Moritz Hartmann
Der Krieg um den Wald / 1
Moritz Hartmann

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Neuntes Kapitel.

Mit welch gleichmäßiger Klugheit haben die heiligen Brüder von der Gesellschaft Jesu überall ihre Behausungen gebaut! Jedes Kloster eine kleine Festung, von geistigen und steinernen Mauern umgeben. Jedes Kloster ein regelmäßiges rechtwinkeliges Viereck, dessen drei Seiten vom Wohngebäude gebildet sind, an welches sich als vierte Seite die Kirche anschließt. Der innere festgeschlossene viereckige Raum, der so entsteht, ist in einen Garten umgewandelt, auf welchen nur die Fenster der inneren langen, dunkeln, geheimnisvollen Gänge blicken und der jedes profane Auge ausschließt. Ein solcher Raum, ein solcher Garten ist notwendig. Dann kommt der scheinbar nicht notwendige Garten, der bloß der Obstzucht wegen da zu sein vorgibt und sich fast rings um das ganze Kloster zieht. Aber seine Mauern sind hoch, fest und sicher. Die Mauern endigen auf der einen Seite vor der Pforte des Klosters, auf der andern vor der Kirchenfassade, welche stolz und herausfordernd in die weltliche Welt hinausblickt. Aber vor der Klosterpforte ist noch durch Mauern ein Hof gebildet, welcher, wenn es not tut, auch durch ein Tor geschlossen werden kann. Nur der Raum vor der Kirchenfassade, mit den stolzen, breiten, hohen Kirchentreppen, ist frei. Die Heiligen in den Nischen und auf dem Steingeländer der Treppe sind ganz gute Schildwachen. Die äußere Gartenmauer ist womöglich noch von einem Flusse oder Teiche auf einer oder zwei Seiten bespült. Das ist ein Zufall, daß das Kloster just da am Wasser und nicht anderswo gebaut ist. Auch ist es ein Zufall, wenn es mit dem Hinterteil an irgendeinem steilen Abhange steht, wie eine alte Burg, was man gewöhnlich nicht bemerkt, wenn man es da ansieht, wo es zur Ansicht herausfordert, an der vorderen Seite. Außerdem liebt es die eine Seite, die nicht vom Wasser bespült ist oder nicht auf einem steilen Abhange steht, ins leere Nichts hinaus zu sehen, wo weder Dorf- noch Stadthäuser stehen, kurz, wo man ganz unbeobachtet ist, oder gar wo sich ein Gehölz, ein Wald, ein Gebüsch anschließt. Da ist gewöhnlich eine kleine unscheinbare Pforte angebracht, von der es heißt, daß sie fast nie geöffnet wird. Durch diese Pforte können Besuche einkehren, weltliche und geistliche, können Boten abgeschickt und empfangen werden, ohne daß es eine Seele im Dorfe oder in der Stadt nur ahnet. So ist jedes Jesuitenkloster, wie wir sagten, eine kleine Festung, die zwar keine lange Belagerung aushalten, aber einen möglichen Feind doch wenigstens so lange aufhalten kann, bis man Bücher, Papiere, Schätze oder andere dem weltlichen Auge nicht gut tuende Dinge entfernt hat.

So war auch das Jesuitenkloster von Oborschischt gebaut. Es hatte zwar keinen Fluß, aber auf der rechten Seite einen großen breiten Teich, um die Fische darin zu erhalten, die man doch an den vielen Fasttagen braucht – und hatte keinen Abhang, sondern einen kleinen Wald, der sich rückwärts dicht an die Gartenmauer anschloß, und eine Kirchenfassade, die glänzend, bunt, von heiligen Bildern dicht besetzt, mit vergoldeten Nimbusstrahlen und einer hohen, breiten, weißen Treppe weit hinaus glänzt ins christliche Land.

Auf all den Herrlichkeiten von Heiligenbildern, Nimbussen, Säulen und Säulchen, gemalten und ungemalten kleinen achteckigen, bleieingefaßten Scheiben, aus denen die hohen runden Fenster bestanden, spielten vergoldend die Morgensonnenstrahlen, daß die Kirchenfassade aussah wie eine große, künstlich gearbeitete Goldmonstranz, die der Pfaffe vor sich herträgt am Fronleichnamstage. Drin brummte die Orgel und tönte das Glöckchen des Ministranten, denn die heiligen Väter Jesuiten ließen sich durch den ketzerischen Feind nicht stören in ihren frommen Verrichtungen. – Übrigens hatte sich der ketzerische Feind jenseits eines Gehölzes bis gegen Langlhota, ungefähr eine Stunde weit gegen Obtschov zurückgezogen, und das Kloster war von gläubigen Bauern besetzt.

Die Frühmesse war zu Ende, die Gläubigen verließen die Kirche, Weiber und Kinder bekreuzten sich und gingen mit Verachtung an der Gestalt vorüber, die draußen auf der Treppe lag, denn die Gestalt war eine Zigeunerin, war Lunetta.

