir die Hand küssen muß, kannst du vielleicht noch ein wenig darauf warten.»

Nach Jahren aber, da ihr Bruder ein großer Bischof ward, und sie ihm ehrfurchtsvoll die Hirtenhand küßte, gedachte sie der prophetischen Worte ihres Bruders, die er aussprach, da er noch sehr klein war und soeben erst ein wenig sprechen gelernt hatte.

 

Da er aber heranwuchs und die Schule besuchte, nahm er rasch an Weisheit zu, und die Gnade Gottes war mit ihm, so daß er schon in jungen Jahren ein Meister der Heiligen Schrift, ein großer Gelehrter und ein gewaltiger Redner war, der Gottes Lob weit verbreitet und die Christenheit mit den edelsten Sprüchen geziert hat.

Der Kaiser Valentinus ließ ihn zu sich rufen, und daraufhin kam der heilige Ambrosius nach Mailand. Es gab damals viele Glaubensspaltungen und erbitterte Kämpfe zwischen den Christen und den Ketzern, die man Arianer nannte. Beiden Parteien fehlte ein Bischof. Doch wollten die Christen einen christlichen Bischof, während die Arianer danach trachteten, einen Bischof ihres Bekenntnisses zu erwählen. So kam Ambrosius in einer recht kriegerischen Zeit nach Mailand. Da man bei einer großen Kirchenversammlung über den neu zu wählenden Bischof beratschlagte, rief plötzlich ein kleines Kind mit lauter, heller Stimme:

«Nehmt Ambrosius zum Bischof! Ambrosius soll Bischof sein!»

Da befolgte man das Wort des Kindes und machte Ambrosius zum Bischof, weil Gott durch den Mund des unschuldigen Kindes sprach.

Ambrosius aber tat es leid, zu solch hoher Würde gekommen zu sein, und er bedauerte, die Stadt Mailand betreten zu haben. Er trachtete eifrig danach, des Bistums wieder ledig zu werden. Er besuchte absichtlich weniger die Kirche, als er wohl hätte tun mögen, weil er wünschte, man möge weniger gut von ihm denken. Er trachtete danach, mehr verleumdet als gelobt zu werden. Er ließ sogar niedrige Frauenzimmer in sein Haus, bot ihnen Obdach und hoffte zugleich, auf solche Art in den Ruf eines großen Sünders zu gelangen. Aber alle seine Bemühungen waren vergeblich. Das gute Volk erkannte ihn und sprach immer wieder:

«Du bist unser Vater und unser Vorbild und sollst es bleiben, auch wenn du uns glauben machen willst oder von dir selbst meinst, du seist ein richtiger Sünder.»

Er war aber sehr scharf darauf bedacht, die Ketzerei und den Unglauben zu bekämpfen, und deswegen hatte Ambrosius doch einige Feinde, die den Heiligen zu verderben trachteten. Die Ketzer verabredeten sich untereinander, Ambrosius einzufangen und ihn in ein fernes Land zu bringen, in dem er sterben müsse. Aber die Güte Gottes und die Liebe des gläubigen Volkes schützten den frommen Bischof, so daß er mancher Gefahr wie durch ein Wunder entging.

Es gab in Mailand viele, die vom bösen Geiste besessen waren. Die Dämonen schrien aus den Unglücklichen:

«Wehe, wehe! Uns peinigt Ambrosius, der Diener Gottes!»

Die Ungläubigen behaupteten, Ambrosius habe den Besessenen Geld gegeben, um durch seine Heilungen das Ansehen der Arianer herabzusetzen. Indessen wurde einer der Ketzer selbst von Besessenheit befallen, der den Heiligen um seine Erfolge beneidete, und weil die Ketzer nicht an die Dämonen im Menschen glauben wollten, schlugen sie den Besessenen, der doch einer von den ihrigen war, zu Tode.

Einmal kam der Kaiser in eine Stadt, die sich im Kriegszustand befand. Das niedrige Volk hatte einen Richter, mit dem es unzufrieden war, getötet. Darüber ergrimmte der Kaiser und befahl seinen Soldaten, gegen das unbewaffnete, wehrlose Volk vorzugehen. Es wurden fünftausend Menschen getötet, unter vielleicht einigen Sündern Tausende Unschuldiger. Als danach der Kaiser nach Mailand zurückkehrte und in die Kirche gehen wollte, verwehrte es ihm der hl. Ambrosius, indem er zu ihm sprach:

«Du sollst der Kirche fernbleiben, bis du deine Sünde erkannt hast, denn du hast böse gehandelt und unschuldiges Blut vergossen.»

