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Der berühmte Kasperl

Der berühmte Kasperl machte, als er sich der Hauptstadt näherte, große Toilette.

Dann befahl er Nikodemus: nachdem er geneigt sei, sich gebührlich für die Residenzerei in Stand, Um- und Anstand zu setzen, soll er vorauslaufen und ihm auf den Schulen für drei Pfennig Bildung und, wo's zu haben ist, vielleicht um einen halben Pfennig Literatur und Kunst, aber hauptsächlich auf der Universität um eine Mark Backsteinkäs und um eine Mark Schwartenmagen kaufen.

Er wolle in der Schenke »Zum Wildschwein« warten und inzwischen Wasser trinken.

»Halt,« fiel ihm ein, als Nikodemus fort war, »ich hätte 90 ihm noch um einen Taler Ruhm anschaffen sollen, damit er die räsitänzliche Marktschnellpresse und die Domherrn gut einschmiert und sie wie Nachtigallen mein Lob singen.«

Und da es damals Mode war, philosophierte er: Es ist doch spaßig, hintennach wissen wir immer, was wir hätten reden und tun sollen – wenn's zu spät ist.

Und mit den philosophischen Gedanken geht's wie mit den Läusen, solang du eine hast, hast du dann immer auch zwei und mehrere. –

Aber Kasperl, ich, Xaver Dampfkessel, dessen bester Freund ein Popolizist, muß dich innigst bitten, hier nicht von L . . . zu reden, ich kann nur nette Leute brauchen, ich schreibe für ein honettes gebildetes Bublikumm, und das will was haben für sein Geld.

Und dann zieht mir höchstens mein Hofverlegerfriseur eine Ordnungsstrafe ab, und ich kann dann meiner Anny keinen Luftballon kaufen.

Um Himmels willen, rennt nicht zu der Gräfin Irene und sagt's der Anny dort, es soll ja eine Überraschung werden.

Teufel! jetzt hab ich mich verhaut, ich hab vor lauter Schreiben ganz vergessen, daß mich mein Freund, der Balthasar, schon sterben ließ: na, wer nichts wagt, gewinnt nichts. Frisch gewagt ist halb zerronnen. Man muß das Eisen schmieden, solang es kalt ist, – wollt ihr noch mehr?

Überhaupt bin ich Laufbursche in der Irrenanstalt vom göttlichen Herrn Professor Meier. Das ist eigentlich 91 gerade soviel, wenn nicht noch mehr als gestorben. Na wir werden ja sehn. –

Also, der berühmte Kasperl, man kannte ihn sogar in der Schänke »Zum Wildschwein«, ließ sich eben die siebente Maß Wasser bringen und schrieb dabei an seinem großen vüllosoßischem Standardwerk: Der Aufabüberoberunterkellnergang des Morgenvormittagnachmittagabendlandes.

Er schrieb da allerhand um einen Kreuzer über das Vergangene, das, was jetzt ist [und das ist sehr viel! Xaver Dampfkessel], und die künftige Zeit, die zog er einfach an den Ohren herbei.

Das schönste dabei waren die Aphorismen.

Nachdem ich mit dem Autor gut befreundet, habe ich ihm einige gestohlen und, auf daß der Setzer etwas mehr Arbeit hat, zu spät in die Kirche kommt und mehr Stundenlohn bekommt, soll er's von mir aus, und euch ist's doch auch recht? das heißt, euch muß's einfach recht sein, nur setzen.

Also: Befehlen kann ich, gehorchen ist schwer . . . Ich, ja! aber die Mitwelt ist ja immer geistlos und . . . ich habe, nachdem ich nicht gelebt hab, nur mehr eins zu besorgen: Bratwürstl essen und zu sterben, dann sind meine irdischen Kommissionen erledigt, und ich kann mit Palmwedeln ins Himmelreich einziehn . . . als ich sah, daß es nicht gehn wollte, ging ich endlich selbst . . . Viele erringen mein Wohlgefallen nur durch ihr Mißfallen . . . Ich sorge für mein Vergnügen, die andern und Dummen ums 92 tägliche Brot . . . das grausamste, giftigste Tier ist der Spießer. Er tötet alle Menschen, die keine Tiere sind. Seine ganze Nation ist mit Hurra und Blödheit verseucht . . . man glaubt mir gar nicht, welch unsäglicher Trost in den elenden simplizianischen Wörtlein: tja, es ist nun halt mal so im Leben, . . . Philosophen wie ich, Kinder und Irrsinnige wundern sich über gar nichts . . . ich verzichte gern auf die zweite Qualität, bekomme ich die beste nicht . . . ach, nur gar zu oft hat mein Herz in einem Maul voll Phrasen Platz . . . An dem großen Kasimir Pressack finde ich nur das eine zu tadeln, daß er noch nicht gestorben, und so ist ihm noch reichlich Gelegenheit geboten, sich glänzend zu blamieren . . . Gestern habe ich bei einem Hausierer die zehn Gebote gepachtet –

Und dieser selbe seltene, geistvolle, kluge (ich habe diese Dreieinigkeit von einem großen, modernen Kritiker abgeschrieben, der wenn's wüßte!!) Kopf, dieser Kasperl Larifari also, der so prächtige, zündende, kernige, mannhafte, formvollendete Sätze findet, der die Sprache wie ein Instrument beherrscht (do. abgeschrieben) verirrt sich, wagt sich, erkühnt sich (do. zusammengekerrt) in einem Kapitel zu der (dies Wort habe ich nun zur Abwechslung vom Doktor gestohlen) blödsinnigen Äußerung:

Ich weiß nicht mehr, was ich mit mir anfangen soll, das kommt davon, wenn man soviel mit sich anfängt.

