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Tausend und eine Nacht. Band X
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Der eifersüchtige Kaufmann und der Papagei.

Diese Erzählung ist dieselbe, die bereits im ersten Bande nach der Breslauer Ausgabe mitgeteilt wurde.

Ferner vernahm ich, o König, daß einmal ein Kaufmann lebte, der viel auf Reisen war und ein hübsches Weib hatte, welches er wegen seiner Schönheit bis zur Eifersucht liebte. Er kaufte sich deshalb einen Papagei, der sie zu beobachten und ihm nach seiner Heimkehr alles, was während seiner Abwesenheit vorgefallen war, mitzuteilen hatte. Als nun der Kaufmann wieder einmal verreist war, verliebte sich seine Frau in einen jungen Burschen, welcher sie zu besuchen pflegte, und schmauste und schlief mit ihm während der Abwesenheit ihres Gatten. Bei seiner Heimkehr erzählte ihm der Papagei jedoch das Vorgefallene und sagte zu ihm: »Mein Herr, ein junger Türke pflegte dein Weib während deiner Abwesenheit zu besuchen, und sie nahm ihn stets aufs gastlichste auf.« Da gedachte der Mann sein Weib zu töten; als sie jedoch hiervon Kunde erhielt, sprach sie zu ihm: »Mann, fürchte Gott und nimm wieder Verstand an! Kann denn ein Vogel Verstand oder Vernunft haben? Soll ich dir den Beweis für die Wahrheit oder Unwahrheit erbringen, so geh heute Nacht fort und schlafe bei einem deiner Freunde. Am nächsten Morgen aber komm wieder her und frag ihn, um festzustellen, ob er die Wahrheit spricht oder lügt.« Da erhob sich der Mann und ging zu einem seiner Freunde, um bei ihm die Nacht zu verbringen. Als es nun Nacht geworden war, nahm sein Weib ein Stück Leder, welches sie über den Käfig des Papageis deckte, sprengte dann fortwährend Wasser auf das Leder, fächelte mit einem Fächer darüber, fuhr mit einer Lampe vor dem Käfig hin und her, um das Blitzen nachzuahmen, und mahlte dazu mit einer Handmühle bis zum Morgen. Wie nun ihr Mann heimkam, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, frag den Papagei.« Da ging ihr Mann zum Papagei, um mit ihm zu plaudern und ihn über die vergangene Nacht auszufragen, doch erwiderte ihm der Papagei: »Mein Herr, wer konnte in der letzten Nacht wohl etwas sehen oder hören?« Da fragte er ihn: »Wieso?« Und der Papagei versetzte: »Mein Herr, wegen des starken Regens und Sturmes und des fortwährenden Blitzens und Donnerns.« Der Mann entgegnete: »Du lügst, in der vergangenen Nacht geschah nichts von alledem.« Der Papagei versetzte jedoch: »Ich habe dir nur gesagt, was ich mit eigenen Augen gesehen und gehört habe.« Da glaubte der Mann, der Papagei hätte ihn auch zuvor über sein Weib belogen und wollte sich wieder mit ihr aussöhnen, sie erwiderte ihm jedoch: »Bei Gott, ich mache nicht eher Frieden mit dir, als bis du dem Papagei, der mich so angeschwärzt hat, die Kehle abschneidest.« Da trat der Mann an den Papagei heran und schnitt ihm die Kehle ab. Nur wenige Tage später sah er jedoch den jungen Türken aus seinem Hause herauskommen und erkannte, daß sein Weib ihn belogen und der Papagei ihm die Wahrheit gesagt hatte. Voll Reue darüber, daß er dem Papagei die Kehle abgeschnitten hatte, fiel er sofort über sein Weib her und schnitt ihr ebenfalls die Kehle ab, indem er sich zugleich verschwor sein Leben lang kein Weib mehr zu heiraten.

Dies aber, o König, erzähle ich dir nur, daß du erkennst, wie groß die Arglist der Weiber ist, und daß der Übereilung die Reue folgt.«

Da gab der König die Hinrichtung seines Sohnes auf; am andern Morgen aber trat das Mädchen bei ihm ein, küßte die Erde vor ihm und sprach: »O König, warum säumst du, mir mein Recht zu verschaffen? Fürwahr, schon haben es die Könige vernommen, daß dein Wesir deine Befehle wieder aufhebt. Der Gehorsam dem König gegenüber besteht aber darin, daß man seine Befehle ausführt, und jedermann kennt deine Gerechtigkeit und Unparteilichkeit. So verschaffe mir mein Recht an deinem Sohne.

 


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