Wilhelm Hauff
Mitteilungen aus den Memoiren des Satan
Wilhelm Hauff

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»Ich gestehe, der Berliner hatte ein sonderbares Geschick. Das Verhängnis zog ihn in diese Verhältnisse, seine Gestalt, sein Gesicht, zufällig dem Kapitän West sehr ähnlich, bringt ihm Glück und Unglück; es zieht ihn in die Nähe des Mädchens, er lernt ihr Schicksal kennen, er sieht sie leiden, er leidet mit ihr; die Zeit, die alle Wunden heilt, bewirkt endlich, daß sie den Kapitän vielleicht nicht mehr so sehnlich zurückwünscht; sie will nur, daß er jenen Schritt nicht tue, den sie für einen törichten hält, sich selbst unbewußt, gibt sie dem armen S. Hoffnungen; er glaubt sie errungen zu haben durch die vielen Bemühungen um ihre Wahl, und jetzt muß er den gefährlichen Nebenbuhler, einen Mann, den er verachtet, zu ihr zurückführen!

Ich war begierig auf diesen Abend; der Berliner hatte mir gesagt, daß sie einwillige, ihn, von Signora Campoco begleitet, zu sehen. Sie hatte ihn eingeladen, zugegen zu sein, und er bat mich, ihn zu begleiten, weil er diese Szene allein nicht mit ansehen könne. Als ich seiner Wohnung zuging, trat mir auf einmal Frater Piccolo in den Weg, mit der Frage, wo er wohl den Kapitän finden könnte?

Ich forschte ihn aus, zu welchem Zweck er wohl den Kapitän suche, und er sagte mir ohne Umschweife, daß er ihm von dem Kardinal einen Schuldschein auf fünftausend Scudi zu überreichen habe, die jener zwölf Stunden nach Sicht bezahlen müsse. »Wertester Frater Piccolo«, erwiderte ich ihm, »das sicherste ist, Ihr bemühet Euch nach sechs Uhr in den Garten der Signora Campoco, welcher an der Tiber gelegen; dort werdet Ihr ihn finden, dafür stehe ich Euch.« Er dankte und ging weiter. Daß er diese Nachricht dem Kardinal, vielleicht auch Donna Ines mitteilen werde, glaubte ich voraussetzen zu dürfen. »Fünftausend Scudi, zwölf Stunden nach Sicht!« sagte ich zu mir, »ich will doch sehen, wie er sich heraushilft!«

Den armen Berliner traf ich sehr niedergeschlagen. Er schien zu fühlen, daß seine Hoffnungen auf ewig zerstört seien; doch nicht nur dies Gefühl war es, was ihn unglücklich machte; er fürchtete, Luise werde nicht auf Dauer glücklich werden; »Dieser West!« rief er; »ist es nicht immer wieder Leichtsinn, was ihn zu uns, zu ihr zurückführt! Wie leicht ist es möglich, wenn einmal die Reue über ihn kommt, die Spanierin so unglücklich gemacht zu haben, wie leicht ist es möglich, daß er auch Luisen wieder verläßt.«

Ja, dachte ich, und wenn erst das Wechselchen anlangt und er nicht zahlen kann, und wenn ihn Donna Ines mit den funkelnden Augen sucht und bei der Fremden findet, und wenn erst der Kardinal seine Künste anwendet. Die Schule der Verzweiflung hat er noch nicht ganz durchgemacht. Aber auch das Fräulein, hoffe ich, wird jetzt auftauen, und ihre Hilfe zu kleinen Teufeleien und Höllenkünsten nehmen, und der gute Berliner soll wohl auch bekannter mit mir werden müssen!

Wir gingen hinaus an die Tiber zum verhängnisvollen Garten der Signora Campoco. Unterwegs sagte mir der junge Mann, das Fräulein sei ihm unbegreiflich. Als er ihr die Nachricht gebracht, wie sich im Hause des Kapitäns auf einmal alles so sonderbar, wie durch eine höhere Leitung gefügt habe, wie West nicht nur zur protestantischen Kirche zurücktreten, sondern auch als reuiger Sünder zu ihr zurückkehren wolle, da sei, so sehr sie ihn zuvor angeklagt, ein seliges Lächeln auf ihren schönen Zügen aufgegangen. Sie habe geweint vor Freude, sie habe mit tausend Tränen ihre Tante dazu vermocht, uns in ihrem Garten zu empfangen. Und dennoch sei sie jetzt nicht mehr recht heiter; eine sonderbare Befangenheit, ein Zittern banger Erwartung habe sie befallen, sie habe ihm gestanden, daß sie der Gedanke an den Fluch ihres Vaters, wenn sie je die Gattin des Kapitäns werde, immer verfolge. Es sei als liege eine schwarze Ahnung vor ihrer sonst so kindlich frohen Seele, als fürchte sie, trotz der Rückkehr des Geliebten, dennoch nicht glücklich zu werden.

