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Drittes Kapitel,

in dem wir einen alten Bekannten wiedersehen und die Überraschungen des Großherzogs beginnen

Das Boot glitt lautlos durch das jetzt ruhige Wasser des Hafens; Philipp bemühte sich, so wenig Geräusch als möglich zu machen. Nach einer Minute beugte er sich zum Großherzog vor, der sein Rudern stumm beobachtet hatte, und sagte:

»Wo würden Sie vorschlagen zu landen, Graf? Ich für meinen Teil ziehe vor, es nicht in der Nähe des Kontors meines neuen Freundes Emiliones zu tun.«

»Emiliones?«

»Präsident Hernandez' Hafenpräfekt.«

»Aha! Ich teile Ihre Auffassung. Lassen Sie mich die Ruder nehmen. Ich glaube, ich weiß den rechten Platz für uns.«

Er übernahm die Ruder von Philipp, und sie glitten weiter, ebenso geräuschlos wie zuvor.

Nach vier Minuten des Ruderns durch den nächtlich trüben Hafen legten sie am inneren Ende der linken Hafenseite an. Einige niedrige graue Werkzeugschuppen mit aufgespannten Netzen davor deuteten an, daß dieser Teil des Mahoner Hafens von der Fischerbevölkerung benützt wurde. Kein Repräsentant derselben war jedoch anwesend, um die Heimkehr ihres legitimen Herrn zu feiern. Der Großherzog und Philipp landeten in größter Verschwiegenheit und zogen so geräuschlos als möglich die Jolle des »Storchs« zu den fünf oder sechs Fischerbooten hinauf, die umgestülpt vor den Seeschuppen lagen. Der Großherzog winkte Philipp, ihm zu folgen, und führte ihn an den grauen kleinen Häuschen vorbei, die auf dieser Seite des Hafens fast bis zum Wassersaum hinausgingen, in ein enges Gäßchen. Ohne ein Wort zu sagen, beschleunigten die beiden nächtlichen Wanderer die Schritte, der Großherzog ging voran, Philipp dicht hinterdrein.

Minute um Minute verging bei demselben stummen Marsche; in den engen, verschlungenen Gäßchen, die sie passierten, wurde es Philipp schwer, die Richtung zu beurteilen, die sein Begleiter einschlug, aber wenn er sich auf seinen Ortssinn verlassen konnte, ging es ostwärts; hie und da beim Passieren einer Quergasse, die zum Hafen hinabführte, sah er im Osten eine Dachlinie, die er schon erkennen gelernt hatte, und lächelte.

Er begriff, daß sein Freund, Graf von Punta Hermosa, ihm als guter Führer zuerst Mahons größte Sehenswürdigkeit zeigen wollte – das Schloß, wo Präsident Hernandez seinen abgesetzten Herrn abgelöst hatte!

Was Philipp am meisten befremdete, war die totenähnliche Stille der Stadt. Auf dem ganzen Wege, den sie passierten, hatte man kaum einen Laut gehört; und dies war die Stadt, deren Bevölkerung eben ein jahrhundertealtes Joch abgeworfen hatte, die endlich aufatmete und nach Jahrhunderten unsäglicher Schmach und Unterdrückung die Luft der Freiheit schlürfte. Wahrhaftig, sie nahmen ihre Erlösung ungewöhnlich ruhig! Man hatte sich Carmagnolen, Freudenfeuer, phrygische Mützen erwartet, eventuell eine Guillotine zur Feier der neuen Republik errichtet; anstatt dessen herrschte Grabesstille, und das befreite Volk ging um neun Uhr zu Bette!

Plötzlich, bei der Kreuzung des Gäßchens, das sie eben passiert hatten, und einer etwas größeren Straße, blieb der Großherzog mit vorgestrecktem Kopfe stehen. Aus der breiteren Straße vor ihnen hörte man das taktfeste Aufschlagen von Absätzen, die sich ihnen näherten. War das eine Wache, die da patrouillierte? Es war wohl am besten, sich davon zu überzeugen, bevor man weiterging. Klack, klack, klack, der Laut der Schritte kam immer näher und näher. Philipp beugte sich an der Seite des Großherzogs vor und starrte in die hellere Dunkelheit der Straße vor ihnen. Nach einer Sekunde wurde die Person sichtbar, deren Schritte sie vernommen hatten; Philipp hörte seinen Begleiter ein Zischen ausstoßen und fuhr selbst vor Überraschung zusammen.

