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Die Abenteuer des Mannes im Weiberland

To Langabutur wollte Tauben essen. Er ging in den Busch und suchte sich den Baum, auf dem die Tauben zu nisten pflegten. Er spannte eine Schlinge auf, tat Beeren hinein, die die Vögel gern fraßen, und wartete dann, daß sich einer in der Schnur verfing.

Bald setzte sich eine Taube in die Schlinge. Schnell zog er sie zu und die Schnur auf den Boden herab, um das Tier einzufangen. Es riß aber das dünne Bändchen ab und flog mit dem längeren Teil, den es hinter sich herschleppte, davon.

To Langabutur schaute der Taube nach und dachte: »Na, die Schnur wird sicher ihr Verhängnis werden; die wird sich noch in einem Baum verfangen.« Die Taube flog jedoch weiter; er schlenderte hinterdrein, sah ihr nach und sagte: »Wo wird sie sich wohl hinsetzen?« Nun nahm sie ihren Flug auf die offene See hinaus. »Wo wird sie sich denn ausruhen,« sprach er, »wenn sie jetzt auf das Meer hinausfliegt?«

Als sie seinen Blicken vollends entschwunden war, rief er: »Also ist sie mir richtig mit meiner Schnur durchgebrannt!« Flugs schob er ein kleines Kanu ins Wasser und ruderte hinterher. Er ruderte und ruderte und ruderte immerfort. Er ruderte die ganze Nacht hindurch. Als es Tag wurde, sah er ein Eiland vor sich. »Aha,« rief er, »da ist die Insel, wohin meine Taube geflogen ist. Na, dich werde ich schon kriegen! Gewiß sitzt sie auf dem hohen Baum dort!«

Er ruderte an den Strand, zog das Boot an Land, deckte es mit Schlingpflanzenblättern zu und begab sich nach dem Baum. Er stieg hinauf und saß hoch oben, als er plötzlich Frauenstimmen vernahm. »Nun will ich mich ruhig verhalten,« sagte er, »und die Taube nicht einfangen; die Frauen sollen mich nicht sehen. Ich will mich in den Blättern verbergen.«

Sprachs und tat es; doch er hatte nicht bemerkt, daß der Baum schief gewachsen war und sich über eine Quelle neigte. Wie er so versteckt im Wipfel des Baumes saß, kam eine Frau. Sie beugte sich zum Brunnen nieder, um eine Kalabasse mit Wasser zu füllen. Als sie das Wasser schöpfte, lugte der Mann zwischen die Blätter hindurch nach unten; dabei bewegte er sich und die Schatten seines Federhaarstutzes tanzten auf dem Wasser hin und her.

Die Frau sagte (zu sich): »Was mag denn das sein, was sich da im Wasser spiegelt?« Und als sie darauf in die Höhe schaute, erblickte sie den Mann: »Wer bist du denn da oben?« fragte die Frau.

»Ich komme von weither.«

»Was willst du hier?«

»Ich verfolgte eine Taube, die mir mit meiner Schlinge ausriß.«

»Na, halte dich gut versteckt, damit die andern Frauen dich nicht sehen.«

Als ihre Gefährtinnen ihre Kalabassen auch mit Wasser füllen wollten, rief sie ihnen zu: »Laßt nur, ich will euch schon die Kalabassen füllen und für euch alle Wasser schöpfen.«

So schöpfte und schöpfte sie immerfort Wasser. Kamen dann andere Frauen, sagte sie zu ihnen: »Reicht eure Kalabassen her! Ich will sie füllen.«

Als es Abend geworden war, sprachen die Frauen: »So, jetzt laßt uns aufbrechen!« Sie gingen fort. Die Frau aber, die das Wasser geschöpft hatte, ließ absichtlich ihren Pandanusschirm am Brunnen zurück. Sie waren eine Strecke zusammen gegangen, da rief sie plötzlich: »O, meine Lieben! Ich habe meinen Schirm vergessen. Geht einstweilen voraus. Ich will umkehren und ihn holen. Ihr braucht durchaus nicht auf mich zu warten! Geht nur los!«

Damit drehte sie sich um und lief eilends nach der Quelle zurück. Der Mann saß noch oben im Baume. »Komm schnell herunter!« rief sie ihm zu, »komm mit und verstecke dich in der Nähe meiner Hütte.« To Langabutur kletterte herab und ging mit der Frau fort. Als es Nacht geworden war, nahm sie ihn in ihre Hütte.

Er blieb bei ihr; sie hielt ihn verborgen und sorgte für sein Essen.

Er spielte mit ihr; und eines Tages wurde sie schwanger.

