Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band X
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Die Frau, die sich zu helfen wußte

»O König, ich vernahm, daß einmal eine wunderschöne, anmutige, liebreizende und vollkommene Frau lebte, die nicht ihresgleichen hatte. Diese Frau sah ein junger Verführer und verliebte sich in sie, so daß er in heftiger Liebe zu ihr entbrannte, während sie in ihrer Keuschheit nichts von ihm wissen wollte. Da traf es sich eines Tages, daß ihr Gatte in eine andere Stadt verreiste, worauf der Jüngling ihr täglich zu wiederholten Malen Botschaften schickte, ohne daß sie ihm eine Antwort gab. Schließlich suchte er ein altes Weib auf, das in seiner Nähe wohnte, und setzte sich nach dem Salâm zu ihr und klagte ihr, wie hart ihm die Liebe nach der Frau zusetzte, und wie er sich nach einer Zusammenkunft mit ihr sehnte. Da sagte die Alte zu ihm: »Ich bürge dir hierfür und will dir, so Gott will, der Erhabene, zu deinem Wunsch verhelfen, sei darum unbesorgt.« Als der Jüngling diese Worte von ihr vernahm, gab er ihr einen Dinar und ging seines Weges, während die Alte, welche die junge Frau von früher her kannte, am nächsten Morgen die alte Freundschaft erneuerte und sie von nun an täglich besuchte, bei ihr das Frühstück und Nachtessen einnahm und für ihre Kinder Essen mit nach Hause nahm. Bei diesen Besuchen scherzte und plauderte sie mit ihr, bis sie sie verdorben hatte und sie nicht mehr eine Stunde ohne die Alte leben konnte. Die Alte aber pflegte jedesmal, wenn sie von der Frau fortging, ein Stück Brot zu nehmen, etwas Pfeffer und Fett daran zu thun, und es so einer Hündin zu geben, bis ihr dieselbe wegen ihrer Güte und Fürsorge auf Schritt und Tritt folgte. Da nahm sie eines Tages eine große Menge Fett und Pfeffer und gab es ihr zu fressen, so daß ihr die Augen von dem Brande des Pfeffers liefen und sie der Alten weinend nachlief. Als die junge Frau dies sah, verwunderte sie sich höchlichst und sagte zur Alten: »Meine Mutter, warum weint die Hündin?« Die Alte erwiderte: »Meine Tochter, die Hündin da hat eine wunderbare Geschichte erlebt. Sie war einst ein Mädchen von reicher Schönheit und Anmut, voll Liebreiz und vollkommener Zier, und meine Gefährtin und Freundin. Nun hatte sich ein junger Mann ihres Viertels in sie verliebt und seine Liebe und Leidenschaft wuchs so stark, daß er sich zu Bett legen mußte. Wiewohl er wiederholentlich zu ihr schickte, gütig zu ihm zu sein und sich seiner zu erbarmen, und obgleich ich ihr zum Guten riet und sagte: »Meine Tochter, willige in alle seine Wünsche ein, erbarme dich seiner und habe Mitleid mit ihm,« so wollte sie jedoch nichts davon wissen und verschmähte meinen guten Rat. Schließlich, als dem jungen Mann die Geduld ausging, klagte er einigen seiner Freunde sein Leid, welche ihr einen Zauber beibrachten, und ihre menschliche Gestalt in die einer Hündin verwandelten. Als sie nun sah, was mit ihr geschehen, und wie sie verwandelt worden war, und unter allen Geschöpfen in mir allein eine mitleidige Seele fand, da kam sie in meine Wohnung und begann mich zu umschmeicheln, mir Hände und Füße zu küssen, zu weinen und heulen, bis ich sie erkannte und zu ihr sagte: »Ich habe dich oft genug gewarnt, doch hat dir mein Rat nichts genutzt.«

