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An Deck

Mittags hatten wir Käwieng verlassen. Mit langsamer Fahrt, vorsichtig die gefährlichen Flecken und Strecken hellgrünen Wassers meidend, die Künder seichter Riffe und der Korallenwiesen, waren wir aus dem engen Kanal hinausgeglitten und hatten das offene Meer gewonnen. Es bereitete uns keinen freundlichen Empfang. Stampfend und schlingernd arbeitete unser Dampfer sich vorwärts; schien es doch, als ob die hochgehende Dünung ihn wieder in den Hafen zurückzwingen wollte; wütend donnerten und krachten die schaumgekrönten Wogen gegen das Schiff, polterten über das Vorderdeck, überschütteten es mit feinem Sprühregen oder setzten es bisweilen auch ganz unter Wasser. Dabei strahlender Himmel, der sich im satten, tiefen Blau des Meeres widerspiegelte.

Abend wurde es, ehe die flache, brandungumtoste, grüne, palmen- und kasuarinenbestandene Spitze Neu-Mecklenburgs und die hohen, finsteren, bläulichen Berge Neu-Hannovers unter den Horizont hinabsanken. Die letzten Möwen, die uns begleitet hatten, waren umgekehrt. Noch eine kurze Stunde, und mit dem Scheiden der Sonne werden die letzten Erinnerungen an das Festland verschwunden sein.

Fünf Tage lagen vor uns. Keinem Dampfer, keinem Segler würden wir begegnen. Wir durchfuhren die einsamsten Gebiete des Weltmeers. Die seltsamen, aus dem Wasser emporhuschenden, in den nächsten Wogenkamm gleitenden und darin verschwindenden fliegenden Fische, die munteren, soldatisch in Gruppen und Reihen zu vieren marschierenden Delphine, die wie auf Befehl aus den Wellen herausschnellten, sich überschlugen und untertauchten, um dasselbe Spiel zu wiederholen, waren unsere einzigen Begleiter.

Nach Ponape waren wir bestimmt. In großer Eile galt es das Ziel zu erreichen. Ponape war im Aufstand. Vier Weiße waren heimtückisch erschlagen. Nur wenige schützten mit einigen treuen Eingeborenen die Kolonie, die weißen Frauen, die Kinder und den Besitz. Zweihundert ausgewählte schwarze und braune Soldaten hatten wir an Bord, die die erste Hilfe bringen sollten.

Der Morgen des dritten Tages war angebrochen. Spiegelblank, vom schwachen Winde wenig gekräuselt, leise atmend, breitete sich ringsum die veilchenblaue Fläche aus, die wir mit gesteigerter Dampfkraft durchschnitten. Als ob wir durch Öl fuhren. Hastig drehte und klopfte die Schraube und zog einen breiten, schaumgefleckten, brausenden Streifen hinter sich her, dessen Windungen wir, soweit das Auge reichte, verfolgen konnten.

Bis über Mittag hinaus wurden Übungen abgehalten, geschossen, Unterricht erteilt und darauf die farbigen Soldaten ihrer eigenen Unterhaltung auf dem Vorderdeck überlassen. Die braunen Khakiuniformen, die Mützen, die oft so wackelig auf dem schwarzen Wollhaar thronten, waren abgelegt; man hatte das bequemere, kurze, rote Lawalapp um die Hüften gebunden und sich nach Anziehung und Gefallen in Gruppen zusammengetan. Die kleinen Kampferholzkisten waren heraufgeholt; kling, kling, bald tief, bald hoch klangen deren Glöckchen, wenn der Besitzer sie aufschloß, um ihre Schätze zu wiederholten Malen umzuordnen; auf Deck, in ihre wollenen, roten und braunen Schlafdecken gehüllt, lagen die einen, ruhten sich von den Mühen des Morgens aus und schnarchten, als gälte es die Unterlage durchzusägen. Andere saßen an der Reling, die nie erlöschende Kalkpfeife im Munde, stumm ihren Gedanken hingegeben, hin und wieder ins Wasser spuckend, andere schwatzten leise, reinigten eifrig ihre Ausrüstung. Und dazwischen befanden sich etliche Gruppen von sechs bis zehn Soldaten, die um eine umgestülpte Kiste herumhockten und sich einem mir unverständlichen Kartenspiel hingaben. Vor Fett und Schwärze waren die einzelnen Blättchen kaum zu erkennen; sechs spielten zuerst: jeder warf stets zwei Karten, die durch den Schmutz aneinander klebten, nach irgendwelchen Regeln mit weithinschallendem Krach auf die Kiste – dieser Lärm schien ihnen die Hauptsache zu sein –, Part und Gegenpart sahen sich in die Karten, tauschten auch zuweilen einige Blätter aus, um sie dann mit verdoppelter Kraft auf die Bretter zu schmettern; dann und wann griff jemand die Karten wieder auf und spielte sie im selben Gange weiter aus; aus den sechsen wurden viere, doch das Spiel nahm kein Ende; schweigend, mit ernsten Mienen folgten sie dem Verlauf; eine Reihe kibitzte, stichelnd, weisend, und hin und wieder ein lautes »you kill him!« dazwischen rufend.

Aus allen Stämmen Neu-Guineas und des Bismarckarchipels waren die Schwarzen zusammengewürfelt; jeder hatte seine besondere Sprache, dem andern unverständlich; nur die Landsmannschaften unterhielten sich in den heimischen Lauten. Untereinander verständigte und besprach man sich in jenem sonderbaren, eigenartigen, blumenreichen Kauderwelsch der Südsee, dem Pidgin-Englisch, dem wunderlichen Gemisch von englischen, deutschen, portugiesischen, chinesischen und eingeborenen Worten.

Unter den Soldaten bemerkte ich meinen alten Freund To Kau, der vor kurzem von Ponape, wo ich ihn bereits gekannt hatte, nach Rabaul heimgeschickt war, und nun mit den Soldaten wieder zurückkehrte. Wir talktalkten, unterhielten uns über die Heimat, über Kokopo, sprachen von Ponape, den zu erwartenden Ereignissen und tausend andern Dingen, bis er mir unvermutet einwarf, er freue sich auf Ponape, freue sich dort auf seine Frau, die Limui, die er neulich doch nicht hätte mitnehmen können, da er schon in Kokopo eine Frau habe. Dort wäre es ihm beinahe wie dem To Langabutur ergangen. Ich kannte To Langabutur nicht.

»Du kennst nicht To Langabutur? Du weißt nichts von seiner Reise ins Weiberland?«

Und er erzählte:


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