Unter den Klagen des Berliners, unter seinen Beschuldigungen gegen das ganze weibliche Geschlecht, hatten wir uns endlich dem Garten genähert. Er lag, von Bäumen umgeben, wie ein Versteck der Liebe. Signora Campoco empfing uns mit ihren Hündlein aufs freundlichste; sie erzählte, daß sie das deutsche Geplauder der Versöhnten nicht mehr länger habe hören können, und zeigte uns eine Laube, wo wir sie finden würden. Errötend, mit glänzenden Augen, Verwirrung und Freude auf dem schönen Gesicht, trat uns das Fräulein entgegen. Der Kapitän aber schien mir ernster, ja es war mir, als müßte ich in seinen scheuen Blicken eine neue Schuld lesen, die er zu den alten gefügt.

Dem Berliner war wohl das schmerzlichste der feurige Dank, den ihm das schöne Mädchen für seine eifrigen Bemühungen ausdrückte. Sie umfing ihn, sie nannte ihn ihren treuesten Freund, sie bot ihm ihre Lippen, und er hat wohl nie so tief als in jenem Augenblick gefühlt, wie die höchste Lust mit Schmerz sich paaren könne. Mir, ich gestehe es, war diese Szene etwas langweilig; ich werde daher die nähere Beschreibung davon nicht in diese Memoiren eintragen, sondern als Surrogat eine Stelle aus Jean Pauls »Flegeljahren« einschieben, die den Leser weniger langweilen dürfte: »Selige Stunden, welche auf die Versöhnung der Menschen folgen! Die Liebe ist wieder blöde und jungfräulich, der Geliebte neu und verklärt, das Herz feiert seinen Mai, und die Auferstandenen vom Schlachtfelde begreifen den vorigen, vergessenen Krieg nicht.« So sagt dieser große Mensch, und er kann recht haben, aus Erfahrung; ich habe, seit sich der Himmel hinter mir geschlossen, nicht mehr geliebt, und mit der Versöhnung will es nicht recht gehen.

Bei jener ganzen Szene ergötzte ich mich mehr an der Erwartung als an der Gegenwart. Wenn jetzt mit einemmal, dachte ich mir, Frater Piccolo durch die Bäume herbeikäme, um seinen Wechsel honorieren zu lassen – welche Angst, welcher Kummer bei dem Kapitän, welches Staunen, welcher Mißmut bei dem Fräulein! Ich dachte mir allerlei dergleichen Möglichkeiten, während die andern in süßem Geplauder mit vielen Worten nichts sagten – da hörte ich auf einmal das Plätschern von Rudern in der Tiber. Es war nach sechs Uhr, es war die Stunde, um welche ich Frater Piccolo hieher bestellt hatte; wenn er es wäre! – Die Ruderschläge wurden vernehmlicher, kamen näher, weder die Liebenden noch der Berliner schienen es zu hören. Jetzt hörte man nur noch das Rauschen des Flusses, die Barke mußte sich in der Nähe ans Land gelegt haben. Die Hunde der Signora schlugen an, man hörte Stimmen in der Ferne, es rauschte in den Bäumen, Schritte knisterten auf dem Sandweg des Gartens, ich sah mich um – Donna Ines und der Kardinal Rocco standen vor uns.

Luise starrte einen Augenblick diese Menschen an, als sehe sie ein Gebild der Phantasie. Aber sie mochte sich des Kardinals aus einem schrecklichen Augenblick erinnern, sie schien den Zusammenhang zu begreifen, schien zu ahnen, wer Ines sei, und sank lautlos zurück, indem sie die schönen Augen und das erbleichende Gesicht in den Händen verbarg. Der Kapitän hatte den Kommenden den Rücken zugekehrt, und sah also nicht sogleich die Ursache von Luisens Schrecken. Er drehte sich um, er begegnete zornsprühenden Blicken der Donna, die diese Gruppe musterte, er suchte vergeblich nach Worten; das Gefühl seiner Schande, die Angst, die Verwirrung schnürten ihm die Kehle zu.

»Schändlich!« hub Ines an, »so muß ich dich treffen? Bei deiner deutschen Buhlerin verweilst du, und vergißt, was du deinem Weibe schuldig bist? Ehrvergessener! statt meine Ehre, die du mir gestohlen, durch Treue zu ersetzen, statt mich zu entschädigen für so großen Jammer, dem ich mich um deinetwillen ausgesetzt habe, schwelgst du in den Armen einer andern?«

»Folget uns, Kapitän West!« sagte der Kardinal sehr strenge; »es ist Euch nicht erlaubt, noch einen Augenblick hier zu verweilen. Die Barke wartet. Gebt der Donna Euren Arm und verlasset diese ketzerische Gesellschaft.«

»Du bleibst!« rief Luise, indem sie ihre schönen Finger um seinen Arm schlang und sich gefaßt und stolz aufrichtete; »schicke diese Leute fort. Du hast ja noch soeben diese Abenteuerin verschworen. Du zauderst? Monsignor, ich weiß nicht, wer Ihnen das Recht gibt, in diesen Garten zu dringen; haben Sie die Güte, sich mit dieser Dame zu entfernen.«