Sie hatte ihren Auftrag bei den Ribniker Helviten bestellt und folgte dann ihrem klugen Instinkte zum Kloster, um zu sehen, ob sie nicht hier Peter Buresch und seinen Verbündeten, den Helviten, nützen könne, denn Peter Buresch hatte ihr aufgetragen, zu tun, was sie für gut halte und, wenn nötig, auch ein wenig zu spionieren. So lag sie da, ermüdet von der nächtlichen Wanderung und dem Kampfe mit dem tollen Honsik und doch wachsam und aufmerksam, sozusagen mit einem schlafenden, einem wachenden Auge, die Gelegenheit zum Handeln erwartend. Man hatte ihr den langen, hageren, bleichen und schönen Pater Quirinus bezeichnet als den Mann, der bei dem hohen Alter des Superiors des größten Ansehens im Kloster genieße und dessen Angelegenheiten leite. Wenn es ihr nur gelänge, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen!

Ein Blick in die Kirche sagte ihr, daß er eben die Messe zelebrierte. Warte, bis er vielleicht herauskommt!

Der letzte Gläubige war eben die Treppe hinabgegangen. Lunetta streckte sich auf eine der mittleren Stufen hin, zog den einen kleinen im roten Pantöffelchen steckenden Fuß zurück, zeigte aber den andern um so deutlicher, indem sie ihn die Stufe hinabhängen und seine schöne volle, doch zarte Form sehen ließ, was das kurze Söckchen nicht verhinderte. Dann schob sie das Tuch vom Kopfe, ließ die dicken schwarzen Locken herabhängen, legte beide Hände unter den Nacken und tat, als ob sie schliefe, unbekümmert um die Sonnenstrahlen, die ihre blassen braunen Wangen mit einem sanften Rot überzogen und auf den feinen schwarzen Brauen glänzten. So erwartete sie den schönen, hageren Pater Quirinus.

Er ließ nicht lange auf sich warten. Lunetta hörte deutlich, wie die lange Kutte das Schiff der Kirche entlang schlürfte und sich näherte. Er muß in tiefe Gedanken versenkt einhergegangen sein, denn er merkte das Hindernis nicht, das ihm im Wege lag und trat gerade auf die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, während die Schlafende sich eben umwendete – wobei ihr ganzer Leib einer ringelnden Schlange oder einer sanften Welle glich. Erschrocken sprang der Pater Quirinus zurück.

Aber die Zigeunerin muß sehr schlaftrunken sein, denn sie merkt gar nichts, holt tief Atem, wobei sich ihre schöne Brust so gewaltig hebt, daß sie das dünne Samtleibchen zu sprengen droht, und schläft weiter.

Überrascht sieht Quirinus auf die Erscheinung nieder. Wie schön ist sie! Er kann den Blick nicht von ihr wenden. Er sieht sich um, er ist allein. Sachte schiebt er mit dem Fuß das Ende des Tuches zurück, das das halbe Gesicht Lunettas verdeckt. – Welche liebliche, kindliche Ruhe – welche Brauen, welche Locken! – So steht er einige Minuten.

Dann plötzlich wendet er sich – er will durch die Kirche und Sakristei auf seine Zelle zurück.

Aber noch einmal möchte er die langen Wimpern sehen, die sich auf den blassen Wangen so schön abzeichnen. Pater Quirinus malt in seinen Mußestunden und will sich den Effekt merken. Aber während er sich abgewendet, hatte die Schlafende wieder das Tuch über das Gesicht geworfen – der Pater versucht es wieder mit dem Fuße. Es geht nicht, die Schläferin hatte sich zu fest verhüllt. Er muß sich bücken und es mit der Hand versuchen.

Da erwacht die Zigeunerin. Rasch erhebt sie den Oberleib, reibt sich die Augen und blickt lächelnd zum erschrockenen Pater auf. Er hat sich schnell gefaßt und eine strenge Miene vor sein Gesicht geschoben. Lunetta läßt sich nicht stören, blickt immer schelmischer und beginnt zu kichern, während sie ihre Kleider in Ordnung zu bringen sucht und ihr Kopftuch mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit wie einen Turban ums Haupt windet.

Im schönen blassen Pater Quirinus beginnt es zu kochen. Doch bleibt er ruhig und streng. Er steckt die rechte Hand in die Brustfalte der Kutte und beißt sich die Lippen, ohne von Lunetta nur einen Blick wegzuwenden. Nach einer langen Pause erst fragt er mit fester Stimme:

Wer bist du?

Eine arme Zigeunerin, wie Ihr seht, ehrwürdiger Herr!

Und du läufst so allein in der Welt herum, ohne Mutter und Brüder?

Ganz allein, frei wie der Vogel in der Luft – ohne Mutter und Brüder.

Wie wagst du es, unglückselige Heidin, dich so ehrfurchtslos hierher zu lagern vor die heilige Kirche?

