Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band X
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[Sindbads siebente Reise.]

Nach der Kalkuttaer Ausgabe der ersten zweihundert Nächte; aus Burton.

Wisset, all ihr meine Brüder, Freunde und Gefährten, als ich das Reisen und den Handel aufgab, sprach ich bei mir: »Ich habe genug an allem, was ich erlebt habe,« und verbrachte meine Zeit fröhlich und vergnügt. Da erschallte eines Tages, als ich zu Hause mit meinen Freunden dasaß, und der Becher unter uns kreiste, ein Klopfen an der Thür, und als der Pförtner öffnete, trat ein Page herein und sprach: »Der Chalife entbietet dich zu sich.« Ich folgte ihm zur Majestät des Königs, küßte die Erde vor ihm und begrüßte ihn, worauf er mich willkommen hieß, mich ehrenvoll aufnahm und zu mir sagte: »O Sindbad, ich habe ein Anliegen an dich; willst du es ausrichten?« Da küßte ich ihm die Hand und fragte ihn: »O mein Gebieter, was für ein Anliegen hat der Herr für den Sklaven?« Und er versetzte: »Ich wünsche, daß du zum König von Sarandîb reisest und ihm unser Schreiben und unser Geschenk für sein Geschenk und sein Schreiben überbringst.« Bei diesen Worten zitterte ich und erwiderte: »Bei Gott, dem Allmächtigen, o mein Herr, ich habe einen Ekel am Reisen bekommen, und wenn ich nur die Worte »Seereise« oder »Reise« höre, dann zittern meine Glieder um all der Drangsale und Schrecken willen, die ich auszustehen hatte. In der That, ich trage nicht das geringste Verlangen hiernach, zumal da ich mich durch ein Gelöbnis gebunden habe, Bagdad nie mehr zu verlassen.« Hierauf erzählte ich dem Chalifen alle meine Abenteuer von Anfang bis zu Ende, und er verwunderte sich über die Maßen und sagte: »Bei dem Allmächtigen, o Sindbad, seit uralten Zeiten weiß man nicht, daß solche Unfälle, wie sie dich betroffen haben, irgend einem zugestoßen sind, und du thust nur recht daran vom Reisen selbst nicht mehr zu reden. Jedoch um unsertwillen wirst du diesmal reisen und unser Schreiben und Geschenk dem König von Sarandîb überbringen; und so Gott will, – Inschallāh – sollst du schnell wieder heimkehren; in dieser Weise bleibt keine Verpflichtung gegen besagten König auf uns lasten.« Da es mir nun unmöglich war, mich dem Befehl des Chalifen zu widersetzen, erwiderte ich: »Ich höre und gehorche,« und er gab mir die Geschenke und das Sendschreiben nebst Reisegeld für mich, worauf ich ihm die Hände küßte und seine Gegenwart verließ. Hierauf zog ich von Bagdad nach dem Golf, schiffte mich dort mit andern Kaufleuten ein, und unser Schiff segelte vor günstigem Wind Tage und Nächte lang, bis wir mit Gottes Hilfe die Insel Sarandîb erreichten. Sobald wir die Anker ausgeworfen hatten, landeten wir, und ich begab mich mit dem Schreiben und dem Geschenk zum König und küßte die Erde vor ihm. Als er mich erblickte, rief er: »Willkommen Sindbad! Bei dem allmächtigen Gott, wir sehnten uns dich zu sehen, und Preis sei Gott, daß er uns dein Antlitz wieder hat schauen lassen!« Hierauf faßte er mich erfreut bei der Hand, und, mich an seiner Seite sitzen lassend, begrüßte er mich mit vertraulicher Huld von neuem und behandelte mich wie einen Freund. Dann begann er mit mir zu plaudern und redete mich höflich an und fragte: »Welches ist der Grund deines Kommens, o Sindbad?« Da erwiderte ich, nachdem ich ihm die Hand geküßt und gedankt hatte: »O mein Herr, ich habe dir ein Geschenk von meinem Gebieter, dem Chalifen Hārûn er-Raschîd gebracht,« und überreichte ihm das Geschenk und den Brief, über den er sich, nachdem er ihn gelesen hatte, über die Maßen freute. Das Geschenk bestand aus einer Stute im Werte von zehntausend Dinaren, welche einen goldenen, mit Juwelen besetzten Sattel trug, einem Buch, einem kostbaren Anzug und hundert verschiedenen Sorten weißer kairensischer Tuch- und suezer, kufischer und alexandrinischer Seidenstoffe; ferner griechische Teppiche und hundert Doppelpfunde Linnen und Rohseide. Außerdem enthielt es eine merkwürdige Rarität, einen wunderbaren krystallenen Becher aus den Zeiten der