Moritz Hartmann
Der Krieg um den Wald / 1
Moritz Hartmann

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Zweites Kapitel.

Einige hundert Schritte hinter dem Dorfe Duschnik, wenn man dem Laufe der Litivka folgt, auf dem schmalen Striche zwischen dem Bache und dem steil ansteigenden Felsen, durch Ulmen, Erlen und Weidenbäume verdeckt, liegen mehrere Eisenhütten, eng aneinander gedrängt. Obwohl die hölzernen Wände und Dächer auf steinernen Grundmauern ruhen, zittern sie doch ununterbrochen von dem Schlage der mächtigen Hämmer vom Grunde bis zum Giebel und die Wetterfahnen drehen sich bebend, auch wenn nicht das leiseste Lüftchen zieht. Haben die Hütten in ihrem dunkeln, einsamen Versteck, von dumpfem Geklopfe durchhallt, von Kohlenstaub bedeckt, an sich schon etwas Unheimliches, so bekommen sie erst noch ein schauerliches Ansehen, wenn im Frühling und im Sommer, sobald die Sonnenstrahlen wärmend niederfallen, die unzähligen Schlangen aus ihren Löchern im Felsen hervorkriechen, sich die Wände hinanwinden und von den Dächern züngelnd herabhängen gleich roten, grünen, silbernen Bändern, die der Wind bewegt. Die Eisenarbeiter lächeln über die gewohnte Gesellschaft, die sie nicht fürchten, und wundern sich auch nicht, wenn sich dann und wann ein vorwitziges Schlänglein ganz nahe dem Hammer neben der glühenden Eisenstange hinstreckt oder sich im Herde mitten im Funkenregen wärmt. Aber der Wanderer erschrickt vor den Hütten wie vor der Wohnung eines Zauberers.

Aber es wohnt hier auch ein Zauberer.

Hart am Felsen in der verstecktesten und ärmlichsten unter den versteckten und ärmlichen Hütten wohnt der alte Buresch, der Wunderdoktor, der Prophet, der ausgerenkte Arme und Beine einrichtet, allerlei Salben bereitet, das Gras wachsen hört, die Stimmen der Tiere versteht, geheimnisvolle Übel bespricht, Träume deutet, neugeborenen Kindern nach den Sternen ihr Schicksal bestimmt und jedem auf Begehren die Zukunft deutet – der alte Buresch, der Alte vom Hammer. Seine geheimen Wissenschaften hat er sich, wie man's erklärt, aus dem Lande der Türken und Heiden geholt, wo er lange Zeit vor vielen Jahren unter Prinz Eugen, dem edlen Ritter, als Soldat gedient hat. Später war er Altgeselle im Hammer; jetzt, in seinem hohen Alter aß er nur noch das Gnadenbrot in der einsamen Hütte. Er hauste dort ganz allein, da sein Sohn Peter Buresch sich als Wilddieb in den fernen Wäldern umhertrieb, ja sogar unter die Zigeuner gegangen sein soll. In seiner Einsamkeit beschäftigte ihn die Zubereitung der Wundersalben und seine Schlangen. Die Schlangen waren seine liebste Gesellschaft und danach hatte er auch seine Stube eingerichtet. Überall in den Wänden nahe am Boden waren Löcher angebracht, daß sie ohne Hindernis ein- und ausschlüpfen und sich die Würmer holen konnten, die er ihnen jeden Morgen hinlegte. – Da sah es denn auch so schreckhaft in seiner Stube aus, daß nur wenige Menschen es wagten, sie zu betreten, und darum saß er auch den ganzen Tag vor der Schwelle seiner Hütte und sonnte sich und sah zu, ob jemand komme, seinen Rat zu holen. Zum Zeitvertreibe hatte er neben einem Rosenkranze eine Schlange in der Hand, mit der er spielte, die er steif zu machen verstand, die er tanzen lehrte, um den Hals band wie einen Strick oder auch, wenn er genug gespielt hatte, in den Busen steckte, wo sie sich warm und behaglich fühlte. Die Leute aus dem Dorfe, die ihn näher kannten, behaupteten, er denke, während er da so spiele, den ganzen Tag an seinen Sohn Peter Buresch, den Wilddieb, den er leidenschaftlich liebte und aus dem er gerne einen großen, mächtigen Herrn machen möchte.