Eine unglückselige Heidin? – Ei, hochwürdigster Herr, ich bin eine ganz richtige gute Christin.

Du bist getauft?

Allerdings und von einem schönen, jungen Pater Jesuiten, der auf Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin auf der Debrecziner Pusta in Ungarn umherzog, um unglückselige, heidnische Zigeuner zu bekehren.

Bei euch unglücklichen Zikani ist selbst die Kraft der heiligen Taufe oft verloren, und auch du scheinst mir eine schlechte Christin.

Prüfet mich, ehrwürdiger Herr, fraget mich aus, und wenn ich nicht das Paternoster und Ave Maria und den Katechismus auf ein Pünktchen auswendig weiß, so will ich von jetzt bis Ostern kein Huhn wieder stehlen.

Der Pater Quirinus versank in einiges Nachdenken. Scharf prüfend sah er die Zigeunerin an, als ob er mit seinen Blicken ihre innersten Gedanken durchdringen wollte. Immer wollte er sprechen, immer hielt er wieder inne. Lunetta blickte immer schelmischer, kicherte wieder und verhüllte ihr Gesicht mit beiden Händen. So sprach sie halb leise vor sich hin: Ja, hochwürdiger Herr, prüfet mich – Ihr seid ein so schöner hochwürdiger Herr, daß ich alles Vertrauen zu Euch habe.

Schweig! rief der Pater Quirinus – aber bald fügte er hinzu: Nun gut, so folge mir, ich will dich auf die Probe stellen.

Und so eilte er, ohne Lunetta weiter anzusehen, mit großen Schritten über den Hof der Klosterpforte zu. Lunetta hüpfend und schwebend ihm nach. Pater Quirinus zog einen Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn sachte in das Schlüsselloch, sichtbar behutsam und vorsichtig. Doch hörte es der aufmerksame Pater Pförtner, der kleine, dicke, glatzköpfige Pater Procopius und eilte hinaus, selbst zu öffnen. Ein weinstrahlendes, gutmütiges, unschädliches Mondgesicht. Quirinus stampfte verdrießlich mit dem Fuße.

Wen habt Ihr da? – rief der Pater Pförtner verwundert.

Einen Sack voll Wenigkeiten für Eure Chronik, rief schnell gefaßt Quirinus, indem er auf die Zigeunerin zeigte.

Wie gütig seid Ihr, sagte der Pater Procopius, Ihr sorget immer für mich, denn Ihr seid weise und sehet ein, wie notwendig es ist für Mit- und Nachwelt, daß jedes Kloster seine Chronik und die Chronik der Umgegend schreibe. Unser Orden war ja immer die Heimat aller Wissenschaften. Was würde aus der Geschichte ohne Klosterchronik! Unser heiliger Orden hat der Welt schon große Theologen und Philosophen gegeben, wie Mariana, und Dichter wie Baldus, oder wie der Barde Sined, der eben jetzt zu unserem Ruhme und Preise blüht – die Welt soll unserem Orden auch einen großen Chronikenschreiber verdanken! Ihr wißt es, daß ich nur aus Liebe für die Chronikschreiberei den demütigen Posten eines Pförtners angenommen habe, der ich doch Kellermeister oder Archivar sein könnte, nur weil man an der Pforte, zwischen der profanen und geistlichen Welt sitzend, alles besser erfährt, was die Menschen tun und treiben, und was einmal vortreffliche Geschichtsquellen gibt.

Der Chronist wollte sich eben an Lunetta wenden, um sie auszufragen, als sie wie überrascht ausrief: War das nicht der tolle Honsik, der eben Holz in die Küche getragen hat? Also ist er glücklich angekommen mit seinem Briefe vom alten Mika?

Was weißt du davon? – fragte Quirinus erstaunt.

Komme ich doch eben aus Obtschov, antwortete Lunetta, wo ich beim Richter übernachtet habe. Der alte Mika ist sehr besorgt, ob sein Brief richtig angekommen, oder ob er von den Ribnikern aufgefangen worden ist. Zigeunerin, sagte er zu mir, suche soviel als möglich darüber zu erfahren und bringe mir Antwort. Du bist unverdächtig und kommst als Zigeunerin überall durch, während der tolle Honsik sich am Tage nicht zurückwagen kann.

Gut, sagte Quirinus, folge mir. Ich muß mit dir darüber sprechen – fügte er laut hinzu – Bruder Procopius, ich schicke dir sie in einigen Minuten wieder herunter.

Sie gingen die Treppe hinauf, am großen Kruzifix vorbei und durch einen langen Korridor.

Unglücklicherweise rief eben die Glocke ins Refektorium zum Frühstück. Aus allen Zellen kamen die Mönche hervor und sahen erstaunt oder lächelnd den Bruder Quirinus und seine Begleiterin an. Bruder Quirinus machte ein verdrießliches Gesicht, das sich auch nicht veränderte, als er mit Lunetta allein war in seiner Zelle.