Seht, lobt doch euren Xaver ein wenig: hab ich nicht brav erst den dummen Kasperl in seinen blödsinnigen Memoiren bestohlen und nun, hab ich nicht brav kritisiert? 93

So muß man's machen! Ich hoffe, mich lesen recht viele Gimpelnasiasten, Staatskommissarsgreise und andre Säuglinge; man kann wirklich recht viel lernen in meinen Universalschriften (erst mein Neues Kochbuch sollten Sie lesen, da hab ich jedes Wort gestohlen, kaufen Sie sich's, Sie ersparen sich drei ganze Lexikon.)

Ich hoffe auch noch, daß sich bald das Kulititusministrantenterium an mich wendet und mich beauftragt und natürlich bezahlt, ein Lesebuch für Taube zu schreiben.

An mir soll's nicht fehlen, was tut man nicht alles, wenn man liebt –

Während ich dies meiner Privatsekretärin diktiere, hatte man inzwischen dem Aktionär Lotschensepperl vor jedem Haus des Königreichs riesige prächtige Denkmäler mit Löwen, Kreuzen, Halbmonden, Kochlöffeln, Sonnen und Eichenlaub errichtet.

Der oberste Oberreichsdichteroberkellner konnte gar nicht genug Inschriften ersinnen; lauter schöne, eine immer schöner fabriziert als die andere. Einem andern wären sie längst ausgegangen, aber da sieht man so recht wieder, was ein Talent, ein Genie ist. Es geht halt nichts über Viehzucht- und Ackerbauhochschulbildung. Also:

Dem unvergeßlichen Helden des Vaterlandes! Das Großvaterland verdankt ihm alles! Auf dem Kartoffelfelde der Ehre gefallen! Ruhe noch sanfter als sanft!

Seine Freunde, der Fliegenleim, der Hinterfotzingerlali, der Hoppeigichttoni, der Trottelhold, der Affenschmalz, der Flohlöwe, der Veilchendarm, der vom Ähäh, der von 95 der Bar, der Hyronimus vom Löschblatt, der gräserne Käskuchen von Kuhwede (merkt ihr's, das tu ich ihnen zum Trotz an, die werden sich rasend ärgern, daß ich sie bloß »der« tituliere) zwackten natürlich das Geld zu den Pyramiden dem braven Volke ab, aber man muß sagen, daß es viele gern gaben, denn sie waren sehr erfreut, daß Lotschensepperl von ihnen erlöst und ins Himmelreich zu seinen Ahnen eingegangen.

Ja, stellt Euch nur mal den kolossalen, monumentalen, horizontalen, famosen Eindruck von diesen imposanten Denkmälern vor. Es war wirklich ein erhabener, erhebender Anblick, besonders für Unsere liebe Jugend.

Die war ja freilich nun an Pyramiden gewöhnt. Denn jede Familie im Königreich hatte bedeutende, berühmte Männer, und auf jedem Hausdach standen die enormen Reiterstandbildnisse. Es ist ja wurscht, was sie waren, ob Metzger, Schuhriemenverkäufer, Dichter oder Lokomotivführer.

»Die Hauptsache ist, daß eine Mannschaft etwas leistet, es ist streichwurstig was!« sagt der große Staatsmann – wißt Ihr vielleicht, wie er geheißen hat?

Und könnt Ihr Euch etwas Schöneres denken als diese Millionen alten und neuen Kehrichttonnen [nur zu, Xaver, die merken's ja doch nicht] stündlich frisch mit Fahnen, Blumen und Lorbeerblättern begossen.

Es gab viele Mittel, um zu einem Denkmal zu kommen – (entschuldigt, daß sie noch nicht aufhören, ich weiß, Ihr seid alle schon auf Salomon und die Lore erpicht, aber 96 ich kann Euch nicht helfen: Denkmäler sind eins von meinen Spezialfächern und empfehle ich mich anbei gebührend den hochgeschätzten Denkmalsausschüssen).

Selbstverständlich waren sie alle sehr schwer. Man brauchte zum Beispiel, und das ist noch was von der ganz leichten Sorte, nur seinen besten Freund erschlagen [bei so einem kannst du's leicht tun, der wehrt sich fast gar nicht], von dem man Speise und Trank nahm, oder man ging in eine Vorstadt und wartete, bis so einem dahergelaufnen, landfremden Element einem lasttragenden Arbeiter der Schweiß auf der Stirn stand, dann erdrosselte man ihn, oder man ging in eine Kirche, holte sich sechs hungernde arme, alte Weiblein heraus, schoß sie nieder und sagte dann: sie hätten für das Wohl der Müllerhansinegertotten oder der Schustemazizulus gebetet.

