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Könige im Exil

Erstes Kapitel,

worin der Leser möglicherweise zwei Bekannte wiederfindet und im übrigen bei einem großen Finanzmann eingeführt wird

»Was gibt es, Crofton?«

»Ein Herr wünscht Sie zu sprechen, Sir.«

»Was für ein Herr? Hat er Ihnen keine Visitenkarte gegeben? Sie wissen doch, wie beschäftigt ich bin, Crofton.«

»Ein älterer Herr, Sir. Er bat mich zu sagen: Sutherland Avenue 26, Sir.«

»Was bat er Sie zu sagen?«

»Sutherland Avenue 26, Sir. Er sagte: Sagen Sie das, das ist genug. Und wenn es doch nicht genügen sollte, so sagen Sie, fünfzehntausend Vorzugsaktien der Digammagesellschaft.«

Der gute Mr. Crofton, dessen Gesicht, als er diese Botschaft überbrachte, die größte Konsternation ausdrückte, wurde noch verdutzter über die Wirkung, die diese auf seinen Arbeitgeber hatte. Mr. Ernest Isaacs, Bankier, 27 Lombard Street, City of London, war nicht durch besonders heiteres Temperament bekannt, namentlich nicht, wenn die Börse Baissetendenzen zeigte; aber als er die Worte hörte, die Mr. Crofton ganz spanisch vorgekommen waren, warf er sich in seinen Fauteuil zurück und brach in ein schallendes Gelächter aus. Mr. Crofton, der sechsundfünfzig Jahre alt war, presbyterianisch und von gediegenem Ernst, runzelte mißbilligend seine blonden Augenbrauen. Auf Grund seiner eben erwähnten Eigenschaften liebte er es nicht, daß man über irgend etwas lachte, was er sagte. Wenn er auch zugeben mußte, daß die Botschaft, die er überbrachte, etwas wunderlich klang, fand er es doch höchst unpassend von Mr. Isaacs, sie in dieser Weise aufzunehmen.

»Ah, dieser Professor, dieser Professor,« rief Mr. Isaacs zwischen zwei Lachsalven. »Immer derselbe! Frech wie Beelzebub, ob schön, ob Regen!«

»Soll ich ihn hinauswerfen lassen, Sir?« Mr. Croftons Ton wurde milder bei der Aussicht, so seine Revanche an dem Unbekannten zu nehmen.

»Hinauswerfen? Nein, zum Teufel, lassen Sie ihn sofort herein, Crofton. Wir haben Geschäfte zu verhandeln. Er hat sich nur einen Spaß mit uns gemacht.«

Mr. Croftons Miene wurde noch einmal so mißbilligend, als er seine Hoffnungen auf Rache zerstieben sah. Er verschwand und öffnete eine halbe Minute später die Doppeltüren vor einem weißbärtigen Herrn mit goldgefaßten Augengläsern, angetan mit einem nicht ganz tadellosen Jackett und gestreiften Beinkleidern. Sein Gang war so gebeugt, als trüge er alles Leid der Welt, und seine Augen hinter der Brille sahen so müde und schwermütig drein, als hätten sie alle Sünde der fünf Kontinente geschaut. Als Mr. Crofton die Türen wieder zufallen ließ, sah er den Besucher schwer in einen Fauteuil sinken, während Mr. Isaacs, der sein Entree mit einer neuen Lachsalve begrüßt hatte, aufstand, um ihm die Hand zu schütteln.

»Ah, Sie sind fabelhaft, Professor! Der Teufel könnte Sie in diesem Dreß nicht erkennen, Sie sehen ehrwürdiger aus als der olle Booth.«

»Zu liebenswürdig, Mr. Isaacs. Nun, unter uns gesagt, ich habe ja ein bißchen Anlage in der Branche. Mein Kostüm heute ist übrigens eines der einfachsten, das hatte ich auch damals an, als ich den Detektiv Kenyon mit einem Verhaftungsbefehl für mich selbst arretierte. Wissen Sie noch?«

»Ob ich noch weiß! Das war doch vor zwei Jahren, als Sie seine ganze Straße an Sommergäste vermietet hatten. Eine tolle Idee! Nun, Sie haben schlimmere Streiche auf dem Gewissen, Professor!«

»Aber, Mr. Isaacs, haben Sie denn diese kleine Affäre noch immer nicht vergessen?«

