Gottfried von Straßburg
Tristan und Isolde
Gottfried von Straßburg

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XXIX. Enttäuschung.

                 

Der König ließ zuhanden
Am Hof und in den Landen
Seine Räth und Freund entbieten,
Auf daß sie ihn beriethen.
Er sprach, und that es ihnen kund
Wie ich euch that zu dieser Stund,
Wie er sie fand im Steine,
Und sprach, wie er nicht meine,
Daß jemals wider ihn gethan
Isolde hätte noch Tristan.
Die Räthe merkten allzuhand,
Wie es um seinen Willen stand,
Und das sei seiner Rede Kern,
Daß er sie wieder nähme gern.
Sie riethen, wie die Weisen pflegen,
Seinem Herzen nicht entgegen,
Nein, wie er selber wollte:
Daß er besenden sollte
Isolden und Tristanden,
Da Inzicht nicht vorhanden
Sei wider ihre Ehre
Und er sich arger Märe
Zu ihnen nicht versähe.
Curvenal war in der Nähe:
Den wollten sie zu Beiden
Als Boten hinbescheiden,
Denn er wuste sie zu treffen.
Marke gebot dem Neffen
Und der Köngin Gruß zu sagen,
Huld und Minne anzutragen
Und daß sie kommen sollten
Und sich hinfort nicht wollten
Args versehen wider ihn.

Curvenal der fuhr dahin
Und sagte ihnen Markes Muth.
Das deuchte den Gelieben gut:
Sie wurden herzlich drüber froh.
Jedennoch freuten sie sich so
Weit mehr um Gottes Segen
Und ihrer Ehre wegen
Als um des eignen Herzens Glück.
Sie kehrten an den Hof zurück
Und lebten herrlich wie vorher.
Sie wurden aber nimmermehr
So heimlich nach den Jahren
Wie sie gewesen waren,
Und fanden zur Vertraulichkeit
So günstig nie mehr Ort und Zeit.
Herr Marke war, der König
Und sein Gesind, nicht wenig
Bedacht auf seine Ehre.
Sie fanden zum Verkehre
So offne Freiheit nun nicht mehr.
Der Zweifler Marke hatte sehr
Gebeten und geboten
Tristanden und Isoten,
Daß sie um Gott und seinetwegen
Bescheidnen Maßes möchten pflegen
Und jene süßen Stricke
Ihrer inniglichen Blicke
Vermieden und entbehrten,
Auch so traulich nicht verkehrten
Und sich besprächen wie vorher.
Dieß Gebot fiel den Gelieben schwer.

Marke war nun wieder froh.
Zu Freuden hatt er wieder so
An seinem Weib als Gatte
Was er zu wünschen hatte:
So schien es nach dem Leibe;
Doch hatt er an dem Weibe
Der Seligkeiten keine,
Minne noch Meine,
Die Gott an Frauen werden ließ.
In seinem Namen freilich hieß
Sie eine Frau und Königin,
Da wo das Reich ihm war verliehn.
Dieß nahm er Alles hin für gut
Und trug ihr immer holden Muth,
Als hätte sie ihn gerne.
Dieß war die alberne,
Die wesenlose Blindheit,
Von der das Wort gilt weit und breit:
»Die Blindheit in der Minne
Blendet außen, blendet inne,
Sie blendet Augen und Sinn:
Was zu sehen kein Gewinn,
Das wollen sie nicht sehen.«
So war Marken geschehen:
Er wust es sicher wie den Tod
Und sah wohl, daß sein Weib Isot
Mit Herzen und mit Sinne
Auf seines Neffen Minne
Alleine war beflißen,
Und wollt es doch nicht wißen.
Wem ist nun die Schuld zu geben
An dem freudenlosen Leben,
Das er so mit ihr führte?
Denn wahrlich, es gebührte
Sich nicht, um falsch Betragen
Isolden zu verklagen:
Sie trog ihn nicht, noch auch Tristan.
Er sah es doch mit Augen an
Und wust es blindlings klar genug,
Daß sie ihm keine Liebe trug,
Und liebte sie doch ohne das.
»Warum denn, sagt mir, und um was
Trug er ihr inniglichen Muth?«
Warum es heut noch Mancher thut:
Gelüsten und Verlangen
Muß leiden mit Bangen
Was ihm zu leiden Noth geschieht.