Ja, es herrschte ein schon erzengelscher Zustand unter den – na, ich will Euch nun endlich den Namen sagen – Kulimulilazipaziern.

Denn Streitigkeiten gab es dank den zwölftausendbillionentrillionenunddreizehn Verordnungen vom seligen Lotschenpepperl, inzwischen war er gerade zu Rom heilig gesprochen worden, nicht mehr.

Hatte einer wirklich einen Feind – Gott, ja, was nennen wir nicht alles Feind; zum Beispiel, hat man uns die Wahrheit gesagt oder Geld geliehn, hierher gehören auch all die Schufte, die uns Gutes getan, oder gab uns einer kein Geld mehr für Schnaps, Mädchengeschenke, Zigaretten, so ging man einfach bloß zum nächsten Schand-Darm und 98 sagte: Herr Kaiser, der da drüben, der so still in seiner Kammer hockt, ist ein Hochwasserniederverräter. –

Oder man brauchte bloß auf dem Marktplatz recht laut »krukru« oder »trara« oder »lolo« oder »bumbum« oder »hurra« oder »marmelad« schrein, dann schrien sofort alle Kulimulilazipaziburger mit, hoben ihn auf ein Kalbsbratentablett, und er bekam sein Denkmal.

Infolge der enormen Nachfrage erfand man eigene Schlagmaschinen. Die gesamten Aktien dieses erfolgreichen Unternehmens hatte alle – so lese ich gerade im berühmten Neuesten amerikanischen Börsten- und Welt- und Geld-Dotschenblatt – der noch berühmtere Hinterfotzingerlali (und extra geb ich ihm seinen Minister- und Richtertrichtergelichter-Titel nicht) aufgekauft. Man stellte sich darauf. Durch eine sinnreiche Maschinerie bekam man einen ganz kleinen Schlag mit einem Riesenhammer und – war kaputt.

Es war ja ein Vergnügen zu sterben. Vierzehn Minuten darauf hatte man sein Kriegerdenkmal.

Sogar den Jakob Harringer sein Denkmal konnten sie sich anschauen.

Diese genialen Schlagmaschinen (K.R.P.) wurden überall in allen Rat-, Schul-, Bier-, Feuer-, Schlacht-, Café-, Pfarr- und sonstigen öffentlichen Freudenhäusern zu lächerlich billigen Volkspreisen abgegeben.

Andern, und das waren viele, das waren natürlich die tapfersten Kulimulilazipazier, bekamen ihr Leibdenkmal auf diese famose Weise: Sie gingen mit ihren 100 Nationalfedern um ihre edle Lorbeerstirne zu den Müllerhansinegertotten und Schusternazizulus und sangen jedem laut ins Ohr: bin i net a schena Kulimulilaziburga.

Das ärgerte diese, und sie griffen natürlich sofort ins Portmonäh, nur damit sie den schönen sanften Lanolinterpentinbenzinfridolin wieder losbrachten.

Das waren aber dafür auch die edelsten Kämpfer und Recken für die Kulimuli- – na, Ihr wißt's jetzt schon -Sache.

Mit dieser Auslandsspende kauften sie sich Hosenträger, Backsteinkäs, Zacherlin, Maggi-Suppenwürfel, Leibbinden, Feuerspritzen, dreiviertel Pfund Königreicher und Sauerkraut.

Also um Euch nun wieder weiterzuerzählen – halt, noch was Wichtiges fällt mir eben ein, es paßt zwar nicht hierher, aber für was sind wir denn modern, und gerade weil's nicht hierher paßt, find ich, daß es hier recht hübsch sich ausnimmt: hat vielleicht wohl eine Leserin ein wenig Liebe für mich übrig und eine Dreizimmerwohnung, dann schreib' sie mir gleich, natürlich eingeschrieben. Sie kann mir auch gleich – das nimmt sich noch hübscher aus – Geld und Devisen hineintun. Ich möcht mir schon lang wieder mal Komiker ansehn und Karussell fahren. Sie braucht ihn nur an den Verleger meiner weltberühmten Familien- und Hausärztinbibel senden. Bitte nicht an den Verleger vom Räubermärchen, der sitzt, den haben nämlich die Hedwikiuskurtiusmalöhriaten entfuhrt und möchten ihn unbedingt, aus Strafe, weil 101 er so was druckt, erst braten und marinieren und dann – ja, Ihr glaubt nicht, wie zäh so ein Luder, pardon: Verleger, mit der ältesten, krummen und schielenden Tochter vom Minister Wastlmeier Baron von Zipfelhuber verheuraten.

Der Drache wird ihm schon das Räubermärchenverlegen austreiben. –

 


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