Moritz Hartmann
Der Krieg um den Wald / 1
Moritz Hartmann

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Viertes Kapitel.

Guter Junge, braver Junge, kluger Junge! Spione sind ein notwendiges Ding. Prinz Eugen hatte immer viele Spione, und Lunetta wird ein trefflicher Spion. Kluger Junge, mein Peter; wird ein großer General! – so murmelte der Alte vom Hammer, nachdem Lunetta im Walde verschwunden war, während sein Sohn die Schar musterte, die indessen aus dem Dorfe mit prächtigen Büchsen bewaffnet zurückgekommen war. Mit besonderem Vergnügen nahm er dem oder jenem seine Waffe aus der Hand, wog sie lächelnd in der Luft, ließ sie im Mondschein glänzen, legte an und zielte, indem er kurz die Geschichte jeder einzelnen erzählte: Die stammt aus den kaiserlichen Waldungen von Zbirow und gehörte weiland einem Herrn Oberamtmann; die nannte seine fürstliche Durchlaucht Colloredo Mansfeld von Dobrzisch ihren gnädigen Herrn, meine Lunetta fand sie im Grase liegend, während Durchlaucht im Gebüsche eine Untertanin beglückten; die heißt die Stille, denn sie macht keinen Lärm, wenn sie einen Förster niederstreckt und ist ein Erbstück meines alten Meisters, des deutschen Kurt, der in Prag gehängt worden und jetzt noch in den Pirglitzer Wäldern umgeht; das ist die Tausendgliedrige, man kann sie in tausend Stücke zerlegen und sie ruhig in der Hosentasche tragen, während man mit dem Förster ein Glas Bier trinkt; ein herrliches Kunstwerk, in Wien bestellt von einem unschuldigen Fuhrmann aus Krummau und gebraucht, die Wälder des Herzogs in aller Unschuld zu entvölkern.

So wußte Peter Buresch fast von jeder der aus der Verborgenheit auferstandenen Büchsen eine kurze Geschichte zu erzählen, und es ging aus seinen Worten hervor, daß die Bewaffnung der geheimen Raubschützen auf Duschnik ganz oder größtenteils von ihm ausgegangen war. Die Jungens hörten ihm mit besonderem Vergnügen zu und lachten zu jeder Geschichte und freuten sich, Waffen zu besitzen, die schon eine solche Vergangenheit für sich hatten. Überhaupt waren sie seit dem Augenblicke, da Peter Buresch sie vom Geheimnisse erlöst und sie sich in ihrer wahren Gestalt zeigen konnten, ganz andere Bursche geworden. Sie blickten keck um sich, sangen und sprangen, schlossen mit den unheimlichen Begleitern ihres Chefs schnelle Freundschaft und schienen die andern Bauern, in deren Reihen sie noch vor einer Stunde ebenso stille und untätig gelegen, wie diese selbst, mit gleicher Nichtachtung wie die andern Raubschützen zu betrachten.

Nachdem die Musterung vollendet war, befahl Peter Buresch der ganzen Schar, ihm tiefer in den Wald zu folgen. Da erhob sich Kinnich von seinem Lager. Alles was vor seinen Augen geschehen war, hatte ihn etwas nüchterner gemacht – doch taumelte er noch, als er mit gravitätischen, befehlshaberischen Schritten Peter Buresch, der seine Macht an sich riß, entgegenging.

Halt! rief er mit ergrimmter Stimme, ihr habt hier niemandem zu gehorchen als mir, der ich von euch allen gewählt bin – halt und höret auf meine Befehle!

Ein lautes Hohngelächter antwortete ihm und mit diesem Hohngelächter war Martin Kinnich seines Führeramtes in der Tat entsetzt, ebenso wie Peter Buresch von diesem Augenblick an der wirkliche Führer war, denn nicht nur folgten ihm die Ordensbrüder, auch die andern Bauern erhoben sich mit ihren Waffen und folgten ihm nach und gehorchten ihm, teils aus Neugierde, um zu sehen, was dieser Verwegene beginnen werde, teils aus Verachtung gegen Kinnich, der doch ersetzt sein mußte. Dieser blieb allein zurück und ballte die Faust und biß das Gras vor Wut, als sie über die Wiese hingingen und lautlos sich im Dunkel des Föhrenwaldes jenseits der Wiese verloren.

