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18.

Der Hammarby-Klub veranstaltete seine berühmte Maskenredoute. Einmal im Jahr tanzte man im bunten Maskenreigen durch die prächtig ausgestatteten Räume des Klubs. Einmal im Jahr – obwohl sich mancher der Gäste insgeheim sagte, daß sie alle und immer tanzten, von Börse zu Börse, bis einer oder der andere auf dem glatten Parkett der Finanzen ausrutschte und im Reigen der Tänzer nicht mehr mittun konnte. Die Erinnerung verblaßte jedoch schon, als man den Umschlag der Einladung aufgerissen hatte. Das Ereignis erkämpfte sich seinen Platz. Redoute im Hammarby-Klub.

Oberst Humle half Elke aus dem Auto. Er war unsagbar stolz auf sie. Ehe sie die breite Freitreppe hinaufgingen, mußte sich Humle von ihr die Halbmaske anlegen lassen, obwohl er weniger für solchen Mummenschanz war. Elke bestand jedoch darauf und bediente sich selbst in gleicher Weise. Humle trug den Frack unter einem lila Domino und Elkes Kostüm blieb vorerst unter einem solchen von gelber Seide noch im Verborgenen. Im Foyer ging Humle forsch auf einen Ritter los, der dort an einer Säule lehnte.

»Hallo, Kronberg, wenn ich nicht irre!« rief Humle ihn an.

»Recht erraten, Herr Oberst«, entgegnete der Ritter, »Guten Abend, Fräulein Humle-Järta!« Er begrüßte Elke mit einem Handkuß.

Elke witterte Verrat. Maskierte man sich, um vorher dem anderen seine Maske zu verraten? Ringsum bewegte sich der Reigen der Gäste. Da es schon spät war, hatten die meisten bereits dem Wein tüchtig zugesprochen. Heute war eine Gelegenheit. Kein Prohibitionsgesetz sollte daran rütteln. Im großen Saal tanzte man zu der Musik einer Bojarenkapelle.

»Hier jemanden zu finden, dürfte aussichtslos sein«, meinte Humle und nahm Elkes Arm fester in den seinen, um sie im Trubel nicht zu verlieren. Kronberg steuerte auf einen Tisch zu, der ihnen reserviert worden war. Von allen Seiten flogen ihnen Scherzworte zu. Ein Clown überschüttete Elke mit einem Konfettiregen und schlug dem »ritterlichen« Staatsanwalt mit der Pritsche auf die Blechbrust. »Marke eiserner Ofen!« rief ihm ein Zigeuner zu. Elke sah sich im Saal um. Der Oberst tat so geheimnisvoll, wann sollte die Überraschung kommen, die er ihr versprochen hatte?

»Haben Sie eigentlich schon wieder von Ihrem Bruder gehört?« fragte Kronberg den Obersten betont. Humle sah sich suchend um.

»Gehört schon«, brummte er, »aber ich sehe ihn nicht.«

Der Wein kam. Im Kühler schepperte das Eis, und Kronberg nestelte an seinem Visier. »Der Mann hat recht«, sagte er, »man kommt sich in dem Ding vor, wie in einem eisernen Ofen.«

Elke hatte längere Zeit zum Ausgang gesehen. »Sieh nur«, wandte sie sich an Humle, »da drüben steht Sergeant Wade!« Sie wußte selbst nicht, warum sie plötzlich Herzklopfen bekam.

»Ah, in der Tat, Sergeant Wade«, versetzte Kronberg, »ich will ihn doch gleich mal herüberrufen!«

Wenige Minuten später trat er mit Wade an den Tisch. Wade spielte seine Verlegenheit meisterhaft. Er bemühte sich, seinen schäbigen gelben Regenmantel vorn zusammenzuhalten, und wußte augenscheinlich nicht, wohin er den Hut legen sollte. »Sind Sie dienstlich hier, Wade?« fragte Kronberg, und Oberst Humle ließ ein verdächtiges Glucksen hören, als wolle er jeden Augenblick in ein verletzendes Lachen ausbrechen. Elke fand dies unhöflich und erkundigte sich mit freundlichem Lächeln nach dem Ergehen ihres alten Bekannten. Wade erzählte mit monotoner Stimme und seine gut gespielte Bescheidenheit wollte sogar das Glas Wein ausschlagen, das ihm Kronberg freundlich anbot.