Pharaonen, einen Fingerbreit dick und eine Spanne weit, mitten auf dem das Bild eines Löwen war, dem gegenüber ein Mann kniete und einen Bogen mit bis zur Spitze gezogenem Pfeil hielt, – zugleich mit dem Speisetisch Salomos, des Sohnes Davids, – Frieden sei auf ihm! Das Schreiben lies folgendermaßen: Der Salâm König Er-Raschîds, des von Gott Unterstützten, welcher ihm und seinen Ahnen edlen Rang und weitverlauteten Ruhm verliehen hat, auf den glückseligen Sultan! Des Ferneren: Dein Brief kam uns zu Händen und wir freuten uns sein; und nun senden wir dir das Buch, betitelt: »Der Verständigen Wonne und der Freunde Kleinod«, zugleich mit einigen für Könige sich ziemenden wertvollen Seltenheiten; erweise uns demnach die Huld sie anzunehmen, und Frieden sei auf dir! Hierauf machte mir der König reiche Geschenke und erwies mir hohe Ehren, so daß ich ihm Segen erflehte und ihm für seine Freigebigkeit dankte. Einige Tage später bat ich ihn um Erlaubnis abzureisen, konnte die Erlaubnis jedoch erst nach inständigem Bitten erlangen, worauf ich mich von ihm verabschiedete und mit Kaufleuten und anderen Gefährten von seiner Stadt ohne irgend welches Verlangen nach Reise oder Geschäft heimwärts fuhr. Nachdem wir an manchen Inseln vorübergezogen waren, wurden wir auf halber Fahrt plötzlich von einer Anzahl Kanoes umringt, in denen sich Menschen wie Teufel befanden, bewaffnet mit Bogen und Pfeilen und Schwert und Dolch, und in Panzer und andere Rüstungen gekleidet. Sie überfielen uns und verwundeten und erschlugen alle, die sich ihnen in den Weg stellten, worauf sie uns, nachdem sie das Schiff mit seiner ganzen Ladung gekapert hatten, nach einer Insel schleppten, auf der sie uns für den niedrigsten Preis verkauften. Mich kaufte ein vermögender Mann, der mich nach seiner Wohnung nahm, mir zu essen und trinken gab, mich kleidete und in der freundlichsten Weise behandelte, so daß ich mich wieder aufrichtete und ein wenig beruhigte. Eines Tages fragte er mich: »Verstehst du irgend eine Kunst oder ein Handwerk?« Ich antwortete: »O mein Herr, ich bin ein Kaufmann und verstehe nichts als Handel und Geschäft.« – »Verstehst du,« versetzte er, »mit Bogen und Pfeil umzugehen?« Ich erwiderte: »Ja, sehr gut.« Da brachte er mir einen Bogen und Pfeile, und als die Nacht fast völlig verstrichen war, setzte er mich hinter sich auf einen Elefanten und ritt mit mir durch einen Forst mit riesigem Gehölz, bis er zu einem hohen und starken Baum gelangte, auf den er mich steigen ließ. Dann reichte er mir den Bogen und die Pfeile und sagte: »Bleib' hier sitzen, und, wenn die Elefanten in der Morgenfrühe hier zusammenkommen, so schieße nach ihnen, und, so du einen treffen solltest, und er fällt, so komm und sag es mir an.« Mit diesen Worten verließ er mich, während ich mich, zitternd und zagend bis zum Sonnenaufgang, in dem Laub des Baumes verbarg. Als nun die Elefanten kamen und unter den Bäumen umherschritten, schoß ich meine Pfeile nach ihnen und hörte nicht eher auf als bis ich einen von ihnen zu Fall gebracht hatte. Gegend Abend benachrichtigte ich meinen Herrn von meinem Erfolg, der sich über mich freute und mich hoch ehrte und am nächsten Morgen den Elefanten fortschaffte. In dieser Weise verbrachte ich geraume Zeit, indem ich jeden Morgen einen Elefanten schoß, den mein Herr fortschaffte, bis eines Tages, als ich in meinem Versteck auf dem Baume laß, plötzlich und unvermutet ein zahlloser Elefantentrupp ankam, dessen Geschrei und Trompeten so laut erschallte, daß ich glaubte, die Erde erzittere unter ihrem Getöse. Alle umgaben meinen Baum, dessen Umfang einige fünfzig Ellen betrug, worauf ein riesiges Ungeheuer an den Baum herantrat und, seinen Rüssel um den Stamm windend, ihn mit den Wurzeln herausriß und zu Boden warf. Ich stürzte ohnmächtig unter die Tiere, das Elefantenungetüm aber schlang seinen Rüssel um mich und trabte mit mir, mich auf seinen Rücken setzend, gefolgt von den andern Elefanten fort. Er trug mich, während ich noch immer in meiner Ohnmacht verharrte, bis er den Platz, nach