Ach, was man ihrer heut noch sieht,
Der Marken und Isoten,
Wärs zu sagen nicht verboten,
Die blinder oder auch so blind
Von Herzen und von Augen sind!
Da ist nicht etwa Keiner,
Da ist Mancher, ist manch Einer
Der Blindheit so beflißen,
Er will davon nicht wißen
Was ihm doch liegt vor Augen,
Als könnt ihm Läugnen taugen
Was er doch weiß mit Lammgeduld:
Wer ist an seiner Blindheit Schuld?
Auf Billigkeit zu schauen,
So geben wir den Frauen
Weiter keine Schuld hieran:
Sie sind unschuldig vor dem Mann,
Den sie mit Augen laßen sehn
Was sie treiben und begehn.
Hat man die Schuld vorm Angesicht,
So ist man von dem Weibe nicht
Belogen noch betrogen;
Da hat Gelüst gezogen
Den Nacken vor das Augenpaar.
Das Gelüst das ist der Star,
Der der geduldgen Männerwelt
Sich vor die klaren Augen stellt.
Was man auch von Blindheit spricht,
Die blindste Blindheit hat so dicht
Die Augen nie verhangen
Als Gelüsten und Verlangen.
Verschweigen wir es noch so gern,
Ein wahres Wort ist doch, ihr Herrn:
»Schöne führt zur Höhne.«
Die wunderbare Schöne
Der blühenden Isolde
Blendete gleich dem Golde
Marken auß- und innen
An Augen und an Sinnen,
Daß er an ihr nichts sah und fand
Was er ihr zu Arg verstand,
Und was er an ihr wuste
Für Tugend halten muste.
Und daß der Red ein Ende sei,
Er war so gern ihr nahebei,
Daß er ihr Alles übersah
Was ihm von ihr zu Leid geschah.

Was in dem Herzen alle Frist
Verborgen und verschloßen ist,
Mag nicht verhohlen bleiben.
Man will das gerne treiben
Was die Gedanken dränget.
Das Auge das hänget
Zu gern an seiner Weide.
Herz und Augen beide
Weiden fleißig aus der Trift,
Wo jedes seine Freude trifft.
Und Wer solch Spiel verleiden will,
Viel lieber macht er nur solch Spiel.
Je härter man sie dannen jagt,
Je lieblicher das Spiel behagt,
Je fester hängen sie ihm an.
So that Isold auch und Tristan.
Als ihnen so geschehen war,
Daß ihre Lust und Freude gar
Die Hut versperren wollte,
Ein Verbot verwehren sollte,
Ergriff sie sehnlich Bangen.
Das lockende Verlangen
That ihnen da erst wehe,
Viel weher noch denn ehe.
Sie sehnten sich zusammen
Mit bangern Sehnsuchtflammen
Als sonst geschehn sein würde.
Die bergschwere Bürde
Der verruchten Hut, der leiden,
Die lag auf ihnen Beiden
Wie ein Berg von Blei so schwer.
Die Hut, vom Teufel kommt sie her,
Die Feindin der Minne,
Nahm ihnen alle Sinne.
Und sonderlich Isote
Litt unter dem Verbote.
Tristans Ferne war ihr Tod.
Je mehr ihr der Gemahl verbot,
Ihn traulich anzublicken,
Je mehr sie in den Stricken
Hieng mit Sinnen und Gedanken.
Das hat man auch der Hut zu danken.
Die Hut die füttert und trägt,
Wenn man sie füttert und pflegt,
Nur den Hagen und den Dorn.
Das ist der wachsende Zorn,
Der Ehr und Lob versehret
Und manches Weib entehret,
Die gern nach Ehre zielte,
Wenn man sie ehrlich hielte.
Wenn man ihr aber Unrecht thut,
So wird sie krank an Ehr und Muth.
Die Hut muß sie verkehren
Am Muth und an den Ehren.
Und dennoch, wie mans treibe,
Hilft keine Hut beim Weibe;
Denn auf Erden lebt kein Mann,
Der eine Üble hüten kann.
Die Gute braucht des Hütens nicht,
Sie hütet selber, wie man spricht,
Und wer sie hütet noch dazu,
Der ist ein Feind der eignen Ruh,
Der will das Weib verkehren
Am Leib und an den Ehren,
Und thut es wahrlich also sehr,
Daß sie sich gänzlich nimmermehr
Von bösen Sitten mag erholen:
Stäts haftet ihr noch an verstohlen
Der Hagedorn in spätern Tagen.
Denn hat einmal der scharfe Hagen
In solchem fetten Grunde
Gewurzelt kurze Stunde,
Zu tilgen ist er schwerer dort
Als auf dem dürren steingen Ort.

