Wilhelm Hauff
Mitteilungen aus den Memoiren des Satan
Wilhelm Hauff

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Teil

Vorspiel

Worin von Prozessen, Justizräten die Rede,
nebst einer stillschweigenden Abhandlung
»was von Träumen zu halten sei?«

Dieser zweite Teil der Mitteilungen aus den Memoiren des Satan erscheint um ein völliges Halbjahr zu spät. Angenehm ist es dem Herausgeber, wenn die Leser des ersten sich darüber gewundert, am angenehmsten, wenn sie sich darüber geärgert haben; es zeigt dies eine gewisse Vorliebe für die schriftstellerischen Versuche des Satan, die nicht nur ihm, sondern auch seinem Übersetzer und Herausgeber erwünscht sein muß.

Die Schuld dieser Verspätung liegt aber weder in der zu heißen Temperatur des letzten Spätsommers, noch in der strengen Kälte des Winters, weder im Mangel an Zeit oder Stoff, noch in politischen Hindernissen; die einzige Ursache ist ein sonderbarer Prozeß, in welchen der Herausgeber verwickelt wurde, und vor dessen Beendigung er diesen zweiten Teil nicht folgen lassen wollte.

Kaum war nämlich der erste Teil dieser Memoiren in die Welt versandt und mit einigen Posaunenstößen in den verschiedenen Zeitungen begleitet worden, als plötzlich in allen diesen Blättern zu lesen war eine

Warnung vor Betrug

»Die bei Fr. Franckh in Stuttgart herausgekommenen ›Memoiren des Satan‹ sind nicht von dem im Alten und Neuen Testament bekannten und durch seine Schriften: ›Elixiere des Teufels‹, ›Bekenntnisse des Teufels‹, als Schriftsteller berühmten Teufel, sondern gänzlich falsch und unrecht; was hiemit dem Publikum zur Kenntnis gebracht wird.«

Ich gestehe, ich ärgerte mich nicht wenig über diese Zeilen, die von niemand unterschrieben waren. Ich war meiner Sache so gewiß, hatte das Manuskript von niemand anders als dem Satan selbst erhalten, und nun, nach vielen Mühen und Sorgen, nachdem ich mich an den infernalischen Chiffern beinahe blind gelesen, soll ein solcher anonymer Totschläger über mich herfallen, meine literarische Ehre aus der Ferne totschlagen und besagte Memoiren für unecht erklären?

Während ich noch mit mir zu Rate ging, was wohl auf eine solche Beschuldigung des Betruges zu antworten sei, werde ich vor die Gerichte zitiert und mir angezeigt, daß ich einer Namensfälschung, eines literarischen Diebstahls angeklagt sei und zwar – vom Teufel selbst, der gegenwärtig als Geheimer Hofrat in persischen Diensten lebe. Er behaupte nämlich, ich habe seinen Namen Satan mißbraucht, um ihm eine miserable Scharteke, die er nie geschrieben, unterzuschieben; ich habe seinen literarischen Ruhm benützt, um diesem schlechten Büchlein einen schnellen und einträglichen Abgang zu verschaffen; kurz, er verlange nicht nur, daß ich zur Strafe gezogen, sondern auch daß ich angehalten werde, ihm Schadenersatz zu geben, »dieweil ihm ein Vorteil durch diesen Kniff entzogen worden«.

Ich verstehe so wenig von juridischen Streitigkeiten, daß mir früher schon der Name Klage oder Prozeß Herzklopfen verursachte; man kann sich also wohl denken, wie mir bei diesen schrecklichen Worten zumute ward. Ich ging niedergedonnert heim und schloß mich in mein Kämmerlein, um über diesen Vorfall nachzudenken. Es war mir kein Zweifel, daß es hier drei Fälle geben könne: entweder hatte mir der Teufel selbst das Manuskript gegeben, um mich nachher als Kläger recht zu ängstigen und auf meine Kosten zu lachen; oder irgendein böser Mensch hatte mir die Komödie in Mainz vorgespielt, um das Manuskript in meine Hände zu bringen, und der Teufel selbst trat jetzt als erbitterter Kläger auf; oder drittens, das Manuskript kam wirklich vom Teufel, und ein müßiger Kopf wollte jetzt den Satan spielen und mich in seinem Namen verklagen.

