Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band X
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Der Schurke und das keusche Weib

Es liebte einmal ein Mann ein schönes und liebreizendes Weib, welches einen Mann hatte, den sie liebte, und der sie liebte. Dieses Weib war rechtschaffen und keusch, so daß ihr Anbeter keinen Weg zu ihr fand. Wie ihm nun die Sache zu lange währte, sann er auf eine List. Der Gatte der Frau hatte aber einen jungen Burschen im Hause, den er aufgezogen und dem er sein Vertrauen geschenkt hatte. Da suchte der Liebhaber ihn auf und setzte ihm so lange mit guten Worten und Geschenken zu, bis er ihm in allem, was er begehrte, zu Willen war. Eines Tages sagte er zu ihm: »Du da, willst du mich nicht einmal in eure Wohnung führen, wenn deine Herrin ausgegangen ist?« Der Bursche erwiderte: »Schön.« Wie nun seine Herrin ins Warmbad und sein Herr in den Laden gegangen waren, kam der Bursche zu seinem Freund, faßte ihn bei der Hand und führte ihn in die Wohnung, wo er ihm alles, was sich darin befand, zeigte. Der Liebhaber hatte sich jedoch vorgenommen der Frau eine Falle zu stellen und befleckte das Bett ihres Mannes mit Eiweis, das er in einem Gefäß mit sich genommen hatte, ohne daß der Bursche dessen gewahr wurde. Hierauf verließ er die Wohnung wieder und ging seines Weges. Nach einer Weile kam der Mann nach Haus und trat an sein Bett, um sich ein wenig zu ruhen. Wie er nun sein Bett befleckt sah, schaute er voll Argwohn mit dem Auge des Zornes auf seinen Burschen und fragte ihn: »Wo ist deine Herrin?« Der Bursche erwiderte: »Sie ist ins Bad gegangen und wird gleich wiederkommen.« Da befestigte sich sein Argwohn in ihm, und er sagte zu dem Burschen: »Mach dich sogleich auf den Weg und hole deine Herrin.« Da holte er sie, und als sie vor ihm stand, fuhr er auf sie los und prügelte sie aufs grausamste, worauf er ihr die Hände nach hinten fesselte und ihr die Kehle abschneiden wollte. Da schrie sie laut, bis ihre Nachbarn ankamen, und rief: »Dieser mein Mann will mich umbringen, ohne daß ich wüßte, was ich begangen habe.« Infolgedessen drangen die Nachbarn auf ihn ein und sagten zu ihm: »Du hast kein Recht sie so zu mißhandeln; entweder scheidest du dich von ihr oder du behältst sie und behandelst sie gütig, denn wir kennen ihre Keuschheit. Seit langer Zeit ist sie unsere Nachbarin, und nie haben wir etwas Schlechtes von ihr erfahren.« Da sagte ihr Mann zu ihnen: »Ich sah mein Lager befleckt;« worauf einer der Anwesenden zu ihm sagte: »Laß mich's sehen.« Als ihn nun der Mann zu seinem Lager führte, prüfte er die Feuchtigkeit und stellte fest, daß es Eiweis war, so daß der Mann erkannte, daß er seiner Frau unrecht gethan hatte, und daß sie frei von aller Schuld war. Alsdann drangen die Nachbarn auf ihn ein und stifteten zwischen beiden wieder Frieden, nachdem er sich bereits von ihr geschieden hatte.

So wurde die Arglist jenes Mannes, welche er gegen die Frau, ohne daß sie es ahnte, ersonnen hatte, zu Schanden gemacht. Und wisse, o König, dies ist ein Beispiel von der Tücke der Männer.«

Da befahl der König seinen Sohn hinzurichten; aber nun trat der zweite Wesir an ihn heran, küßte die Erde vor ihm und sprach: »O König, übereile nicht den Tod deines Sohnes, denn seine Mutter bekam ihn erst nach Verzweiflung von Gott geschenkt, und wir hoffen, daß er dereinst ein Schatz in deinem Reiche werde und ein Wächter über dein Gut. Gedulde dich drum, o König, mit ihm, vielleicht hat er einen Grund vorzubringen, und du hast dann seinen übereilten Tod wie der Kaufmann zu bereuen.« Da fragte ihn der König: »Wie geschah das, und wie ist seine Geschichte, o Wesir?« Und der Wesir erzählte:

 


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