Ich weiß wohl, daß dem guten Muth,
Wenn man so lang ihm Unrecht thut
Bis er üble Früchte bringt,
Noch viel ärgre Saat entspringt,
Als wär er immer schlimm gewesen.
So ists, ich hab es oft gelesen.
Darum so soll ein weiser Mann,
Der Weibesehre pflegen kann,
Nie wider ihren guten Muth
In Heimlichkeiten andre Hut
Verwenden oder kehren,
Als weisen und lehren:
Mit Sanftmuth und Güte
Will ich, daß er sie hüte,
Und wiß er dann mit Zuversicht,
Er mag sie beßer hüten nicht.
Denn sei sie übel oder gut,
Wer ihr manchmal Unrecht thut,
Sie faßt sich leicht ein Müthelein,
Des er wohl ledig möchte sein.
Wohl soll ein jeder biedre Mann,
Und der je Mannes Muth gewann,
Vertrauen seiner Frauen
Und auch sich selbst vertrauen,
Sie werd ihm zu Gefallen
Vom rechten Weg nicht fallen.
Wie man es auch beginne,
Dem Weibe mag die Minne
Doch Niemand aberzwingen
Mit ungenehmen Dingen;
Man erstickt sie eher auch.
Hut ist übler Minnebrauch;
Sie erweckt nur übeln Zorn:
Das ist dem Weibe gar ein Dorn.

Wer auch Verbieten ließe sein,
Er hätt es schwerlich zu bereun.
Bei Frauen bringt es Spott und Noth.
Zu Manchem reizt uns ein Verbot,
Wozu uns Niemand triebe,
Wenn es unverboten bliebe.
Diese Distel, dieser Dorn
Ist traun den Frauen angeborn.
Die Fraun, die so geartet sind,
Sind ihrer Mutter Eva Kind:
Die brach das erste Verbot.
Ihr erlaubte unser Herre Gott
Obst und Kraut und Alles gar
Was im Paradiese war,
Nach eigenem Behagen
Damit sich zu betragen,
Bis auf Eins, das er verbot
Bei Leib und Leben, bei dem Tod,
(Die Pfaffen hört man lesen,
Die Feige seis gewesen):
Das brach sie, brach des Herrn Gebot
Und brachte sich und uns in Noth.
Es ist auch noch mein fester Wahn,
Eva hätt es nie gethan,
Wenn es ihr unverboten blieb.
Das erste Werk, das sie betrieb,
Vererbte sie auf ihre Art
Und that was ihr verboten ward.
Erwägt man es bescheidentlich,
So mochte Eva unschwer sich
Der Einen Frucht enthalten:
Mochte sie doch schalten
Nach eigenem Gefallen
Mit den andern allen.
Es gefiel ihr aber keins als das,
Woran sie ihre Ehre aß.
So sind sie all nun Evens Kind,
Die Even nachgeevet sind.
Ja, Wem Verbot zustände,
Wie viel der Even fände
Noch heutges Tags, die ums Verbot
Von sich selber ließet und von Gott.
Da ihre Art das mit sich bringt
Und es der Fraunnatur entspringt,
Wenn Eine sichs enthalten kann,
Da liegt viel Lob und Ehre dran.
Geräth sie wider ihre Art,
Die wider ihre Art bewahrt
Ihre Ehr, ihr Lob und ihren Leib,
Die ist von Namen nur ein Weib,
Ein Mann nach ihrem Muthe.
Der soll man auch zu Gute,
Zu Lob und zu Ehren
All ihre Dinge kehren.
Denn wo ein Weib weiblichen Muth,
Weiblichen Leichtsinn von sich thut
Und artet sich dem Manne,
Da honigt die Tanne,
Balsamt das Kraut, das Schierling trägt,
Die Neßel, die zu brennen pflegt,
Die roset ob der Erden.

