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Wie die Menschen einander erkannten

Als Eluelap, der große Geist, die Inseln aus dem Meer gezogen hatte, schuf er Menschen, Männer und Frauen, und verteilte sie über die Lande. Gemächlich lebten sie nebeneinander her; der Mann fischte und leistete die grobe Arbeit, die Frau sammelte die Früchte, bereitete die Mahlzeiten, webte Kleidmatten und Gürtel, kurz, sorgte fürs Haus. Aber die Menschen vermehrten sich nicht. Nirgendwo sah man ein Kind. Denn Eluelap hatte wohl den Mann erschaffen, wie er heute ist, doch die Frau war ihm mißraten; er hatte ihre Scham vergessen. Und so kannte niemand die Freuden der Nacht.

Eluelap sorgte sich; er wollte wissen, weshalb seine Wesen keine Nachkommen bekamen. Und er entsandte seinen Sohn, den strahlend schönen Lugeileng, zur Erde, die Menschen zu besuchen und sie das Spiel zu zweien zu lehren.

Im Westen, wo Himmel und Erde einander berühren, stieg Lugeileng zu den Menschen hinab. Er wanderte nach Osten und kam nach der Insel Elato. Hier lebte Temongemong mit seiner Frau Liparara. Beide hatten sich gern; wenn Temongemong fischte, sorgte Liparara für das Hauswesen.

Als Lugeileng über die Insel streifte, erblickte er das Haus Temongemong's. Er ging darauf zu und sah nun Liparara unter einem rotblühenden Hibiskusbusch sitzen und einen Gürtel für ihren Mann weben. Lange schaute er ihr zu; er freute sich über ihre emsige Geschicklichkeit, mit der ihre flinken Hände das feine Gewebe schufen; und ihre frauliche Schönheit entzückte seine Sinne aufs höchste. Er trat vor sie hin und fragte, was sie mache.

»Ich webe einen Gürtel für meinen Mann Temongemong.«

»Wo ist denn dein Mann?«

»Temongemong ist weit vor der Insel; er fischt, und wenn die Sonne am höchsten steht, kommt er heim.«

So ging die Zweisprache eine Weile hin und her; Lugeileng fühlte sich durch das freundliche Wesen der Frau immer mehr angezogen und fragte endlich: »Was treibt ihr den Tag über?«

»Ich koche das Essen, mein Mann fängt die Fische, ich webe Matten und Gürtel, und er bessert am Hause, sorgt für das Kanu, die Segel, fertigt Geräte und schafft hundert andere Kleinigkeiten.«

»Versteht ihr nicht mehr? Was macht ihr denn nachts? Kennt ihr nicht das Spiel zu zweien?«

»Nein, das kennen wir nicht. Nachts schläft jeder auf seiner Matte.«

Da nahm Lugeileng der Frau die buntgemusterte Kleidmatte ab. Jetzt begriff er, weshalb den beiden das anmutige Spiel fremd war, und warum den Menschen keine Kinder beschert wurden. Eluelap hatte die Scham der Frau vergessen.

Sorgsam legte er Liparara die Matte wieder um die Hüften und bat sie, sich zu baden, mit frischem, wohlriechendem Öl den Leib und die Glieder zu salben und ihm in die Hütte zu folgen.

»Ich will dich das herrliche Spiel lehren!«

Die junge Frau bettete sich auf einer der feingeflochtenen, weichen Matten. Lugeileng beugte sich über die Liegende und ritzte ihr mit einem scharfen Muschelmesser eine schmale Spalte in den Leib, weitete sie mit den Fingern und sprach einen Zauberspruch darüber.

Der Liebesgarten der Frau war erschaffen und die Vergeßlichkeit Eluelap's wieder gutgemacht.

Darauf umarmte Lugeileng Liparara und lehrte sie das schöne Spiel zu zweien. Es dünkte ihr ungemein süß, ihr Rattenzünglein wußte vor Freude nicht aus und ein, und noch viele Male mußte der Gott ihr die Labung verschaffen.