Erst ungefähr vierhundert Schritte vor dem Dorfe Dubna wurde Halt gemacht. Vor diesem Dorfe machte ein großer, von Felsenblöcken bedeckter Rasenplatz einen tiefen Einschnitt in den Wald, der sich in einem Halbkreis herumzieht, links in weiter Ferne verläuft, rechts von einem Felskamme durchschnitten wird, welcher der Dubnaberg heißt und zu jener Zeit von Schluchten durchrissen war und hohe Felsspitzen gen Himmel streckte. Jetzt sind die Schluchten durch die herabgestürzten Felsspitzen ausgefüllt und darüber blüht ein junger hellgrüner Wald.

Peter Buresch ließ sein ganzes Gefolge am Ausgange des Waldes halten und ging nur mit wenigen voraus. Von seinem Felsblock aus blickte er mit seinen scharfen Augen dem Dorf Dubna entgegen, von wo aus heute die Obtschover Jugend kommen sollte. Er bemerkte nichts. – Doch ließ ihn das späte Licht, das noch im Wirtshause leuchtete, auf Vorbereitungen schließen und er setzte sich auf den Felsblock hin, seine Begleiter neben ihm, sitzend, stehend, alle mit angestrengtem Blicke das Licht im Wirtshause beobachtend. Tiefe Stille. Der Mond leuchtete so lieblich, ein warmer Lufthauch durchzog die Bäume – die Gemüter der Bauern, die ausgezogen waren, um einen neuen Kampf zu beginnen, wurden von der Friedlichkeit angesteckt und die meisten dachten an Haus und Hof und Feld, oder betrachteten die weißen Wölklein am Himmel und ihre sonderbaren Gestaltungen – die wenigsten dachten an Tod und Totschlag.

Nicht am wenigsten friedlich gesinnt war Peter Buresch selbst, wenigstens war es die eine Hälfte seiner Seele. Er haßte die Beamten und Herrschaften, die Bauern waren ihm gleichgültig, aber den Winkel der Erde, in welchem sein Duschnik lag, liebte er und mit ihm alles, was darin wohnte. Daß die Obtschover Bauern Holz stahlen, daran lag ihm so wenig, als daran, daß der Fuchs Hühner stiehlt – im Gegenteil liebte er den Fuchs. Was soll dabei herauskommen? fragte er sich. Die arme Obtschover Jugend kommt heute, sich einen Spaß zu machen – höchstens sollte man sie dafür prügeln, aber totschießen? Entweder man fängt die Geschichte gar nicht an, oder sie muß groß und gewaltig werden, hundert, tausend Dörfer müssen aufstehen und die Grafen totschlagen und ihre Knechte, und die Schlösser anzünden – oder man läßt die Geschichte sein. Eine wilde Sau zu schießen macht mehr Freude als hundert solcher Bauern. Vielleicht aber ist's ein Anfang.

So denkend und erwägend, bald große Pläne aus der kleinen Geschichte spinnend, bald wieder unzufrieden mit ihrer Unbedeutendheit, entschlossen sie aufzugeben, lag Peter Buresch auf dem Felsen da wie ein Jagdhund, streckte sich, legte das Knie auf die übereinander gefaltenen Hände und spähte in die Nacht hinaus, hinauf auf die mondbeglänzten Felsen.

Da drang von dorther ein sonderbarer Ton durch die Luft: Gebell, Gekläff, hell und durchdringend, wenn auch durch die Ferne etwas gedämpft.

Füchse! sagte Peter Buresch vor sich hin und blickte mit freudigem Gesichte hinaus zu den Felsen, ungefähr wie man einem besonders lieben Freunde entgegensieht.

Füchse! lispelte der Ungarmichel, der kurze Hannes, der einäugige Slawik und die andern Freunde Peter Bureschs, die sich beim ersten Tone gleich dem Steine genähert hatten, auf dem er lag.

Da kommt einer! sagte Peter und deutete auf den Felsen. Wirklich stand einer hoch oben auf dem Felsenkamme und sah sich klug nach allen Seiten um, schnupperte in der Luft umher und gab ein Zeichen durch lautes Kläffen. Darauf kam sogleich ein zweiter Fuchs heraus und ein dritter und vierter und fünfter.

Das ist die Frau Gemahlin – wisperte der kurze Hannes.

