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Die Minister und Staatsanwälte

Die Minister jodelten bei Mandolinenbegleitung im Tintenpowidlarmreichtagnachtsaal.

»Ja. Da geht's mir so wie manchem andren Esel auch«, meckte der Minister Tschindagaga Baron von Jammerfigur, »meine Vorzüge sind mir selber alle sehr bekannt, aber erst muß ich die Wetterprognose anschaun. Aha, stimmt glänzend wie immer: wenn das Wetter nicht sauschlecht, ist es nicht ohne, und wenn's nicht ohne, ist's schön; wenn's nicht schön ist, ist's prachtvoll.«

»Wo ist denn Hendipipi?« sprach Trottelhold Fips Freiherr von Admiralshundbonbon, mit Ärmchen, dünn wie Kieler Sprotten; ein livrierter Diener mußte ihm gerade die Nase putzen.

»Ach, er spielt bloß im Mausipopsizimmer ein bißchen Lieber Gott und läßt sich von den Erzengeln Flohlöwe und Fliegenleim und Veilchendarm beweihräuchern.«

Draußen hörte man das Schrein vom Portier: »Nur hereinspaziert, meine Herrschaften, immer mal rin in die Bude. Da kannste für eenen Groschen die ganze Welt. 124 sehn. Es ist ja doch die ganze Welt nicht mehr wert als einen Groschen.«

Der Hofnarr kam eben von seinem Gang zurück. Er suchte von Haus zu Haus nach stellenlosen Kommis, alten Weiblein, und überall griff er tief in sein Fortunatisäckel und ließ glückliche Gesichter zurück. Nachmittags ging er immer auf die Friedhöfe, und da tröstete er die armen Leute, die ihr Liebstes verloren. Gerade machte er den hohen Häusern den Vorschlag, einen Palast für Handwerksburschen, ein Lustschloß für alte Dienstboten und Zeitungsverkäuferinnen und ein Kloster für arme Dichter zu baun. Dann klebte er dem Justizminister und Bankier David Silberchristlaus ein Plakat um: Hier erlernt man gut und billig das Stehlen.

Alexander Markus Emanuel Mistkäfer, der Kriegsminister, schnitt eben einen Bogen Soldaten aus; »ich will es an meinen Knöpfen zählen, was ich tun soll«, dachte er. Dann ging er zum Finanz- und Eisenbahnminister Meier: »Können Sie mir nicht sagen, verehrter Herr Kollege Meier, ob ich jetzt schon verrückt bin oder ob ich's erst werde? Sie müssen es wissen, Sie haben ja auch, wie wir alle, ein paar Tausend Kilometer Blödheit gepachtet«

Der aber sagte: »Mein liebstes Kollegerl, lassen Sie mich erst ein bisserl Neuigkeiten hausieren gehn, dann muß ich ein paar Messen für meinen Herrn Sohn, der Papst ist, lesen lassen. Und wie wär's, wenn wir den lieben Gott engagierten, nicht lange, was täten wir lange mit solchem Gelichter, aber vielleicht zu einer achttägigen Film- und 126 Vortragstournee. Und dann muß ich mir noch einen Zwicker kaufen, weil ich damit viel schöner bin.«

In der Ecke, auf einer Bügeldecke, hockten vor einem Haufen Heu der Friderikus Hinterfotzingerlali Josephus Rhinozerus und die mittellinksoberste Ministerin, Excellenz von Streuselmeißelkreiselpreißelbeerkuchen. Sie streichelte gerade den Ministerpräsidenten und flötete: »Aber bist du ein schönes Bubi, ein braves.« Die Minister Affenschmalz und Käskuchen Graf von Kuhwedel fanden plötzlich, daß sie intime Verwandte seien, und waren ob dieser glücklichen Entdeckung unendlich entzückt.

»Heiraten, ach was! Blöd sein«, sagte der vierhundertachtundneunzigste Minister; »das ist ja ganz schön, einen Trampel haben, den man Tag und Nacht so recht ärgern kann, aber ihr bloß deswegen Kuchen und Hüte kaufen, na mei Liaba!«

»Ihnen«, schrie der berühmte Minister, welcher der Verfasser der unsterblichen Bücher: ›Um eine Grafenkrone‹ und ›Rote Rosen‹ war, »bin ich ja auch noch ein Pakl Tabak und zwei Speckwürste schuldig.« »Äh, äh«, sagte der sehr von oben herab »doas macht nix, äs is mär eine Ärre, ein Vergnüjen, kolossal.«

»Nein«, sprach der Narr, »ich schäme mich für die ganze Menschheit, ich will mich da her setzen und verhungern. Oder soll ich erst noch ein Heiliger werden, damit ich das auch gewesen bin? Als wenn da was dabei wär, sein Leben lang auf einem Fuß auf einer Säule stehn, in der Wüste leben und sich dann kreuzigen lassen.« Plötzlich 128 fiel ihm ein, daß seine Dorothee heute Speckknödel mache und überhaupt, das Leben, das große Zahnweh ist ja so kurz, man kann ja doch nichts aus ihm machen. –

In der Justizerdäpfeldeppdiele hockten einsam die berühmten Staatsanwälte Unteramtsrichterzüchterober Freimadl Eugen Helmut Paragraf von Mäkmek zu Gekgek und Kegelkugelkogelquagel Eusebius Bockwatschentoni Baron von Pfeifendeckel. Von den Wänden troff Tinte. Viele Opferstöcke befanden sich in den geweihten Hallen. Die eine der Majestäten unterzeichnete gerade, Pfefferminzstangen schnullend, Scheiterhaufenurteile. Dabei las Eugen zu gleicher Zeit das liebliche Büchlein: Trotzkopfs Brautzeit, welches er vom Nachttisch seiner fürstlichen, huldvollen Gemahlin Pilonia konfisziert. Der andere stand am Fenster und schrieb seinen Künstlernamen Esel in eine Lache Tinte.