Ich ging zu einem berühmten Rechtsgelehrten und trug ihm den Fall vor. Er meinte, es sei allerdings ein fataler Handel, besonders weil ich keine Beweise beibringen könne, daß das Manuskript von dem echten Teufel abstamme, doch er wolle das Seinige tun und aus der bedeutenden Anzahl Bücher, die seit Justinians Corpus juris bis auf das neue birmanische Strafgesetzbuch über solche Fälle geschrieben worden seien, einiges nachlesen.

Das juridische Stiergefecht nahm jetzt förmlich seinen Anfang. Es wurde, wie es bei solchen Fällen herkömmlich ist, so viel darüber geschrieben, daß auf jeden Bogen der Memoiren des Satan ein Ries Akten kam, und nachdem die Sache ein Vierteljahr anhängig war, wurde sogar auf Unrechtskosten eine eigene Aktenkammer für diesen Prozeß eingeräumt; über der Türe stand mit großen Buchstaben: »Acta in Sachen des persischen G. H. R. Teufels gegen Dr. H–f, betreffend die Memoiren des Satan.«

Ein sehr günstiger Umstand für mich war der, daß ich auf dem Titel nicht »Memoiren des Teufels«, sondern »des Satan« gesagt hatte. Die Juristen waren mit sich ganz einig, daß der Name Teufel in Deutschland sein Familienname sei, ich habe also wenigstens diesen nicht zur Fälschung gebraucht; Satan hingegen sei nur ein angenommener, willkürlicher, denn niemand im Staate sei berechtigt, zwei Namen zu führen. Ich fing an, aus diesem Umstand günstigere Hoffnungen zu schöpfen, aber nur zu bald sollte ich die bittere Erfahrung machen, was es heiße, den Gerichten anheimzufallen. Das Referat in Sachen des et cetera war nämlich dem berühmten Justizrat Wackerbart in die Hände gefallen, einem Mann, der schon bei Dämpfung einiger großen Revolutionen ungemeine Talente bewiesen hatte, und neuerdings sogar dazu verwendet wurde, bedeutende Unruhen in einem Gymnasium zu schlichten. Stand nicht zu erwarten, daß ein solcher berühmter Jurist meine Sache nur als eine cause célèbre ansehen, und sie also handhaben werde, daß sie, gleichviel, wem von beiden Recht, ihm am meisten Ruhm einbrächte? Hiezu kam noch der Titel und Rang meines Gegners; Wackerbart hatte seit einiger Zeit angefangen, sich an höhere Zirkel anzuschließen, mußte ihm da ein so wichtiger Mann, wie ein persischer geheimer Hofmann, nicht mehr gelten als ich Armer?

Es ging wie ich vorausgesehen hatte. Ich verlor meine Sache gegen den Teufel. Strafe, Schadenersatz, aller mögliche Unsinn wurde auf mich gewälzt, ich wunderte mich, daß man mich nicht einige Wochen ins Gefängnis sperrte oder gar hängte. Man hatte hauptsächlich folgendes gegen mich in Anwendung gebracht:

»Entscheidungs-Gründe
zu dem
vor dem Kriminalgericht Klein-Justheim
unter dem 4. Dezbr. 1825 gefällten
Erkenntnis
in der Untersuchungssache
gegen
den Dr. . . . . f wegen Betrugs.

1. Es ist durch das Zugeständnis des Angeklagten erhoben, daß er keine Beweise beizubringen weiß, daß die von ihm herausgegebenen ›Memoiren des Satan‹ wirklich von dem bekannten, echten Teufel, so gegenwärtig als Geheimer Hofrat in persischen Diensten lebt, herrühren. Ferner hat der Angeschuldigte . . . . f zugegeben, daß die in den öffentlichen Blättern darüber enthaltene Ankündigung mit seinem Wissen gegeben sei.

2. Die letztgedachte Ankündigung ist also abgefaßt, daß hieraus die Absicht des Verfassers, die Lesewelt glauben zu machen, daß »Die Memoiren des Satan« von dem wahren, im Alten und Neuen Testament bekannten und neuerdings als Schriftsteller beliebten Teufel geschrieben sei, nur allzu deutlich hervorleuchten tut.