Da erschrak der Kaiser vor der Macht des heiligen Bischofs, und er litt sehr darunter, weil er den Kirchenbann wohl verdient hatte. Ambrosius aber in seinem Eifer für Gott und in seiner Liebe zur Gerechtigkeit strafte die Reichen wie die Armen. Den höchsten weltlichen Herren gegenüber blieb er in seinem gerechten Urteil unbestechlich, da es ihm ein Geringes gewesen wäre, selbst für die Gerechtigkeit sein Leben zu opfern.

Ein Vertrauter des Kaisers, namens Ruffianus, erbot sich, den Kaiser mit Ambrosius wieder auszusöhnen. Der Kaiser lehnte ab mit den Worten:

«Es hilft nichts, wenn du zu Ambrosius gehst und mit ihm sprichst. Ambrosius fürchtet nichts, weil er Gott allein fürchtet.»

Ruffianus unternahm es gleichwohl, mit Ambrosius zu sprechen und ihn für den Kaiser zu bitten. Aber es war vergeblich. Ambrosius ließ öffentlich verkünden, der Kaiser dürfe die Kirche nicht betreten. Zu Ruffianus sprach er:

«Würde ich hier tot liegen, würde ich dennoch deinem Kaiser verwehren, das Gotteshaus zu betreten. Erst wenn ich vernehme, daß er sich bessern und seine Sünden büßen will, mag er kommen.»

Diesen Bescheid brachte Ruffianus dem Kaiser, der sich jetzt entschloß, selbst zum Bischof zu gehn und jede Buße bereitwillig auf sich zu nehmen.

Also demütigte Ambrosius den Kaiser, indem er ihn vor versammeltem Volk zur Buße ermahnte, und erst nach der Sühne wurde ihm gestattet, die Kirche zu betreten. Um die heilige Kommunion zu empfangen, hatte sich der Kaiser in den Chor begeben, wo sich sonst nur die Geistlichkeit aufhalten durfte. Da sprach Ambrosius den Kaiser an:

«Was willst du hier?»

«Ich will den Leib des Herrn zu mir nehmen, um damit meiner Sünde ledig zu werden.»

Ambrosius entgegnete:

«Recht so. Aber geh in jene Reihe, die für Laien bestimmt ist. Der Chor hier ist für die Geistlichen.»

Der Kaiser folgte, nahm bescheiden den Platz ein, der ihm angewiesen wurde, und empfing an diesem Morgen das Brot der Engel mit großer Andacht. Als er später nach Konstantinopel kam und sich dort in der Kirche recht unscheinbar unter allem Volk auf eine Laienbank kniete, wurde er vom Bischof von Konstantinopel gebeten, sich doch in den Chor zu begeben, aber diesmal wollte der Kaiser nicht folgen und sagte:

«Nein, ich gehöre nicht in den Chor. Ich weiß, daß eure Würde höher ist als meine. Ich habe es vom hl. Ambrosius zu Mailand gelernt.»

 

Als Ambrosius sein Ende nahen fühlte, gab Gott ihm die genaue Zeit kund, wann er ihn zu sich berufen würde. Da schrieb und arbeitete er noch eifriger an seinen frommen Werken, noch immer seine herrlichen Hymnen dichtend. Der Schreiber, dem er diktierte und der nahe vor ihm seinen Platz hatte, sah einmal ein starkes Feuer, in dreieckiger Form, anzusehen wie etwa ein flammender Schild. Das Feuer blieb eine Weile über dem Haupte des Heiligen und verschwand in seinem Munde. Danach sah der Schreiber das Gesicht des heiligen Ambrosius wunderbar erleuchtet in überirdischer Schönheit.

An einem Osterabend hauchte Ambrosius seine heilige Seele in Gott aus. Und da man ihn am frühen Ostermorgen in die Kirche trug, waren viele kleine Kinder da, die getauft werden sollten. Da sah man Sankt Ambrosius fröhlich beim Taufbecken stehen, so, als ob er lebe. Er trug, gleich einem König des Glaubens und der Liebe, eine Krone, die sein ehrwürdiges Haupt schmückte. Und über ihm sah man einen großen, einzigschönen, lichtstrahlenden Stern. Die jungen Getauften aber, wie vom milden, wundersamen Licht des Sternes angezogen, streckten ihre Händchen nach Ambrosius aus und lächelten wie in Dankbarkeit für die Taufgnade dem Heiligen zu.

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