Du mußt sogleich wieder fort, denn ich muß ins Refektorium.

Aber der alte Mika?

Hast du nicht gelogen in allem, was du von ihm sagtest?

Gelogen? – rief Lunetta verwundert – seid Ihr nicht jetzt wie mein Beichtvater, mein schöner Beichtvater, und ich werde lügen?

Das Gesicht des Mönches heiterte sich plötzlich auf. Ein tiefer Seufzer hob seine Brust, ein milder Zug, von einer gewissen Sehnsucht melancholisch angehaucht, umzog seinen Mund, während die Augen glühend auf Lunetta ruhten.

Gutes Kind, murmelte er – den Brief vom alten Mika – er nahm ein Papier vom Tische und trug es zu einem Schranke, wo er es sorglich verschloß – aufmerksam folgte ihm Lunetta, und merkte sich wohl das Schiebfach, in das er den Brief legte – den Brief vom alten Mika habe ich erhalten. Sage ihm, der Bote gehe schon heute oder spätestens morgen nach Prag ab.

Ich werde es wohl ausrichten, mein ehrwürdiger Vater.

Aber du mußt wiederkommen und mir sagen, ob der alte Mika nichts mehr zu bestellen hat – sagte Quirinus lächelnd, indem er sich Lunetta näherte und beide Hände zitternd auf ihre dicken Locken legte. Auch muß ich dich noch katechisieren – fügte er lächelnd hinzu.

Jawohl! – antwortete Lunetta mit undurchdringlicher Einfalt.

Sei nicht närrisch! – murmelte Quirinus und drückte den schönen Kopf an seine Brust. – Du bist so hold, so mild, so schön – wie liebe ich die Heiden!

Die Heiden? fragte Lunetta.

Ja, die Heiden! rief Quirinus. Fort, und heute nacht, um Mitternacht kommst du wieder, um mir Antwort zu sagen vom alten Mika und nebenbei, was die Ribniker zu tun gedenken, wenn du etwas davon erfährst. – Auch wenn du nichts erfährst und der alte Mika dir gar nichts zu sagen hat – du wirst durch die hintere Pforte am Walde hereingelassen. Schlag zwölf wird sich die Türe auftun, und ich werde dich erwarten.

So, hastig sprechend, drängte sie Quirinus zur Türe hinaus, und eilte mit schnellen Schritten hinab ins Refektorium, während Lunetta unten vom Pfaffen Procopius, dem Chronikenschreiber, aufgefangen wurde.

Halt da, kleine Hexe! – rief er – du entgehst mir nicht. Nicht eher tue ich dir die Türe auf, als bis du aufs kleinste erzählt, was du in Obtschov und Duschnik gesehen hast, wieviele sie schon totgeschlagen haben, wie der Teufelsbursche, der Peter Puresch aussieht, welche Pläne er hat, welche dummen Sagen sich die Bauern von ihm erzählen usw. usw. Ihr Zigeuner seid ja die verfluchtesten Spione und wißt immer am besten, was in der Welt vorgeht.

Er führte Lunetta in seine Zelle hart an der Eingangspforte, auf die er durch ein kleines Fensterlein blickte, nahm eine Feder in die Hand, und setzte sich vor ein großes Buch, das weißblättrig vor ihm auf dem Tische aufgeschlagen war, und machte sich bereit zu schreiben.

Lunetta nahm sich vor, dem frommen Pater Chronisten mancherlei aufzubinden, ohne sich lange aufhalten zu lassen, und begann kurz und geläufig zu erzählen:

Peter Buresch ist ein zwei Klafter hoher Mann, der so lange Arme hat, daß er einen Stein aufheben kann, ohne sich zu bücken. Man sagt, er habe am Hinterkopf unter dem Haar versteckt noch ein Auge, womit er sehen kann, was hinter ihm vorgeht. Ich weiß nicht. ob es wahr ist, aber das weiß ich, daß er nach hinten ebensogut schießt wie nach vornen, und niemals fehlt. Das kann freilich auch von den verzauberten Kugeln kommen, die er sich in der Türkei geholt haben soll.

Schöne, liebliche Sagen, murmelte lächelnd Pater Procopius, während er sich bemühte, alles genau aufzuschreiben – schöne liebliche Sagen, volksbeliebte Übertreibungen, die sich in einer Chronik ganz gut ausnehmen; taugen gar nichts als Quellen für den Geschichtschreiber, sind aber sehr charakteristisch. Was weißt du weiter, liebes Kind?

Peter Buresch soll sich dem Teufel verschrieben haben.

Das ist gewöhnlich, ist nicht neu und versteht sich fast von selbsten, sagte der Chronist. Was weißt du von seinen Gefechten?

Nichts, als daß er drein geht, als ob er kugelfest wäre.

Und von seinen Plänen? fragte Procopius immer weiter schreibend.

Daß er die Armen reich und alle Bauern frei machen will.

