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Vom heiligen Patrizius

Der heilige Patrizius, auch Patrick genannt, wurde um das Jahr 389 zu Kilpatrick in Schottland als der Sohn des Diakons Calpornius geboren. Sein eigentlicher Taufname war Sucat, und erst später wurde er als berühmter Bischof nach seiner Heimat benannt. Als Knabe wurde er während des Krieges von Feinden nach Irland verschleppt, wo er die Schafe hüten mußte, wohl noch nicht ahnend, daß er von Gott zu einem geistlichen Hirten auserkoren war und einmal der große Apostel des damals noch heidnischen Irland werden sollte. Wohl noch als Hirtenknabe, der in der Fremde dienen mußte, floh er von Irland nach Gallien, wurde später in Auxerre der Schüler des heiligen Germanus, und machte rasch große Fortschritte in der Gottesgelehrsamkeit und in der Tugend, besonders aber in der Askese, der er sehr ergeben war.

 

Er war von einem unermüdlichen Eifer beseelt, für den christlichen Glauben zu werben. Die Seelen, die er dem Glauben zugeführt hat, kann nur Gott selbst gezählt haben, der ihn bei seiner Apostelarbeit mit der Gabe des Wunders bedachte, davon wir später berichten wollen.

Es war in Schottland, wo Patrick Bischof geworden war, und da er einmal vor großer Versammlung den Ungläubigen von Jesus Christus als dem wahren Gott und Erlöser sprach, war auch der König des Landes zugegen. Da setzte Patrizius seinen Bischofsstab, der unten mit einer Eisenspitze versehen war, dem König auf seinen Fuß, so daß dieser eine Wunde empfing. Der König überwand den heftigen Schmerz, schwieg und dachte bei sich: Patrizius will, daß ich jetzt für Christus leide, der einmal für uns gelitten hat. Da der Heilige bemerkte, daß er den Fuß des Königs verwundet hatte, staunte er bei sich, wie geduldig dieser die Schmerzen ertrug, sprach ein Gebet zu Gott, und alsbald heilte die Fußwunde des Königs und tat ihm nimmer weh.

Einmal hatte man einem Manne ein Schaf gestohlen, das trotz fleißigen Suchens nirgends zu finden war, weil nämlich der Dieb das Schaf geschlachtet und gegessen hatte. Der Bestohlene klagte dem hl. Patrizius sein Unglück, der daraufhin eine Predigt über das siebente Gebot hielt und die Gemeinde aufforderte, doch ja das Eigentum des Nächsten zu achten. Da erwähnte Patrizius auch das gestohlene Schaf. Er fragte mit lauter Stimme seine Zuhörer:

«Wer von euch das Schaf gestohlen hat, soll es zurückgeben.»

Da hätte sich vielleicht nur einer melden können, was das bestimmte Schäflein anbetrifft, aber es meldete sich keiner.

Patrick aber rief:

«Wer das Schaf verzehrt hat und es verschweigt, wird beschämt werden. Und ich gebiete dem Dieb im Namen Gottes vor euch allen, hier wie ein Schaf zu mähen und bähen.»

Da hörte man den Dieb mit der Stimme eines Schafes blöken. Die ganze Gemeinde erschrak sehr und gab sich fortan mehr Mühe denn zuvor, zwischen mein und dein recht zu unterscheiden. Der Dieb aber mußte wohl oder übel dem Geschädigten das Schaf ersetzen.

 

Einmal in Hibernia (Irland) war das Volk halsstarrig und wollte sich nicht bekehren. Da rief Patrizius Gott um Hilfe an und bat um ein Wunder oder um ein Zeichen, damit die Menschen zum wahren Glauben gebracht wurden. Der Heilige sprach zwar vom Fegfeuer und von der Hölle, er versprach den Gläubigen die Seligkeit des Paradieses, aber das half leider alles nichts. Die Verstockten sagten zum Heiligen:

«Wir glauben weder deinen Worten noch deinen Wundern. Wir wollen Sicherheiten, die man sehen, greifen, spüren kann. Wir brauchen andere Beweise für das Dasein Gottes und unserer Seele, als du uns bietest. Zeige uns das Fegefeuer! Zeige uns die Hölle! Zeige uns die Freuden des Himmels! Zeige uns das Paradies!»

