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Die Kulimulis

Ja, die Kulimulis dachten an gar nichts. Sie fühlten sich sauwohl und lebten in Saus und Braus, so gut war es ihnen noch nie gegangen. An allen Landesgrenzen standen Ehrenjungfrauen und Fahnengroßmütter und hielten Riesentafeln, natürlich in den Händen.

Darauf stand: Brüder und Schwestern von Müllerhansinegertottien, Schusternazizulunarien, es ist wurscht, wo ihr her seid, an Unserm Wesen seid ihr einst genesen, ihr schäbigen Chinesen, drum mußt du das lesen: Unser tapferes Volk, unsre Trillionäre sind vorm Verhungern, bringt uns Gold, bitte beim Portier abzugeben, rettet uns. Wir wollen zwar, ein einig Volk von Brüdern, wenn wir einen von euch erwischen, massakrieren, aber eure Goldstücke wollen wir doch gnädigst verlumpen. Wir wollen auch über euch blöde Affen lachen, und unsrer heiligen Jugend lernen, euch zu verachten, aber legt nur euer sauer erspartes Geld in unsern Opferstock, Ihr bleibt zwar die gleichen Trottel und damischen Gscherten, bitte, 104 bezahlt also sofort, was ihr uns gar nicht schuldig seid.

Man bekam natürlich so viel, daß man täglich Kirchweih feiern konnte. Nur die Königin Scholastika war vor Kummer gestorben. –

Dies kam nun Silvester und seinen Gesellen sehr zustatten (ein stattliches Wort). Sie konnten inzwischen herrlich ihre Vorbereitungen zum Hauptschlag treffen. –

Die Minister dachten an gar nichts. Dies hatten sie natürlich in ihren langjährigen Ämtern prächtig gelernt. Zum Nachfolger war selbstverständlich Friederikus Hinterfotzingerlali Josephus Rinozerus erwählt, weil er den schönsten Namen trug, und dann hatte er sonst auch noch bei den Schusternazizulus riesige Herden von Vieh, Hakenkreuzen, Windeln, eine Schnupftabak- und zwei Malzbonbonfabriken erbeutet.

Also die Minister unterzeichneten gerade im ockerpreußischlilanen Himbeermarmelademargarinereichstagssaal da einige Milliarden Todesurteile von Hochniederverrätem.

Darunter waren viele, die so verdorben waren, daß sie sogar in Gegenwart von so berühmten Ministern geschnauft oder gar deren Bildnisse nicht auf ihrem Hosenboden gemalt trugen.

Dabei pfiffen sie: ›Machen wir's den Schwalben nach‹ und ›Kommt a Vogerl geflogen‹.

Der Hofnarr dirigierte, aber den sahn sie natürlich nicht denn er war auf der Kamillenteereisendentribüne, dort, wo früher in der Steinzeit die Pressevertreter saßen. 105

Aber nun gab es so was Unkultiviertes nimmer.

»Ach was«, sagte der neu engagierte Minister Hendipipi, »den Silvester köpft man zweimal, die Lore will ich, dann steckt man sie zu den Ursulinerinnen, und den König, erst müssen wir ihn freilich haben, den sperren wir in den Tiergarten.«

»Nein«, widersprach der berühmte Hieronymus Löschblatt, »schaun Sie mal nach, Fräulein, in unserer Kartothek oder im Papierkorb oder im Kopierbuch, halt, mir fallt's eben ein, es war der vierhundertzweiundzwanzigste – was? stimmt nicht? das ist doch wurscht, es merkts ja doch keiner von euch – ach, verzeiht, ich dachte, es seien einige Schusternazizulus da . . . Minister.«

»Nein, den schlachten wir ab und machen Blutwurst daraus und Grützebrei.«

Gut, daß es der König nicht hörte; der saß, es war ein dämmernder Januarnachmittag, schön warm am Försterstammtisch im »Blauen Stern« und erzählte den Holzknechten und Wilderern, einigen Dackeln und der Nanndl, von der guten, alten Zeit, wo er König gewesen, von seiner Kaffeemühle, seinem Grammophon, seinem Kreisel.

»Ja, seht, auch andre Leute, und was für eine sind in Arkadien gewesen, nicht nur ihr.«

Der arme König sah nicht, daß das alte, greuliche, scheußliche, stinkende Hexenweib in der Ecke, er hatte ihr noch in seiner Gutmütigkeit ein paar Dukaten geschenkt, ein verkleideter Staatsanwalt war. 107

Ja, die Mühlen Hinterfotzingerlalis mahlen sicher, aber rasend.