»Wenn Sie einen Menschen mit Hilfe eines Kinomannes rauben lassen, der die polizeiliche Erlaubnis dazu hat, so ist es nicht anzunehmen, daß er das sobald vergessen wird. Namentlich nicht, wenn Sie Crofton mit der Adresse der Straße, wo sich die Geschichte zutrug, zu ihm hereinschicken.«

»Aber, aber Mr. Isaacs, nicht so nachträglich! Tatsächlich sind Sie mir deshalb ebensowenig gram, wie ich Ihnen wegen dieser Aktien der Digammagesellschaft, die Sie mir angehängt haben und an die ich Sie ebenfalls durch Crofton erinnern ließ.«

»Hm, warum sollten Sie mir deshalb gram sein? Aktien, die Sie mich zu einem infamen Kurs wieder kaufen ließen, bei dem Geschäft haben Sie ein nettes Sümmchen verdient.«

»Und auch riskiert, wenn ich nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre, als ich eben war.«

»Hm, eine Geistesgegenwart, die mich 80 000 Pfund gekostet hat, Professor.«

»Und die Sie eines schönen Tages zum Pair von England machen wird.«

»Sie prophezeien gut! Jetzt ist das drei Jahre her, und ich habe noch nicht das geringste von einer Pairschaft gesehen – nicht einmal einen ganz gewöhnlichen Adel.«

»Aber Sie sind Parlamentsmitglied Ihres Kreises geworden, ganz wie ich Ihnen sagte.«

»Nun ja, das schon, aber was für Freude habe ich dran gehabt, zum Teufel? Eine Masse Ausgaben, um die Wahlmänner zu schmieren – unter uns gesagt, unter uns gesagt, Professor – um dann täglich einmal in den konservativen Zeitungen heruntergerissen zu werden!«

»Herrgott, Sie müssen eben bedenken, daß Sie ihnen ein Dorn im Auge sind, ein Scheit aus ihrem eigenen Feuer gerissen. Sie haben doch als Kandidat bei ihnen begonnen, Mr. Isaacs, wenn ich Sie daran erinnern darf.«

»Bitte, bitte, Sie erinnern mich recht ungeniert an Dinge, die noch unangenehmer sind.«

Mr. Isaacs Stimme war nicht ohne Bitterkeit.

»Aber genug davon, Professor! Ich lebe ja erträglich, und ich lasse auch gern andere Menschen leben, wenn es nicht auf meine Kosten geschieht. Ich mißgönne Ihnen Ihren kleinen Triumph von 1907 nicht – obgleich mir die Geschichte damals recht nahe ging. Ich habe Ihnen viel verziehen wegen des Spaßes, den mir Ihre sublime Unverschämtheit nachher machte. Eine Zigarre gefällig?«

»Danke.«

Mr. Isaacs' weißhaariger Besucher schnitt eine Zigarre ab und entzündete sie mit Händen, die vom Alter keineswegs geschwächt schienen. Wollüstig zog er ein paar Rauchwölkchen ein und verbeugte sich dann.

»Ihre Zigarren, Mr. Isaacs, sind ebenso scharmant als einige Ihrer Gründungen das Gegenteil,« sagte er anerkennend. »Aber ich habe Sie unterbrochen. Sie sprachen von meiner Unverschämtheit und waren so liebenswürdig, sie sublim zu nennen. Ich vermute also, daß Sie eine besondere Absicht hatten, als Sie mich per Annonce herzitierten.«

»Sie sind nicht nur groß in Ihrer Unverschämtheit, sondern auch in Ihrem Scharfsinn, Professor. Ich brauche Ihre werte Hilfe. Deshalb habe ich die Annonce aufgeben lassen. Man kennt ja Ihre Adresse nicht. Meine eigene wollte ich nicht hinsetzen, da die Polizei doch möglicherweise nach Ihnen fahndet. Darum signierte ich nur E. I. Es freut mich, daß ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe.«

Mr. Isaacs verstummte für einen Augenblick und fuhr dann fort:

»Ich habe Ihnen einen kleinen ›jobb‹ vorzuschlagen. Ich will nicht sagen, daß ich keinen anderen finden könnte, der die Sache macht, aber ich komme zu Ihnen aus demselben Grunde, aus dem ich zu meinem Schneider in der Sackville Street gehe – weil ich sicher sein will, daß alles tadellos ausgeführt wird.«

Mr. Isaacs' Gast verbeugte sich zustimmend.