Mit strammer Haltung, den Kopf hoch getragen, in einen Bonjour gekleidet, der bei jedem Schritt aufflatterte, in rundem Hut und in gelben Schuhen, die undeutlich durch die nächtliche Finsternis schimmerten, kam ein Herr die Straße entlang marschiert, den Philipps Augen auf den ersten Blick in das Geschlecht »Handlungsreisender« einregistrierten. Alles sprach dafür: die ganze Haltung, die geschmacklose billige Eleganz des Anzuges, wie die wohlfeile Zigarre, deren Duft der Nachtwind ihnen zutrug. Philipp hätte bald laut aufgelacht. Man machte in Minorca Revolution, das Volk schlief, und wenn man endlich einem wachen Mitglied dieses befreiten Volkes begegnete, so war es ein fremder Handlungsreisender. Im nächsten Augenblick, gerade als der Mann in einer Entfernung von kaum drei Schritten ihr Gäßchen passierte, hatte seine Lachlust ein Ende. Urplötzlich, ohne ein Wort zu sagen, nur mit einem erstickten Pfauchen, hatte der Großherzog einen Sprung gemacht, der ihn in einer Sekunde von Philipp zu dem Fremden brachte. In der nächsten sah Philipp, wie er mit seiner rechten Hand das rechte Handgelenk des anderen umklammerte und die linke um seinen Hals legte; noch eine Sekunde, und die rechte machte eine heftige Drehung, so wie sie Polizisten bei widerspenstigen Arrestanten anwenden, während die linke sich zu einem mörderischen Griff um seine Kehle schloß. Leise, aber doch ganz vernehmlich hörte Philipp den Atem des Angegriffenen, und dann einige Worte, die der Großherzog mit intensiver Betonung flüsterte:

»Versuchen Sie nur zu schreien, Herr Bekker, dann erwürge ich Sie ohne weiteres!«

Obgleich offenbar vom Schreck halb betäubt, machte der Mann eine letzte Anstrengung, um sich zu befreien, und versuchte, mit der freien linken Hand die Kehle des Großherzogs zu fassen, dann einen Gegenstand, der in seiner eigenen rückwärtigen Rocktasche steckte. Philipp begriff, daß es ein Revolver war, nach dem er tastete, und obgleich er den Sinn des Ganzen noch nicht begriffen hatte, stürzte er auf die beiden Kämpfenden los. Konnte der Fremde seinen Revolver erreichen und abschießen, dann war es aus mit all seinen Plänen, seine verlorenen fünfzigtausend Pfund wiederzubekommen, und die Zukunft der Republik Minorca war gesichert. Aber bevor er noch die beiden Gegner erreicht hatte, ließ die linke Hand des Großherzogs den Hals des Fremden los und fiel mit der Wucht eines schweren Hammerschlages auf dessen rechte Schläfe. Wie vom Blitz getroffen, fiel dieser zu Boden.

Der Großherzog wendete sich keuchend an Philipp.

»Sie sind wohl recht entsetzt über meine Gewaltsmethoden, Professor, aber wenn Sie erfahren, wer dieser Kerl ist, werden Sie sie vielleicht verstehen.«

»Wer ist er denn?«

»Dies«, sagte der Großherzog und deutete mit dem Fuß auf seinen ohnmächtig gewordenen Gegner, »ist Herr Bekker aus Holland, und er hat die Revolution in Minorca angezettelt!«

»In diesem Falle,« sagte Philipp ruhig, »verstehe ich sowohl die Gefühle wie die Handlungsweise Eurer großherzoglichen Hoheit.«

Der Großherzog griff sich rasch an die Stirne und starrte ihn an.

»Sie sagten Hoheit ... Sie wissen, wer ich bin?«

»Ja, Hoheit, ich weiß es.«

»Seit wie lange?«

»Seit unserer Abreise aus Marseille.«

Der Großherzog, dessen Augen vor Staunen weit aufgerissen waren, murmelte zwischen den Zähnen:

»Ich ahnte, ich ahnte es. Aber dann ...«

Philipp, der den Augenblick nicht geeignet fand, um auf Einzelheiten einzugehen, unterbrach ihn:

»Hoheit haben ein Papier fallen lassen.«

Er bückte sich auf den Boden, wo Herr Bekker noch in derselben totenähnlichen Betäubung lag, und hob ein zusammengefaltetes Papier auf.

»Bitte sehr!«

Der Großherzog nahm das Papier und musterte es; ungewiß, was es sein mochte, entfaltete er es und versuchte, es bei dem trüben Dämmerlicht zu lesen. Es war jedoch zu dunkel, und er wollte es schon wieder in die Tasche stecken, als Philipp ihm mit einer elektrischen Taschenlaterne zu Hilfe kam. Der Großherzog warf einen Blick auf das Papier, durchflog es und brach dann in ein Gelächter aus, das in der ganzen Straße widerhallte.