3. Durch diese Verfahrungsart hat sich der Angeklagte . . . . f eines Betruges, alldieweilen solcher im allgemeinen in jedweder auf inpermissen Commodum für sich oder Schaden anderer gerichteten unrechtlichen Täuschung anderer, entweder indem man falsche Tatsachen mitteilt oder wahre dito nicht angibt – besteht; oder um uns näher auszudrücken, da hier die Sprache von einer Ware und gedrucktem Buch ist – einer Fälschung schuldig gemacht: Denn, durch den Titel ›Memoiren des Satan‹ und die Anpreisung des Buches wurde der Lesewelt fälschlich vorgespiegelt, daß das Buch ausdrücklich von dem unter dem Namen Satan bekannten, k. persischen Geheimen Hofrat Teufel verfaßt sei, was beim Verkauf des Werkes verursachte, daß es schneller und in größerer Quantität abging, als wenn das Büchlein unter dem Namen des Herrn . . . . f, so dem Publico noch gar nicht bekannt ist, erschienen wäre, und wodurch die, so es kauften, in ihrer schönen Erwartung, ein echtes Werk des Teufels in Händen zu haben, schnöde betrogen wurden.

4. Wenn der Herr Dr. . . . . f, um sich zu entschuldigen, dagegen einwendet, daß der Name Satan in Deutschland nur ein angenommener sei, worauf der Teufel, wie man ihn gewöhnlich nennt, keinen Anspruch zu machen habe, so bemerken wir Kriminalleute von Klein-Justheim sehr richtig, daß sich . . . . f auf den Gebrauch jenes angenommenen, übrigens bekanntermaßen den Teufel sehr wohl bezeichnenden Namen nicht beschränkt, sondern in dem Werke selbst überall durchblicken läßt, namentlich in der Einleitung, daß der Verfasser derjenige Teufel oder Satan sei, welcher dem Publico, besonders dem Frauenzimmer, wie auch denen Gelehrten durch frühere Opera, z. B. die ›Elixiere des Teufels‹ et cetera rühmlichst bekannt ist, wodurch wohl ebenfalls niemand anders gemeint ist, als der Geheime Hofrat Teufel.

5. Man muß lachen über die Behauptung des Inkulpaten, daß das in Frage stehende Opusculum, wie auch nicht destoweniger seine Anzeige, eigentlich eine Satire auf den Teufel und jegliche Teufelei jetziger Zeit sei! Denn diese Entschuldigung wird durch den Inhalt der Schrift selbst widerlegt; ja, jeder Leser von Vernunft muß das auch wohl eher für eine etwas geringe Nachäffung der Teufeleien, als für – eine Satire auf dieselben erkennen. Wäre aber auch, was wir Juristen nicht einzusehen vermögen, das Werk dennoch eine Satire, so ist durchaus kein günstiger Umstand für . . . . f zu ziehen, weil derjenige Käufer, der etwas Echtes, vom Teufel Verfaßtes kaufen wollte, erst nach dem Kauf entdecken konnte, daß er betrogen sei.

6. Außer der völlig rechtswidrigen Täuschung der Lesewelt, Leihbibliotheken et cetera, ist in der vorliegenden Defraudation auch ein Verbrechen gegen den begangen, dessen Name oder Firma mißbraucht worden; nämlich, und specialiter gegen den Geheimen Hofrat Teufel, welcher sowohl als Gelehrter und Schriftsteller, als von wegen des Honorars seiner übrigen Schriften, sehr dabei interessiert ist, daß nicht das Geschreibsel anderer als von ihm niedergeschrieben, wie auch erdacht, angezeigt und verkauft werde.