»Kennen Sie ein Sprichwort, Professor,« fuhr der Finanzmann fort, »das besagt, am ärgsten ist die Familie? Ich kann Ihnen sagen, ich habe allen Grund daran zu denken. Ein Jude, ein verdammter Jude ... ah, wie ich diesen Menschen hasse, Professor!«

»Ich hoffe, nicht seiner Rasse wegen,« sagte Mr. Isaacs' Gast mit sanftem Vorwurf. – »Es ist töricht und ungerecht, solche Vorurteile zu hegen. Ich selbst verabscheue meine Landsleute nicht mehr als andere Völkerschaften.«

»Ihre Landsleute, Professor? Ich möchte doch wissen, was für ein Landsmann Sie eigentlich sind. Darüber habe ich mir, by Jove, oft den Kopf zerbrochen.«

»Meine Rücksicht auf sie verbietet mir, es zu verraten, Mr. Isaacs. Jedenfalls bin ich kein Jude. Darum haben Sie mir wohl auch unsere alte Affäre verziehen. Sie hassen also einen Juden, sagen Sie – haben Sie deshalb nach mir annonciert?«

» Yes, Professor, eben deshalb. Ich hasse ihn tödlich.«

»Um alles in der Welt, ich hoffe, Sie glauben doch nicht, daß ich eine Meuchelmörderagentur habe!«

»Nein, das wohl nicht – natürlich nicht. Übrigens will ich alle Extreme vermeiden. Ich bin ein gutmütiger und friedliebender Mann.«

»Sowie Mitglied des Parlaments. Sie wollen also den Juden nicht ermorden lassen. Darf ich fragen, wie er heißt?«

»Adolf Hornstein.«

»Ein deutscher Jude?«

»Nein, ein russisch-polnischer, was zehnmal ärger ist. Erinnern Sie sich an Mrs. Daisy Bell, Professor.«

»Ob ich mich Ihrer entzückenden Freundin Mrs. Bell erinnere! Mais naturellement, was ist aus ihr geworden? Hat Ihnen der Jude ihr Herz gestohlen?«

»Noch ärger, Professor. Er ist in den Besitz von etwas gelangt, was für mich viel wertvoller ist, nämlich meine Briefe an sie. Wie es zugegangen ist, weiß niemand; ob er sie von Mrs. Bell oder von der Kammerjungfer bekommen hat. Mrs. Bell behauptet, die Kammerjungfer habe die Briefe gestohlen und sie an Hornstein verkauft. Selbst vermute ich, daß es nicht Rosalie war, sondern ihre Herrin. Ich stehe ja nicht mehr in guten Beziehungen zu ihr. Rosalie ist übrigens in Amerika, also ganz aus dem Spiele. Die Hauptperson ist jetzt Adolf Hornstein. – Haben Sie schon von ihm gehört, Professor?«

»Hornstein, Hornstein ... ich weiß nicht. War das nicht ein Hornstein, der in dem Scheidungsprozeß zwischen Lord und Lady Birchell eine Rolle gespielt hat?«

»Ja, allerdings. Er war es, der Lady Alice die kompromittierenden Briefe des Lords in die Hand gespielt hat. Und derselbe liebenswürdige Herr droht nun, mich von meinem Wahlkreise zu trennen. Sie wissen, daß am 22. Februar, also in einer Woche, die Neuwahlen für Lloyd Georges Budget stattfinden. Sie wissen auch, was für einen streng sittlichen Wahlkreis ich habe; Sie ließen es mich ja damals vor drei Jahren verspüren. Nein, Professor, diese Kinogeschichte! Sie war ja famos ausgedacht, aber ...«

»Mr. Isaacs, ich glaubte, das hätten wir vergessen. Ihre Briefe würden sich also nicht zur Publikation im Wahlkreise eignen?«

»Nicht als Wahlaufruf, Professor, darauf können Sie Gift nehmen. Sie sind ein bißchen zu ... hm ... liberal im Stil, sogar für einen liberalen Kandidaten. Wenn sie herauskämen, wäre ich einfach im Parlament verraten und verkauft. Und auf jeden Fall kann Hornstein mein Leben zu einer Hölle machen – solange er sie hat.«

