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In Berlin

An Hippel in Leistenau

Berlin, den 15. Oktober 1798.

... Hier war mir nun alles neu – eine andere Welt umgab mich, – ich war nicht Herr meiner Zeit ...

Als ich Deinen Brief las, war es mir, als trätest Du in meine Türe, und breitetest Deine Arme aus mich an Dein Herz zu drücken – die Herzlichkeit, womit Du mir Deine Wünsche – Deine Träume mitteilst – der eingeschlossene Brief an Schleinitz (Präsident des Instruktions-Senats, Hippels Schwippschwager) – die Art, wie Du mir ihn gibst – Alles – alles hat diesen Brief in mein Herz gedrückt. – Zwei Tage vorher, als der Brief ankam, war S. nach Preußen abgegangen – Du wirst ihn jetzt schon gesprochen haben – und mein Theodor – wie sehr bedarf ich Deiner Empfehlung. – Deine Schilderung von S. hat mich an ihn gezogen, und ich wünschte die Aufmerksamkeit, welche er mir vielleicht in Rücksicht Deiner schenken wird, zu verdienen. – Im Anfange bekam ich hier, ob ich gleich schon längst zum zweitenmale examiniert bin, gar keine Arbeiten. Dies veranlaßte mich, den Präsident Kircheisen ausdrücklich um Instruktionen und Spruchsachen zu bitten. – Dies hat gewirkt, denn seit dem 11. Ott. habe ich 15 Instr-Term., 2 Spruchsachen, 1 Kriminal. zum Gutachten erhalten und nebenher noch 2 Appell.-Berichte, 2 Deduct. und einen Schlußbericht anzufertigen. Innerhalb vier oder höchstens acht Wochen melde ich mich zu Probearbeiten, hoffe denn wohl binnen einem halben Jahre die Feuerprobe des großen Examens überstanden zu haben. – Ist es irgend möglich zu machen, so bleibe ich hier in Berlin. – Welche Aussicht Dich hier zu sehen! – In Glogau durfte ich dies nicht hoffen! – Du mußt Deine Reise hierher sehr bald machen – wie vieles Neue wirst Du sehen – Dein Geschmack für schöne Künste wird hier in dem schönen Berlin reiche Nahrung finden. Eben jetzt sind die Kunstausstellungen auf der Akademie der K. u. W. Du würdest mit mir den Kunstfleiß unserer inländischen Künstler bewundern. Hackert, der jetzt in Neapel lebt, hat zu dieser Ausstellung vier ganz vortreffliche Landschaften nach der Natur in Öl geschickt.– Das schönste Stück ist aber die Familie des Julius Sabinus vorn Professor Rehberg in Rom, in Öl (Lebensgröße) ... Das Stück hat einen bewunderungswürdig großen schönen Stil, und ist ganz in italienischer Haltung vortrefflich gemalt. Die letzte Szene aus Schillers Räubern, eine getuschte Zeichnung von Wolf, hat mich auch ihres unnachahmlichen Ausdrucks wegen sehr angezogen. Mehrere Gemälde hätten vor einem Jahr mich zur Bewunderung hingerissen. – Jetzt bin ich fast zu verwöhnt durch die Dresdner Galerie, wo ich Meisterstücke aus allen Schulen sah ...

den 24. Januar 1799.