dem er lief, erreicht hatte, wo er mich von seinem Rücken wälzte, um dann, von den andern Elefanten gefolgt, seines Weges zu traben. Nachdem ich mich hier ein wenig erholt und mein Schrecken sich gelegt hatte, schaute ich um mich und fand mich unter einer Menge von Elefantenknochen, woraus ich schloß, daß dies ihr Begräbnisplatz sei, und daß mich das Elefantenungetüm wegen der Stoßzähne hierhergeführt hätte. So stand ich denn wieder auf und wanderte einen ganzen Tag und eine Nacht, bis ich zum Hause meines Herrn mit vor Schrecken und Hunger veränderter Farbe gelangte. Als er mich erblickte, freute er sich über meine Heimkehr und sagte zu mir: »Bei Gott, du hast mir das Herz schwer gemacht! Als du ausbliebst, suchte ich dich, doch fand ich den Baum ausgerissen und dachte, die Elefanten hätten dich umgebracht. Sag' mir, was mit dir vorgefallen ist.« Ich erzählte ihm nun alles zu seiner höchsten Verwunderung und Freude, und zuletzt fragte er mich: »Kennst du die Stelle?« Ich antwortete: »Ja, mein Herr.« Da bestiegen wir einen Elefanten und ritten, bis wir zu der Stelle kamen; und, als mein Herr die Haufen Elefantenzähne erblickte, freute er sich mächtig und nahm so viel, als er wollte, worauf er mit mir heimkehrte. Von nun an behandelte er mich noch freundlicher und sagte zu mir: »O mein Sohn, du hast uns den Weg zu großem Gewinn gezeigt, was Gott dir lohnen möge! Um Gottes willen und vor seinem Angesichte bist du freigelassen. Die Elefanten brachten viele von uns um, weil wir sie wegen ihres Elfenbeins jagen; Gott aber hat dich vor ihnen beschützt, und du hast uns durch die Haufen, zu denen du uns führtest, Nutzen gebracht.« – »O mein Herr,« erwiderte ich, »Gott befreie deinen Nacken vom Feuer! Und gewähre mir, o mein Herr, deine gnädige Erlaubnis in mein Heimatland zurückkehren zu dürfen.« – »Ja,« antwortete er, »du sollst die Erlaubnis hierzu erhalten. Doch haben wir alljährlich ein Fest, an welchem die Kaufleute aus verschiedenen Gegenden zu uns kommen, um dieses Elfenbein zu kaufen. Die Zeit ist nahe vor der Thür, und, wenn sie ihre Geschäfte erledigt haben, will ich dir Mittel geben, mit denen du nach Hause gelangen kannst, und will dich unter ihrer Obhut heimsenden.« Da segnete ich ihn und dankte ihm und verweilte noch einige Tage bei ihm, mit Hochachtung und Ehren von ihm behandelt, bis die Kaufleute kamen, wie er es gesagt hatte, und kauften, verkauften und Tauschhandel trieben. Als dieselben aber ihre Vorkehrungen zur Heimfahrt getroffen hatten, kam mein Herr zu mir und sagte: »Steh auf und mach dich fertig mit den Kaufleuten heimwärts zu ziehen.« Sie hatten gerade eine Anzahl Zähne in Ladungen zusammengebunden und verschifften dieselben, als mein Herr mich zu ihnen brachte und ihnen das Reisegeld für mich bezahlte, nachdem er alle meine Schulden beglichen hatte; außerdem aber gab er mir auch ein reiches Geschenk an Gütern mit auf den Weg. Und so brachen wir denn auf und zogen von Insel zu Insel, bis wir das Meer durchmessen hatten und am Gestade des Persischen Golfs landeten, wo die Kaufleute ihre Vorräte hervorholten und verkauften. Ich verkaufte ebenfalls alles, was ich besaß, mit großem Profit und kaufte einige der schönsten Sachen am Platz für Geschenke, sowie hübsche Raritäten und alles, was ich sonst brauchte. Außerdem erstand ich mir einen tüchtigen Klepper, worauf wir weiterzogen und die Wüsten von Land zu Land durchquerten, bis ich wieder Bagdad erreichte. Hier suchte ich den Chalifen auf und erzählte ihm, nachdem ich ihn begrüßt und die Erde vor ihm geküßt hatte, alles, was mir zugestoßen war, worauf er, erfreut über meine wohlbehaltene Heimkehr, Gott, dem Erhabenen, dankte und meine Geschichte mit goldenen Lettern aufzeichnen ließ. Alsdann begab ich mich nach Hause, wo ich meine Angehörigen und Brüder begrüßte; und dies ist das Ende der Geschichte, die mir während meiner sieben Reisen zustieß. Lob sei Gott, dem Einigen, dem Erschaffer, dem Schöpfer aller Dinge im Himmel und auf Erden!

 


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