Und das die jungen gnädigen Herren – fügte der einäugige Slawik hinzu. Herrliche Kerle! Was ist ein Bär, ein Wolf, was ist ein Sechzehnender gegen so einen Fuchs, diesen prächtigen Schurken?

Hast sie auch so lieb, Einäugiger? fragte Peter Buresch mit Wohlgefallen – ich sage euch, das Herz wuppert mir im Leibe, wenn ich so 'n Kerl seh'!

Aber das Gespräch der Wilddiebe verstummte plötzlich und ihre Freude ging in Erstaunen über. Die Zahl der Füchse vermehrte sich fort und fort. Der ersten Familie folgte eine zweite, dritte, vierte – ein langer, langer Zug von Füchsen, der aus den Schluchten hervorkam und auf der Scheibe des Kamms dahinzog, schweigend, behutsam sich umsehend, auf jedes Zeichen horchend, das der erste oder der letzte des Zuges durch einen einfachen Anschlag gab. – Es war ein wunderbarer Anblick, der vielleicht höchst komisch gewesen wäre, wenn ihm der Mondschein, die Feierlichkeit und die Stille des Aufzuges nicht etwas Schattenhaftes gegeben hätte. Wie sich die Gestalten der Füchse, die in langer Reihe einer nach dem andern auf dem Felsenkamm dahinzogen, so scharf an dem hellen Himmel im Hintergrunde abschnitten, daß, freilich farblos, aber doch genau die spitze Schnauze, die feinen Ohren, die flinken Füße, der lange, gravitätische Schleppenschweif – fast könnte man sagen bis auf ein Härchen zu unterscheiden waren, da glich der ganze Zug in der Tat einer Geistererscheinung, einem Spuk von Tiergeistern. Auch machte es auf die lauschenden Bauern und Wilddiebe den Eindruck eines Wunders, eines Spukes, denn sie lagen schweigend da, wie gebannt, ohne Laut und ohne Regung. Erst als der letzte Fuchs des Zuges, nachdem er sich noch einmal nach den Schluchten umgesehen, jenseits des Kammes verschwunden war, rief Peter Buresch erschrocken aus: Was ist das? das ist ein Wunder, ein Zauber! Das ist mir noch nie geschehen!

Das ist weder ein Wunder noch ein Zauber, antwortete ruhig einer der Bauern, die sich indessen genähert hatten, um das Schauspiel besser betrachten zu können. Das ist eine ganz natürliche Geschichte. Die Obtschover Diebe haben das ganze Gehölz in den Schluchten ausgereutet, so daß die Löcher alle und die Fuchsbaue offen daliegen; so fühlen sich die Bestien nicht mehr sicher und wandern aus. Auch mag sie der Lärm, den wir seit einiger Zeit im Walde verführen, gestört haben – gut für unsere Hühner und Gänse.

Nicht so zufrieden, wie der Bauer, war Peter Buresch mit der Auswanderung der Füchse. – Was, rief er mit dem Tone des Jammers und Klagens, was, der Fuchs, das teure Tier, mein liebster Freund, der Advokat des Waldes, der herrliche Räuber, der verschmitzte Wilddieb – er wandert aus aus meiner Heimat? Was sind mir nun die Wälder und Schluchten meiner Heimat ohne Füchse? Warum bin ich nach langen Wanderungen immer wieder hieher zurückgekehrt, wenn nicht ihretwegen? Was ist mir nun dieses elende Dorf mit seinen erbärmlichen Hütten? was sind mir diese Kiefern, was diese Felsen ohne Füchse?

Und Peter Buresch wälzte sich in Wut und Jammer auf dem Steine, grub mit den Händen im Moose und biß ächzend vor Ingrimm in die Wurzel, die ihn bedeckte. Dann sprang er mit einem Male auf und ballte die Fäuste gen Obtschov hin. Wie er dastand auf dem Felsen, zitternd vor Wut, mit ausgestrecktem Arm, glich er einem heidnischen Priester aus der alten Slawenzeit, der, auf dem Opferstein stehend, den Fluch aussprechen will über ein ganzes Land. – Beim heiligen Hubert und seinem Hund, rief er mit gellender Stimme, beim Hirsch der heiligen Emerenzia, beim Reh der heiligen Genoveva, bei den Geistern aller meiner Verfolger, die ich im Dunkel des Waldes darniederstreckte, bei den Seelen all des edeln Wildes, das ich erlegte und die unsterblich sind, wie Menschenseelen, schwöre ich es: ich will mich rächen, daß man von meiner Rache sprechen soll, solang' ein Baum auf diesem Grunde wurzelt, ich will den Obtschovern die Seele aus dem Leibe jagen, wie Dachse aus dem Bau, und sie heimatlos machen wie die armen Füchse, die heulend in die Fremde ziehen!