»Wer mir das Recht gibt, junge Ketzerin?« entgegnete Rocco, »diese ehrwürdige Frau Campoco; ich denke ihr gehört der Garten, und es wird sie nicht belästigen, wenn wir hier verweilen.«

»Ich bitte um Euren Segen, Eminenz«, sagte sich tief verneigend Signora Campoco; »wie möget Ihr doch so sprechen? Meinem geringen Garten ist heute Heil widerfahren, denn heilige Gebeine wandeln darin umher!«

»Nicht gezaudert, Kapitän!« rief der Kardinal; »werfet den Satan zurück, der Euch wieder in den Klauen hat; folget uns, wohin die Pflicht Euch ruft. – Ha! Ihr zaudert noch immer, Verräter? soll ich«, fuhr er mit höhnischem Lächeln fort: »soll ich Euch etwa dies Papier vorzeigen? Kennet Ihr diese Unterschrift? Wie steht es mit den fünftausend Scudi, verehrter Herr? soll ich Euch durch die Wache abholen lassen?« –

»Fünftausend Scudi?« unterbrach ihn der Berliner, »ich leiste Bürgschaft, Herr Kardinal, sichere Bürgschaft.« –

»Mitnichten!« antwortete er mit großer Ruhe, »Ihr seid ein Ketzer; haeretico non servanda fides; Ihr könntet leicht ebenso denken und mit der Bürgschaft in die Weite gehen. Nein – Piccolo! Sende einen der Schiffer in die Stadt; man solle die Wache holen.«

»Um Gottes willen, Otto! was ist das?« rief Luise, indem ihr Tränen entstürzten. »Du wirst dich doch nicht diesen Menschen so ganz übergeben haben? O Herr! nur eine Stunde gestattet Aufschub, mein ganzes Vermögen soll Euer sein; mehr, viel mehr will ich Euch geben als Ihr fordert –«

»Meinst du, schlechtes Geschöpf!« fiel ihr die Spanierin in die Rede, »meinst du, es handle sich hier um Gold? Mir, mir hat er seine Seele verpfändet; er hat mich gelockt aus den Tälern meiner Heimat, er hat mir ein langes seliges Leben in seinen Armen vorgespiegelt, er hat mich betrogen um diese Seligkeit; du – du hast mich betrogen, deutsche Dirne, aber sehe zu, wie du es einst vor den Heiligen verantworten kannst, daß du dem Weib den Gatten raubst, den Kindern, den armen Würmern, den Vater!«

»Ja, das ist dein Fluch, alter Vater!« sagte Luise, von tiefer Wehmut bewegt; »das ist dein Fluch, wenn ich je die Seine würde; er nahte schnell! Ich hätte dir ihn entrissen, unglückliches Weib? Nein, so tief möchte ich nicht einmal dich verachten. Er kannte mich längst, ehe er dich nur sah, und die Treue, die er dir schwur, hat er mir gebrochen!«

»Von dieser Sünde werden wir ihn absolvieren«, sprach der Kardinal; »sie ist um so weniger drückend für ihn, als Ihr selbst, Signora, mit einem anderen, der hier neben sitzt, in Verhältnissen waret. Zaudere nicht mehr, folge uns; bei den Gebeinen aller Heiligen, wenn du jetzt nicht folgst, wirst du sehen, was es heiße, den Heiligen Vater zu verhöhnen!«

Der Kapitän war ein miserabler Sünder. So wenig Kraft, so wenig Entschluß! Ich hätte ihn in den Fluß werfen mögen; doch es mußte zu einem Resultate kommen, drum schob ich schnell ein paar Worte ein: »Wie? was ist dies für ein Geschrei von Kindern«, rief ich erstaunt; »es wird doch kein Unglück in der Nähe geben?«

»Ha! meine Kinder«, weinte die Spanierin, »o weinet nur, ihr armen Kleinen; der, der Euch Vater sein sollte, hat Erz in seiner Brust. Ich gehe, ich werfe sie in die Tiber, und mich mit ihnen; so ende ich ein Leben, das du, Verfluchter! vergiftetest!«

Sie rief es und wollte nach der Tiber eilen; doch das Fräulein faßte ihr Gewand; bleich zum Tod, mit halbgeschlossenen Augen, führte sie Donna Ines zu dem Kapitän, und stürzte dann aus der Laube. Ich selbst war einige Augenblicke im Zweifel, ob sie nicht denselben Entschluß ausführen wollte, den die Donna für sich gefaßt; doch der Weg, den sie einschlug, führte tiefer in den Garten, und sie wollte wohl nur diesem Jammer entgehen. Der Berliner aber lief ihr ängstlich nach, und als sich auch der Kapitän losriß, ihr zu folgen, stürzte die ganze Gesellschaft, der Kardinal, ich und Signora Campoco in den Garten.