Was mag auch immer werden
Reineres am Weibe,
Als daß sie mit dem Leibe
Nach ihren Ehren fechte
Und jedem thu das Rechte,
Dem Leibe wie den Ehren?
Sie soll sich also wehren,
Daß sie ihr Recht den beiden wahrt,
Und stehe jedem vor so zart,
Daß das Andere dabei
Unversäumt geblieben sei.
Das ist nicht ein bieder Weib,
Die ihre Ehre um den Leib,
Den Leib der Ehre halb verläßt.
Sie hat doch Macht, das steht wohl fest,
Sie beide zu bewahren.
Sie laße keines fahren,
Behalte sie beide
Mit Liebe und mit Leide,
Wie es auch steh und falle.
Weiß Gott, sie müsten Alle
Steigen in der Würdigkeit.
Mit Sorgen und mit Arbeit
Soll sie ihr Leib und Leben
Dem goldnen Maß ergeben,
Die Sinne so regieren
Und Leib und Sitte zieren:
Maß allein, das hehre,
Mag hehren Leib und Ehre.

Von allen Dingen auf der Welt,
Die der Sonne Schein erhellt,
Ist keins so heilig als ein Weib,
Die ihr Leben, ihren Leib
An das goldne Maß ergiebt,
Sich selbst mit rechter Liebe liebt;
Und all die Weil und all die Frist,
Daß sie sich selber lieb ist,
So ist es billig auch dabei,
Daß sie der ganzen Welt lieb sei.
Doch die sich selbst zuwider thut
Und so gestellt hat ihren Muth,
Daß sie sich selbst wird ungenehm,
Wer soll die minnen außerdem?
Die sich so selbst entehrte
Und das der Welt bewährte:
Wie sollte Lieb und Ehren
Wohl Jemand an sie kehren?
Man löscht das Verlangen,
War es schon aufgegangen,
Der Liebe namenloses Leben
Geheertem Namen hinzugeben.
Minne trägt sich so nicht feil,
Es ist der Minne Gegentheil,
Die aller Ehren bloße,
Die böse, zügellose.
Die höht der Frauen Würde nicht,
Das weiß das Sprichwort, das da spricht:
Die Manchem Minne sinnet,
Ist Manchem ungeminnet.
Der darnach stehn die Sinne,
Daß alle Welt sie minne,
Die minne recht sich selber nur
Und zeig uns ihrer Minne Spur:
Ist es der rechten Minne Tritt,
All die Welt die minnet mit.

Ein Weib, die ihre Weiblichkeit
Behütet vor des Leibes Streit,
Daß sie der Welt gefalle,
Die soll die Welt auch alle
Würden und schönen,
Blumen und krönen
Mit täglichen Ehren
Und so die eignen mehren.
Wem die sich einst verpfändet
Und Alles an ihn wendet,
Das Leben mit den Sinnen,
Ihr Meinen und ihr Minnen,
Der ward selig geboren,
Der ist geboren und erkoren
Zu selgem Leben alleweis,
Das lebendge Paradeis
Liegt im Herzen ihm begraben.
Der darf keine Sorge haben,
Daß ihn der Hagen fange,
So er nach Blumen lange;
Daß der Dorn ihn steche,
Wenn er die Rosen breche.
Da ist kein Hagen, ist kein Dorn,
Da ist der Distel, dem Zorn
Zu wachsen nicht beschieden.
Der rosige Frieden
Hat es alles ausgeschlagen,
Dorn und Distel und Hagen.
In diesem Paradeise,
Da entsprießt dem Reise,
Da ergrünt und wächset nichts
Als eine Lust des Augenlichts.
Es steht in voller Blüthe
Von weiblicher Güte.
Es ist kein Obst darinne
Als Treue und Minne,
Ehr und weltlicher Preis.