Es war der berühmte Unteramtsrichterober Freimadl Eugen Helmut Egon Paragraph von Mäckmäck zu Gekgek. Er war ein tüchtiger Geschäftsmann und hatte erst gestern in einer Schwurgerichtsleberkäsverhandlung den lieben Gott, den heiligen Käsebier und Unsre Liebe Frau zu neunhundertneununddreißig Jahren Zuchthaus und dann zum Tode erst durch Strang und nachheriges Erschießen verurteilt,

Doch, da es gerade hierhergehört, es hätte wirklich nicht schöner passen können, will ich Euch sagen, wo ich den staatlichen, stattlichen Staatsanwaltsbleistift kaufte, mit dem ich diese wunderhübsche Zitherschule schreibe.

Ihr geht auf den oberen Löffelwimmerlplatz bei der Altweibermühle vorbei. Dann rechts, bis ihr auf einmal rechtslinks gehn müßt, dann geht ihr linksrechts zurück, und dann geht nur zu, ich sag's Euch schon, wann Ihr dort seid. Oder ihr wartet, bis ich meine Gesandtschaftsjustizräte wieder mal um Hundsfutter schicke.

Es kann auch sein, daß ich den Bleistift einem Reck-Tor stahl oder in einem Rinnstein gefunden. Und die roten, gelben und blauen Lilarüben, die ich während dem Sägen an dieser historischen Abhandlung dinierte und soupierte, die kripste ich auf den Äckern des Hinterfotzingerlalis. Dabei habe ich einer seiner weidenden Meerkühe einen Zettel an den Schwanz gebunden. 108

Ich sagte es ihr aber nicht, was ich darauf geschrieben. Erst in meinen nachgelassenen Werken könnt ihr's lesen.

Die Brotrinden dazu und Zigarrenstummel habe ich auf dem Luftbahnhof aufgeklaubt.

Was stört mich denn schon wieder bei meinem Genie resp. meiner Muse, wo ich noch dazu an meinem weltberühmten ABC-Buch arbeite. Muß mich nun doch, wo ich mitten im schönsten, ordentlichsten Fabulieren bin, immer was aus der Fassung bringen.

Autohupen rasen die Straßen auf und ab. Es waren die Erzengel des Oberbirnbimstallbriefträgers.

Auch ein paar Nachtwächter gingen mit und schrien: Wo hier der Doktor der Medizin Xaver residiert?

Ich riß die Fenster auf und zeigte mich dem Volke.

Und ließ eine Schnur hinab.

Dann banden sie mir den Brief dran, und ich zog ihn herauf. Er war ziemlich schwer.

Wartet, laßt mich erst bitte meine Denkmäler-Universitätsuniversalvorlesung fertig machen oder, nein!

Ich kenn Euch ja und weiß, wie Ihr alle auf Briefe gespannt seid. Mich macht ja so was nicht neugierig. Mein Gott, wenn man wie ich sogar alle fünfzig Jahre einen Brief bekommt, dann ißt man sich endlich an Briefen satt.

»meximaxi quaqua bratis wurstis kas a«, wie wir Lateiner zu reden pflegen.

Also wenn ihr nichts aussagt und es ja nicht für Euch 109 behaltet, will ich Euch den Brief herdrucken lassen. Natürlich das Kuvert rot und der Bogen blau.

An hochwohlgestorben Herrn Geheimrat Dampfkessel, Professor an der Puppenklinik! Da es Ihnen, wie Sie mir schreiben, sehr schlecht geht und Sie direkt vorm Verhungern sind, ich habe mich auch bei Ihrer Zimmerfrau, bei Ihrem Prinzipal, auf dem Rentamt und auf der Polizei erkundigt und Ihre Angaben der Wahrheit gemäß gefunden, sende ich Ihnen von Herzen, mit Schmerzen, meine Neueste Pfotographich, wenn Du die anschaust, vergeht Dir der Hunger. Desgleichen will ich gerne, wenn ich sonst gerade nichts Wichtigeres zu tun habe, für Sie beten. Ein Stück Seidenpapier, es waren darin ein paar Strümpfe für meine liebe Frau, die Ihnen schönstens Eiei sagen läßt, eingewickelt, lege ich bei. Sie können damit abpausen. Also Xaver, nimm es, Dein für Sie betender Stinnes.

Ihr könnt Euch denken, wie mich dieses echt fürstliche Geschenk freute. Ich bekam darauf so riesigen Durst, daß ich mir gleich aus meinem Schreibtisch ein paar Kartoffelnudeln kaufte.

So, da sind wir wieder. –

Ich guckte noch in die Küche und sagte meiner Gouvernante: sie solle runtergehn und das Volk von mir grüßen.