Der Dummkopf! lächelte der Pater – weiter, weiter!

Weiter weiß ich nichts, auch muß ich jetzt fort mit Aufträgen vom Pater Quirinus; aber wenn Ihr mir erlaubt wiederzukommen, hochwürdiger Herr, so verspreche ich Euch so viele Geschichten über die Duschniker und Obtschover mitzubringen, daß Ihr ein ganzes Buch damit vollschreiben könnt.

Du bist ein gutes Kind, sagte Procopius, komme so oft du willst und kannst, ich will dich auch für deine Mühe belohnen und dir einen Rosenkranz schenken, den der heilige Vater selbst geweiht hat. Komm morgen um diese Zeit wieder.

Das wird wohl nicht gehen, ehrwürdiger Vater, die ganze Gegend ist von den Ribnikern überschwemmt, und die könnten leicht bemerken, daß ich zu oft ins Kloster komme. Aber heute nacht will ich wiederkommen.

Kind, Kind! wo denkst du hin, rief der ehrwürdige Pater, wie kann ich ein weibliches Wesen in der Nacht ins Kloster lassen und gar durch die Haupttür? das ist gegen alle Regel!

Ihr lasset mich nicht zu Euch, Ihr lasset mich zum Pater Quirinus, dem ich Botschaft zu bringen habe – sagte Lunetta beruhigend.

Zum Pater Quirinus, das ist was anderes, der ist soviel wie unser Superior und kann alles erlauben.

Und in Kriegszeiten ist alles erlaubt – fügte Lunetta hinzu.

Ja, ist alles erlaubt – wiederholte Pater Procopius noch immer bedenklich und öffnete Lunetta die Türe und widersprach nicht, als sie hinaushüpfend noch zurückrief: Also heute nacht, um Mitternacht, poche ich mit tausend Neuigkeiten an diese Türe!

Tausend Neuigkeiten! murmelte der Pater – was sind die Zigeuner so brauchbare Leute! – Schade, daß sie haufenweise getauft werden, sie werden, fürchte ich, dadurch wie andere Leute, ungeschickt und unbrauchbar.

Die arme Zigeunerin hatte an dem Tage viel zu tun und zu laufen. Zuerst lief sie auf großen Umwegen, um nicht von Oborschischt aus bemerkt zu werden, zu den Ribnikern, um ihnen zu sagen. daß sie sich für heute nacht bereit halten sollen, daß sie einzelne Leute über Oborschischt hinaus auf die Prager Straße schicken, um den Boten aufzufangen, der etwa von den Jesuiten an die Regierung geschickt werden könnte, daß sie tun, als ob sie den Plan auf Oborschischt aufgegeben und sich auf Obtschov zurückzögen, um sich mit dem Ungarmichel zu vereinigen. Dann lief sie wieder den weiten, weiten Weg nach Hlubosch, wo sie Peter Buresch schon im Schlosse der Fürsten Schönborn zu finden hoffte, sie hatte ja die halbe Nacht von dort feuern gehört. Sie täuschte sich nicht – schon von ferne sah sie die Wachen ihres Herrn und Meisters vor dem Dorfe ausgestellt, vom Turme wehte die Fahne, die sich die Duschniker gemacht hatten: auf rotem Felde grob gemalt ein mächtiger Dreschflegel und rings herum die Inschrift: »Gleiche Schläge und gleiche Frucht!«

Es war ein harter Kampf, den Peter Buresch hier zu bestehen hatte. Der Fürst Schönborn, obwohl er selbst längst vor den Bauern und Franzosen geflohen war, hatte doch seine Leibgarde, das Zeichen seiner Fürstlichkeit, hier im Schlosse zurückgelassen, um es zu bewachen, denn er liebte es wie seinen Augapfel. Er hatte es auch zu einem wahren Zauberschlosse umgewandelt, nach dem Geschmacke der damaligen Zeit. Es war voll von wunderbaren Maschinen, unsichtbaren Türen, die nur der Eingeweihte zu öffnen verstand, geheimen Gängen, fliegenden Treppen, Falltüren, Wasserkünsten, Bächen, die mitten durch Saal und Schlafgemach murmelnd zogen; ein See und Bäder hoch oben im dritten Stock; mitten im Schlosse, wo man einen Saal zu finden hoffte, eine wilde Felsengegend mit Schluchten und Abgründen, Wasserfällen und Quellen. Gleich daneben, nur durch eine durchbrochene Grotte getrennt, ein paradiesischer Garten aus Asien mit Palmen, Kaktus und Lotos. Das alles von wunderbarer unerklärlicher Musik durchweht, wenn man unversehens auf eine kaum bemerkbare Feder trat oder diese und jene Blume berührte, oder sich in diese oder jene Laube setzte. Draußen im Garten von Baum zu Baum Saiten gespannt, die der Wind durchbebte, melancholische Töne hauchend. – Unter Schloß und Garten, wo man Keller suchte, geheimnisvolle Gemächer mit Altären, Vorhängen und allerlei Zieraten aus Ägypten und mit den Handwerkszeichen des Maurers, Kelle, Hammer, Zirkel, Blei und Winkelwaage, über den Türen das Dreieck, das Symbol der Gleichheit, das sich allerdings in Gestalt und Absicht sehr unterschied von dem Zeichen der Gleichheit auf der Fahne der Duschniker Bauern.