Als der Gott sich verabschiedete, empfahl er ihr, auch Temongemong nach seiner Heimkehr im neuen Spiel zu unterweisen.

»Löse ihm den Gürtel, greife seine Schlange, lasse sie in das Loch schlüpfen und bereite ihr ein anheimelndes Lager.«

Kaum war Lugeileng seines Wegs gegangen, als die Frau schon zur Hütte hinauseilte, an den Strand lief und nach Temongemong zu rufen begann. Weithin schallte das Schreien und erreichte auch das Ohr des in der Ferne vor dem Riffe fischenden Mannes. Im Glauben, daß seiner Frau etwas zugestoßen war oder Unholde ihr zusetzten, hißte er das Segel und fuhr in schneller Fahrt nach dem Strande und der heimatlichen Hütte. Je näher er kam, um so aufgeregter, lauter und deutlicher wurde das Rufen der Frau: »Komm! Komm, lieber Mann! Mach' schnell, beeile dich! Laß das Kanu, laß die Fische! Komm, komm! Ich will dir etwas Herrliches zeigen!«

Der Mann wußte nicht, was mit seiner Frau vorgegangen war. Er wunderte sich über die Rufe, deren Worte er verstand, und deren Sinn ihm doch fremd war.

Endlich gelangte er ins seichte Wasser. Er ließ das Segel nieder, sprang zum Kanu hinaus und wollte den Fang in den Körben bergen, um ihn in die Hütte zu tragen. Doch die Frau ließ ihm dazu keine Zeit. Sie watete schnell zum Boote und rief ihrem Mann zu: »Laß das Kanu! Laß die Fische! Komm nur, komm nur rasch!« Sie faßte den Ahnungslosen beim Arm, zog ihn hinter sich her, und auf alle Fragen hatte sie als einzige Antwort:

»Laß das Kanu, laß die Fische! Komm nur, komm nur rasch!«

Temongemong wußte nicht, was ihm geschah. Sie eilten in die Hütte, wo Liparara schnell das Mattenlager herrichtete, die Kleidmatte abstreifte und dem Manne den Gürtel löste. Traurig ließ die Schlange das Köpfchen hängen; doch wie die Frau nach ihr griff, wuchs sie, wurde groß und richtete sich empor.

»Nun will ich dich das neue Spiel lehren, in dem mich Lugeileng unterwies«, rief sie, legte sich auf die Matte und lockte die Schlange, in das Loch zu schlüpfen.

Auch Temongemong hatte seine Freude an dem lustigen Spiel; so groß war seine Freude, daß er viele Male die Schlange zum Ergötzen der Liparara ins Loch schlüpfen ließ, und alles andere, Kanu und Fische, Essen und Trinken darüber vergaß.

Täglich vergnügten sie sich an dem Spiel, so häufig und so viel, daß sie beinahe zu Skeletten abmagerten.

Als Lugeileng das merkte, weitete sich sein Herz, und er sorgte sich ernstlich um das Wohl und die Zukunft der Menschen. Trieben sie das Spiel so ausbündig und ohne Unterlaß, war es um die Nachkommen des Geschlechtes geschehen. Wiederum stieg er zur Erde herab. Er suchte das Ehepaar auf, warnte es vor den Folgen des übereifrigen Spiels und riet ihm, sich nur mäßig damit zu vergnügen.

»Zwei Nächte von sieben dürft ihr euch des fröhlichen Spiels erfreuen, was darüber, gerät euch zum Schaden, und ihr müßt sterben.«

Temongemong und Liparara gehorchten dem Gotte. Bald blühten sie wieder auf, und mit der Zeit stellte sich eine große Kinderschar ein.

Das Spiel zu zweien ist seither von allen beliebt worden; Knaben und Mädchen, die vier Brotfruchternten sahen, versuchen es schon und erfreuen sich der belebenden Unterhaltung.«

Olapel hatte seine Erzählung beendet, als Sau Uru mich fragte: »Erzählte dir jemand auf den andern Inseln davon, wie einst die Kinder zur Welt kamen? Erzählten sie dir auch die Geschichte vom abnehmenden Monde? – Nein? Dann höre!


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