Wir kamen zu ihnen, als eben Luise erschöpft und der Ohnmacht nahe zusammensank. S. fing sie in seine Arme auf, und trug die teure Last nach einer Bank. Dort wollte ihn der Kapitän verdrängen, er wollte vielleicht seinen Entschluß zeigen, nur ihr anzugehören, er glaubte heiligere Rechte an sie zu haben, und entfernte den Arm des jungen Mannes um den seinigen unterzuschieben.

Doch dieser, ergriffen von Liebe und Schmerz, aufgeregt von der Szene, die wir gesehen, stieß den Kapitän zurück. »Fort mit dir«, rief er: »gehe zu Pfaffen und Ehebrechern, zu Schurken deines Gelichters. Du hast deine Rolle künstlich gespielt; um diese Blume zu pflücken, mußtest du dich den Armen jenes hergelaufenen Weibes noch einmal entreißen. Hinweg mit dir, du Ehrloser!«

»Was sprechen Sie da?« schrie der Kapitän schäumend, es mochte in der Rede des jungen Mannes etwas liegen, was als Wahrheit um so beißender war. »Welche Absichten legen Sie mir unter? was hätte ich getan? erklären Sie sich deutlicher!«

»Jetzt hast du Worte, Schurke, aber als dieser Engel zu dir flehte, da hatte deinen Mund die Schande verschlossen. Rühre sie nicht an, oder ich schlage dich nieder.«

»Das kann dir geschehen«, entgegnete jener, und einem Blitze gleich fuhr er mit etwas Glänzendem aus der Tasche nach der Brust des jungen Mannes. – In Spanien lernt man gut stoßen. Der Berliner hatte einen Messerstich in der Brust, und sank, ohne das Haupt der Geliebten zu lassen, in die Knie.

»Jetzt wird der tapfere Hauptmann gewiß katholisch!« war mein Gedanke, als das Herzblut des jungen Mannes hervorströmte; »jetzt wird er sich bergen im Schoße der Kirche!« Und es schien so zu kommen. Denn willenlos ließ sich der Kapitän von Ines und dem Kardinal wegführen, und die Barke stieß vom Lande.

 

Wenige Tage nach diesem Vorfall erschien jener glorreiche Tag, an welchem der Papst vor dem versammelten Volk mir, dem Teufel, alle Seelen der Ketzer übermacht; ich habe zwar durch diese Anweisung noch nie eine erhalten, und weiß nicht, ob Seine Heiligkeit falliert haben und nun auf der Himmelsbörse keine Geschäfte mehr machen, also wenig Einfluß auf das Steigen und Fallen der Seelen haben, oder ob vielleicht diese Verwünschung nur zur Vermehrung der Rührung dient, um den Wirten und Gewerbsleuten in Rom auf versteckte Weise zu verstehen zu geben, daß sie sich kein Gewissen daraus machen sollen, den Beutel der Engländer, Schweden und Deutschen, zu schröpfen, da ihre Seelen doch einmal verloren seien.

An einem solchen Tage pflegt ganz Rom zusammenzuströmen, besonders die Weiber kommen gerne, um die Ketzer im Geiste abfahren zu sehen. Man drängt und schlägt sich auf dem großen Platz, man hascht nach dem Anblick des Heiligen Vaters, und wenn er den heiligen Bannstrahl herabschleudert, durchzückt ein mächtiges Gefühl jedes Herz, und alle schlagen an die Brust und sprechen: »Wohl mir, daß ich nicht bin wie dieser einer.« An diesem Tage aber hatte das Fest noch eine ganz besondere Bedeutung; man sprach nämlich in allen Zirkeln, in allen Kaffeehäusern, auf allen Straßen davon, daß ein berühmter, tapferer, ketzerischer Offizier an diesem Tage sich taufen lassen wolle. Dieser Offizier machte seine Grade erstaunlich schnell durch. Am Montag hieß es, er sei Kapitän, am Dienstag er sei Major, am Mittwoch war er Obrist, und wenn man am Donnerstag frühe ein schönes Kind auf der Straße anhielt, um zu fragen, wohin es so schnell laufe, konnte man auf die Antwort rechnen: »Ei, wisset Ihr nicht, daß zur Ehre Gottes ein General der Ketzer sich taufen läßt, und ein guter Christ wird, wie ich und Ihr?«

Wer der berühmte Täufling war, werden die Leser meiner Memoiren leicht erraten. Endlich, endlich war er abgefallen! Sie hatten ihn wohl nach der Szene in Signoras Garten so lange und heftig mit Vorwürfen, Bitten, Drohungen, Versprechungen und Tränen bestürmt, daß er einwilligte, besonders da er durch den Übertritt nicht nur Absolution für seine Seele, was ihm übrigens wenig helfen wird, sondern auch Schutz für die Justiz bekam, die ihm schon nachzuspüren anfing, da der Berliner einige Tage zwischen Leben und Tod schwebte, und sein Gesandter auf strenge Ahndung des Mordes angetragen hatte.