... Das Wichtigste, was ich Dir zu sagen habe ist, daß ich mich auch seit kurzer Zeit ganz unbeschreiblich nach einer Unterhaltung mit Dir sehne, und daß ich Dich beschwöre, wenn's nur irgend möglich ist, sobald die Jahreszeit besser wird, nach B. zu kommen. – Deiner ganzen Lage würde eine solche Reise sehr vorteilhaft sein. – Im Grunde genommen hast Du doch noch wenig gesehen. B. würde Dir so manches Neue darbieten. Wenigstens ist es ganz ohne Vorurteil gesprochen ein Ort, der gerade für uns äußerst interessant ist. In den schönen Künsten ist man hier wirklich sehr weit, der gute gebildete Geschmack zeigt sich in den öffentlichen Vergnügungen. Du kannst Dir z. B. keine Vorstellung von der großen italienischen Oper machen. – Der Zauber der Meisterstücke Verona's – die himmlische Musik – alles vereinigt sich zu einem schönen Ganzen, das auf Dich gewiß seine Wirkung nicht verfehlen würde. – Nicht oft genug kann ich mir den schönen Augenblick des Wiedersehens denken! – Du würdest Dich gewiß in unserem Familienkreise gefallen! – Schreibe mir doch ja bestimmt, ob ich wenigstens hoffen kann, Dich hier wiederzusehen. Denke Dir, welche Stunden – wenn wir uns der Vergangenheit erinnern – wenn wir jede Freude die uns damals so glücklich machte – noch einmal genießen. – An nichts werde ich mich so gern erinnern, als an unsere Blütezeit – der sonderbar romantische Schwung, den wir damals gemein hatten – das Zusammentreffen unserer Ideen, sogar unserer Bonmots – alles – alles knüpfte uns so fest, daß uns eine Trennung unmöglich schien! Ich gebe noch nicht die Hoffnung auf, mit Dir zusammen zu leben. – Ich kann es mir gar nicht denken, daß Du bei Deinem Drange nach Tätigkeit – nach einem Wirkungskreise wirklich in L. bleiben solltest. – L. sollte Dir nur eine Retirade sein. – Was man wünscht hofft man auch, und daher ist auch meine Phantasie so geschäftig mir's ganz glaublich zu machen, daß Du noch auf diese oder jene Art hierher kommen könntest.

 

Diese Briefstellen geben nur ein ungefähres Bild von dem Leben, das Hoffmann in Berlin führte. Reiche Anregungen strömten aus der Stadt in ihn ein. Im Haufe des Onkels herrschte reges gesellschaftliches Leben. Damals bereits lernte Hoffmann eine Reihe von hohen Beamten kennen, die auf seine juristische Laufbahn späterhin Einfluß haben sollten. Der Präsident des Instruktionssenats des Kammergerichts Freiherr Karl von Schleinitz, also sein unmittelbarer Vorgesetzter, hatte eine Schwester von Hippels Gattin zur Frau. Der Präsident Kircheisen ist der spätere Justizminister, dessen wohlwollendes Verhalten bei der späteren Knarrpanti-Episode Hoffmann nicht vor dem Schlimmsten bewahren konnte, ihm aber doch wohltat. Eine andere Bekanntschaft, die Hoffmann hier machte, ist die mit dem reisenden Gitarrevirtuosen und Schauspieler Franz von Holbein, dem späteren Genossen seiner Bamberger Zeit.

Noch immer war er mit seiner Kusine Minna Doerffer verlobt. Minna hatte bald nach der Übersiedlung nach Berlin Freundschaft mit den Schwestern Meyer geschlossen, von denen die älteste, ebenfalls Minna mit Namen, sich gerade mit Richard Spazier in Dessau, dem späteren Herausgeber der »Eleganten Welt«, verheiratet hatte. Eine andere Schwester, Karoline, verlobte sich damals mit Jean Paul, den sie bald darauf heiratete. Es ist anzunehmen, daß Hoffmann die Schwestern ebenfalls kennengelernt hat. Jahre später besuchte er Jean Paul von Bamberg aus, wobei eine Tagebucheintragung auf eine Berliner Bekanntschaft mit Karoline Richter schließen läßt.

Nun wurde Hoffmann auch sein Herzenswunsch erfüllt, den Freund Hippel in Berlin zu sehen. Hippel hatte bereits seinen Abschied aus dem Staatsdienst genommen um sich ganz der Verwaltung der Herrschaft Leistenau zu widmen. Plötzlich jedoch entschloß er sich, doch noch in Berlin das Assessorexamen zu machen. Die Freunde verlebten glückliche Monate der gemeinsamen Vorbereitung zusammen und bestanden zusammen das Examen.

Hoffmann hatte währenddessen seine Beschäftigung mit den Künsten keineswegs aufgegeben. Wohl durch Holbein angeregt, der damals unter dem Pseudonym Fontana Gitarrenkonzerte in Berlin gab, komponierte er sechs Lieder für Klavier und Gitarre und bot sie in einem Briefe dem Verlag Breitkopf & Härtel an, mit dem er später in so durchaus fruchtbaren Beziehungen stehen sollte. Die Musikalienhandlung schickte ihm übrigens sein Manuskript zurück.

