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Der Frauenheld

»Du wirst meine Knochen noch einmal sehr zornig machen, wenn du mir mit deinem scheußlichen Jaulen wieder Kopfschmerzen bereitest«, sagte ein Buka zu seinem Weibe, das er soeben wieder gehörig verprügelt hatte. Doch die Ohren der Frau vergaßen die Drohung nur zu bald, und immer wieder machte das arme Weib seinen Schmerzen in gellenden Mißtönen Luft. Da war denn eines Tages die Geduld ihres liebenswürdigen Mannes und Ehegatten erschöpft; kurz und bündig teilte er seiner jungen Frau seinen Entschluß mit, sie zu verlassen und sich nach einem andern Weibe umzutun. Er sagte zu seiner Mutter: »Schaffe Farben herbei, rote und weiße Farbe bereite mir, du sollst mich prächtig schmücken, daß alle Mädchen, deren Augen mich erblicken, nur noch mich zu heiraten wünschen.« Die Mutter färbte nun ihrem stolzen Sohne das Haar mit roter Erde, und weiß bemalte sein Bruder ihm das Gesicht. Darauf nahm die Alte Kokosnüsse, preßte das junge Fleisch über einem Topfe aus, setzte etwas Wasser hinzu und brachte den Brei zum Kochen. Als er genügend eingedickt war, streute die Mutter zerpflückte Blätter wohlriechender Pflanzen hinein, verrührte das Ganze und ließ es an einem schattigen Platze abkühlen. Die Glieder und der ganze Leib des Mannes wurden mit dem erkalteten Brei eingesalbt. Herrlich duftete nun seine Haut. Ein Gürtel, der einen Klafter Muschelgeld barg, umspannte den Leib, Armbänder aus feinen, schwarz, gelb und rot gefärbten Lianenfasern geflochten, zierten beide Oberarme. Auf dem braunrot gefärbten Haarschopf leuchtete ein Busch von Kakadufedern, und eine Liane, spiralig um den Unterarm gewickelt, schützte diesen vor dem Rückschlag der Bogensehne. Nun nahm der Krieger Bogen, Pfeile und sein Kriegsbeil und machte sich auf den Weg. Er ging einen der kleinen Pfade entlang, die durch das Gestrüpp und die dichten Laubgehänge in die grüne Dämmerung des Urwaldes hineinführten. Das verlassene Weib sah seinen strahlenden Gatten in seiner ganzen Pracht über den Dorfplatz schreiten und im Busch verschwinden. Es schrie in seinem Schmerze laut auf und wälzte sich vor Verzweiflung am Boden. Doch ungerührt, ohne sich auch nur umzublicken, entfernte sich der Mann. Weit war der Weg, den er zu gehen hatte.

Und er ging und ging und ging und ging ...

Als er in die Nähe eines Dorfes kam, witterten zwei Weiber, die nach Wurzeln gruben, den Wohlgeruch seines Leibes. Und das eine Mädchen fragte:

»Wachsen hier süßduftende Pflanzen in der Nähe?«

»Nicht das ichs wüßte,« entgegnete das andere.

Da sahen sie aber den Mann aus dem Unterholz des Busches auftauchen.

»Bua! Was für ein wundervoller Mann ist das!« riefen beide und verbargen sich in den Kräutern; in die wild wuchernden Kräuter steckten sie die Köpfe. Als der Mann nahe genug herangekommen war, sprangen sie auf und suchten ihn festzuhalten; an den Armen suchten sie ihn zu halten. Doch wollte es ihnen nicht gelingen, denn die Salbe hatte die Glieder schlüpfrig gemacht. Doch der Mann blieb stehen und fragte: »Ja, seid ihr denn auch schöne Mädchen?« Und er prüfte sie von oben bis unten und sah, daß sie voller schwärender Wunden waren. Schaudernd wandte er sich ab. »Scheußlich seid ihr, viel häßlicher als das Weib, das ich verlassen habe,« sagte er, schritt davon und ließ die enttäuschten Weiber zurück.

Und er ging und ging und ging und ging ...

Als er in die Nähe eines andern Dorfes kam, spürten zwei Weiber, die nach Galipnüssen suchten, den Wohlgeruch seines Leibes. Und das eine Mädchen fragte: »Wachsen hier süßduftende Pflanzen in der Nähe?«

»Nicht, daß ichs wüßte«, entgegnete das andere.