7. Wenn endlich der Angeklagte behauptet, daß er das Buch arglos herausgegeben, ohne das Klein-Justheimer Recht hierüber zu kennen, daß ihn auch bei der Fälschung durchaus keine gewinnsüchtigen Absichten geleitet hätten, so ist uns dies gleichgültig, und haben nicht darauf Rücksicht zu nehmen, denn Fälschung ist Fälschung, sei es, ob man englische Teppiche nachahmt und als echt verkauft, oder Bücher schreibt unter falschem Namen; ist alles nur verkäufliche Ware und kann den Begriff des Vergehens nicht ändern, weil immer noch die Täuschung und Anschmierung der Käufer restiert und zwar ebenfalls nichts destominder auch alsdann, wenn die ›Memoiren des Satan‹ gleichen Wert mit den übrigen Büchern des Teufels hätten (was wir Klein-Justheimer übrigens bezweifeln, da jener Geheimer Hofrat ist), weil dem Ebengedachten schon durch das Unterschieben eines fremden Machwerkes unter seinem Namen ein Schaden in juridischem Sinne sein tut.

Es ist daher, wie man getan hat, erkannt worden usw. usw.

Gez. Präsident und Räte des
Kriminalgerichtes zu Klein-Justheim.«

Hast du, geneigter Leser, nie die berühmten Nürnberger Gliedermänner gesehen, so, kunstreich aus Holz geschnitzelt, ihre Gliedlein nach jedem Druck bewegen? Hast du wohl selbst in deiner Jugend mit solchen Männern gespielt und allerlei Kurzweil mit ihnen getrieben, und probiert, ob es nicht schöner wäre, wenn er z. B. das Gesicht im Nacken trüge und den Rücken hinunterschaue, oder ob es nicht vernünftiger wäre, wenn ihm die Beine ein wenig umgedreht würden, daß er vor- und rückwärts spaziere, wie man es haben wolle. Das hast du wohl versucht in den Tagen deiner Kindheit und es war ein unschuldiges Spiel, denn dem Gliedermann war es gleichgültig, ob ihm die Beine über die Schulter herüberkamen oder nicht, ob er den Rücken herabschaute oder vorwärts, er lächelte so dumm wie zuvor, denn er hatte ja kein Gefühl, und es tat ihm nicht weh im Herzen, denn auch dieses war ja aus Holz geschnitzelt, und wahrscheinlich aus Lindenholz.

Aber selbst ein solcher Gliedermann sein zu müssen in den täppischen Händen der Klein-Justheimer Kriminalen! Sie renkten und drehten mir die Glieder, setzten mir den Kopf so oder so, wie es ihnen gefällig, oder auch nach Vorschrift des Justinian, drehten und wendeten mein Recht, bis das Kadaver vor ihnen lag auf dem grünen Sessionstisch, wie sie es haben wollten, mit verrenkten Gliedern, und sie nun anatomisch aufnotieren konnten, was für Fehler und Kuriosa an ihm zu bemerken, nämlich, daß er das Gesicht im Nacken, die Füße einwärts, die Arme verschränkt et cetera trage, ganz gegen alle Ordnung und Recht.

Ware, Ware! nannten sie deine Memoiren, o Satan, Ware! als würde dergleichen nach der Elle aus dem Gehirn hervorgehaspelt, wie es jener Schwarzkünstler und Eskamoteur getan, der Bänder verschluckte und sie herauszog Elle um Elle aus dem Rachen. Warenfälschung, Einschwärzen, Defraudation, o welch herrliche Begriffe, um zu definieren was man will. Und rechtswidrige Täuschung des Publikums, wer hat denn darüber geklagt? wer ist aufgestanden unter den Tausenden und hat Zeter geschrien, weil er gefunden, daß das Büchlein nicht von dem Schwarzen selbst herrühre, daß er den Missetäter bestraft wissen wolle für diese rechtswidrige Täuschung? O Klein-Justheim, wie weit bist du noch zurück hinter England und Frankreich, daß du nicht einmal einsehen kannst, Werke des Geistes seien kein nachgemachter Rum oder Arrak, und gehören durchaus nicht vor deine Schranken.

Traurig musterte ich das Manuskript des zweiten Teiles, der nun für mich und das Publikum verloren war; ich dachte nach über das Hohngelächter der Welt, wenn der erste nur ein Torso, ein schlechtes abgerissenes Stück, verachtet auf den Schranken der Leihbibliotheken sitze, trübselig auf die hohe Versammlung der Romane und Novellen aller Art herabschaue, und ihnen ihre abgenützten Gewänder beneide, die den großen Furor, welchen sie in der Welt machen, beurkunden, wie er seine andere Hälfte, seinen Nebenmann, den zweiten herbeiwünsche, um verbunden mit ihm schöne Damen und Herren zu besuchen, was ihm jetzt als einem Invaliden beinahe unmöglich war. Da wurde mir eines Morgens ein Brief überbracht, dessen Aufschrift mir bekannte Züge verriet. Ich riß ihn auf, ich las:

»Wohlgeborner, sehr verehrter Herr!