So saß er wieder da wie immer auf der Schwelle der Hütte, und spielte mit dem Rosenkranze und der Schlange wie immer und lächelte, etwas grinsend, vor sich hin, wie immer. Es war früh am Morgen. Da sah er Liduschka, die junge Schnur des alten Richters, über den Steg auf sich zukommen. Der Alte freute sich augenscheinlich bei diesem Anblick, verbarg die Schlange unter dem Hemde, um das junge Weib nicht zu erschrecken und gab sich Mühe, ein freundliches Gesicht zu machen. – »Brächtest du mir etwas, murmelte er, womit ich deinem alten Friedensprediger einen rechten Tort antun könnte, solltest du mir willkommen sein.« Er meinte den alten Richter, den er haßte, weil er mit ihm seinen Einfluß im Dorfe teilen mußte und weil er wohl fühlte, daß er selbst, gefürchtet und gescheut, nur in der höchsten Not aufgesucht wurde, der alte Richter aber in hohem Ansehen stand wie ein Priester oder Vater. Liduschka, als sie des Alten vom Hammer ansichtig wurde, schlug furchtsam die Augen nieder und um ihre Angst zu verhüllen, begann sie den Inhalt ihres Körbchens, Brot, Eier und etwas Mehl, zu ordnen, und wäre am liebsten zurückgekehrt, da ihr plötzlich ihr Gang als sündhaft und der Alte so unheimlich erschien.

Aber er rief ihr schon von ferne zu: Willkommen Liduschka! Dich drückt ein geheimes Weh – komm, daß ich dir helfe.

Das junge Weib konnte nicht mehr zurück und sagte, indem sie sich näherte: Gewiß, ein großes Weh, und Ihr sollt mir davon helfen mit Eurem klugen Rat, und wenn Ihr mir noch sagen wollt, wie es in der Zukunft wird mit den Duschnikern und den Obtschovern und mit meinem Vater und mit meinen Brüdern, so habe ich Euch dafür alles mitgebracht, was ich im Haushalt entbehren und was ich Euch in dieser Jahreszeit bringen kann.

Der Alte warf nur einen kurzen Blick auf das Körbchen, aber einen langen und prüfenden auf das unausgeschlafene kummervolle Gesicht der armen Liduschka, aus deren Worten er schon ihr Anliegen erraten hatte. Er lächelte und sagte mit blinzelndem Auge, als ob er sie seiner Allwissenheit versichern wollte: Gelt, du plagst dich der Obtschover Händel wegen, du fürchtest, es wird blutige Köpfe geben, daß dein Vater schlecht davonkommen wird – und dazu hast du so böse Träume und du bist allein und verlassen, du armer kleiner Vogel? Erzähle, erzähle!

Jesus Maria, ja so ist es! Ihr habt es schon alles erraten – sagte Liduschka, indem sie über die Sehergabe des Alten ein Frösteln überlief. Und sie erzählte ihm lange und ausführlich von den bösen Träumen, die sie plagten, von den schlechten Namen, mit denen man ihren Vater im Dorfe benenne, von allem, was gestern beim alten Richter vorgegangen war und wie das ganze Dorf in Aufregung sei und daß man heute in den Wald ziehen wolle.

Der Alte hörte ihr aufmerksam zu und unterbrach sie nicht in ihrer langen und ausführlichen Erzählung. Nur daß er manchmal mit einem »Hm, Hm« in Nachdenken versank, sich lächelnd die Hände rieb und: »es wird gehen, es wird gehen« zwischen den Zähnen murmelte. Liduschka, die es bemerkte, wurde ängstlich zumute und sie fragte mit zitternder Stimme: Vater Buresch, ich glaube, Ihr freut Euch über das alles?

Aber anstatt aller Antwort sprang der Alte von der Schwelle auf und eilte in die Stube, aus welcher er nach wenig Augenblicken, wie zu einer Reise gerüstet, wieder herauskam. Ein alter, brauner Ungarmantel hing um seine Schulter, schief auf dem Kopfe saß der breitkrempige, durch allerlei Risse gezackte Hut, ein gewaltiger Rosenkranz mit braunen großen Kugeln hing ihm um den Nacken vorn auf die Brust herunter, und in der linken Hand hielt er einen Stock, der so hoch war wie er selbst und oben ein großes, eisernes Doppelkreuz trug. Die Augen des Alten blitzten, er schien plötzlich um einen Kopf höher geworden zu sein, seine Muskeln spannten sich und nach dem Dorfe gewendet, rief er mit einer Stimme, die den Lärm der Hämmer weit übertönte: Ja, es wird blutige Köpfe und Wunden und Tod geben! Das Maß ist voll, bald wird es überlaufen! Bald soll es auf eueren Feldern aussehen, o Duschnik, und du, o Obtschov, wie auf der Walstatt nach einer Türkenschlacht! Und ich will euch einen Führer geben, von dem in hundert Jahren noch die Steine erzählen sollen und die verbrannten Häuser! –

Dann sprang er mit der Kraft eines Jünglings über den Bach, eilte über die Wiesen hin und verschwand im Dunkel des Waldes. Liduschka, die bleich und an allen Gliedern bebend dastand und noch immer die Worte des Alten hörte, die ihr Herzblut gerinnen machten, faßte sich endlich und rief entsetzt: Jesus Maria, er holt seinen Sohn, Peter Buresch, den Wilddieb.