Die Bauern hatten viel zu sehen und zu staunen. Dort saßen sie in dem großen gewölbten Saal im Garten und lachten und wunderten sich, wie man an dem einen Ende ganz deutlich hörte, was man am andern Ende nur leise flüsterte. Der Schloßverwalter mußte alle Wasserkünste springen lassen und sie badeten in den Seen, Bächen und Bassins unter Palmen, Lotos und Kaktus. Ebenso mußte der Schloßverwalter die unsichtbare Musik spielen lassen in allen Sälen und Türmen auf einmal – die Uhren spielten, die Mauern spielten, die Wasserfälle, Bäume, Blumen spielten, alles toll durcheinander: Kirchenmusik, Gavotte, italienische Opernarien – ungehört verhauchten dazwischen die Äolsharfen und die Saiten zwischen den Bäumen des Gartens ihre sanften, melancholischen Klagetöne.

Aber man gewöhnt sich an alles. Hinter den Isistempeln unter dem Schlosse wurden endlich auch die Keller entdeckt, wo der Fürst seine Weine aus Franken aufbewahrte, und so lag man da im Felsensaale, im asiatischen Pflanzhause, im Garten beim vollen Krug und mischte noch die traurigen Lieder des Volkes von Böhmen in das Chaos von Tönen, das von allen Seiten zusammenwogte.

Der Chronist Procopius aus dem Oborschischter Kloster, wenn er das alles erzählt, wird wohl mit etwas Hohn auf den freimaurerischen Fürsten Schönborn die Frage hinzufügen, ob Seine Freimaurerische Durchlaucht mit Seinen Winkelwagen und Dreiecken die Gleichheit so verstanden habe, wie sie die Bauern verstanden?

Peter Buresch selbst fand Lunetta mitten im Garten sitzend, auf einem Haufen schimmernder Waffen, die in dieser Nacht der fürstlichen Leibgarde abgenommen worden. Er sprach zu den Bauern des Dorfes, die demütig und erschrocken vor ihm standen, und suchte sie zu überreden, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen und sich dem Kampfe, der, wie er hoffte, bald ein allgemeiner werden sollte, anzuschließen. Die Bauern schüttelten bedenklich den Kopf und meinten, sie hätten es beim Fürsten gut genug gehabt – einzelne lächelten lüstern bei der Aussicht auf Beute, die ihnen Peter Buresch schön auszumalen verstand, und griffen auch zu den Waffen, die er ihnen anbot, und schlugen ein. Alles das, während unfern von dort in einer düsteren Baumrotunde die Toten dieser Nacht verscharrt wurden und der Lärm der Schaufeln und Spaten sonderbar genug abstach von dem Lärm, den die tolle Musik und die singenden Bauern im Schlosse verursachten.

Als Peter Buresch Lunetta erblickte, ging er ihr entgegen und führte sie in eine dunkle Seitenallee, um hier ihren Bericht zu hören. Lunetta erzählte schnell und kurz, was sie bestellt, gesehen und erfahren hatte. Als sie von dem Briefe des alten Mika an die Jesuiten sprach, stieß Peter Buresch einen wilden Schrei der Überraschung aus und griff unwillkürlich nach der Pistole. Aber schnell ließ er wieder die Hand sinken. Ein epileptisches Zucken verzerrte sein ganzes Gesicht, krampfhaft drehten sich die Arme nach innen und hingen wie angenagelt fest am Leibe. Er reckte sich hoch und gewaltig wie ein Sterbender, und blieb auf den Fußspitzen stehend an einen Baum gelehnt, wie ein Toter.

Lunetta fuhr bei diesem Anblick erschrocken zusammen und lag, sie wußte nicht wie, zusammengekauert und wimmernd zu seinen Füßen. Sie kannte diese Zeichen der höchsten Wut, die sich bei Peter Buresch von Zeit zu Zeit einzustellen pflegte, und wagte keine Liebkosung, keinen Laut, keine Berührung, denn, so hieß es, es war nicht gut, in solchen Augenblicken Peter Buresch zu berühren und ihn zu erinnern, daß ein menschliches Wesen in seiner Nähe weile.

Nach und nach, und schneller als sonst, löste sich die Erstarrung, die Arme hingen schlaff herab, die blassen Lippen begannen zu zittern, die Augen bewegten sich wieder. Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirne. während ein langgedehntes Oh! wie ein schmerzlicher Seufzer seiner Brust entstieg.