Fünfhundertundfünfundachtzigste Nacht

Als ich sie jedoch, meine Tochter, in diesem Zustande sah, hatte ich Mitleid mit ihr und behielt sie bei mir; so oft sie sich aber nun ihres frühern Zustandes erinnert, weint sie über sich.« Als die junge Frau die Worte der Alten vernahm, erschrak sie gewaltig und rief: »O meine Mutter, bei Gott, du hast mir durch diese Geschichte angst und bange gemacht.« Nun fragte die Alte: »Wovor fürchtest du dich denn?« Sie erwiderte: »Siehe, ein hübscher junger Mann hat sich in mich verliebt und schickt einmal um das andere zu mir, ohne daß ich ihm Gehör gebe. Nun aber fürchte ich, es könnte mir ebenso ergehen wie dieser Hündin.« Da versetzte die Alte: »Meine Tochter, hüte dich und folge meinem Rat, denn mir ist sehr bange um dich; weißt du nicht, wo er wohnt, so beschreib ihn mir, daß ich ihn zu dir bringen kann, und bringe niemandes Herz gegen dich auf.« Hierauf beschrieb die junge Frau der Alten den Jüngling, während die Alte sich stellte, als ob er ihr ganz fremd wäre, und zu ihr sagte: »Wenn ich fortgehe, will ich mich nach ihm erkundigen.« Als sie dann von ihr fortging, suchte sie den jungen Mann auf und sagte zu ihm: »Sei guten Mutes, ich habe mit ihrem Verstand gespielt; morgen um die Mittagszeit warte auf mich an der Straßenecke, bis ich komme und dich zu ihrer Wohnung führe, daß du dich den Rest des Tages und die ganze Nacht über bei ihr vergnügen kannst.« Da freute sich der junge Mann mächtig und gab ihr zwei Dinare mit den Worten: »Wenn ich mein Ziel erreicht habe, so gebe ich dir zehn Dinare.« Hierauf kehrte die Alte wieder zu der jungen Frau zurück und sagte zu ihr: »Ich habe ihn ausfindig gemacht und mit ihm über die Sache gesprochen. Er war sehr böse auf dich und bereits fest entschlossen, dir etwas zuleide zu thun, doch ließ ich nicht ab ihm gut zuzureden, bis er einwilligte, morgen um den Mittagsazân bei dir zu sein.« Da freute sich die junge Frau mächtig und sagte zu der Alten: »O meine Mutter, wenn es ihm beliebt und er morgen um die Mittagszeit zu mir kommt, so gebe ich dir zehn Dinare;« worauf die Alte versetzte: »Paß auf, er kommt nur durch mich zu dir.« Am nächsten Morgen sagte dann die Alte zu ihr: »Mach' das Frühstück zurecht, schmücke dich und zieh deine besten Sachen an, während ich inzwischen zu ihm gehe und ihn zu dir bringe.« Da erhob sie sich, schmückte sich und machte das Mahl zurecht, während die Alte fortging und auf den Jüngling wartete, der jedoch nicht kam. Da suchte sie ihn rings umher, da sie aber nirgends etwas von ihm sah oder hörte, sprach sie bei sich: »Was thun? Soll sie etwa das Essen umsonst zubereitet haben, und soll ich das Geld verlieren, das sie mir versprochen hat? Nein, ich kann es nicht zulassen, daß mein schlauer Plan wieder zu Wasser wird, sondern will einen andern suchen und ihn zu ihr bringen.« Während sie mit diesen Gedanken auf den Straßen umherging, sah sie mit einem Male einen schönen und anmutigen jungen Mann, dem man es am Gesichte ansah, daß er soeben von einer Reise kam; da ging sie auf ihn zu, begrüßte ihn und sprach zu ihm: »Hast du Lust zu Speise und Trank und einem Mädchen, fix und fertig?« Da fragte sie der Mann: »Wo giebt's das?« Sie versetzte: »Bei mir, in meinem Hause.« Hierauf folgte ihr der Mann, ohne daß die Alte wußte, daß es der Gatte der jungen Frau war, zu seinem eigenen Hause. Auf ihr Klopfen öffnete ihr die junge Frau die Thür, lief aber gleich wieder fort, um sich fertig anzukleiden und zu parfümieren, während die Alte inzwischen, hocherfreut über ihre gelungene List, den Mann in den Saal führte. Wie nun die junge Frau hereintrat, und beim ersten Blick neben der Alten ihren Mann sitzen sah, schoß ihr sofort eine List durch den Kopf, wie sie sich aus der Klemme ziehen könnte, und, ihren Schuh ausziehend, rief sie ihrem Mann entgegen: »Hältst du so unsern ehelichen Bund? Wie kannst du mich hintergehen und in solcher Weise gegen mich handeln? Als ich vernahm, du seiest wieder heimgekehrt, ließ ich dich durch diese Alte auf die Probe stellen, die dich dahineinfallen ließ, wovor ich dich warnte. Nun habe ich mich über dein Thun und Treiben vergewissert und weiß, daß du den zwischen uns beiden bestehenden Bund gebrochen hast. Zuvor hielt ich dich für treu, nun aber habe ich's in Anwesenheit der Alten mit meinen eigenen Augen gesehen, daß du liederliche Weibsbilder besuchst.« Hierauf schlug sie mit dem Schuh auf seinen Kopf drauf los, während er ihr in einemfort seine Unschuld beteuerte und schwor, er wäre ihr sein Lebenlang nicht untreu gewesen, und hätte nichts von dem, dessen sie ihn beschuldigte, gethan. Trotz seiner heiligsten Eide bei Gott, dem Allmächtigen, prügelte sie aber ohne Gnade und Barmherzigkeit weiter auf ihn los und weinte dabei und schrie und rief: »Heran zu mir, ihr Moslems!« und biß ihn in die Hand, als er ihr den Mund mit derselben verschließen wollte. Da demütigte er sich vor ihr und bedeckte ihre Hände und Füße mit Küssen, ohne daß sie sich zufrieden gab und seinen Kopf mit der Hand zu knuffen aufhörte, bis sie endlich der Alten einen Wink gab, ihr die Hände festzuhalten, worauf die Alte herankam und ihr so lange die Hände und Füße küßte, bis sie beide zum Sitzen gebracht hatte. Als beide saßen, fing der Gatte der jungen Frau an, der Alten die Hand zu küssen, und rief in einem fort: »Gott, der Erhabene, lohne es dir mit allem Guten, daß du mich von ihr befreit hast!« Und die Alte verwunderte sich über ihre List und Verschlagenheit.

Diese Geschichte, o König, ist ein Beispiel von der List, dem Falsch und der Verschlagenheit der Weiber.«

Als der König seine Geschichte vernommen hatte, ließ er sich durch dieselbe belehren und gab die Hinrichtung seines Sohnes auf.

Fünfhundertundsechsundachtzigste Nacht

Da trat das Mädchen am fünften Tage mit einem Becher Gift in der Hand zum König ein, indem sie zum Himmel um Hilfe flehte, sich die Wangen und ihr Gesicht schlug und zu ihm klagte: »O König, entweder übst du Gerechtigkeit gegen mich und verschaffst mir mein Recht an deinem Sohn oder ich trinke diesen Becher Gift und sterbe, so daß die Schuld an meinem Tode an dir kleben wird bis zum Tag der Auferstehung. Siehe, diese deine Wesire werfen mir Arglist und Falsch vor, wo in der ganzen Welt keiner verschlagener ist als sie. Hast du denn nicht, o König, die Geschichte von dem Goldschmied und dem Mädchen gehört?« Da fragte sie der König: »Was trug sich mit den beiden zu?« Und das Mädchen erzählte:

 


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