Halt, das gehört ja in eine andere Geschichte, in ›den Letzten Vorhang des Amandus‹.

Wer hat mir denn da schon wieder meine Zettel 110 durcheinandergebracht. Gott, es wär kein Wunder, wenn man verrückt wird, ich sage, es ist eine Schlamperei, Frau Bohnenstroh hat wieder nicht ordentlich zusammengekehrt.

Wo käme sonst der Zettel her, der in die achthundertsiebzigste Schublade meines Dichtereimagazinschranks gehört, darin die Papiere und Dokumente zum Dienstmädchenroman.

Ach, was für Ekel hält mich denn schon wieder in meiner Arie auf. Er hatte blaue Spitzenunterhosen und schön warme wollene grüngestrickte Damenunterröcke an. Ich dachte, es sei der liebe Knecht Rupprecht Aber da ging's schon los:

»Professor Dampfkessel, wart Du Bürscherl, jez is aus mit Deine Herrlichkeit, Dir wern ma Kulimulis gebn, jez bist vahaft, moanst mir san so blöd und schmeckens nöt, daßt uns gmoant hast; Mir, wo ma uns Unsa schreiben. Jo, dös sinnt die Vabrecha an inserm Kullturrvolke, an unsra vataländischen Sache, das sint de Leut, die es in den Kasernen zu keinem Profässer gebracht hamm, die auf den Universaluniversitäten keine Generäle, wie wir geworden sint, dös san die charakterlosen Charracktäre der Freiheit, disser Xaver ist der Untergang unsres berühmten, in hächster Blitä stähenden Kulturstaates.«

Es war also ein Schand-Darm. Erst war ich natürlich zu Tode erschrocken, aber dann, als er mich eben packen und in einen mitgebrachten Sack stecken wollte, zog ich schnell meine Tarnkappe aus der Tasche meines chinesischen Perserschlafrocks und – war unsichtbar. 112

»Gauna, Lump, Tagdiab dreckiga, wo bißt denn?«

»Do bin i« wieherte ich.

»I sog daß, dabläk mi net, gäh vüra, windiga Dampfkessl, wennst a Schneid host, Rotzbua miserabla, i dawirf di.«

Ich sagte: »Hihihi.«

Er wurde so gockelrot, daß er wie ein Hafersack barst und mitten auseinanderfiel. Dann zog die eine Hälfte der andern noch den Säbel aus der Scheide und hieb in echt christlicher Teilung ihr und sich selbst den halben Kopf ab.

Jetzt hatte ich die Bescherung in der guten Stube.

Ich kommandierte erst meinem Fräulein, mal schnell eine Ansichtspostkarte an unsern Geschäftsfreund, den lieben Gott, zu stenographieren und ihn zu fragen: ob keine Fee, kein Zauberer, kein Teufel einen gewissen, uns unbekannten Xaverio Dampfkesselio brauchen kann.

Dann noch ein Telegramm an Larifari: Ehrwürdiger Kasperl, wir richten an Sie die höflichste Anfrage, ob Sie nicht König werden wollen über Unsre gute Stube. NB: einige hundert Exemplare von Unserm berühmten Werk: Die Kunst in zwei Tagen ein perfekter Schwarzkünstler zu sein – sind bei Übernahme des Königreichs zu übernehmen.

Na, ich nahm die Manuskripte von meinen Geographie- und Schullesebüchern, meine Schreibmaschine und meine Privatsekretärin untern Arm, meinen Papierkorb auf den Buckel und ging die Treppe hinunter, und 113 ich hatte ziemlich weit hinunter.

Ja, da kenn ich keine Würstl, solln sich die Kulimulilazipaziburger ihren Darm selbst holen.

Plötzlich, als ich schon fast beim Schloßportal war, kam Einer daher. Er sagte: früher sei er die gebratne Gans mit Messer und Gabel gewesen, nun aber bei den schlechten Zeiten sei er der Reisbreiberg aus dem Schlaraffenland –

Was? ich soll einmal ordentlich erzählen? Na, das sagt ihr, meine innigst Verachteten, so ganz leicht; ihr braucht ja nicht Räubermärchen schreiben. Überhaupt hab ich mir vorgenommen, wenigstens in dieser Geschichte endlich einmal ordentlich unordentlich zu sein. Ordentlich erzählen kann jeder Goethe und ordentliche Sachen die könnt ihr Euch von jedem Brombeerstrauch abpflücken. Aber das ist eben die Kunst, schön fein unordentlich zu sein. Haben Sie nur noch ein paar Tage Geduld und noch wenige dazu.

Überhaupt fallt mir ein: Ihr habt doch das Buch bezahlt, was?? na, dann ist's schon gut –

 


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