Ich stellte mich auf dem Platze so, daß der Zug mit dem Täufling an mir vorüberkommen mußte. Und sie nahten! Ein langer Zug von Mönchen, Priestern, Nonnen, andächtigen Männern und Frauen kam heran, ihre halblaut gesprochenen Gebete rollten wie Orgelton durch die Lüfte. Sie zogen im Kreis um den ungeheuren Platz, und jetzt wurden die Römer um mich her aufmerksamer. »Ecco, ecco lo«, flüsterte es von allen Seiten; ich sah hin – in einem grauen Gewand, das Haupt mit Asche bestreut, ein Kruzifix in den gefalteten Händen, nahte mit unsicheren Schritten der Kapitän. Zwei Bischöfe in ihren violetten Talaren gingen vor ihm, und Chorknaben aller Art und Größe folgten seinen Schritten.

»Ein schöner Ketzer, bei St. Peter! ein schmucker Mann!« hörte ich die Weiber um mich her sagen. »Welch ein frommer Soldat!«

»Wie freut man sich, wenn man sieht, wie dem Teufel eine Seele entrissen wird!« –

»Werden sie ihn vorher taufen oder nachher?« –

»Vorher«, antwortete ein schönes, schwarzlockiges Mädchen, »vorher, denn nachher verflucht der Heilige Vater alle Ketzer, und da würde er ihn ja auf ewig verdammen, und nachher segnen und taufen.« –

»Ach das verstehst du nicht«, sagte ihr Vater, »der Papst kann alles was er will, so oder so.«

»Nein, er kann nicht alles«, erwiderte sie schelmisch lächelnd; »nicht alles!«

»Was kann er denn nicht?« fragten die Umstehenden. »Er kann alles; was sollte er denn nicht können?«

»Er kann nicht heiraten!« lachte sie; doch nicht so schnell folgt der Donner dem Blitz, als die schwere Hand des Vaters auf ihre Wange fiel.

»Was? Du versündigst dich, Mädchen«, schrie er; »welche unheiligen Gedanken gibt dir der Teufel ein? Was geht es dich an, ob der Papst heiratet oder nicht? Dich nimmt er auf keinen Fall.«

Das Volk begann indes in die Peterskirche zu strömen; und auch ich folgte dorthin. Es ist eine lächerlich materielle Idee, wenn die Menschen sich vorstellen, ich könne in keine christliche Kirche kommen. So schreiben viele Leute C. M. B. (Caspar, Melchior, Balthasar) über ihre Türen und glauben, die drei Könige aus Morgenland werden sich bemühen, ihre schlechte Hütte gegen die Hexen zu schützen.

Ich drängte mich so weit als möglich vor, um die Zeremonien dieser Taufe recht zu sehen. Der tapfere Kapitän hatte jetzt sein graues Gewand mit einem glänzend weißen vertauscht, und kniete unweit des Hochaltars. Kardinale, Erzbischöfe, Bischöfe standen umher, der ungewisse Schein des Tages, vermischt mit dem Flackern der Lichter der Kerzen, welche die Chorknaben hielten, umgab sie mit einem ehrwürdigen Heiligenschein, der jedoch bei manchem wie Scheinheiligkeit aussah. Auf der andern Seite kniete unter vielen schönen Frauen Donna Ines mit ihren Kindern. Sie war lockender und reizender als je, und wer Luisen und ihr sanftes blaues Auge nicht gesehen hatte, konnte dem Täufling verzeihen, daß er sich durch dieses schöne Weib und einen listigen Priester unter den Pantoffel Skt. Petri bringen ließ.

Neben mir stand eine schwarzverschleierte Dame. Sie stützte sich mit einer Hand an eine Säule, und ich glaube, sie wäre ohne diese Hülfe auf den Marmorboden gesunken, denn sie zitterte beinahe krampfhaft. Der Schleier war zu dicht, als daß ich ihre Züge erkennen konnte. Doch sagte mir eine Ahnung, wer es sein könnte. Jetzt erhoben die Priester den Gesang, er zog mit den blauen Wölkchen des arabischen Weihrauchs hinauf durch die Gewölbe, und berauschte die Sinne der Sterblichen, übertäubte ihre Seelen, und riß sie hin zu einer Andacht, die sie zwar über das Irdische, aber auch über die ewigen Gesetze ihrer Vernunft hinwegführt.

Die Priester sangen. Jetzt fing er an sein Glaubensbekenntnis zu sprechen.

»Er hat mich nie geliebt«, seufzte die Dame an meiner Seite, »er hat auch dich nie geliebt, o Gott, verzeihe ihm diese Sünde!«

Er sprach weiter, er verfluchte den Glauben, in welchem er bisher gelebt.

»Gib Frieden seiner Seele«, flüsterte sie; »wir alle irren, solange wir sterblich sind; vielleicht hat er den wahren Trost gefunden! laß ihn Friede finden, o Herr!«

Da fingen die Priester wieder an zu singen. Ihre tiefen Töne drangen schneidend in das Herz der Dame. Jetzt wurde das Sakrament an ihm vollzogen, der Kardinal Rocco, im vollen Ornat seiner Würde segnete ihn ein, und Donna Ines warf dem Getauften frohlockende Grüße zu.