»Aber, Hoheit, Hoheit!« flüsterte Philipp. »Um Gottes willen still, lassen wir uns nicht hier überraschen!«

»Sie haben recht, Sie haben recht,« murmelte der Großherzog in einem Ton, der Philipp beinahe erschreckte. »Aber wenn Sie wüßten, was das für ein Papier ist, das Sie mir eben gegeben haben!«

Philipp betrachtete ihn verständnislos, aber ohne eine Frage zu stellen.

»Es ist«, ergänzte der Großherzog mit noch einem kurzen Auflachen, »nicht aus meiner Tasche gefallen, sondern aus der Herrn Bekkers, und es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Kontrakt zwischen ihm und sechs meiner Untertanen, mich gegen eine Bezahlung von 200 000 Pesetas kontant zu stürzen und ums Leben zu bringen.«

Philipp wurde durch eine Bewegung Herrn Bekkers aus seinen erstaunten Gedanken gerissen.

»Hoheit,« flüsterte er, »wir müssen diesen Bekker an irgendeinen sicheren Ort bringen. Kennen Hoheit einen solchen?«

Der Großherzog, der einige Augenblicke in Gedanken dagestanden und bald Philipp, bald den Kontrakt fixiert hatte, kam durch Philipps Frage rasch zur Besinnung und sah sich um. Die Häuser der Straße waren noch immer ganz still und zeigten samt und sonders dasselbe ausgestorbene Aussehen; eines davon, ein einstöckiges Haus, einige Schritte von ihnen, sah jedoch noch verlassener aus als die übrigen. Die Fenster waren eingeschlagen, und die Tür stand halb offen, bereit, jedweden passieren zu lassen. Der Großherzog wies stumm darauf, und Philipp nickte. Ebenso schweigend ergriffen sie Herrn Bekker, den dabei einige spasmodische Zuckungen durcheilten, und trugen ihn in das verfallene einstöckige Gebäude. Trotz allem schien es nicht ganz verlassen zu sein, denn in einer Ecke des Raumes standen einige Geräte, Kehrbesen, Eimer, eine Leiter und eine Menge leerer Flaschen; über einen Nagel in der Wand war eine Schnur geworfen. Demselben Impuls gehorchend, rissen Philipp und der Großherzog die Schnur von dem Nagel und begannen Herrn Bekker zu binden. Als sie damit fertig waren, erwachte dieser Mitbürger zum Bewußtsein, es zuckte in seinen gefesselten Armen, die blaugeschwollenen Augenlider hoben sich über die Augen, die nach dem Kampf mit dem Großherzog blutunterlaufen waren, und er starrte voll Entsetzen, anfangs ganz verständnislos, seine beiden Feinde an.

Plötzlich bewegte sich seine Zunge langsam, und er flüsterte heiser, wie zu sich selbst:

»Der Lahme! Der Lahme!«

Der Großherzog lachte bitter.

»Ja, Herr Bekker, ganz richtig, der Lahme,« sagte er. »Der Lahme, der zu seinem treuen Volk zurückgekehrt ist, um die Regierung wieder zu übernehmen. Sie können Ihre 200 000 Pesetas als verloren anzeichnen, Herr Bekker. Die Schwefelgruben in Punta Hermosa werden nicht mit Ihnen als Direktor betrieben werden.«

Herr Bekker betrachtete ihn plötzlich mit einem Blick von so intensivem Hasse, daß der Großherzog selbst nicht unberührt davon bleiben konnte.

»Wissen Sie, Herr Bekker,« sagte er, »was meine erste Regierungshandlung sein wird? Ein Gesetz, das Ihnen zu Ehren lex Bekker heißen soll, und es wird bestimmen, daß es jedem Ausländer bei Strafe von 50 000 Pesetas verboten ist, in Minorca zu landen. Sollte er aus Holland sein, so wird die Strafe in ein Todesurteil umgewandelt.«

Er hatte diese Worte auf spanisch gesagt. Philipp, der diese Sprache leidlich verstand, ergänzte:

»Darf ich Eurer Hoheit einen guten Rat geben?«

»Was denn?«

»Verleihen Sie dem Gesetz retrodative Kraft.«

Herr Bekker erzitterte. Der Großherzog lachte dumpf.