Da sahen sie den schönen Mann zwischen den Stämmen heraustreten, und verbargen sich in einem Busch, in einen dichten Busch steckten sie die Köpfe. Als der Mann nahe herangekommen war, sprangen sie auf und riefen: »Bleibe bei uns!« Er aber fragte sie: »Seid ihr denn schöne Weiber hier?« Und er musterte sie und bemerkte, daß sie Hasenscharten hatten und beim Sprechen Töne wie Taubstumme von sich gaben. »O, wie seid ihr übel,« sagte er, »ihr seid ja viel häßlicher als das Weib, das ich verlassen habe.«

»Komm du nur in unser Dorf,« schalten die erbosten Weiber, »erschlagen werden dich unsere Männer, kriegerisch und stark sind sie.«

»Ich fürchte mich nicht vor euren Männern«, antwortete der Mann und wandte sich zum Gehen.

»Ermorden und fressen werden dich unsere Männer!« so keiften die Verschmähten hinter ihm drein.

Er aber ging und ging und ging und ging ...

Als er an die Meeresküste kam, witterten zwei Weiber, die beim Fischfang waren, den Wohlgeruch seines Leibes, und die eine Frau fragte: »Wachsen hier süßduftende Pflanzen in der Nähe?«

»Nicht, daß ichs wüßte,« entgegnete die andere.

Da sahen sie den geschmückten Mann am Strand entlang kommen und verbargen sich im Gras, ins hohe Gras steckten sie ihre Köpfe. Als der Mann in ihre Nähe gekommen war, sprangen sie auf und zeigten sich ihm. Er blieb stehen, betrachtete sie einen Augenblick und fragte dann: »Ja, gibt es denn nirgendwo schöne Mädchen? Alt seid ihr und verblüht, eure Brüste sind welk und hängen. Ihr ekelt mich an; ich gehe.«

»Erwürgen sollen dich unsere Männer, kampfgeübt und gewandt sind unsere jungen Leute!« so schrien die Alten hinter ihm her.

»Auch ich bin kampferprobt,« gab der Mann zurück, »dazu trage ich im rechten Armband Hiraku, den Kriegszauber, im linken aber Magarra, das die Weiber liebestoll macht.«

Und er machte sich wieder auf den Weg.

Er ging und ging und ging und ging ...

Als er an einen großen Baum kam, der im flachen Wasser stand, kletterte er hinauf und versteckte sich in der Krone, in den buschigen Zweigen verbarg er sich. Noch hatte er nicht lange dort gesessen, als er zwei Mädchen im Busche singen hörte; immer näher erklangen die Stimmen, und schließlich traten sie aus dem Uferwald heraus. Kokosnußschalen trugen sie in den Händen, um Wasser zu schöpfen. Es waren herrliche Mädchen, stolz trugen sie ihre Brüste, fest und rund waren ihre Schenkel und Lenden. Alles das sah der Mann vom Wipfel des Baumes aus; und er pflückte eine Frucht und ritzte mit den Fingernägeln schöne Zeichnungen in die Schale. Als er damit fertig war, höhlte er die Frucht ein wenig aus und tat Magarra hinein, um die Mädchen in Liebe entbrennen zu lassen. Doch nun hob das eine Mädchen plötzlich die Nase: sie hatte den Wohlgeruch des Mannes gewittert. Aufmerksam sog es die Luft ein und fragte seine Gefährtin: »Wachsen hier süßduftende Pflanzen in der Nähe?«

»Nicht, daß ichs wüßte«, entgegnete diese.

Da warf der Mann die beschnitzte Frucht herunter, daß sie in hohem Bogen ins Wasser fiel. Eines der Mädchen sah die Frucht fallen, fischte sie auf und entdeckte die Zeichnungen. »O, dies hat sicher ein kunstreicher Mann gemacht,« riefen beide, und eifrig äugten sie nach allen Seiten, bis sie den Mann im Geäst des hohen Baumes erblickten.

»Komm herunter, komm schnell herunter und nimm uns beide«, riefen die Mädchen.

»Einverstanden!« gab der Mann zurück und glitt eiligst den Stamm herab.

Er stieg ins Wasser und watete auf die Mädchen zu, näher und näher kam er ihnen, und sie sahen, wie schön, wie herrlich er war. Die beiden jungen Weiber gingen ihm entgegen, faßten ihn um den Leib, schmiegten sich an ihn und führten ihn nach einer verlassenen Hütte in den Busch.

»Hier bleibe verborgen,« sagten sie zu ihm, »hier im Versteck verharre, bis wir wiederkommen.«

Und sie gingen und holten geröstete Taroknollen. Als der Mann gegessen hatte und sich wieder neugekräftigt fühlte, sprang er auf und fragte die Mädchen: »Wo liegt euer Dorf? Hingehen will ich und die Männer erschlagen.«

»Folge diesem Pfade«, ward ihm zur Antwort, »und halte dein Steuer gerade, dann wirst du es bald erblicken; doch gib acht, die Augen unserer Männer sind scharf.«

Der Jüngling nahm seine Waffen und ging ...

Und er ging und ging und ging und ging ...