Dann setzte sie sich hin und weinte bitterlich.

Indessen herrschte im Dorfe die höchste Aufregung. Unter dem großen Kastanienbaume, der die Statue des heiligen Johann von Nepomuk beschattete, versammelten sich die Männer – fluchend, schreiend, Weiber und Kinder zurückstoßend, die sich neugierig umherstellten und der Verwirrung zusahen. Hirten hatten die Nachricht gebracht, daß die Obtschover wieder am Kreuz beim heiligen Antonius von Padua Holz fällten. Man wollte den gestern gefaßten Beschluß in Ausführung bringen. Der alte Richter erschien in der Tracht, in welcher er sonst zu Amte zu gehen pflegte – langer grüner Tuchrock, der mit weißem Schafpelze ausgelegt und vorn mit langen seidenen Schnüren zusammengehalten wurde, Schuhe mit weißen Schnallen, hohe schwarze Strümpfe – auf dem dicht von weißen Locken umwallten Haupte die grüne, pelzumsäumte Samtmütze, in der Hand das hohe, fast bis ans Kinn reichende spanische Rohr mit gelbem Beschlage. Er stellte sich an die Spitze der Bauern und schritt dem Walde zu. Aber als sie an die Brücke kamen, die über die Litawka führt, da stand schon Kinnich an der Spitze einer großen Schar von Bauern, die sämtlich mit Waffen aller Art, Heugabeln, alten Spießen, Säbeln und Feuergewehren ausgerüstet waren. Der alte Richter blieb erschrocken stehen. Was soll dieser Aufzug? rief er unwillig aus. Es steht geschrieben, du sollst hingehen und den Fehlenden dreimal ermahnen, daß er vom Unrecht abstehe, und ihr wollt Blut vergießen? Das ist nicht gut getan, Bruder Kinnich.

Kinnich, der sich so angesprochen sah, schob trotzig die Mütze tief in die Stirne, drückte seine alte Feuerwaffe noch fester an die Schulter und ging ohne Antwort vorwärts. Der Friedensprediger! murrte er vor sich hin; wenn es nach seinem Kopfe ginge, müßten wir warten, bis uns am Jüngsten Tag unser Recht wird.

Aber der alte Richter, Matthei Stroß, sah die Gefährten Kinnichs, die stehen geblieben waren, lange und durchdringend an, und unwillkürlich gingen sie hin, lehnten ihre Waffen an das Geländer der Brücke und schlossen sich friedlich dem unbewaffneten Zuge an. Als das Kinnich sah, warf er auch seinerseits die Waffe, aber fluchend und schimpfend, ins Gras und lief zornig voraus. Nun, wenn ihr wollt, rief er, so ziehen wir hin, wie ein Leichenzug – wir werden den Obtschovern gewaltigen Respekt einflößen! Wenn sie uns totschlagen, haben sie recht!

So gingen sie vorwärts, den Berg hinan durch die schattigen Hallen der Fichten und Kiefern. Sie brauchten nicht weit zu gehen, um die hallende Axt fallen und die fallenden Bäume krachen zu hören. Sie ballten die Fäuste und schritten lippenbeißend weiter. Doch kam kein lauter Zorn in ihnen auf – im Gegenteile beschlich ahnungsvolle Trauer ihre Herzen und es war ihnen, als stünden sie am Anfange trauriger Ereignisse, ja als ob ihnen eine höchst schmerzvolle Begebenheit sehr nahe wäre. Als ob sie ihn um die Ursache ihrer Beklemmung fragen wollten, sahen sie von Zeit zu Zeit zum alten Richter auf. Dieser aber ging schweigend, gedankenvoll, gebeugten Hauptes seinen Weg. – Als sie sich dem Kreuzwege beim Bilde des heiligen Antonius von Padua näherten, verstummten plötzlich die Schläge der Äxte. Die Obtschover sahen auf und ließen überrascht die Hacken fallen, harrend der Dinge, die da kommen sollten. Über ihrem Haupte, auf dem Baume, an dessen Wurzel sie eben die Axt und die Säge gelegt hatten, krächzte ein Rabe, der trotz allen Lärmens die Zweige nicht verlassen wollte. Stille war's – die Vögel des Waldes, die unter dem Hauen und Sägen verstummt waren, fingen nach und nach, aber schüchtern, zu singen an – in der Tiefe begann ein Kuckuck seinen Ruf, schwieg aber sogleich wieder. Wie kühl es auch im Walde war, wischten sich doch Obtschover und Duschniker den Schweiß von der Stirne. Ein schweres Alpdrücken lag auf dem ganzen Walde. Auf dem feuchten Moose zitterten goldene Sonnenstreifen und Ringe – ein leiser Windzug durchseufzte den Wald und die Wipfel neigten sich, »als ob ein Unsichtbarer drüber ginge«.