»Ein vortrefflicher Rat, Professor. Wollen Sie mir ein Taschentuch leihen, ich will dem unmittelbaren Anlaß des Gesetzes einen Knebel anlegen, bevor wir weitergehen.«

Philipp beeilte sich, seinem Wunsche nachzukommen. Der Großherzog legte Herrn Bekker rasch einen Knebel an, dieser war noch so betäubt von dem Vorgefallenen, daß er keinerlei Widerstand leistete.

Nachdem er noch aus Herrn Bekkers Tasche den Revolver hervorgeholt hatte, den dieser eben zur Anwendung hatte bringen wollen, wendete sich der Großherzog an Philipp und sagte:

»Gehen wir also weiter!«

»Wohin, Hoheit?«

»In das Schloß,« erwiderte der Großherzog mit einem grimmigen Lächeln. »Auf Besuch zum Präsidenten.«

Philipp, der sein Lächeln sah, bedauerte insgeheim den Präsidenten.

Hätten er und der Großherzog gewußt, was für ein Haus es war, in dem sie Herrn Bekker zurückließen, sie hätten vielleicht nicht gelächelt!

Es ging in eiligem Marsche durch die langen Straßen zu Mahons Ostterrassen hinauf, auf deren höchsten Erhebung das Schloß sein schweres Profil vom Nachthimmel abzeichnete. Der Großherzog, der Philipp immer wieder fixierte, schien einige Male nahe daran, eine Frage an ihn zu stellen, aber unterdrückte sie wieder; und unter vollständigem Schweigen näherten sie sich der Schloßterrasse. Philipp, der selbst ein guter Fußgeher war, mußte die Geschwindigkeit bewundern, mit der sein Begleiter trotz seines Gebrechens den Weg zurückgelegt hatte. Ihn selbst quälte die Neugierde arg, und ein Dutzend Fragen über Herrn Bekker, den Kontrakt, die Schwefelgruben auf Punta Hermosa brannten ihm auf der Zunge. Aber in der Erkenntnis, daß es seine beste Politik war, dem Beispiel des Großherzogs zu folgen, schwieg er.

Sie hatten den Rand des Schloßplatzes erreicht, dessen Bäume sich undeutlich vor ihnen abzeichneten, als sie bei einem Geräusch haltmachten. Es war derselbe Laut, der sie unten in der Stadt hatte stehenbleiben lassen: das Trappeln von Absätzen. Es war jedoch offenkundig, daß diese Absätze nicht über den bekiesten Teil des Schloßplatzes, der vor ihnen lag, gingen, sondern über den gepflasterten unmittelbar vor dem Schlosse, den sie von hier aus nicht unterscheiden konnten. Vorsichtig den Bäumen entlang schleichend, gelang es ihnen schließlich, in Sehweite zu kommen und sich zu vergewissern, wer die Laute hervorgerufen hatte.

Es war ein Soldat, der vor dem Schloßtor auf Posten ging; Präsident Hernandez schlief nicht unbewacht unter seinem getreuen Volk.

Philipp betrachtete Don Ramon fragend und formte mit den Lippen die Worte:

»Sollen wir ihn überfallen, Hoheit?«

Der Großherzog sah einen Augenblick den kleinen Soldaten an, der müde seine Runde vor ihnen machte.

Dann schüttelte er den Kopf.

»Nein, nein. Er hat nichts Böses getan. Wir haben bessere Verwendung für unsere Kräfte, und ich glaube, ich weiß einen anderen Eingang. Wenn er nur nicht unbenutzbar geworden ist!«

Er nahm Philipp an die Hand und führte ihn vorsichtig den Weg zurück, bog dann links in den kleinen Schloßgarten ein und blieb bald darauf vor einem Pförtchen stehen, das halb von Efeu verborgen wurde.

»Als Junge pflegte ich diesen Weg zu laufen,« murmelte er, »damals, als noch die Küchenregion den interessantesten Teil des Schlosses für mich darstellte, obgleich sie nicht gerade übermäßig gut versehen war. Wir wollen sehen, ob er noch zu benutzen ist.«

Er stemmte seine gewaltige Schulter gegen die kleine Tür und drückte ein paarmal zu. Sie leistete Widerstand, aber plötzlich hörte man ein Knirschen, das alte verrostete Türschloß war gesprengt, und der Weg war frei.

Der Großherzog war im Begriff, von Philipp gefolgt, einzutreten, als er plötzlich haltmachte.