Eine größere Arbeit war das fertiggestellte größere Singspiel »Die Maske«. Hoffmann versuchte zunächst, diese Arbeit auf dem Wege über die Königin Luise auf die Bühne zu bringen. Offenbar verwies ihn die Königin auf den richtigen Instanzenweg, und so schickte er das Manuskript, gleichfalls ohne Erfolg, an Iffland, den Intendanten der Königlichen Bühnen in Berlin.

An die Musikalienhandlung Breitkopf & Härtel in Leipzig

Wohlgeborener Herr!

In allen Musikhandlungen ist Nachfrage nach Musikalien für die spanische Chitarra – das Instrument, welches jetzt, sei's auch nur der Mode wegen, in den Händen jeder Dame, jedes Elegants von gutem Ton sein muß. Der geringe Umfang und vorzüglich das Eigentümliche der auf diesem Instrumente ausführbaren Begleitung setzt, um etwas Brauchbares komponieren zu können, eine genaue Kenntnis desselben voraus, und daher mag wohl der Mangel mehrerer Musikalien, besonders deutscher Lieder für die Chitarra herrühren. Ich glaube daher, daß der Verlag einiger deutscher Lieder fürs Klavier und die Chitarra, die durchaus komponiert, sich von dem Geleier der gewöhnlichen Zwei-Zeilenlieder unterscheiden, gewiß einträglich sein würde, und dies veranlaßt mich, Ew. Wohlgebor., den sich gewiß, auch schon der außerordentlichen Eleganz und Korrektheit des Drucks wegen, jeder Komponist zum Verleger wünschen wird, sechs von mir durchaus komponierte Lieder fürs Klavier und die Chitarra, welche ungefähr 8 bis 8 ½ Druckbogen ausmachen werden, zum Verlage anzubieten. Da ich aber bloß Dilettant bin, und mein Name in der musikalischen Welt noch unbekannt ist, so lege ich eine zur Ersparnis des Portos eng abgeschriebene Arie bei, nach welcher Ew. Wohlgeb. den Wert oder vielmehr die Manier meiner Komposition beurteilen und darnach in Rücksicht meines Anerbietens einen Entschluß fassen können, wobei ich nur noch bemerke, daß ich jene Arie nicht darum wählte, weil sie mir die beste zu sein schien, sondern weil sie eine der kürzesten ist. Nehmen Ew. Wohlgeboren den Verlag der Arien an, so bin ich erbötig binnen acht Tagen nach erhaltener Nachricht Ihnen das korrekt und sauber abgeschriebene Manuskript zuzusenden, und ich glaube gewiß billig zu sein, wenn ich dafür nur ein Honorar von 10 Stück vollwichtige Friedrichsdor und nach geschehenem Druck 3O Exemplare verlange. Auf jenes Honorar würde ich mir aber statt eines Teils des baren Geldes einiges aus Ew. Wohlgeboren Verlage ausbitten. Ich habe zu Ew. Wohlgebor, auch unbekannter Weise das feste Vertrauen, daß Sie meine Bitte erfüllen und mir gewiß gefälligst so bald als möglich und zwar binnen acht Tagen über die Annahme oder Nichtannahme meines Anerbietens antworten werden, weil ich danach meine Maßregeln nehmen, und im Falle der Nichtannahme die Arien hier zum Druck befördern muß, welches ich schon halb und halb versprochen habe, aber gern vermeiden möchte.

Mit der vollkommensten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein

Berlin, den 14. September 1799

Ew. Wohlgeboren ganz gehorsamster Diener

Der Kgl. Kammergerichts-Referendarius Hoffmann
(wohnhaft in der Leipziger Straße, zwischen der Jerusalemer und Markgrafenstraße im Brandtschen Hause bei dem Geh. Obertribunalsrat Doerffer).

 

An Iffland, Intendanten der Kgl. Bühnen in Berlin

(Mit dem Manuskript des Singspiels »Die Maske«)

Wohlgeborener Herr!

Insonders hoch zu ehrender Herr Direktor!