Der tolle Honsik, der unter den Obtschovern war, und von der Beklemmung, die sich aller bemächtigte, am wenigsten verspürend, den Duschnikern grinsend entgegenlächelte, unterbrach die Stille zuerst. Er schlug eine helle, widerliche Lache auf und hieb aufs neue auf den Baum los. Da fühlten sich seine Gefährten, die um ihn herum standen, plötzlich vom Alpdrücken erlöst und lachten laut mit dem tollen Honsik und griffen nach den Äxten und Sägen, um so zu tun, wie er tat.

Den Duschnikern, die ergrimmt vorstürzen wollten, winkte der alte Richter mit der Hand, zurückzubleiben, und ging allein vor bis an den Baum, an dem die Obtschover eben beschäftigt waren. Er sprach also zu den Obtschovern: Wie ihr jetzt den Baum mit Axt und Säge fället, so fället und stürzet ihr jegliches Recht, das Vertrauen des einen Menschen zum andern, die Liebe zum Frieden. Wenn ihr nicht geduldig seid, bis der Richter sein Urteil gesprochen hat, so höret auf den Richterspruch eures Gewissens, der euch sagt: Ihr esset das Brot aus fremdem Korbe, ihr erntet auf fremdem Felde. Euch hat der Herr, gnädiger als gegen uns, Felder und Wiesen und Herden gegeben, warum wollt ihr uns dessen berauben, was uns jedes Recht zusprechen müßte, auch ohne Urkunden, Briefe und Siegel, da es jedes Menschen Recht ist, zu arbeiten und sich zu nähren? Wo aber sollen wir arbeiten und uns nähren, wenn nicht in diesem Walde, der unser Erntefeld ist und unsere Werkstatt?

Der alte Mika, der Bauernadvokat und Obtschover Richter, bohrte mit seinem Haselnußstock ein Loch ins Moos, indem er antwortete: Solange nach Gesetz und Recht nicht ein Spruch gefällt ist, ist der Wald gesetzlos und hat keinen Herrn. Er ist frei und gehört jedermann, wie der Fluß, die Quelle, die Luft. Soll hier das Holz verfaulen wie im Zdikauer Walde? – Wenn ihr arm seid, so kommt und bittet um Almosen bei uns, die wir reich sind; – solange ihr nicht kommt und saget: gute liebe Nachbarn, gebt uns etwas von eurem Überfluß um Gottes willen – solange haben wir uns um eure Armut nicht zu kümmern. Jeder kehre vor seiner eigenen Tür und frage nicht, was geht beim Nachbar vor? Wenn ihr so töricht seid und wartet, bis der Richter gesprochen hat, so sind wir so klug, indessen zu arbeiten und in der rechtlosen Zeit aus der Überschwemmung zu retten, was zu retten ist. Macht der Krieg die einen arm, macht er die andern reich – und wer früher kommt, malt früher.

Also, rief der alte Richter empört aus, also gehst du, während es blitzt und gewittert, aufs menschenleere Feld und stiehlst Garben? Haltet ein, rufe ich euch zu, ihr tuet unrecht, ihr sündiget vor Gott!