»Vater, laß ihm mein Bild nie erscheinen«, betete die Dame an meiner Seite, »daß nie der Stachel der Reue ihn quäle! Laß ihn glücklich werden!«

Und mit dem Pomp des heiligen Triumphes schloß die Taufe, und der Kapitän stand auf, zwar als ein so großer Sünder wie zuvor, doch als ein rechtgläubiger katholischer Christ. Das Volk drängte sich herzu und drückte seine Hände, und Donna Ines führte ihm mit holdem Lächeln ihre Kinder zu. Aber noch war die Szene nicht zu Ende. Kardinal Luighi führte den Getauften an die Stufen des Altars, stieg die heiligen Stufen hinan und las die Messe.

Die Dame im schwarzen Schleier zitterte heftiger, als sie dies alles sah; ihre Knie fingen an zu wanken. »Wer Ihr auch seid, mein Herr!« flüsterte sie mir plötzlich zu, »seid so barmherzig und führt mich aus der Kirche, ich fühle mich sehr unwohl.« Ich gab ihr meinen Arm, und die frommste Seele in Sankt Peters weiten Hallen ging hinweg, begleitet vom Teufel.

Auf dem Platze vor der Peterskirche deutete sie schweigend auf eine Equipage, die unfern hielt. Ich führte sie dorthin, ich öffnete ihr den Schlag, und bot ihr die Hand zum Einsteigen. Sie schlug den dunkeln Schleier zurück, es war, wie ich mir gesagt hatte, es waren die bleichen, schönen Züge Luisens. »Ich danke Euch, Herr!« sagte sie, »Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen.« Noch zitterte ihre Hand in der meinigen, ihre schönen Augen wandten sich noch einmal nach Sankt Peter und füllten sich dann mit einer Träne. Aber schnell schlug sie den Schleier nieder und schlüpfte in den Wagen; die Pferde zogen an, ich habe sie – nie wieder gesehen.

 

Eine wichtige Angelegenheit, die wankende Sache der Hohen Pforte, welcher ich immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe, rief mich an diesem Tag nach . . . ., wo ich mit einem berühmten Staatsmann eine Konferenz halten mußte. Man kennt die Zuneigung dieses erlauchten Veziers eines christlichen Potentaten zum Halbmond; und ich hatte nicht erst nötig, ihn zu überzeugen, daß die Türken seine natürlichen Alliierten seien. Von . . . . eilte ich zurück nach Rom. Ich gestehe, ich war begierig, wie sich jene Verhältnisse lösen würden, in welche ich verflochten war, und die mir durch einige Situationen so interessant geworden waren.

Der erste, den ich unter der Porta del Popolo traf, war der deutsche Kaufmann. Er saß in einem schönen Wagen, und hatte, wie es schien, Streit mit einigen päpstlichen Polizeisoldaten. Ich trat als Stobelberg zu ihm. »Lieber Bruder«, sagte ich, »es scheint, du willst Sodom verlassen gleich dem frommen Lot?«

»Ja, fliehen will ich aus dieser Stätte des Satan«, war seine Antwort; »und hier läßt mich der Drache auf dem Stuhl des Lammes noch einmal anhalten, aus Zorn weil ich einen seiner Baalspfaffen im Christentume unterweisen wollte.«

Ich sah hin und merkte jetzt erst die Ursache des Streites. Die Polizei hatte, ich weiß nicht aus welchem Grunde, den Wagen noch einmal untersucht. Da war man auf ein Kistchen gestoßen und hatte den Pietisten gefragt, was es enthalte. »Geistliche Bücher«, antwortete er. Man glaubte aber nicht, schloß auf, und siehe da, es war ein gutes Flaschenfutter, und die Polizeimänner wollten wegen seines Betruges einige Scudi von ihm nehmen.

»Aber, Bruder!« sagte ich ihm; »eine fromme Seele sollte nach nichts dürsten als nach dem Tau des Himmels, nach nichts hungern als nach dem Manna des Wortes, und doch führst du ein Dutzend Flaschen mit dir, und hier liegt ein ganzer Pack Salamiwürste? Pfui, Bruder, heißt es nicht, ›was werden wir essen, was werden wir trinken, nach dem allem fragen die Heiden‹?«

»Bruder«, erwiderte jener, und drehte die Augen gen Himmel; »Bruder, bei dir muß es noch nicht völlig zum Durchbruch gekommen sein, daß du einen Mann von so felsenfestem Glauben, daß du mir solche Fragen vorlegst. Gerade, daß ich nicht zu seufzen brauche: ›Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit uns kleiden?‹ gerade deswegen habe ich mir den neuen Rock hier gekauft, habe meinen Flaschenkeller gefüllt, und diese aus Eselsfleisch bereiteten Würste gekauft; es geschah also aus reinem Glaubensdrang, und der Geist hat es mir eingegeben. Da, ihr lumpigten Söhne von Astaroth, ihr Brut des Basilisken, so auf dem Stuhl des Lammes sitzt und an seinen Klauen Pantoffeln führt, da nehmet diesen holländischen Dukaten und lasset mir meine geistlichen Bücher in Ruhe! – So, nun lebe wohl, Bruder! der Geist komme über dich und stärke deinen Glauben!«