»Trinken Sie nur, Wade, hoffentlich schmeckt er ihnen.«

»Danke, Herr Staatsanwalt, aber ich muß eigentlich noch weiter und – –«

»Nichts da«, unterbrach ihn Kronberg, »vorläufig bleiben Sie hier.« Es kam Elke so vor, als vermeide der Oberst aus Stolz, ein Wort an den Sergeanten zu richten.

»Wollen wir nicht einmal tanzen?« fragte sie Wade.

»Du wärest imstande«, knurrte Humle.

»Doch«, entgegnete Elke lächelnd und erhob sich. Der Seidenmantel glitt von ihren Schultern und sie stand vor Wade in einem Pagenkostüm aus blauem Samt.

Schnell waren sie im Reigen der Tanzenden den Blicken des Obersten und Kronbergs entschwunden.

»Da tanzt er nun«, kicherte Humle.

»Ein Hauptspaß«, gab Kronberg zu, »Ihnen zum Ärger tut sie es sicher!«

Humle zuckte nur die Achseln. »Sie sollten Menschenkenner sein«, sagte er schließlich und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

Kronberg kippte sich das Visier hoch. »Zum Donner, meinen Sie wirklich, daß – –«

»Bei einiger Überlegung komme ich zu dem Schluß, würde Fred Hanssen sagen!«

Elke mußte die überraschende Feststellung machen, daß Wade wirklich ein guter Tänzer war. Wie ganz anders war das doch heute! Sie erinnerte sich des Ausganges mit Sergeant Wade, der sie eigentlich in dieser Kunst enttäuschte.

»Wir fühlen uns nun in Vasastaden recht einsam«, sagte Wade, sie leise an sich ziehend.

»Und ich? – Danach fragen Sie nicht? Papa ist so gut zu mir, und doch – –«

»Sie haben Heimweh, Fräulein Elke?«

»Jetzt schon? Das wäre wohl verfrüht, aber es könnte einmal sein«, versetzte sie nachdenklich. Sie tanzten schon die dritte Runde. Ein Knopf baumelte an Wades Regenrock.

»Sie sollten heiraten, Wade«, sagte Elke und bückte lächelnd zu ihm auf.

»Ach, wer nimmt mich«, versetzte er, und es fiel ihm schwer.

Da blies die Kapelle einen Tusch. Der Tanz war beendet, und damit verkündete der neue anbrechende Tag die Demaskierung. Elke legte schon die Larve ab, als sie an den Tisch zurückgingen.

»Hallo, Wade, Demaskierung!« rief Kronberg, »zur nächsten Redoute müssen Sie mir Ihren Mantel pumpen. Ich schwitze mich hier unter der Blechkiste tot!«

»Soll sofort geschehen«, sagte Nathanel Wade sich verbeugend. »Bitte, entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«

»Du hättest freundlicher zu ihm sein sollen?« wandte sich Elke schmollend an Humle.

»Kann ich ja nachholen«, brummte er schmunzelnd.

Elke schaute überrascht auf, als ein Herr im Frack zu ihnen an den Tisch kam. Irgendwie erinnerte sie dies Gesicht an Sergeant Wade. Das waren dieselben Züge, dieselben Lippen, aber hatte Wade nicht eine rote Nase? Trug er nicht immer diesen unansehnlichen gelben Regenmantel und einen schlecht sitzenden Anzug? Und wo war die Brille, hinter deren dicken Gläsern die Augen kaum zu sehen waren?

»Darf ich dir meinen Bruder Dirk Humle vorstellen?« fragte der Oberst.

»Dirk Humle?« Elke war noch ganz in Gedanken.

»Du wirst jetzt und immer vergeblich auf Sergeant Wade warten«, setzte Humle hinzu, »Sergeant Wade ist tot, es lebe Dirk Humle!«

»Prosit!« rief Kronberg und hob sein Glas.

»Und das ist deine Überraschung?« fragte Elke.

»Deine und meine«, sagte Humle, »ist er nicht ein Teufelskerl?«

»Hoffentlich sind Sie nun nicht enttäuscht«, ließ sich Dirk Humle vernehmen.

»Oh, ich fand Sergeant Wade viel netter«, schmollte Elke.

»Bei einiger Überlegung komme ich zu dem Schluß, daß ich jetzt den Auftrag geben darf, den Sekt zu servieren«, sagte da eine tiefe Stimme hinter ihnen.

»Recht so, Fred«, rief Kronberg, »du kommst zur rechten Zeit.« Und sich zu Elke hinüberbeugend setzte er leise hinzu: »Ich glaube fest daran, daß Sergeant Wade seine Rolle ausgespielt hat. Das ist immer so, wenn man heiratet!«

*

 


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