Der alte Richter rief es mit so gewaltiger Stimme, mit so gebietendem Tone, daß die Obtschover zum zweiten Male die Äxte fallen ließen und aufmerksam den Zwiegesprächen der beiden Alten zuhorchten. Nur der tolle Honsik ließ sich nicht stören. Unfähig, die Worte des einen wie des andern zu verstehen, kümmerte er sich auch nicht um das, was um ihn vorging. Er wußte nur, daß er einen Baum zu fällen hatte und wohin er fallen sollte, und unverständliche Töne ausstoßend, die wohl das Feiern der anderen mißbilligen sollten, hieb er mit der Kraft eines Wahnsinnigen auf den Baum los, immer grinsend und lächelnd, wie man es bei ihm gewohnt war. Man beachtete ihn auf beiden Seiten nicht – denn man kannte ihn von seinen Streifzügen her, die er oft im hohen Sommer unternahm, wenn es in seinem Gehirn zu kochen begann und er unruhig, wilde Töne ausstoßend, von Dorf zu Dorf irrte, mit struppigem Bart, offener, behaarter Brust und zerzaustem Kopfe. Man kannte seine Tücken, doch fürchtete man ihn nicht – er war ja blödsinnig – und wenn man ihn des Abends wo vor einem Dorfe hinter einer Hecke liegen sah, nahm man ihn gastlich ins Haus, um ihn am andern Morgen wieder weiter streifen zu lassen. Die Obtschover bedienten sich beim Holzmachen gerne seiner ungeheuren Kraft, die er auch mit Freude und Fleiß bewies.

So auch jetzt. Während durch die Unterhandlung der Alten die Duschniker immer aufgeregter, die Obtschover immer niedergeschlagener und schüchterner wurden, so daß diese letzteren, überwunden von den innigen Worten des alten Richters, ihre Blicke zur Erde senkten und nicht aufzuschauen wagten, im stillen ihren Richter beschuldigend, daß er sie zum Raube verleitete – sah der tolle Honsik nur von Zeit zu Zeit auf, ob der Wipfel sich schon neige, und hörte mit Freude das knackende Reißen der letzten Fasern.

Laßt uns, sagte der alte Richter mit eindringlicher, vor Rührung zitternder Stimme, als er die Bewegung der Obtschover sah – laßt uns ein Schiedsgericht niedersetzen aus den besten Männern der benachbarten Dörfer und die sollen entscheiden zwischen uns.

Die Obtschover sahen fragend den alten Mika an. Er stand schweigend da und schüttelte den Kopf; er wußte wohl, daß er auf den Vorschlag nicht eingehen konnte, er hatte ja einen Vertrag in Prag abgeschlossen, der ihn um Haus und Hof brachte, wenn er ihn nicht einhielt – und es war ja ein Vertrag für die Armee der Kaiserin. Es konnte ihm aus den Händeln mit den Duschnikern nichts Übles entstehen, er konnte sie im Notfalle mit seinem Patriotismus entschädigen. Trotzdem aber er den Kopf schüttelte, machten doch die Obtschover einen Schritt vorwärts, um dem alten Manne, der fragend, harrend, mit gerührten Blicken vor ihnen stand, die Hände entgegen zu strecken – da krachte es plötzlich in den obersten Zweigen – ein wilder Freudenruf des tollen Honsik – ein schwerer Fall – der Baum stürzte und unter seiner Wucht erschlagen lag der alte Richter.

Ein Schrei des Entsetzens erscholl auf beiden Seiten. Alles stürzte auf den Baum los, um den Getroffenen hervorzuziehen. Weh euch, rief Kinnich, ihr habt uns unseren Vater erschlagen! Wütend faßten einige von den Duschnikern nach ihren Feinden – diese griffen zu den Äxten, die sie in der Luft schwangen. Ruhe, Friede! seufzte noch der alte Richter Matthei Stroß, und verschied. Der Baum hatte ihn schwer am Kopfe verletzt – eine tiefe Wunde blutete und die Gehirnschale war eingedrückt. Sein letztes Wort wirkte auf seine Freunde – schweigend brachen sie Zweige von demselben Baum, der ihn erschlagen hatte, und flochten eine Bahre daraus. Auch die Obtschover nahten sich, schlugen mit ihren Äxten Zweige ab und legten sie schüchtern hin; sie wurden aber verschmäht beiseite geworfen. Stumm legten die Duschniker die Leiche auf die Bahre, nahmen sie auf ihre Schultern und zogen ab, dem Dorfe zu. Als sie am Ausgange des Waldes ankamen, läutete eben die schöne Glocke von Duschnik zum Mittagsgebete – sie stellten die Bahre hin, knieten ringsherum und beteten. Die Obtschover sahen ihnen betäubt nach – der tolle Honsik grinste lächelnd wie immer. Der Bauernadvokat aber sagte leise zu seinem Sohne: So wird nichts aus dem Schiedsgerichte, meinen Kontrakt kann ich einhalten – der tolle Honsik ist nicht zurechnungsfähig. Es ist gut so. Schwül lag die Mittagshitze auf dem Walde.


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