Ew. Wohlgeboren erhalten in der Anlage den Text eines Singspiels, welches ich schon im März v. I. vollendet habe. Meine Freunde urteilten damals ziemlich günstig von dem Werke und meinten, daß es der öffentlichen Vorstellung wohl wert wäre, allein von mancher Bedenklichkeit zurückgeschreckt, wagte ich deshalb keinen Versuch. Vor kurzer Zeit erhielten Ihro Majestät die regierende Königin die vollständige Partitur, und vor wenig Tagen hatten sie die Gnade mich ausdrücklich auffordern zu lassen, Ew. Wohlgeboren die Vorstellung des Singspiels vorzuschlagen. Fern von jedem Eigendünkel, fern von jeder Vorliebe für mein Werk wage ich daher, Ew. Wohlgeboren vor der Hand bloß zu bitten, den Text durchzusehen und mir dann zu sagen, ob, wenn er mit einer guten Musik vereinigt wäre, das Singspiel einer Vorstellung auf dem hiesigen Theater wert sein würde. Sollte dies der Fall sein, so bin ich, da ich das Gewicht meiner Obskurität in der musikalischen Welt nur zu sehr fühle, bereit, meine Partitur einer gewissenhaften Beurteilung zu unterwerfen, und erwarte deshalb nur Ew. Wohlgeboren Befehle. Sind dann künftig Ew. Wohlgeboren zur Annahme des Werks geneigt, so übergebe ich in einer von Ew. Wohlgeboren zu bestimmenden Zeit dem Theater eine korrekte saubere Abschrift des Textes und der Partitur, wobei es sich von selbst versteht, daß ich nicht auf den kleinsten Vorteil rechne.

Ich spreche zu Ew. Wohlgeboren als zu einem Manne, der schon so oft die innigsten Gefühle des Wohlwollens in mir erregte, der mit echtem wahren Sinn für die Kunst nicht allein den Namen, welchen ein oft zufälliger Ruf zu gangbarer Münze prägt, achtet, sondern auch dem, der das Wagestück des ersten Debuts, ohne welches noch kein Künstler für die Welt geboren wurde, beginnen will, freundlich die Hand bietet, und daher bitte ich Ew. Wohlgeboren mit dem unbegrenzten Zutrauen, welches mich alle Umwege verachten ließ, mich nicht in die erbärmliche Klasse Kunst pfuschender Dilettanten zu setzen, welche man, ohne sich auf den Wert oder Unwert ihrer Produkte einzulassen, unbedingt abweiset, und meinem Werke – mir selbst einige Aufmerksamkeit zu schenken. Ew. Wohlgeboren hoffe ich dann noch zu überzeugen, daß unerachtet aller Aufforderung nur eine gewissenhafte kritische Vergleichung meiner Komposition mit den Werken großer Meister mich bestimmen konnte, einen Versuch, mich als Komponist bekanntzumachen, zu wagen, überhäufte Dienstgeschäfte verhinderten mich, mein Manuskript noch einmal abzuschreiben. Ew. Wohlgeboren erhalten es daher vor der Hand meistenteils mit den sichtbaren Spuren der Feile und der Reisen, die es zu auswärtigen kritischen Freunden machte, welches ich gütigst zu verzeihen bitte. Von Ew. Wohlgeboren hängt es nun allein ab, mir schriftlich zu antworten oder zu bestimmen, wenn ich so glücklich sein kann, die Bekanntschaft eines Mannes zu machen, den ich schon längst innig verehre. Inständigst bitte ich Ew. Wohlgeboren, meinen Namen vor der Hand ganz zu verschweigen, und habe die Ehre mit der ausgezeichnetsten Hochachtung zu sein

Berlin, den 4. Januar 1800

Ew. Wohlgeboren ganz gehorsamster Diener
Der Kammergerichts-Referendarius Hoffmann
(wohnhaft in der Leipziger Straße in Nr. 66 bei dem
Geh. Obertribunalsrat Doerffer).

 

Unter den »auswärtigen kritischen Freunden« haben wir in erster Linie an Johann Samuel Hampe zu denken. Iffland nahm das Singspiel »Die Maske« übrigens nicht an. Es blieb verschollen, bis Dr. Friedrich Schnapp es 1923 in der Königlichen Hausbibliothek in Potsdam entdeckte und herausgab.

Anfang 1800 bestanden die Freunde gemeinsam das Assessorexamen, Hoffmann mit der Note »Vorzüglich«. Bereits am 27. März wurde Hoffmann zum Beisitzer der Regierung in Posen ernannt. Gemeinschaftlich reisten die Freunde nach dem Osten ab, benutzten die freie Zeit aber noch zu einem Abstecher nach Potsdam, Dessau, Leipzig und Dresden. Hippel brachte den Freund an seinen neuen Bestimmungsort und kehrte von dort auf seine Güter und zu seiner Familie zurück.


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