»Solange er sie hat, ja. Darum haben Sie also nach mir geschickt, Mr. Isaacs?«

» Yes, Professor, eben darum. Befreien Sie mich von Hornstein, dann ...«

»Sie von Hornstein befreien? Sie meinen Hornstein von den Briefen befreien! Und was dann?«

»Sie erwerben sich meine ewige Dankbarkeit. Ist das nicht genug?«

»Es kommt ganz darauf an, welchen Ausdruck Sie ihr geben. Ich bin ein armer Mann und verdiene mein Brot im Schweiße meines Angesichtes, der letzte Herbst war schlimm für meine kleinen Spekulationen. Eine Firma namens Walkley and Smithers ...«

»Habe das Vergnügen sie zu kennen. Ach so, Sie waren da mitbeteiligt, Professor? Das ist ein Trost für mich, daß ein so schlauer Mann wie Sie sich von ihnen düpieren ließ. Ich selbst ...«

»Übertreiben Sie nicht, Mr. Isaacs, wie sollte das Ei klüger sein als die Henne. In Geschäften bin ich gegen Sie ein zullendes Kind.«

Mr. Isaacs lächelte in seinen schwarzen Mephistobart. Es war klar, daß das Lob ihn an einer schwachen Stelle getroffen hatte.

»Ach,« sagte er, »Geschäfte! Sie sollten nicht glauben, was für Geschäfte einem manche Leute vorschlagen! Sehen Sie sich einmal diesen Brief an. Heute morgen gekommen.«

Er warf dem weißhaarigen Professor einen Brief mit ausländischer Marke zu. Dieser öffnete ihn und sah mit müdem Blick die Unterschrift an.

»Für Seine Fürstliche Hoheit von Minorca, Esteban Paqueno, Finanzminister,« las er laut. »Was in aller Welt, Sie stehen in Geschäftsverbindung mit dem Herzogtum Minorca, Mr. Isaacs? Ich glaubte, das wäre unter Ihrer Sphäre?«

»Ich stehe nicht in Geschäftsverbindung mit ihnen, Professor. Das Großherzogtum Minorca möchte es nur gerne. Lesen Sie den Brief, dann werden Sie schon sehen.«

Mr. Ernest Isaacs, Bankier, 27 Lombard Street, City of London, England. Dear Sir, obgleich unbekannt mit ihrer hochgeschätzten Firma ... da ich von den Darlehen gehört habe, mit denen Sie den serbischen Staat unterstützt haben ... mich privatim an Sie mit einer Sache zu wenden, die für Sie als Finanzmann von Interesse sein dürfte ... Die derzeitige bedrückte Lage auf dem Fondsmarkt kann Ihnen nicht entgangen sein, und da in Ihrem Vaterlande infolge von Mr. Lloyd Georges Budget noch Ärgeres zu erwarten sein dürfte ... die Vorteile mehr und mehr hervortreten ... anstatt von Industriepapieren, die den unberechenbaren Fluktuationen des Tages ausgesetzt sind ... das Geld in zugleich sicheren und rentablen Unternehmungen zu placieren ... Staatspapiere im allgemeinen wenig begehrte Anlagepapiere sind ... der höchste Zins, den sie tragen, 5 Prozent nicht übersteigt, ... schlage ich Ihnen im Hinblick darauf und in Ihrem und unserem eigenen Interesse ein Geschäft vor, das die Solidität eines Staatspapiers mit den größeren Erträgnissen eines Privatunternehmens verbindet ...

» By Jove, Mr. Isaacs, wässert Ihnen nicht der Mund? Wer auch dieser Señor Paqueno sein mag, er schreibt ein verführerisches Englisch.«

»Ja, wenn man nicht gehört hätte! Aber nur weiter, Professor!«

... aus den beifolgenden Tabellen hervorgeht, werfen unsere Olivenpflanzungen von Jahr zu Jahr ein immer reicheres Erträgnis ab. Die Ziffern für 1909 zeigen gegen 1900 eine Zunahme von 35 Prozent ... natürlich überzeugt sein, daß sie, als aus dem großherzoglich statistischen Büro stammend, absolut zuverlässig sind ... Hm ... wie Sie sehen, wird das jährliche Erträgnis derzeit auf 125 000 Pesetas veranschlagt ... Ihnen im Namen des großherzoglichen Finanzministeriums folgenden Vorschlag zu machen ... uns ein Darlehen von 600 000 Pesetas zu bewilligen, entweder direkt von Ihrer Bankfirma zu übernehmen oder von ihr zu emittieren ...