Schnell besann er sich wieder auf alles, was ihm Lunetta gesagt hatte. Fort! rief er, und Lunetta, als sie ihn wieder sprechen hörte, schnellte vor Freude vom Boden auf und schürzte das Röckchen, um wieder zu laufen.

Fort! wiederholte Peter Buresch und suchte sich zu sammeln. – Heute noch muß das Kloster genommen sein, alle Pfaffen gehenkt – den Brief muß ich haben – der Ungarmichel zündet heute nacht Obtschov an – fort!

Fort! wiederholte Lunetta und sprang wie ein Reh, das gejagt wird, durchs Gebüsch, dann, um gleich den kürzesten Weg zu nehmen, über die Gartenmauer.

Arme Lunetta, wieviel hast du wieder zu laufen, ohne daß dir eine Minute Rast gegönnt ist! Aber du läufst immer, und es fällt dir nicht ein, deinen Herrn der Härte, der Grausamkeit anzuklagen. Du läufst immer, du springst, du schlüpfst wie eine Schlange, unaufgehalten von Hügeln, Bächen, Gebüschen, steinigen Wegen. Es fällt dir nicht einmal ein, die blutigen kleinen Füße in der Waldquelle zu baden, wie sehr sie dich murmelnd lockt und zur Erfrischung einladet. Du läufst immer, und wenn du fällst, wenn du vor Müdigkeit zusammensinkst, schnellst du wieder auf wie eine Schlange und wirfst dich wie eine Schlange mit vorgebogenem Leibe immer vorwärts, immer weiter.

Schon ist es dunkel, als sie, trotz Obtschover und Wachen, hinter dem Meierhofe steht und dem Ungarmichel den Befehl ihres beiderseitigen Herrn und Meisters zuflüstert – und dicke Nacht liegt auf den Wäldern, als sie ins Lager der Ribniker Ketzer kommt.

Dort kommandieren Hynek Jarmilo, der Ribniker Ketzer, und der gute Christ Slavik, der Einäugige, den ihnen Peter Buresch geschickt hat.

Es ist Mitternacht, tiefe dunkle Mitternacht. Die Ribniker Ketzer schleichen sich sachte aus dem Walde heraus – es ist bei Todesstrafe verboten, einen Laut von sich zu geben, den der dritte Mann hören könnte. Die größte Vorsicht ist nötig, denn das Kloster ist vollgestopft von Oborschischter Bauern.

Hynek Jarmilo kann nicht umhin seine Besorgnis darüber zu äußern, aber Lunetta beruhigt ihn, indem sie ihn versichert, daß die Hintertüren ohne Wachen seien und daß die Hauptpforte sich willig öffnen werde.

Vor dem Teiche teilte sich die ganze Schar in zwei Haufen unter Slavik und Jarmilo. Beide wissen, was sie zu tun haben. Slavik folgt mit seinem Haufen Lunetta um den Teich herum in das Wäldchen, das sich an die hintere Klostermauer anschließt.

Es ist tiefe dunkle Mitternacht – der Mond will nicht aus den Wolken heraus. Wie die kleine Pforte finden? Umsonst strengt Lunetta ihre dunkelgrünen Zigeuneraugen an, die doch sonst im Dunkeln sehen – Slavik hat nur ein Auge. Sie suchen, sie spähen – umsonst! – Die hinteren Klosterpforten sind so unscheinbar, so gut versteckt.

Da steigt hinter dem Walde eine dunkle Röte auf – sie steigt immer höher und höher – sie wird immer heller und heller – sie dringt durch die dichtesten Zweige – schon scheiden sich die Bäume, schon kann man das Moos am Grunde erkennen. Ein Blitz! und Himmel und Erde liegen in zitternder Dämmerung.

Ha, Ungarmichel, du leuchtest gut und zur rechten Zeit! ruft Lunetta in wilder Freude.

Schon hat sie die Pforte entdeckt und springt darauf zu – der einäugige Slavik mit seinem Haufen ihr sachte nach auf dem moosigen Boden.

Lunetta pochte leise dreimal an die Türe.

Wer ist draußen? fragte eine gedämpfte Stimme im Garten.

Ich bin es, ehrwürdiger Vater, Euer treues Beichtkind, mit Nachrichten vom Richter Mika.

Der Schlüssel stak schon im Loche, er wurde nur noch gedreht – Lunetta trat indessen zurück und Slavik, mit seiner Schar hinter sich, an ihre Stelle.

Die Türe tut sich leise auf – ein gewaltiger Stoß von Slavik und sie fliegt weit zurück und aus den Angeln. Slavik dringt ein mit Geschrei, ihm nach der ganze Haufe. Aber die Ribniker Ketzer drängen zu sehr; sie können es nicht erwarten, ihren Fuß auf geweihten Boden zu setzen – aus dem Gedränge in der Pforte stürzen sie, von den Hintersten gestoßen, vorwärts auf Slavik, der sich nicht halten kann und hinfällt mit dem Gesichte zur Erde. Das rettet den Pater Quirinus. Umsonst greift Slavik nach ihm. Er eilt, Verrat! Überfall! rufend ins Kloster zurück und verschwindet. Aber Slavik hat sich wieder aufgerafft und eilt mit seinen Ketzern nach.