Ahi, in solchem Paradeis,
Wo solche Lust sich fände,
Das so gemaiet stände,
Da träf ein seliger Mann
Seines Herzens Seligkeit wohl an,
Seiner Augen Wonne möcht er sehn.
War ihm übler wohl geschehn
Als Isolden und Tristanden?
Hat er mich recht verstanden,
So braucht' er wahrlich nicht sein Leben
Um Tristans Leben hinzugeben.
Denn Wem ein rechtgeschaffen Weib
Sich ergiebt mit Ehr und Leib,
Ihm Beides in die Hände legt,
Ach, wie sie Den von Herzen pflegt!
Wie hält sie ihn in süßer Pflege!
Wie räumt sie alle seine Wege
Von der Distel und dem Dorn,
Vor allem grämenden Zorn!
Wie wahrt sie ihn vor Herzensnoth,
Daß keine zärtliche Isot
Je ihrem Tristan holder war.
Ich halt auch für gewiss und wahr,
Wer suchte nach den Holden,
Es leben noch Isolden,
Daran man Alles fände,
Ein Glück all sonder Ende.

Zu der Hut zurückgekommen:
Den Gelieben, wie ihr habt vernommen,
Tristanden und Isoten,
Als ihnen ward verboten,
Die Hut fiel ihnen also schwer,
Daß sie viel heißer als vorher
Nur ihrer Wünsche dachten,
Bis sie es auch vollbrachten
Zu ihrem großen Leide:
Denn Leid gewannen Beide
Davon und tödtliche Klage.

Es war an einem Maientage
Und heiß der Sonne Stralen;
Ihre Ehre must es zahlen.
Zwiefaches Sonnenscheinen schien
Isolden der Königin
In ihr Herz und ihre Sinne,
Die Sonne und die Minne.
Ihr sehnend Herz, die heiße Zeit
Versuchten sie im Wettestreit.
Da wollte sie der Sonnenglut
Und ihrem sehnenden Muth
Mit Einem Mal entspringen
Und fiel recht in die Schlingen.
Sie gieng zum Baumgarten,
Der Gelegenheit zu warten,
Ob sie zu Statten fände Schatten,
Schatten, der ihr da zu Statten
Käme bei der Schwüle
Mit Einsamkeit und Kühle.
Und allzuhand, da sie ihn fand,
Ließ sie ein Bette da zuhand
Gar schön und köstlich machen
Mit Decken und Leilachen;
Purpur ward und Bliant,
Königliches Bettgewand,
Darüber hingespreitet.
Als das Bette wohl bereitet
Nun stand im kühlen Grunde,
Da legte sie la blunde
In ihrem Hemde darein.
Die Jungfraun hieß sie insgemein
Entweichen aus dem Garten
Und nur Brangänen warten.

Ein Bote lief zu Tristan hin
Und meldete, die Königin
Müß ihn sprechen an der Statt.
Nun that er recht wie Adam that:
Den Apfel, den ihm Eva bot,
Den aß er und mit ihr den Tod.
Er kam, da gieng Brangäne fort
Zu den andern Frauen dort;
Mit Sorgen muste sie ringen.
Sie gebot den Kämmerlingen,
Die Thüren zu verschließen
Und daß sie Niemand ließen
Hinein, sie selbst gebot es dann.
Die Thüren wurden zugethan,
Und als Brangäne niedersaß,
Beklagte sie es ohne Maß
In ihrem sinnenden Muth,
Daß keine Furcht und keine Hut
Bei ihrer Herrin mehr verfieng.

Über solchem Sinnen gieng
Der Kämmrer Einer vor die Thür,
Und stand noch nicht so bald dafür,
So kam der König gegen ihn
Gegangen, nach der Königin
In großer Hast zu fragen.
Jedes Fräulein konnt ihm sagen:
»Sie schläft, Herr, wie ich wähne.«
Die trauernde Brangäne
Erschrak und blieb vor Schrecken stumm:
Auf die Achsel fiel das Haupt ihr um,
Hand und Herz entsanken ihr.
Der König sprach: »Nun saget mir,
Wo schläft sie denn, die Königin?«
Da wiesen sie zum Garten ihn.
Und Marke wandte sich zuhand
Dahin, wo er sein Herzleid fand:
Weib und Neffen fand er
Mit Armen zu einander
Geflochten so gedrange,
Ihre Wang an seiner Wange,
Ihren Mund an seinem Munde.
Was er da sah zur Stunde,
Was ihn die Decke sehen ließ,
Sich außerhalb der Linnen wies
Hier an dem obern Ende:
Ihre Arme, ihre Hände,
Brust und Achsel, das war all
So nah zusammen und so prall
Gezwungen und geschloßen,
Ein Bildwerk, das gegoßen
Aus Erz und Golde stände,
So feste Fügung fände
Man so leicht nicht daran.
Die Königin und Tristan,
Sie schliefen fest und lange,
Weiß nicht nach welchem Gange.