»Eine minorcanische Staatsanleihe emittieren, Professor! Der Gedanke ist schön, was?«

... auf dreißig Jahre, zu einem Zinsfuß von 8½ Prozent plus darüber hinaus als Verwaltungssporteln für Sie ein jährliches Drittel des Steuereinkommens besagter Olivenpflanzungen, welche Steuer als volle und ganze Sicherheit für die Erfüllung der Amortisations- und Zinsenzahlungen gegeben wird. Nach großherzoglichem Dekrete aus dem Jahre 1885 ist eine Steuer von 30 Prozent dem Bruttoertrag aller Olivenpflanzungen in Minorca und den dazugehörigen Inseln auferlegt, ein Einkommen, welches, wie wir durch beigelegte Ziffern schon gezeigt haben, in stetigem und sicherem Zunehmen begriffen ist ...

»Aber, Mr. Isaacs, das sind ja dreißigprozentige Steuern, lassen Sie mich sehen, 12 500 Pesetas als jährliche Gratifikation! Und dreißig Jahre laufend – mit steigendem Erträgnis von den Oliven! Sie gedenken natürlich darauf einzugehen?«

»Eingehen, Professor! Sie sind von Sinnen. Wie könnte ich auf so etwas eingehen? Keine anständige Bankfirma in Europa macht mit Minorca Geschäfte. Zum Teufel, man will sich doch nicht in die Gesellschaft der ärgsten Wucherer und Finanzhaie der Welt begeben.«

»Und darum lassen Sie den Wucherern die achteinhalb Prozent, und den dritten Teil des Erträgnisses! ...«

»Ja, was wollen Sie, man muß doch auf sein Renommee halten.«

»Aber Sie haben doch Serbien Geld verschafft, einem Mör...«

»Still, still, Professor. Serbien gibt nur sieben Prozent, und ein serbischer Orden macht sich ebensogut wie ein anderer, nicht?«

»Beim Zeus, ich kann die höhere Finanzpolitik nicht begreifen! Also aus Rücksicht auf Ihren guten Ruf, der nicht darunter leidet, Serbien zu borgen, weigern Sie sich, mit Minorca Geschäfte zu machen?«

»Ich muß, Professor, ich muß. Kann mich nicht auf ein Niveau mit schwindelhaften Firmen stellen. Ich bin ein streng moralischer Mann.«

»Und Mitglied des Parlaments. Das ist richtig. Gestatten Sie, daß ich diesen Brief und diese Ziffern zu mir stecke? Meine Moral ist, wie Sie wissen, nicht so streng wie die Ihre.«

»Bitte. Aber kehren wir doch zu unserem Thema zurück. Wollen Sie also die Sache mit Hornstein übernehmen?«

»Ihnen zuliebe, ja, Mr. Isaacs. Um den kleinen Schabernack zu sühnen, den ich Ihnen 1907 spielte. Wie lange Frist haben Sie von Hornstein? Ich vermute, sie wird nicht so unbegrenzt sein.«

»Bis zum 22. – Sechs Tage.«

»Was verlangt er?«

»Eine wahnsinnige Summe ... 20 000 Pfund.«

»Wie viele Briefe hat er?«

»Sechs, glaube ich.«

»Und wie hoch schätzen Sie sie selbst ein – unter Brüdern?«

»Unter Brüdern? Ah, ich verstehe. Sagen wir 6000 Pfund.«

»Sie sind ein Prinz unter den Autographensammlern. In fünf Tagen sollen Sie die Briefe haben. Wie ist Hornsteins Adresse?«

»Furlong Lane 12 E. C. Haben Sie schon einen Plan?«

»Drei. Will sehen, welcher am besten paßt. Sobald ich kann, bringe ich Ihnen Neuigkeiten. Bis dahin, adieu, Mr. Isaacs. Am besten, eine solche Sache nicht erst zu überschlafen.«

Mr. Isaacs' weißhaariger Gast erhob sich schwerfällig aus dem Fauteuil und schüttelte ihm die Hand. Der große Finanzmann sah ihn mit gebeugtem Rücken durch die gepolsterten Doppeltüren verschwinden und setzte sich dann wieder an den Schreibtisch, indem er murmelte:

»Schlauer Hund, dieser Professor Pelotard! Sehr schlau! Möchte doch wissen, wer er eigentlich ist.«


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