Das Licht in Dubna ist verschwunden, die Obtschover kommen, lispelte der Ungarmichel.

Schnell ans Werk! rief Peter und sprang vom Steine. Er riß sein Pulverhorn von der Seite und verteilte den Inhalt schnell an die bewaffneten Bauern. Dann teilte er sie eilig in mehrere Rotten und gab ihnen die einzelnen Wilddiebe, die mit ihm gekommen waren, zu Führern. Dann führte er sie vorwärts und versteckte sie auf beiden Seiten des grünen Platzes hinter den Felsstücken – ebenso verteilte er sie vorn am Eingange des Waldes, so daß sie alle zusammen ein Hufeisen bildeten, das gegen Dubna zu offen war. Ihr lasset sie ruhig in den Halbkreis hereinrücken, befahl er, bis sie an den Stein kommen. auf dem ich liegen werde. Ich schieße zuerst. Darauf nehmet ihr sie in die Seite und von rückwärts und schießet los. Die Kerle sollen vergessen, woher sie gekommen und wie sie sich wieder losmachen sollen. Die kommen mir zu rechter Zeit!

Nach wenigen Minuten war alles fertig und tiefe Stille lag ringsumher ausgebreitet. Peter Buresch lag wie eine Katze ausgestreckt auf dem Stein und starrte den Obtschovern entgegen. Seine Augen leuchteten wie die Augen der Katze durch die Nacht – seine Flinte lag neben ihm im Moose.

Die Obtschover kamen wirklich heran. Schon von ferne hörte man sie lachen, plaudern, scherzen, singen. Man konnte es ihnen ansehen, daß sie das Ding nicht ernst nahmen. Als sie in den Halbkreis traten, konnten die Duschniker deutlich ihre Worte vernehmen.

Die Lumpe sollen sich ärgern, sagte der eine, wie wir auf ihren dummen Ernst mit Spaß antworten. Ich habe statt meiner Büchse eine kleine Feuerspritze mitgenommen.

Und ich, fügte ein anderer hinzu, habe meine Vogelbüchse mit Sand geladen, ich hoffe, sie soll auf gehöriger Entfernung wenig Schaden anrichten.

Man kann nicht wissen, sagte ein dritter, ich habe meinen alten Stutzen ganz gehörig geladen, als ging's auf eine Hasenjagd.

Schade um die Schroten, lachte sein Nachbar.

Ich habe ganz einfach unsere Ofengabel mitgenommen, lachte ein fünfter, um den Generalissimns Kinnich zu spießen. Mir wär's am liebsten, rief ein sechster. wenn ich des langen Wlach seine Zipfelmütze als Beute heimtragen könnte. Ich, sagte der jüngste Sohn Mikas, Zdenko, denke daran, unser armes Schwesterlein Liduschka zu stehlen und heimzutragen. Das arme Kind hat gewiß viel zu leiden.

Du hast recht, antwortete sein Bruder, der neben ihm dem Zuge vorausging – wir lassen sie alle zusammen ihre Dummheiten machen und schleichen uns durchs Dorf zu Liduschka, spannen den alten Gaul vor den Karren und fahren mit ihr rückwärts an dem Teiche vorbei nach Hause. Was soll sie das ewige Schimpfen auf den Vater anhören? Sie ist so gut und es tut ihr gewiß weh.

Kaum hatte er das Wort gesprochen, da blitzte die Büchse Peter Bureschs, Mika schrie auf, faßte sich mit der Hand am Herzen und stürzte vorwärts aufs Gesicht, streckte sich und verendete lautlos wie ein Hirsch, der mitten ins Herz getroffen ist. Im selben Augenblicke fielen die Schüsse auf allen Seiten – die Felsstücke waren lebendig geworden, die Ladstöcke sausten, die Hähne knackten und aus den Verstecken kamen die schauerlichen, wildschreienden Gestalten der Wegelagerer hervor. Die Überfallenen stoben in jähem Schreck auseinander und fielen über die Leichen derer, die eben scherzend und lachend neben ihnen einhergegangen waren. Das Geschrei des Schreckens und Entsetzens mischte sich mit dem Geheul der Verwundeten und dem Rufen und Hohnlachen der Feinde.