Also bedrängt und bestürmt wurde der liebende Apostel, und niemand fragte sich: warum nur bemüht sich dieser Mann um uns? Was treibt ihn an, uns bekehren zu wollen? Wer hat ihn bestellt, uns das Evangelium zu verkünden, an das wir nicht glauben wollen und das wir nicht begreifen können? Doch anstatt sich über solche Verstocktheit zu ärgern, empfand Patrizius nur Mitleid mit den Irrenden, die er gar zu gern Gott zuführen wollte. Er fastete und geißelte sich, als bemühe er, der Einzelne, sich, Gott Genugtuung zu geben für die Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit der vielen andern. Er hielt sich nicht für besser als die andern, sondern eher für schlechter, aber er wußte doch in seiner Demut um den wahren Glauben. Und der Eifer, für den Glauben zu wirken, glühte stets in ihm und verzehrte ihn zugleich. Da bat er Gott um ein Wunder um des Volkes willen, denn der demütige Bischof selbst bedurfte keines Wunders. Aber da erschien ihm das ewige Wunder der Liebe selbst. Jesus Christus erschien dem Heiligen, führte ihn an eine abgelegene Stätte und zeigte ihm ein offenes Grab, das wie ein tiefer Abgrund war.

«Siehe Patrizius, dieses Grab ist ein Fegfeuer. Wer hier auf Erden freiwillig hineingeht, wird kein anderes Fegfeuer mehr erleiden. Wer in dieses Grab zu steigen bereit ist, seine Schuld erkennt und bereut, wird von allen seinen Sünden befreit sein. Er wird in diesem Grabe nicht nur die Qualen der Verdammten fühlen, sondern auch die unermeßliche Freude der Seligen.»

Also zeigte Christus dem hl. Patrizius, wie nahe der Himmel mit seiner unaussprechlichen Wonne dem schmerzlichen Fegefeuer sein kann, in dem die Seele geläutert wird. Dies alles sagte Patrizius dem Volke, und der Heilige Geist muß sehr stark in ihm gewesen sein, sich seiner bedient haben, denn es waren viele, die von Reue ergriffen in das Grab gingen und das Wunder des Fegfeuers kennenlernten. Manche kamen wie verwandelt und neugeboren wieder aus dem Grab heraus und gaben Kunde von den läuternden Leiden, die sie erfahren und aus denen sie begnadet hervorgegangen waren. Es gab freilich auch einige, die in diesem Grab wie in einem Abgrund des Schreckens zugrunde gingen und nicht wiederkamen.

 

Es war unter vielen anderen einmal ein reicher Edelmann namens Nikolaus, der jahrelang in Sünden gelebt hatte und das Verlangen trug, seine Schuld zu büßen. Nun hatte Patrizius angeordnet, jeder, der ins Grab des Fegefeuers gehen wolle, müsse vorher eine Woche lang fasten, wachen und beten, um nach diesem seine Sünde zu beichten. Der reiche Edelmann hatte dieses Gebot befolgt, verabschiedete sich von seinen Freunden, wie von der ganzen Welt und von seinem früheren Leben. Dann stieg er im Vertrauen auf die Liebe Gottes in die Grube, seine große Schuld zu sühnen.

Er fand im Fegfeuer eine Kirche, in der viele weißgekleidete Priester am Altar des feierlichen Amtes walteten, dem Nikolaus beiwohnen durfte, was ihm in schweren Leiden Trost bot. Kniend vor dem Altare sah er, wie die Priester sich nach Beendigung der Feier entfernten. Ein Priester aber kam zum Edelmann und sprach zu ihm:

«Nikolaus, wisse und bereite dich vor: es wird dir noch viel Leiden begegnen. Was du bisher erduldet hast, ist gering gegen die Angst und Not, welche dir bevorsteht.»

Da sprach der Edelmann:

«Gib mir einen Rat, wie ich genesen kann.»

Der Priester sagte:

«Wenn du in großer Not bist und der Böse Feind dich bedrängt und du schwer mit ihm ringst, dann sollst du schreien: Herr Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, der du mich mit deinem Blut, durch dein heiliges Leiden und Sterben erlöset hast, erbarme dich über mich armen Sünder.»

Nach diesen Worten ließ der Priester den Edelmann allein, der dankbar war für die gute Lehre und sich fest vornahm, sich im Kommenden danach zu richten.

Das Heer der Dämonen aber, die große Schar der bösen Geister, schien mächtiger zu sein als Nikolaus, der sich plötzlich überfallen sah und von den Mächten des Abgrundes hin und her gezerrt wurde. Da Nikolaus sich mit dem heiligen Kreuzzeichen und den guten Worten des Priesters bewehrte, ließen die bösen Geister zwar eine Weile von ihm ab, kamen jedoch wieder, diesmal, um nicht Gewalt, sondern um eine falsche Schmeichelei gegen ihn anzuwenden, die dem Bedrängten noch gefährlicher sein mag. Mit girrenden, weichen Stimmen sprachen die Dämonen auf Nikolaus ein:

«Laß ab vom christlichen Glauben. Fahre wieder heim zu deinen Freunden und du wirst aller Qual enthoben sein. Führe wieder ein angenehmes Leben, dazu du ja Geld genug hast. Mach dir's bequem und freue dich der wenigen Tage, die dir beschieden sind. Tust du dieses nicht, wirst du es bereuen und wir werden dich gewaltsam, mit unabsehbaren Leiden auf jeden Fall überwinden. Du hast nur zu wählen, welche Art dir lieber ist.»