Der König, als so offenbar
Sein Unheil ihm vor Augen war,
Da lag vor ihm zum ersten Mal
Unläugbar seines Herzens Qual.
Sein Urtheil hatt er nun empfahn,
Hin war der Zweifel, war der Wahn,
Womit er ringen muste:
Er wähnte nicht, er wuste.
Was er zu wißen lang begehrt,
Zu wißen war ihm nun gewährt.
In Treuen aber ist mein Wahn,
Viel sanfter hätt es ihm gethan
Zu wähnen als zu wißen.
Wie lang er sich geflißen,
Zu kommen aus des Zweifels Noth,
Nun war es sein lebendger Tod.
So gieng er schweigend dannen.
Seine Räthe, seine Mannen,
Ließ er rufen; die erschienen:
Da hub er an und sprach zu ihnen,
Wie ihm gemeldet wäre
Für eine wahre Märe,
Die Königin und Tristan,
Die träfe man beisammen an.
Sie sollten Alle mit ihm gehn
Und sie da Beide selber sehn,
Und fände man sie also dort,
Daß man sogleich ihm an dem Ort
Recht und Gericht bescheide
Nach dem Landrecht über Beide.

Nun war die Weile gar gering,
Als Marke von dem Bette gieng
Und wenig Schritte kam davon,
Da erwachte Tristan schon,
Und sah ihn von dem Bette gehn.
»Ach«, sprach er, »was ist hier geschehn,
Getreue Brangäne!
Weiß Gott, Brangän, ich wähne,
Dieß Schlafen geht uns an den Leib.
Isot, erwachet, reines Weib,
Herzenskönigin, erwacht,
Wir sind verrathen, habet Acht.«
»Verrathen«, sprach sie, »wie das, wie?«
»Mein Herr, der König, stand dahie.
Er sah uns wohl, und ich sah ihn.
Jetzt geht er eben von uns hin
Und weiß es allzumal so wohl,
Daß ich ersterben muß und soll.
Er will zu diesen Dingen
Helfer und Zeugen bringen:
Er trachtet nur nach unsern Tod.
Herzensfraue, Schön Isot,
Nun müßen wir uns scheiden
So völlig, daß uns Beiden
So gute Statt sich nimmermehr
Zu Freuden bietet als vorher.
Nun nehmt in eure Sinne
Wie lauterliche Minne
Wir uns trugen bis heran,
Und seht ob sie noch währen kann.
Laßt mich aus euerm Herzen nicht,
Denn was geschieht, bis meines bricht
Kommt ihr daraus mir nimmer.
Isolde die muß immer
In Tristandens Herzen sein.
Nun schauet, Herzensfreundin mein,
Wie ich von euch die Ferne
Schwer zu ertragen lerne,
So vergeßet mein um keine Noth,
Douce amie, bele Isot,
Gebietet mir und küsset mich!«