Die Obtschover wollten fliehen, aber von allen Seiten trat ihnen der Feind entgegen – kein Ausweg, keine Rettung. Sie liefen wie wahnsinnig umher, gleich dem Wilde, das sich von Fallen, Netzen und Treibern umstellt sieht. So liefen sie lange im Kreise herum, bis sie mit der Wut des Hilflosen sich mit ihren Leibern auf ihre Feinde warfen, um sie mit den Händen zu zerfleischen, und es entspann sich eine Schlacht, deren Greuel die Tradition aufbewahrt hat, indem sie einzelne Taten erzählt, die da geschehen.

Die Duschniker, die sich plötzlich von der Verzweiflung ihrer schwach oder gar nicht bewaffneten Feinde überfallen sahen, hatten nicht Zeit, ihre Büchsen zum zweiten Male zu laden. Sie sprangen also auf die Felsstücke, von wo herab sie sich mit den Flintenkolben gegen die anstürmenden Obtschover verteidigten. Jakob Christian, ein Obtschover, kroch ein Felsstück hinan, das am stärksten besetzt war, und umfaßte, vor Wut brüllend, mit krampfigen Armen die Beine der Obenstehenden und zerrte und zerrte, um sie herabzureißen. Die Duschniker schlugen mit ihren Kolben auf Jakob Christians Schultern und Kopf, daß das Blut in Strömen vom Felsen herabfloß – aber er schien es nicht zu fühlen, immer enger und enger zogen sich seine Arme wie eine Schlinge zusammen, die Obenstehenden begannen zu wanken, noch ein Ruck und sie alle stürzten mit furchtbarem Geschrei die Felsenstufen hinab und bedeckten, aus hundert Wunden blutend, ihren Feind, der im Sturze eine laute Lache aufschlug, ohne ihre Beine fahren zu lassen.

Nach einigen Minuten hatte sich überall der Kampf vom Rasen auf die Felsstücke gezogen – überall stürzten die Kämpfenden, bald einzeln, bald in Paaren, die sich krampfhaft umschlungen hielten, von der Höhe in den Grund.

Der Ungarmichel stand noch auf seinem Stein und lud und schoß und schoß und lud mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit. Da sprang der junge Severin aus Obtschov, den man den schönen Severin nannte, wie eine Katze den Stein hinauf und schlug ihm die Flinte mit einem Schlag aus dem Arme, daß sie klirrend den Stein hinunterrollte. Wütend wandte sich der Ungarmichel nach ihm, faßte ihn in der Mitte des Leibes und drückte ihn wie eine Schlange zusammen, so daß er ächzend den Kopf nach rückwärts fallen ließ und die Arme weit in die Lüfte streckte. Dann aber hob ihn der Ungarmichel mit riesiger Kraft in die Höhe und warf ihn in die klaffende Ritze des Felsens, auf dem er stand, dann sprang er mit beiden Füßen auf seinen Leib, drückte ihn immer tiefer in den engen Spalt – noch ein Ächzen, und der schöne Severin war erstickt.

Peter Buresch stand ruhig auf seinem Stein und sah zu. Sein Posten war nicht erstürmt worden, denn wie viele sich ihm auch nähern wollten, er zog Pistole auf Pistole, ein ganzes Arsenal aus seinem Gürtel, aus allen Taschen, aus allen Teilen seiner Kleidung.

Dadurch, daß sich der Kampf auf die Felsen gezogen hatte, waren die Wege dazwischen frei geworden und die Obtschover benützten das und eilten von dannen, ihre Leichen und Verwundeten zurücklassend. Der junge Christel war ihnen vorausgeeilt und läutete die Glocke, die in Dubna auf einer Holzgabel mitten im Dorfe stand. Die Dubnaer hatten sich in Masse gesammelt und vereinigten sich mit den Obtschovern, die fluchend, schäumend vor Wut, blutbedeckt, bleich zurück kamen. In großen Haufen eilten sie auf den Kampfplatz zurück. Die Duschniker waren verschwunden. Tiefe Stille, nur vom Röcheln der Sterbenden unterbrochen, lag auf dem furchtbaren Platze.


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