»Ich hab einen Durst heut, drei Dürste könnt man daraus machen.« Dann soff er zwei Liter Kaisertinte. »Schad um den schönen Durst«, sagte er, »früher gelt, haben wir ihn mit Bier und Wein gelöscht, aber unsre kulimulilazipazische Pflicht, unsre diamantene, echt brillantene, brillantinische, blecherne Pflicht!«

»Es geht uns zwar nichts an«, schmatzte Helmut, »aber gerade weil's uns nichts angeht, stecken wir unsre bekümmerte, bekümmelte, schöne Nase hinein. Ach was, das paßt uns nicht, käm da einer daher, der tausendmal klüger ist als wir alle. Tja, wird einfach für unzurechnungsfähig erklärt.« 130

»Au«, schrie der eintretende Konprinzderwisch und Kochsultan Herr Kuttelfleckborax von Fragezeichen. Ja, so geht's, wenn man immer in den Himmel guckt, da sieht man dann nicht die Eisernen Jungfraun und übrigen zahllosen Folterwerkzeuge.

Er brachte Egon aus Ehrung, weil er nun endlich den Raubmörder, Vaterlandsverräter, Hochverräter, Kaffeesiederssohn und Spartakisten und Kommunisten und Christen Silvester erwischt, die Ernennung zum Hofunterhosenbandeloberträger.

Dabei überreichte er die Geschenke der kulimulilazipaziburgerischen Volksadelspartei, der kulimulilazipazifikischen Weltoberuntermittelstandspartei, des kulimulililalazipazilinischen Horizontblondmondfrontkriegerbundes, des Kulimulikomitees zur Erbauung eines marmornen eintausendzwölfhundertdreiunddreißigsten Bratspießes.

Es war der lilane Fleckerlunterrock der Frau Professor und Zolloberkulturkultusmedidizinnalschalfahlbaalaalmalqualwahlzahlsgattin Hupferlhuber. Darauf stand mit Silberbuchstaben: Eigner Herd ist Goldes wert. Und rückwärts: Dem Retter, Vetter, Wetter, Bretter und Götterliebling des Vaterlandes in ewigem Andenken.

Ferner einen mit Sozialistenhaut bezogenen Maler- und Sonnenschirm und ein in Kommunistenhaut gebundenes fein illustriertes Album: Mamas Lieblinge.

Der Staatsanwalt war über diese neue Ernennung so erfreut, daß er am liebsten die ganze Welt eingesperrt 131 hätte. »Ja«, sagte er, »da müssen wir nun ganz andre Ansprüche an den lieben Gott machen.«

»Gott? Gott??« flötete Pfeifendeckel, »Fräulein, sehn Sie mal nach, ob sich der Vagabund überhaupt polizeilich angemeldet. Überhaupt Herr Kolläge Mäkmek«, und er kniete andächtig nieder, »Sie gestatten doch, daß ich Sie bloß ein bißchen anbete.«

»Führen Sie den Sträfling Nummer Viermilliarden sechsbillitrillimillionendreihundertneun vor«, befahl Unteramstsrichterzüchterober Freimadl Eugen, »und Sie Oberfräulein Unterrichter Ludmilla Luzia Adolina, ach was, bringen Sie einfach den ganzen Schrank da drüben; machen wir es kurz, die Justiz erledigt dann alles auf einmal, die ganzen Verbrechen hat einfach die Billitrillimillinummer getan zu haben; nur schnell, ich krieg ja heute Rindsbraten mit Spätzle. Also flott, bringen Sie den Schweinehund, der die heiligen Güter unsrer heuligen Nazion verletzt, der die hochselige Ehre unsrer hehren Muttererde verachtet Und Sie, verehrter Herr Kollege, schmieren mal gleich die Eiserne Jungfrau. Unsre Geschworenen werden über diesen schamlosen Verbrecher die Wahrheit sprechen.«

Das war nun freilich der Fall. Denn, an die Wand waren zwanzig Geschworene gemalt. Auf das Maul hatte ihnen der berühmte Maler Zettel gehängt. Drauf stand: Ja, schuldig.. –

Eben schreibt mir Lore, wo ich mit Müh und Not andächtig an meinem Federhalter kaue, weil mir fast 133 schon nichts mehr einfällt: sie hätte gerad drei Generalkommiskaminfegerlehrlingspräsidenten vor der Akropolis versetzt, und ich solle mich ja nicht unterstehen und ihren Silvester durch die Kulimulilazis unsanft behandeln lassen.

Tja, das steht nicht in meiner Macht, da kann ich gar nichts machen, ich leiste, was ich leisten kann mit meiner Schuhleistenfabrik, aber dem Schicksal muß ich seinen Lauf lassen, ich muß –

Was? ein Schmarrn? na, ich sag Euch, liebe Publikümmer, seid mir nur dann für das dankbar, was ich aus Erbarmen, aus purem Mitleid mit Euch für mich behielt. – –

 


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