Aber Nikolaus ließ sich weder durch Drohungen noch durch Schmeicheleien beirren. Er rief den Dämonen zu:

«Ich will von Jesus Christus nicht lassen. Was immer ich werde zu erdulden haben, ich will jede Qual auf mich nehmen, weil ich weiß, daß ich meiner Sünden wegen noch viel mehr Pein verdient habe, als jene, die mir zugefügt werden kann.»

Das erzürnte die bösen Geister und sie erschienen ihm in grauenerregenden Gestalten. Es waren Bären, Löwen und Wölfe, doch schrecklicher und fratzenhafter, so, wie die wilden Tiere nicht sein können, wenn sie auch sehr furchterregend sind. Denn die Dämonen, die in den dunkelsten Abgründen der menschlichen Seele hausen und zum Schauder des Menschen aus ihm hervorbrechen können, sind schrecklicher, unheimlicher und wilder noch als die wilden Raubtiere, denen der schwache Mensch sich nicht zu nahen wagt.

In seiner höchsten Not schrie Nikolaus:

«Herr Jesus Christus, erbarme dich über mich armen Sünder!» Und dieses flehende Gebet, das durch den Himmel drang und erhört wurde, war fähig, die tierhaften, wilden Dämonen in die Flucht zu jagen. Nikolaus, der sich durch solche Kämpfe gar oft dem Tode nahe wähnte, dankte manchmal mehr mit Tränen als mit Worten, wenn er seinen Feinden entronnen war.

Einmal hoben ihn die bösen Geister über ein großes Feuer und drohten ihm:

«Wir werden dich fallen lassen, wenn du dich nicht zu uns bekennen wirst.»

«Nein, ich will nicht! Ich will nichts mit euch zu tun haben.» So schrie Nikolaus auf. Da ließen ihn die Dämonen in das flammende Feuer fallen, und da die starke Glut ihn schmerzhaft brannte, die bösen Versuchungen und Begierden, von denen er heimgesucht wurde, rief er abermals sein Gebet:

«Herr Jesus Christus, erbarme dich über mich armen Sünder.»

Er aber, der nicht will, daß eine arme Seele verlorengeht, kam ihm zu Hilfe und das Feuer erlosch.

Doch nicht nur eigene Qualen hatte Nikolaus zu ertragen. Er sah auch andere Seelen, die sich in brennenden Bächen und stinkenden Sümpfen befanden, vor Elend dem Wahnsinn nahe. Weil Nikolaus das Leiden kannte und es erfahren hatte, war sein Mitleid mit den Armen um so größer, und da begann er alle in sein Gebet einzuschließen. Das Mitleid für seine Leidensgenossen wurde immer größer und stärker in Nikolaus. Das hob ihn über das eigene Leid hinaus, so daß sein Herz immer mehr erfüllt wurde und aufging in der Liebe zum Nächsten, dem er um Gottes willen zugetan war. So lernte Nikolaus im Fegefeuer das Gebot Christi recht einsehen und befolgen, nämlich jenes, daran man die Kinder des Glaubens erkennt. «Kinder, ein Gebot habe ich euch ergeben, daß ihr euch untereinander liebet.»

So wurde die Liebe selbst dem Nikolaus zum Paradies, und jedes Leiden verwandelte sich in Süßigkeit. Am Ende seiner Sühne und Läuterung angelangt, durfte der Büßer einen Blick tun in die Stadt der goldenen Gassen und voller Verlangen rief er aus:

«O, Liebe und Friede sind hier daheim. O, hier ist der Ort, den ich ersehnt habe!» Und er sah zwei schöne Engel vor dem geöffneten Tor und bat kindlich und demütig, hineingehen zu dürfen in die Stadt der Seligkeit.

Die Engel aber sprachen:

«Wohl ist hier die Heimat, die dich erwartet. Doch werden wir dich erst nach dreißig Tagen hierherführen.»

Nikolaus entstieg dem Fegefeuer des Patrizius und verkündete, was ihm begegnet war. Und nach dreißig Tagen holten ihn die Engel, um seine Seele in jenes Reich zu tragen, in der es kein Leid, nur Freude ohne Ende gibt.

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