Da fuhr er hin, und wieder wurde ich in dem Glauben bestärkt, daß diese christlichen Pharisäer schlimmer sind als die Kinder der Welt. Ich ging weiter, den Korso hinab. Am unteren Ende der Straßen begegnete mir der Kardinal Rocco und Piccolo, sein Diener. Der Kardinal schien sehr krank zu sein, denn ganz gegen die Etiquette trug ihm Piccolo nicht die Schleppe nach, sondern führte ihn unter dem Arm, und dennoch wankte Rocco zuweilen hin und her. Sein Gesicht war rot und glühend, seine Augen halb geschlossen, und der rote Hut saß ihm etwas schief auf dem Ohr.

»Siehe da, ein bekanntes Gesicht!« rief er, als er mich sah, und blieb stehen. »Komm hieher, mein Sohn, und empfange den Segen. Haben wir uns nicht schon irgendwo gesehen?«

»O ja, und ich hoffe, noch öfters das Vergnügen zu haben; ich hatte die Ehre Ew. Eminenz im Garten der Frau Campoco zu sehen.«

»Ja, ja! ich erinnere mich, Ihr seid ein junger Ketzer; wisset Ihr, woher ich komme? geraden Wegs von dem Hochzeitschmause des lieben Paares!«

Jetzt konnte ich mir die Krankheit des alten Herrn erklären; die spanischen Weine der Donna Ines waren ihm wohl zu stark gewesen, und Piccolo mußte ihn jetzt führen. »Ihr waret wohl recht vergnügt?« fragte ich ihn; »es ist doch Euer Werk, daß die Donna den Kapitän endlich doch noch überwunden hat?«

»Das ist es, lieber Ketzer!« sagte er stolz lächelnd, »mein Werk ist es, kommet, gehen wir noch ein paar hundert Schritte zusammen! – Was wollte ich sagen? ja – mein Werk ist es, denn ohne mich hätte die Donna gar keine Kunde von ihm bekommen; ich schrieb ihr, daß er in Rom sich befinde; ohne mich wäre ihre frühere Ehe nicht für ungültig erklärt worden; ohne mich wäre der Kapitän nicht rechtgläubig geworden, was zur Glorie unserer Kirche notwendig war; ohne mich wäre er nicht von seiner Ketzerin losgekommen – kurz ohne mich – ja ohne mich stünde alles noch wie zuvor.«

»Es ist erstaunlich!«

»Höret, Ihr gefallt mir, lieber Ketzer. Hört einmal, werdet auch rechtgläubig; brauchet Ihr Geld? könnet haben soviel Ihr wollt, gegen ein Reverschen zahlbar gleich nach Sicht; oh! damit kann man einen köstlich in Verlegenheit bringen. Brauchet Ihr eine schöne, frische, reiche Frau? Ich habe eine Nichte, Ihr sollt sie haben. Brauchet Ihr Ehren und Würden? Ich will Euch pro primo den goldenen Sporenorden verschaffen; es kann ihn zwar jeder Narr um einige Scudi kaufen – aber Ihr sollet ihn umsonst haben. Wollet Ihr in Eurer barbarischen Heimat große Ehrenstellen? dürfet nur befehlen; wir haben dort großen Einfluß, geheim und öffentlich; na! was sagt Ihr dazu?«

»Der Vorschlag ist nicht übel«, erwiderte ich; »Ihr seid nobel in Euren Versprechungen, ich glaube, Ihr könntet den Teufel selbst katholisch machen?«

»Anathema sit! anathema sit! Es wäre uns übrigens nicht schwer«, antwortete der Kardinal. »Wir können ihn von seinen zweitausendjährigen Sünden absolvieren, und dann taufen. Überdies ist er ein dummer Kerl, der Teufel, und hat sich von der Kirche noch immer überlisten lassen!«

»Wisset Ihr das so gewiß?«

»Das will ich meinen; zum Beispiel, kennet Ihr die Geschichte, die er mit einem Franziskaner gehabt?«

»Nein, ich bitte Euch, erzählet!«

»Ein Franziskaner zankte sich einmal mit ihm wegen einer armen Seele. Der Teufel wollte sie durchaus haben, und hatte allerdings nach dem Maß ihrer Sünden das Recht dazu. Der Mönch aber wollte sie in majorem dei gloriam für den Himmel zustutzen. Da schlug endlich der Satan vor, sie wollen würfeln, wer die meisten Augen mit drei Würfeln werfe, solle die Seele haben. Der Teufel warf zuerst, und, wie er ein falscher Spieler ist, warf er achtzehn, er lachte den Franziskaner aus. Doch dieser ließ sich nicht irremachen; er nahm die Würfel und warf – neunzehn; und die Seele war sein.«

»Herr! das ist erlogen«, rief ich, »wie kann er mit drei Würfeln neunzehn werfen?«