Schon steht Lunetta an der Hauptpforte, an der Pforte des Chronisten Procopius.

Auf, ehrwürdiger Vater, ruft sie – aufgemacht! und schlägt mit der Faust an das kleine Fenster seiner Zelle, das auf den kleinen Gang vor der Pforte führt. Aufgemacht! wunderbare Neuigkeiten!

Was soll der Lärm? – was soll das Licht? – fragt der ehrwürdige, dicke Pater Procopius, indem er sein Vollmondgesicht erhebt, das süß schlummernd auf dem Buche seiner Chronik ruhte.

Alles sollt Ihr wissen, nur schnell aufgemacht!

Bist du es, Teufelskind?

Er wackelt hinaus und legt die Hand ans Schloß: Bist du allein? fragt er noch einmal und horcht bedenklich nach dem dumpfen Geräusch, das durch die Gänge vom hinteren Kloster herüberdringt.

Ganz allein! – wie anders? – Schnell aufgemacht, ich muß zum Pater Quirinus mit wichtiger Botschaft aus Obtschov, das brennt! Aufgemacht ohne Zaudern, sonst wird Pater Quirinus böse.

Pater Quirinus wird böse? – Du hast Neuigkeiten? – murmelt der ehrwürdige Pförtner schlaftrunken und schiebt schnell den Riegel fort. Jarmilo faßt die Türe.

Da erschallt eine gewaltige, allen Lärm durchdringende Stimme aus der Mitte des Klosters: In foramina, fratres! – was lateinisch ist und zu deutsch bedeutet: in die Löcher, Brüder! und von den Bauern nicht verstanden wird. Auf diesen Ruf fährt Pater Procopius einen Moment erschrocken zurück, faßt sich aber sogleich wieder, macht einen Sprung in den dunkeln Gang und es ist, als hätte ihn der Erdboden verschlungen.

Furchtbarer Lärm durchtobt das ganze weitläufige Gebäude, dumpf rollend durch die langen, widerhallenden Gänge. Fluchen, Schreien, Drohen, Waffengeklirr, einzelne Schüsse, eingerannte Türen. Einen Augenblick erdröhnt auch die Glocke des Klosters – verstummt aber sogleich wieder, da ein Ribniker Ketzer dem Oborschischter Gläubigen nachgeeilt ist und ihn, wie er den Glockenstrang in der Hand hält, niedersticht. Die treuen Oborschischter Bauern, die Besatzung des Klosters, sammeln sich im großen Konventsaal. Aber was sollen sie beginnen, da man auf beiden Seiten auf sie einstürmt und von der Höhe der Treppen, die in den tiefen Saal führen, scharf geladene Büchsen auf sie richtet, mit dem Rufe: Wir haben nichts gegen euch, wir sind Bauern wie ihr, wir sind Brüder. – Das ganze Kloster ist ja voll von Ketzern und sie selbst sind umringt. Sie strecken die Waffen, viele gehen waffenlos und traurig von dannen, viele bleiben auch, um die Beute und den Weinkeller zu teilen.

Die Zellen der Mönche werden mit Kolbenstößen erbrochen – sie sind alle leer, obwohl die Betten noch warm sind.

Lunetta eilt mit Slavik in des Pater Quirinus Zelle – auch er ist fort, sein Bett noch unberührt. Lunetta stürzt auf den Winkel los, wo der Schrank steht, in welchen Pater Quirinus Mikas Brief gelegt hat. Auch der Schrank ist fort. Alles ist überall verschwunden: Mönche, Schriften, Schätze. Der Ruf: in foramina! hat seine Wunder getan. Mag man noch so sehr suchen, Türen erbrechen, Dielen aufheben, in jeden Winkel leuchten – es ist alles umsonst. Was man sucht, ist verschwunden. Die Chronik des Pater Procopius ist fast das einzige. was man an Schriften gefunden hat. Die Bauern werden sich in den nächsten Tagen vom einäugigen Slavik daraus vorlesen lassen und erstaunen über die Geschichten und Wunder, die sich in ihrer Nähe zugetragen, ohne daß sie eine Ahnung davon hatten.

Lunetta durchsucht die ganze Zelle des Pater Quirinus, in jedem Winkel sucht sie, hinter allen Möbeln – an jede verdächtige Stelle drückt sie, ob sich nicht eine verborgene Tür dort auftue – umsonst, alles umsonst. Hände, Augen, alles tut ihr wehe, der Kopf brennt ihr fieberhaft. Sie muß es aufgeben. Wild weinend wirft sie sich endlich auf das Bett des Paters und weinend schläft sie ein, matt und müde von den Anstrengungen eines Tages und zweier Nächte.


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