Schließlich erreichte er das Dorf. Still und verlassen lag es mitten im dichten Busch. Der Mann trat in eine Hütte und polterte dort mit Knüppeln und Brettern, um die Leute herbeizulocken. Es dauerte auch nicht lange, da kam ein Mann und spähte ins Dunkel der Hütte.

»Wer macht da Lärm?«

»Ich!«

»Kommst du weit des Weges?«

»Ja, ich habe einen langen Marsch hinter mir.«

»So komm her und iß mit mir Betelnüsse; hier hast du auch Blätter und Kalk; hernach magst du dich niederlegen und dich ausruhen.«

Der Mann kaute nun mit dem andern Betelnüsse und legte sich dann schlafen. Doch nur zum Schein schlummerte er, denn er wußte, daß der andere versuchen würde, ihn umzubringen. Der ging und kehrte mit einem Arm voller Speere zurück. Er ergriff einen, zielte auf den Schlafenden und schleuderte die Waffe. Aber dicht vor der Brust des Fremden wich die Speerspitze plötzlich zur Seite ab, so daß nur der Schaft den Körper streifte. Der Mann hatte der Kraft des Zaubers vertraut; jetzt aber erhob er sich, tat schlaftrunken, und sah die Lanze neben sich im Boden stecken.

»Wie kommt der Speer hierher?« fragte er.

»Ich bin gestolpert, dabei entfiel mir die Waffe,« antwortete der Einheimische.

»Du hast mich ermorden wollen,« sagte der Krieger, »wohlan, hier stehe ich und werde nicht ausweichen, versuche mich diesmal besser zu treffen!« Der Gegner schleuderte einen Speer, die zitternde Spitze kam geradewegs auf die Brust des Fremdlings zugeflogen; da warf sie der Hirakuzauber zur Seite.

»Nun sieh, wie ich zu treffen weiß!« rief der Mann, nahm den Speer vom Boden auf und warf ihn dem Feinde mitten in die Brust, daß der hintenüberschoß, und der zitternde Lanzenschaft hoch aufragte. Eiligst trennte er dem Gefallenen den Kopf vom Rumpfe und zerlegte den Körper. Die Fleischstücke setzte er in einem Topf voll Wasser aufs Feuer und verbarg sich dann im nahen Gebüsch. Bald darauf kehrte eine ganze Schar von jungen Männern vom Fischfang heim; sie witterten das kochende Fleisch im Topfe, glaubten, es sei ein Schwein geschlachtet, und stürzten sich darüber her. Als sie im besten Schmausen waren, trat der fremde Mann aus dem Gebüsch heraus und fragte:

»Was eßt ihr denn da? Sagt, wo ist denn wohl der Mann geblieben, der vor euch ins Dorf zurückkam? Hier, ich habe ihn erschlagen, in diesem Topfe kocht sein Fleisch, und ihr seid dabei, euren eigenen Stammesgenossen zu verzehren!«

Angeekelt warfen die Essenden die Fleischbrocken fort, nur einige versuchten schnell auch den Rest noch hinunterzuschlingen. Doch der Jüngling ließ ihnen keine Zeit dazu. Einer nach dem andern fiel, von seinen Pfeilen getroffen, tot zu Boden.

Im Triumph holte er die beiden Mädchen in das Dorf. Sie rüsteten sich dort mit Lebensmitteln aus, trieben ein paar Schweine zusammen, verstauten alles in ein Kanu, das sie am Strande vorfanden, und fuhren dann die Küste entlang nach dem Heimatsdorf des Mannes.

Die Mutter und das verlassene Weib hatten sich mit Trauerfarbe bemalt, da sie den Jüngling längst ermordet glaubten. Vor Freude weinend fiel nun die alte Mutter ihrem heimgekehrten Sohn um den Hals; die abgesetzte Frau aber brach wimmernd zusammen, als sie ihre Nachfolgerinnen erblickte.

»Nun heule nur soviel du magst!« rief er ihr lachend zu.

Er schenkte seiner Mutter die mitgeführten Schweine und kehrte dann mit seinen beiden jungen Weibern in das eroberte Dorf zurück.

*

Die lange Erzählung war von den übrigen Soldaten nicht unbemerkt geblieben. Stillschweigend hatten sich einige Neu-Guinea-Leute und noch ein Buka bei uns eingefunden, sich auf der Ladeluke niedergehockt und der Geschichte des Tuhen gelauscht. Als er fertig war und zur Belohnung eine Stange Tabak erhielt, war die Aufmerksamkeit der andern noch gespannter geworden. Sein Landsmann Sori wechselte mit ihm etliche Worte, unter denen sich immer wieder Porana, Porana wiederholte. Die Erklärung wurde mir bald. Sori bat, mir eine Geschichte von dem Stammeshelden der Salomon-Leute, von Porana, erzählen zu dürfen.


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