»Ei, wer fragt nach der Möglichkeit? Genug, er hat's getan, es war ein Wunder. Nun, kommet morgen in mein Haus, lieber Sohn, wir wollen dann den Unterricht beginnen.«

Er gab mir den Segen und wankte weiter. Nein, Freund Rocco! dachte ich, eher bekomme ich dich, als du mich; von dir läßt sich der Satan nicht überlisten. Es trieb mich jetzt, nach dem Hause des Berliners zu gehen, den ich schwer verwundet verlassen hatte. Zu meiner großen Verwunderung sagte man mir, er sei ausgegangen und werde wohl vor Nacht nicht zurückkehren. So mußte ich den Gedanken aufgeben, heute noch zu erfahren, wie es ihm ergangen sei, wie das Fräulein sich befinde, ob er wohl Hoffnung habe, jetzt, da der Kapitän auf immer für sie verloren sei, sie für sich zu gewinnen; es blieb mir keine Zeit, ihn heute noch zu sehen, denn den Abend über wußte ich ihn nicht zu finden, und auf die kommende Nacht hatte ich eine Zusammenkunft mit jenen kleineren Geistern verabredet, die als meine Diener die Welt durchstreifen.

Ich trat zu diesem Zweck, als die Nacht einbrach, ins Coliseum, denn dies war der Ort, wohin ich sie beschieden hatte. Noch war die Stunde nicht da, aber ich liebe es, in der Stille der Nacht auf den Trümmern einer großen Vorzeit meinen Gedanken über das Geschlecht der Sterblichen nachzuhängen. Wie erhaben sind diese majestätischen Trümmer in einer schönen Mondnacht! Ich stieg hinab in den mittleren Raum. Aus dem blauen, unbewölkten Himmel blickte der Mond durch die gebrochenen Wölbungen der Bogen herein, und die hohen überwachsenen Mauern der Ruine warfen lange Schatten über die Arena. Dunkle Gestalten schienen durch die verfallenen Gänge zu schweben, wenn ein leiser Wind die Gesträuche bewegte, und ihre Schatten hin und wider zogen. Wo sie schwebten, diese Schatten, da sah man einst ein fröhliches Volk, schöne Frauen, tapfere Männer, und die ernste, feierliche Pracht der kriegerischen Kaiser. Geschlecht um Geschlecht ist hinunter, diese Mauern allein überdauerten ihre Zeit, um durch ihre erhabenen Formen diese Sterblichen zu erinnern, wie unendlich größer der Sinn jenes Volkes war, das einst ein Jahrtausend vor ihnen um diese Stätte lebte. Die ernste Würde der Konsuln und des Senates, der kriegerische Prunk der Cäsaren und – dieser römische Hof und diese Römer!

Der Mond war, während ich zu mir sprach, heraufgekommen und stand jetzt gerade über dem Zirkus. Ich sah mich um, da gewahrte ich, daß ich nicht allein in den Ruinen sei. Eine dunkle Gestalt saß seitwärts auf dem gebrochenen Schaft einer Säule; ich trat näher hin – es war Otto von S . . . . Ich war freudig erstaunt, ihn zu sehen, ich warf mich schnell in den Herrn von Stobelberg, um mit ihm zu sprechen. Ich redete ihn an und wünschte ihm Glück, ihn so gesund zu sehen. Er richtete sich auf; der Mond beschien ein sehr bleiches Gesicht, weinende Augen blickten mich wehmütig an, schweigend sank er an meine Brust.

»Sie scheinen noch nicht ganz geheilt, Lieber!« sagte ich; »Sie sind noch sehr bleich, die Nachtluft wird Ihnen schaden!«

Er verneinte es mit dem Haupt, ohne zu sprechen. Was war doch dem armen Jungen geschehen, hatte er wohl von neuem einen Korb bekommen? »Nun, ein Mittel gibt es wohl, Sie gänzlich zu heilen«, fuhr ich fort; »jetzt steht Ihnen ja nichts mehr im Wege, jetzt wird sie hoffentlich so spröde nicht mehr sein. Ich will den Brautwerber machen; Sie müssen Mut fassen, Luise wird Sie erhören, und dann ziehen Sie mit ihr aus dieser unglücklichen Stadt, führen sie nach Berlin, zu der Tante; wie werden sich die ästhetischen Damen wundern, wenn Sie Ihre Novelle auf diese Art schließen, und die holde Erscheinung aus den Lamentationen persönlich einführen!«

Er schwieg, er weinte stille.

»Oder wie! haben Sie etwa den Versuch schon gemacht? Sollten Sie abgewiesen worden sein? Will sie die Rolle der Spröden fortspielen?«

»Sie ist tot!« antwortete der junge Mann.

»Ist's möglich! höre ich recht? So plötzlich ist sie gestorben?«

»Der Gram hat ihr Herz gebrochen; heute hat man sie begraben.«

Er sagte es, drückte mir die Hand, und einsam weinend ging er durch die Ruinen des Coliseums.


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