Ein wenig trat sie hinter sich
Und sprach mit Seufzen wider ihn:
»Ach Herr, unser Herz und Sinn,
Die waren nun zu lange,
Zu eng und zu gedrange
Der Einigung beflißen,
Sie mögen nimmer wißen
Was Scheiden und Vergeben sei.
Seid ihr mir fern, seid nahe bei,
So soll doch in dem Herzen mein
Kein Leben und kein Weben sein
Als Tristan nur, mein Leib und Leben.
Ich hab euch lange nun ergeben
Mein Leben, Herr, und auch den Leib:
Nun seht, daß mich kein ander Weib
Jemals von euch scheide:
Wir seien immer Beide
Uns zu der Lieb und Treue
Erbötig stäts aufs Neue,
Die lange, nun so lange Frist
So rein in uns gewesen ist.
Nehmet hin dieß Fingerlein:
Dieß laßt zur Urkunde sein
Der Treue und der Minne:
Und wenn ihr je die Sinne
Dazu bewegt fern oder hier,
Daß ihr was minnet außer mir
Und seht ihrs an, so denkt dabei
Wie meinem Herzen jetzo sei.
Gedenket an dieß Scheiden,
Wie nahe jetzt uns Beiden
Ans Herz greift seine Bitterkeit.
Gedenket mancher schweren Zeit,
Die ihr mich habt erleiden sehn
Und laßt euch Niemand näher gehn:
Isold will eure Freundin sein.
Um Niemand denn vergebet mein.
Wir Beide haben Lieb und Leid
So treulich in Geselligkeit
Getragen bis zur Stunde,
Wir sollen sie im Bunde
Auch billig tragen bis zum Tod.
Herr, ist es gar ohne Noth,
Daß ich so dringend mahne dran.
War je Isolde mit Tristan
Ein Herz und eine Treue,
So sind wirs stäts aufs Neue
Und müßens bleiben nah und fern.
Doch Eine Bitte thät' ich gern:
Wohin des Landes ihr auch fahrt,
Daß ihr, mein Leben, euch bewahrt,
Denn wenn ich des verlustig bin,
So bin ich, euer Leben, hin.
Mir, Euerm Leben, will ich
Um euretwillen, nicht um mich,
Gute Hut und Pflege geben;
Denn euer Leib und euer Leben,
Das weiß ich wohl, das liegt an mir,
Ein Leben sind und waren wir.
Bedenkt, sei euch geboten,
Auch euern Leib, Isoten.
Laßt mich an euch mein Leben sehn
Sobald es immer kann geschehn,
Und seht auch eures dann an mir:
Unser Beider Leben führet Ihr.
Nun geht herzu und küsset mich:
Tristan und Isot, ihr und ich,
Wir Zwei sind immer Beide
Ein Ding in Lieb und Leide.
Laßt diesen Kuss das Siegel sein,
Daß ich euer und ihr mein
Verbleiben stäts bis an den Tod:
Nur Ein Tristan und Isot!«

Mit diesem Siegel auf ihr Wort
Tristan gieng seines Weges fort
Mit Jammer und mit mancher Noth;
Sein Leben, andrer Leib, Isot
Verblieb mit manchem Leide:
Die Spielgenoßen Beide,
Sie hatten sich geschieden nie
Mit solcher Marter noch als hie.

Nun war der König auch gekommen
Und hatt ein Heer mit sich genommen
Der Höflinge und Räthe.
Doch kamen sie zu späte.
Sie fanden nur Isoten doch:
Die lag in ihrem Bette noch
In Gedanken wie vorher.
Als da der König Niemand mehr
Als allein Isolden fand,
Da nahm der Rath ihn bei der Hand
Und führt' ihn auf die Seite hin.
»Herr König«, sprachen sie, »hierin
Verseht ihrs, merkt die Lehre,
Euer Weib und eure Ehre,
Daß ihr die so oft und viel
Hin und her als wärs ein Spiel
Zu lästerlicher Inzicht zieht,
Gar ohne daß euch Noth geschieht.
Ihr haßet Ehr und Weib zugleich,
Am allermeisten haßt ihr euch.
Wie mögt ihr jemals werden froh,
Dieweil ihr eure Freude so
An euerm Weibe schändet,
Sie zum Märchen macht und sendet
Das über Hof und über Land,
Und habt doch nichts an ihr erkannt,
Das wider ihre Ehre sei.
Welche Schuld meßt ihr der Köngin bei?
Warum fälschet ihr die,
Die Falschheit hat begangen nie?
Herr, eurer Ehre wegen
Laßt Solches unterwegen.
Vermeidet so gethanen Spott
Um euretwillen und um Gott.«
So mahnten sie ihn Alle ab
Bis er den Reden nachgab,
Von seinem Zorne ließ und dann
Ungerochen gieng hindann.


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