Da fragten die andern sie: »Was ist mit dir vorgefallen? Du bist ja schwanger.«

Sie erwiderte: »Das ist doch nichts besonderes. Das kommt von unsern Männern, den Schildkröten, wenn die sich bei uns einfinden.«

Bald darauf gebar die Frau einen Knaben. Die andern fragten von neuem. Auch ihre Schwester befragte sie. Da flüsterte sie ihr leise zu: »Erst richte mir etwas Essen her.«

Als das geschehen war, standen beide auf, und die Frau tat To Langabutur zu ihrer Schwester hinein. To Langabutur spielte nun mit der Schwester. Sie wurde auch schwanger. Wieder fragten die andern: »Was ist denn mit dir vorgefallen? Du bist ja schwanger!«

Da sagte die erste Frau: »Bringt mir einige Stückchen Muschelgeld und beschenkt mich damit, dann will ich euch einen Schatz zeigen, den ich für uns gefunden habe.«

Die andern schenkten der Frau viele Stücke Muschelgeld. Nun rief sie To Langabutur: »Wohlan, komme heraus, zeige dich den Frauen, damit sie dich sehen!« Der Mann kam heraus, und als sie ihn erblickten, riefen sie: »Fürwahr, der Mann wird uns glücklich machen, nun werden wir Kinder bekommen.«

Jede Frau wollte To Langabutur zuerst haben. Doch die beiden Schwestern gaben ihn nur gegen reiche Bezahlung von Muschelgeld heraus. Jede Nacht schlief er bei einer anderen Frau, und alle wurden schwanger.

Eines Tages fragte sie der Mann: »Wo sind eure Männer?«

»Unsere Männer sind Schildkröten.«

»Lockt sie einmal aus der See herbei!«

»Was willst du mit ihnen anfangen?« fragten die Frauen.

»Ich will sie essen. Schildkröten schmecken gut.«

Sie lockten die Schildkröten. Sie riefen: »Punpunpun! Punpunpun!« Da kamen die Schildkröten herbei. Nachdem er eine mit einem Prügel erschlagen hatte, zerlegte er sie.

Die Frauen aber sagten: »Fürwahr, wir freuen uns sehr, daß du zu uns gekommen bist! Die Schildkröten wollen wir nun aufessen.«

So aßen sie alle ihre Männer, die Schildkröten, auf. Sie gefielen ihnen jetzt viel besser als früher.

Alle Frauen gebaren Knaben. So kamen die Männer in das Land, in dem es vorher nur Weiber gegeben hatte.

Als die Knaben größer geworden, als auch Mädchen geboren waren, schickte sich To Langabutur an, die Insel zu verlassen.

Er ging an den Strand, zog sein Kanu unter den Schlingpflanzenblättern hervor, schob das Boot ins Wasser, stieg hinein, ruderte los und landete am Abend wieder in seiner Heimat.

Er begab sich sogleich zu seiner Frau. Schon von weitem sah er an den Palmen vor seiner Hütte die Zeichen, die die Schonzeit der Kokospalmen zu Ehren eines Toten verkündeten. Er wunderte sich darüber und glaubte, daß seine Frau gestorben wäre; doch klopfte er mit den Fingern auf der Liegetrommel den Trommelruf seiner Frau, um ihr sein Kommen zu künden, falls sie doch lebte und sich bereits zur Ruhe begeben hatte.

»Wer bist du denn da draußen?« rief die Frau drinnen in der Hütte.

»Ich bin es, ich To Langabutur!«

Da entfachte sie eine Kokosfackel und leuchtete zur Hütte hinaus. Der Lichtschein fiel auf ihn, und sie erkannte an seinem Gesichte das Schandleben, das er geführt hatte. Außer sich vor Wut ergriff sie ein Steinbeil, stürzte damit auf ihn los und rief: »Da bist du also! Du Schandkerl! Wir glaubten, du wärest tot. Wir haben die Totenfeier für dich abgehalten. Unser ganzes Muschelgeld ist dabei draufgegangen! Und nun haben wir es umsonst verschleudert, während du dich heimlich herumtriebst und deinen Lüsten fröhntest.«

Sprach's, schwang das Beil und hieb ihm sein Glied ab.

To Langabutur starb daran; und man begrub ihn.

Während To Kau erzählte und seine Worte mit einem lebhaften Mienen-, Gebärden- und Gestenspiel begleitete, um ihnen zum rechten Eindruck zu verhelfen, hatte sich ein großer, tiefschwarzer Buka bei mir eingefunden. Ohne auch nur eine Miene im Gesichte zu verändern, ja fast gleichgültig, als ob To Kau etwas alltägliches erzählte, hatte er zugehört. Ich wunderte mich um so mehr, als der schweigsame Mann mich plötzlich fragte: »Master, darf ich dir auch eine Geschichte erzählen? Willst du vom Frauenheld hören?«

Tohen erzählte:


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