Durch den Oberjustizrat Hammel, der vor einigen Tagen das Zeitliche gesegnet, und an mein Hoflager kam, erfuhr ich zu meinem großen Ärger die miserabeln Machinationen, die gegen Euch gemacht werden. Bildet Euch nicht ein, daß sie von mir herrühren. Mit großem Vergnügen denke ich noch immer an unser Zusammentreffen in den Drei Reichskronen zu Mainz, und in meiner jetzigen Zurückgezogenheit und bei meinen vielen Geschäften im Norden komme ich selten dazu, eine deutsche Literaturzeitung zu lesen, aber einige Rezensenten, welche ich sprach, versichern mich, mit welchem Eifer Ihr meine Memoiren herausgegeben habt, und daß das Publikum meine Bemühungen zu schätzen wisse. Der Prozeß, den man Euch an den Hals warf, kam mir daher um so unerwarteter. Glaubet mir, es ist nichts als ein schlechter Kunstgriff, um mich nicht als Schriftsteller aufkommen zu lassen, weil ich ein wenig über ihre Universitäten schimpfte, und die ästhetischen Tees, und Euch wollen sie nebenbei auch drücken. Lasset Euch dies nicht kümmern, Wertester; gebet immer den zweiten Teil heraus, im Notfall könnet Ihr gegenwärtiges Schreiben jedermann lesen lassen, namentlich den Wackerbart, saget ihm, wenn er meine Handschrift nicht kenne, so kenne ich um so besser die seinige.

Ich kenne diese Leutchen, sie sind Raubritter und Korsaren, die jeden berühmten Prozeß, der ihnen in die Hände fällt, für gute Prise erklären, und wenn sie ihn fest haben in den Krallen, so lange deuteln und drehen, bis sie ihn dahin entscheiden können, wo er ihnen am meisten Ruhm nebst etzlichem Golde einträgt. Was war bei Euch von beiden zu erheben? Ihr, ein armseliger Doktor der Philosophie und Magister der brotlosen Künste, was seid Ihr gegen einen persischen Geheimen Hofrat? Denket also, die Sache sei ganz natürlich zugegangen, und grämet Euch nicht darüber. Was den persischen Geheimen Hofrat betrifft, der meine Rolle übernommen hat, so will ich bei Gelegenheit ein Wort mit ihm sprechen.

Hier lege ich Euch noch ein kleines Manuskriptchen bei, ich habe es in den letzten Pfingstfeiertagen in Frankfurt aufgeschrieben, es ist im ganzen ein Scherz und hat nicht viel zu bedeuten; doch schaltet Ihr es im zweiten Teile ein, es gibt vielleicht doch Leute, die sich dabei freundschaftlich meiner erinnern.

Gehabt Euch wohl; in der Hoffnung Eure persönliche Bekanntschaft bald zu erneuern, bin ich

Euer wohlaffektionierter Freund
Der Satan

Man kann sich leicht denken, wie sehr mich dieser Brief freute. Ich lief sogleich damit zu dem wackern Mann, der meine Sache geführt hatte, ich zeigte ihm den Brief, ich erklärte ihm, appellieren zu wollen, an ein höheres Gericht, und den Originalbrief beizulegen.

Er zuckte die Achseln und sprach: »Lieber, sie wohnen zusammen in einer Hausmiete, die Kriminalen; ob Ihr um eine Treppe höher steigen wollet, aus dem Entresol in die Beletage zu den Vornehmeren, das ist einerlei, Ihr fallet nur um so tiefer, wenn sie Euch durchfallen lassen. Doch an mir soll es nicht fehlen.«

So sprach er und focht für mich mit erneuerten Kräften; doch – was half es; sie stimmten ab, erklärten den persischen für den echten, alleinigen Teufel, der allein das Recht habe, Teufeleien zu schreiben, und – der Prozeß ging auch in der Beletage verloren.