»Einen Augenblick,« sagte er. »Ich nehme hier von Ihnen Abschied.«

»Abschied! Nie, Hoheit!«

»Doch, das kann gefährlich werden. Wenn ich mein Leben riskiere, so macht das nichts, da es eben meines ist, aber ich habe kein Recht, Ihres zu gefährden. Kehren Sie zum Hafen zurück und gehen Sie an Bord. Lassen Sie den »Storch« in See stechen. Gelingt mein Vorhaben, so bekommen Sie morgen von mir Nachricht. Mißlingt es, so ... grüßen Sie den alten Paqueno und Madame Pelotard.«

Philipp fühlte sein Herz heftiger schlagen. Beim Zeus, das war ein Mann! Allein, nur mit einem Revolver bewaffnet, war er entschlossen, den Feind in seiner Burg aufzusuchen und ohne jeden Beistand eine Schar Aufständischer niederzuwerfen, für die sein Leben alles bedeutete! Was er auch vorher verbrochen haben mochte, er sühnte einen erklecklichen Teil davon durch das, was er in dieser Nacht tat. Philipp schüttelte heftig den Kopf und streckte seine Hand aus.

»Hoheit,« sagte er, »auch die Presse hat ihre Pflichten. Unter anderem darf sie sich nicht ferne halten, wenn etwas geschieht. Als ihr Repräsentant werde ich Hoheit unbedingt folgen, um die Ereignisse dieser Nacht zu besingen.«

»Und wenn ich die Tür vor Ihnen zuschließe?«

»So gehe ich durch den Haupteingang, und wir treffen uns in der Halle, Hoheit.«

Der Großherzog lachte und ergriff Philipps Hand.

»Meine Achtung vor der Presse ist in dieser Nacht um hundert Prozent gestiegen,« sagte er. »Kommen Sie also, wenn Sie durchaus wollen.«

Sie tauchten in das nachtschwarze Dunkel des Ganges, der von dem kleinen Pförtchen zur Küchenregion führte. Leise, ungeheuer vorsichtig, Schritt für Schritt, gingen sie von dort in die Halle des Schlosses. Ein einsames Lämpchen qualmte in dem Ende, das dem Ausgang am nächsten lag. Von draußen hörte man die dumpfen, regelmäßigen Schritte des Soldaten, der Wache hielt.

Philipp zog sein elektrisches Taschenlämpchen heraus und beleuchtete für einen Augenblick seine Uhr. Es war fünf Minuten über zehn.

Der Großherzog war mit einer geräuschlosen Geschmeidigkeit, die man seinem Riesenkörper nie zugetraut hätte, zu der Reihe der Türen in der Halle geschlichen, um zu lauschen. Ein bitteres Lächeln flog über sein Gesicht, als er diese Türen betrachtete; auf allen war das alte großherzogliche Wappen mit groben Ölfarben übermalt, und auf einer derselben bemerkte er plötzlich eine Visitenkarte. Er brauchte sich kaum vorzubeugen und zu lesen, um zu wissen, welchen Namen sie trug.

»Professor,« flüsterte er, indem er Philipp winkte. »Hier wohnt der Präsident. Sie sehen seine Visitenkarte an der Tür.«

Philipp huschte rasch hin und starrte das vielsagende weiße Zettelchen an. Dann lauschten sie beide gespannt nach dem Zimmer. Nur der leise Laut der Schritte eines einzelnen Menschen war von dort drinnen zu hören, und einem unwiderstehlichen Impuls gehorchend, hob Philipp plötzlich die Hand und klopfte an.

Rasche Schritte näherten sich von innen, dann wurde die Tür geöffnet, und auf der Schwelle zeigte sich, vom Lampenlicht beschienen, Präsident Luis Hernandez selbst.

Philipp hatte rasch den Großherzog hinter die geöffnete Türhälfte geschoben und verbeugte sich nun leicht vor Señor Hernandez.

»Guten Abend, Herr Präsident!« sagte er. »Wie Sie sehen, habe ich mir nicht erst bis morgen Zeit gelassen, um unsere Pläne zu diskutieren. Trotz der späten Stunde habe ich mir die Freiheit genommen, Sie schon heute abend aufzusuchen.«

Das Gesicht des Präsidenten, der ihn zuerst mit einem Ausdruck erstaunten Argwohns angestarrt hatte, erhellte sich so allmählich, als er Philipp erkannte.

»Ah,« sagte er mit Würde. »Sie haben recht. Die Stunde ist spät – aber Ihr Kommen paßt vortrefflich – ich erwarte eben meine Freunde – meine Mithelfer. Treten Sie ein, Mr. Pelotard!«

»Ich danke, Herr Präsident,« sagte Philipp und trat langsam näher, »aber die Sache ist die, daß ich nicht allein komme. Ich habe einen Freund mitgebracht.«


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