Da faßte mich ein glühender Grimm; ich beschloß, und wenn es mich den Kopf kosten sollte, doch den zweiten Teil herauszugeben, ich nahm das Manuskript unter den Arm, raffte mich auf und – erwachte.

Freundlich strahlte die Frühlingssonne in mein enges Stübchen, die Lerchen sangen vor dem Fenster und die Blütenzweige winkten herein mich aufzumachen, und den Morgen zu begrüßen.

Verschwunden war der böse Traum von Prozessen, Justizräten, Klein-Justheim und alles was mir Gram und Ärger bereitete, verschwunden, spurlos verschwunden.

Ich sprang auf von meinem Lager, ich erinnerte mich, den Abend zuvor bei einigen Gläsern guten Weins über einen ähnlichen Prozeß mit Freunden gesprochen zu haben; da war mir nun im Traume alles so erschienen, als hätte ich selbst den Prozeß gehabt, als wäre ich selbst verurteilt worden von Kriminalrichtern und Klein-Justheimer Schöppen.

Ich lächelte über mich selbst! wie pries ich mich glücklich, in einem Lande zu wohnen, wo dergleichen juridische Exzesse gar nicht vorkämen; wo die Justiz sich nicht in Dinge mischt, die ihr fremd sind, wo es keine Wackerbärte gibt, die einen solchen Fund für gute Prise erklären, das Recht zum Gliedermann machen und drauflos hantieren und drehen, ob es biege oder breche; wo man Erzeugnisse des Geistes nicht als Ware handhabt, und Satire versteht und zu würdigen weiß, wo man weder auf den Titel eines persischen Geheimen Hofrats noch auf irgend dergleichen Rücksicht nimmt.

So dachte ich, pries mich glücklich und verlachte meinen komischen Prozeßtraum.

Doch wie staunte ich, als ich hintrat zu meinem Arbeitstisch! Nein, es war keine Täuschung, da lag er ja, der Brief des Satans, wie ich ihn im Traum gelesen, da lag das Manuskript, das er mir im Briefe verheißen. Ich traute meinen Sinnen kaum, ich las, ich las wieder, und immer wurde mir der Zusammenhang unbegreiflicher.

Doch ich konnte ja nicht anders, ich mußte seinen Wink befolgen, und seinen »Besuch in Frankfurt« dem zweiten Teile einverleiben.

Ich gestehe, ich tat es ungern. Ich hatte schon zu diesem Teile alles geordnet, es fand sich darin eine Skizze, die nicht ohne Interesse zu lesen war, ich meine jene Szene, wie er mit Napoleon eine Nacht in einer Hütte von Malojaroslawez zubrachte, und wie von jenen Augenblicken an, so vieles auf geheimnisvolle Weise sich gestaltet im Leben jenes Mannes, dem selbst der Teufel Achtung zollen mußte, vielleicht – weil er ihm nicht beikommen konnte, doch – vielleicht ist es möglich, dieses merkwürdige Aktenstück dem Publikum an einem anderen Orte mitzuteilen.

Noch war ich mit Durchsicht und Ordnen der Papiere beschäftigt, da wurde die Türe aufgerissen, und mein Freund Moritz stürzte ins Zimmer.

»Weißt du schon?« rief er. »Er hat ihn verloren.«

»Wer? was hat man verloren?«

»Nun, von was wir gestern sprachen, den Prozeß gegen Clauren meine ich, wegen des Mannes im Monde!«

»Wie? ist es möglich!« entgegnete ich, an meinen Traum denkend; »unser Freund, der Kandidatus Bemperlein? den Prozeß?«

»Du kannst dich drauf verlassen, soeben komme ich vom Museum, der Verleger sagte es mir, soeben wurde ihm das Urteil publiziert.«

»Aber wie konnte dies doch geschehen! Moritz! war er etwa auch in Klein-Justheim anhängig?«

»Klein-Justheim? Du fabelst, Freund!« erwiderte der Freund, indem er besorgt meine Hand ergriff; »was willst du nur mit Klein-Justheim, wo gibt es denn einen solchen Ort?«

»Ach«, sagte ich beschämt, »du hast recht; ich dachte an – meinen Traum.«


 << zurück weiter >>